Groß: Die erfundenen arabischen Relativpronomen. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Klassisch- Arabischen

Die erfundenen arabischen Relativpronomen. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Klassisch- Arabischen

Markus Groß

  1. Einleitung

Bereits im zweiten Sammelband der Inârah-Reihe wurde vom Verfasser in ei­nem Kapitel seines Beitrages die Frage aufgeworfen, inwieweit das Ara­bische des Koran, das phonologisch und morphologisch die Grundlage auch des modernen Hocharabischen bildet, als das genetische Bindeglied zwi­schen modernen Dialekten und deren altsemitischer Vorstufe angesehen werden kann[1].

Diese Frage mag für einen Arabisten zunächst befremdlich anmuten, gilt es doch als gesichert, dass die arabische Hochsprache (al-fusa), weitest­gehend identisch mit der Sprache des Koran und der der sogenannten vor­islamischen Poesie, nicht nur das gemeinsame Bindeglied der modernen Araber sei, sondern auch die Ursprache, aus der sich die modernen Dialekte ableiten lassen.

In vielen, vielleicht sogar den meisten Fällen ist die Ableitung moderner aus klassischen Formen zwar ohne weiteres möglich, in einigen Punkten je­doch ist es so, dass das Klassisch-Arabische[2] den anderen semitischen Spra­chen gegenüber ein isoliertes Phänomen aufweist. Dies ist zum Beispiel der Fall bei maskulinen Substantiva mit der Femininendung -a(tun), z.B. alīfatun – Kalif. In keiner anderen altsemitischen Sprache gibt es solche Bildungen.

In anderen Fällen steht es in Opposition zu den auf der anderen Seite der Zeitachse sich befindenden modernen Dialekten. So hat keiner der mo­der­nen Dialekte die Endungen des hocharabischen Konjunktivs und Indika­tivs bewahrt, die Opposition „yaktubu (Indikativ) – yaktuba (Konjunktiv)“ ist in modernen Dialekten insgesamt verloren gegangen. Das gleiche gilt für die Kasusendungen beim Substantiv (-u (Nom.), –i (Gen.), –a (Akk.)), die insgesamt abgefallen sind.

Diese beiden Phänomene sind für sich genommen noch nicht über­ra­schend. Phänomene, die eine Sprache von ihren Schwestersprachen unter­scheiden, sind sogar zu erwarten, da eine neue Untergruppe einer Sprach­familie nur durch Neuerungen gegenüber dem alten Sprachzustand defi­niert ist. So ist von allen romanischen Sprachen nur im Rumänischen der Artikel nachgestellt (lup-ul gegenüber Formen wie „le loup“, „il lupo“, „el lobo“ etc.) und nur im Portugiesischen und dem damit nahe verwandten Galizischen gibt es einen persönlichen Infinitiv (para compreenderem – für Verstehen ihres = damit sie verstehen). Verdächtig sind solche Phänomene also nicht per se, sondern nur durch besondere Begleitumstände.

So gibt es im Falle der auf den ersten Blick weiblichen Endung -atun an maskulinen Substantiven beispielsweise die alternative Erklärung von Christoph Luxenberg, der darin einen Reflex des nachgestellten syrischen Artikels ā sieht. Dies ist vor allem auch deshalb die wahrscheinlichere Er­klä­rung, da die normale feminine Endung -atun in Pausa im Hoch­arabischen und auch fast überall in modernen Dialekten als ā gesprochen wird. Die Form alifatun“ wurde also alīfā gesprochen, was genau dem Syrischen ḥlīā(mit Endartikel –ā) entspricht.

Des weiteren fällt hierbei ins Gewicht, dass es belegte alternative Formen auf bzw. -āʾ gibt,  deren Schreibung schwankt und die möglicherweise ebenfalls auf diese Endung zurückgehen.

Die verschiedene Schreibung erklärt sich dadurch, dass die Endung nicht als syrischer Artikel erkannt wurde und deshalb anders, nämlich als vermeintlich genuin hocharabisches Morphem, verstanden wurde.

Auch bei der zweiten Gruppe von Phänomenen, dem Verlust einer cha­rak­teristischen Eigenschaft des Klassisch-Arabischen in allen Dialekten, kann darauf verwiesen werden, dass auch dies in anderen Sprachgruppen gang und gäbe ist. So haben alle romanischen Sprachen die lateinischen synthetischen Passivformen (z.B. am-or, am-aris etc.) restlos verloren. In einigen Fällen hat nur eine der Tochtersprachen ein Element behalten, zum Teil auch nur in Relikten. So ist der lateinische Konjunktiv Imperfekt (am-arem, am-ares etc.) nur im modernen Sardischen erhalten.

Verdächtig sind solche Phänomene also ebenfalls nur unter bestimmten Umständen, z.B. dann, wenn die im Klassisch-Arabischen vorkommenden Formen weder in modernen Dialekten, noch in altsemitischen Schwester­sprachen eine Entsprechung haben. Verstärkt würde dies noch dann, wenn die modernen Dialektformen den Formen älterer Sprachstufen mehr ähneln als den klassisch-arabischen.

Bei der nun folgenden Studie soll es um eine Gruppe von Formen gehen, auf die einige dieser Kriterien zutreffen: die klassisch-arabischen Relativ­pronomen, deren Regeln im folgenden Kapitel zunächst einmal in Kürze vorgestellt werden sollen.

Die darauf folgende Behandlung der entsprechenden Formen soll dabei in mehreren Schritten erfolgen: Zunächst einmal werden die bei arabischen Grammatikern erwähnten (angeblichen) Formen in anderen alten Dialekten besprochen, wobei auch auf das Problem der Verlässlichkeit dieser Angaben einzugehen ist. Sodann müssen, in einem weiteren Schritt der Ausweitung des Gesichtskreises, die schriftlichen, v.a. epigraphischen Zeugnisse alter, vorislamischer arabischer Dialekte mit dem Befund des klassischen Arabi­schen verglichen werden. Wie wir sehen werden, passen praktisch alle hier anzutreffenden Formen nicht zum Klassisch-Arabischen.

Der nächste Schritt ist dann die Betrachtung der Verhältnisse in anderen altsemitischen Sprachen, sozusagen rückwärtsgerichtet auf der Zeitachse, ge­folgt von dem Vergleich mit modernen arabischen Dialekten. Auch hier darf man das Ergebnis insoweit vorwegnehmen, dass mit einer einge­schränk­ten Ausnahme nirgendwo Verhältnisse herrschen, die auch nur an­nähernd mit denen der Sprache des Korans vergleichbar sind.

Und schließlich wird das Problem der arabischen Relativpronomen noch aus universalem und typologischem Blickwinkel heraus untersucht, um die Frage zu beantworten, wie „normal“ oder besser „typologisch wahr­scheinlich“ die Verhältnisse im Klassisch-Arabischen zu beurteilen sind.

Nachdem das Thema auf diese Weise aus mehreren Perspektiven sozu­sagen „in die Zange genommen“ worden ist, wird in einem abschließenden Kapitel versucht, die Entstehung der arabischen Relativpronomen nachzu­zeichnen und die nicht unbeträchtlichen Auswirkungen auf die Geschichte der arabischen Sprache, die sich dadurch ergeben, zur Diskussion zu stellen.

Zuletzt sollte erwähnt werden, dass der vorliegende Beitrag nur die Kurz­version einer ausführlicheren Behandlung des Themas im Rahmen einer in Vorbereitung befindlichen Monographie darstellt.

  1. Die Relativpronomen im Hocharabischen

2.1 Die Regeln im Klassisch-Arabischen und modernen Hocharabisch

Streng genommen ist die Bezeichnung Relativ-„Pronomen“ für das Klas­sisch-Arabische nur aus Analogie zur grammatischen Beschreibung der klas­si­schen Sprachen Latein und Griechisch so gewählt worden, treffender wäre die Bezeichnung „Relativanzeiger“. Im Folgenden werden die Regeln des Gebrauchs kurz dargestellt, so wie sie in den meisten Lehrbüchern zu finden sind. Die Darstellung stützt sich dabei auf folgende Quellen (in alphabetischer Reihenfolge):

Ambros, Arne A., Einführung in die moderne arabische Schriftsprache, 2.Aufl., München 1979.

Denz, Adolf, Die Struktur des Klassischen Arabisch, in: Wolfdietrich Fischer (Hrsg.), Grundriss der arabischen Philologie. Band 1: Sprach­wissenschaft. Wiesbaden 1982, S. 58-82, hier S. 72.

Fischer, Wolfdietrich/ Jastrow, Otto, Lehrgang für die arabische Schrift­sprache der Gegenwart. 3., durchgesehene Auflage. Wiesbaden 1982.

Harder, Ernst/ Paret, Rudi (Neubearb.), Kleine Arabische Sprachlehre. Methode Gaspey-Otto-Sauer, 7.Aufl., Heidelberg 1959; dazu auch die ursprüngliche Ausgabe: Harder, Ernst, Arabische Konversations­gram­matik, Heidelberg 1910.

Tritton, A. S., Arabic. A complete working course. Teach Yourself Books, Evenoaks, Kent/ London 1943.

Wright, W., de Goeje, M. J.: A Grammar of the Arabic Language translated from the German of Caspari and edited with numerous additions and corrections, 2 Bde., 3. Auflage Cambridge 1896 und 1898, Neudruck Cambridge 1951.

Zusätzlich wurden folgende Wörterbücher hinzugezogen:

Wahrmund Adolf, Handwörterbuch der neu-arabischen und deutschen Sprache, 3 Bd., 1898, Nachdruck Beirut 1980 (Librairie du Liban).

Wehr, Hans, A Dictionary of Modern Written Arabic; edited by Milton Cowan. New York 1960 (?), Reprint Libanon 1980.

Al-Munǧid (المنجد) fī l-luġati wa l-ʾaʿlām, aṭ-ṭibʿatu s-sābiʿatu wa l-ʿišrūn (27. Druck), Beirut 1984.

Die grammatischen Formen der arabischen Relativpronomen können mit allen Nebenformen tabellarisch folgendermaßen dargestellt werden:

Maskulin

 

Feminin
Sg. ʾallaḏī (alle Kasus)

(ʾallaḏi, ʾallaḏ,

 ʾallaḏiyyu, ʾallaḏiyyi,

 laḏī)

الذي ʾallatī

(ʾallati, ʾallat, ʾallātī)

التي
Dual Nom. ʾallaḏāni

(ʾallaḏānni, ʾallaḏā)

اللذان ʾallatāni

(ʾallatānni, ʾallatā)

اللتان
Dual

Gen.-Akk.

ʾallaḏāyni

(ʾallaḏaynni)

اللذين ʾallatayni

(ʾallataynni)

اللتين
Plur.

 

ʾallaḏīna (alle Kasus)

(ʾallaḏī, ʾallāʾī, ʾallāʾi)

Nom. ʾallāʾūna,

Gen./ Akk. ʾallāʾīna,

                    ʾalʾulā

الذين ʾallātī / ʾallāʾī /

ʾallawātī

(ʾallāti, ʾallāʾāti,

 ʾallawā, ʾallāʾi,

 ʾalʾulā)

اللاتي/ اللائي

اللواتي

Die in Klammern kursiv gesetzten Formen werden nur bei Wright als Neben­formen aufgeführt, wobei er in einigen Fällen durch größere und klei­nere Drucktypen noch nach Wichtigkeit unterscheidet, was hier nicht abgebildet ist. Zudem gibt er für die Formen, die normalerweise mit einem Alif geschrieben werden, meist auch die Variante mit zwei Alif an, wobei er die Meinung vertritt, die Schreibung mit einem Alif sei dem häufigen Ge­brauch geschuldet. In der Tabelle erscheinen die einzelnen Formen in der jeweils „normalen“ Form (wie sie bei allen außer Wright stehen), wobei Formen mit zwei Alif grau unterlegt sind.

Bei der Form ʾalʾulā gibt er auch eine Variante mit lang geschriebenem ū an, die jedoch mit kurzem u zu lesen ist (vgl. unten). Schließlich gibt Wright an, dass die moderne Form des Umgangsarabischen („the modern, vulgar form“) für alle Numeri, Genera und Kasus ʾillī lautet. Zu weiteren von ihm erwähnten altarabischen Dialektformen siehe unten.

Schon auf den ersten Blick fallen mehrere Besonderheiten auf:

  1. Die Relativpronomen sind dekliniert, anders als z.B. im Hebräi­-    schen und in modernen Mundarten, wo nur indeklinable Relativ­    anzeiger vorkommen.
  2.     Es gibt sehr viele Nebenformen.
  3. Die Schreibung ist inkonsequent.
  4. Die Pluralendung allaḏīna ist überraschend. Zu erwarten wäre

hier eigentlich ein Nominativ *allaḏūna.

  1. Flektierte Formen mit den zu erwartenden Endungen gibt es

ausgerechnet im seltenen Dual.

  1. Wie wir noch sehen werden, richtet sich die Flexion nicht nach der Funktion im Relativsatz, sondern nach der des Bezugswortes.

Kienast[3] gibt in seinem Standardwerk zu den semitischen Sprachen folgende Tabelle mit klassischen Formen und denen des Dialektes der Ṭayyiʾ, deren Authentizität noch zu besprechen sein wird:

mask.

Kl. Ar.      Ṭayyiʾ

fem.

Kl. Ar.      Ṭayyiʾ

Sg. Nom. ʾallaḏī ḏū ʾallatī ḏātu
      Gen. ḏī ḏāti
      Akk. ḏā ḏāta
Du. Nom. ʾallaḏāni ḏawā ʾallatāni ḏātā, ḏawātā
      Obliquus ʾallaḏayni daway ʾallatayni ḏātay, ḏāwātay
Pl. Nom. ʾallaḏīna ḏawū ʾallātī

ʾallawātī

ḏawātu
      Obl. ḏawī ḏāwāti

Diese Tabelle zeigt bereits sehr deutlich, was ein Semitist an dem be­stehenden System des klassischen Arabisch unsymmetrisch findet und was man „eigentlich“ erwarten würde. Die Formen ḏū, ḏā etc. kommen nämlich im Klassisch-Arabischen vor, allerdings in der Bedeutung „Besitzer von“, z.B. ḏū mālin – Besitzer von Vermögen = reich; ḏū faḍlin – Besitzer von Vor­züglichkeit = vorzüglich. Der Plural der Form lautet ulū.  Der fast iden­tischen Tabelle werden wir weiter unten noch einmal begegnen (S. 445f.)

Die Form entspricht aber etymologisch im Prinzip dem unver­änder­li­chen Relativpronomen des Aramäischen d(i) und dem der vorislamischen Inschriften (s. Kap. 5). In dieser Verwendung kommt ḏū aber im Klassisch-Arabischen nicht vor, und selbst wenn man bei den vorkommenden Formen jeweils die Vorsilben ʾalla- abtrennt, passt das verbleibende nicht zu den sonst vorhandenen Formen von ḏū.

Für die bereits erwähnte Tatsache, dass sich die Form nach dem Kasus des Bezugswortes richtet, wobei Objekte im Relativsatz wieder aufgenom­men werden (Typ: „Ich gab es dem Mann, welchem ich habe ihn gesehen“), gibt Kienast folgende Beispiele[4] (Umschrift angepasst; Interlinearüber­setzung Verf.[5]):

ʾar-raǧulāni-               llaḏāni     humā     ʿinda-ka –

die beiden Männer,   welche –  sie (sind) bei dir

die beiden Männer, welche bei dir sind

Nach einem Bezugswort im Obliquus nimmt auch das Relativpronomen dieselbe Form an:

lir-riǧlayya-                        llatayni ʿalay-humā                     ʿuran

zu meinen beiden Füßen, welche   auf ihnen beiden (sind) Schlingen

– zu meinen beiden Füßen, an denen Schlingen (sind).

Nach Kienast gibt es eine vergleichbare Konstruktion nur in den ältesten Stufen des Akkadischen. Inwieweit dies jedoch wirklich vergleichbar ist, wird in Kapitel 6.2 behandelt. Weitere Beispiele aus anderen Quellen sind:

ar-raǧulu       -llaḏī       katabtu        la-hu  maktūban

der Mann      welcher  ich schrieb    ihm    einen Brief

der Mann, dem ich einen Brief schrieb

Dass der Kasus des Relativpronomens nicht der Funktion im Relativsatz ent­spricht, kann man ersehen, wenn man den Satz in den Dual setzt (Verf.):

ar-raǧulāni             -llaḏāni                       raʾaytu-humā

die 2 Männer        welche (Nom. Du.)    ich sah die (Dual Akk.)

Das Relativpronomen steht nicht im Akkusativ, der hier (ʾa)llaḏayni heißen müsste und mit dem Genitiv zum sog. Obliquus zusammengefallen ist.

ʾabʿaṯu          ʾilayka       l-marʾatayni              –llatayni           taṭlubu

ich schicke   zu dir        die 2 Frauen (Obl.)    welche (Obl.)   du forderst

min-humā             ḫabara       –bnati-ka.

von ihnen beiden Nachricht von Tochter deiner

Ich schicke dir die beiden Frauen, von denen du Neuigkeiten von deiner Tochter erfragen kannst.

Ein Genitivverhältnis wird folgendermaßen ausgedrückt:

ʾaṭ-ṭabību –llaḏī –bnu-hu         ʿindī –

der Arzt     der      Sohn seiner  bei mir

der Arzt, dessen Sohn bei mir ist

Das Relativpronomen kann auch substantivisch gebraucht werden: „der­jenige, der“: ʾallaḏī (oder: man); „das, was“ – ʾallaḏī  (oder: mā), z.B.:

ʾallaḏī       ʾiltaqaytu                   bi-hi

derjenige  ich traf zusammen  mit ihm

derjenige, dem ich begegnete

ʾa-hāḏā     huwa llaḏī           štarayta-    hu    l-yawma

etwa dies  es       welcher/s  du kauftest es     den Tag

Ist dies dasjenige, was du heute gekauft hast?

Mit man (wer) und mā (was):

ḥadaṯa        mā    tamannaynā    ʾan   yaḥduṯa

es geschah  was  wir wünschten  dass  es geschehe

Es geschah das, von dem wir uns wünschten, dass es geschehen möge.

ʾuḥibbu    man   yaʿdilu

ich liebe   wer    ist gerecht

ich liebe den, der gerecht ist. (I love him who is just)

man     huwa     barrun

wer       er           fromm

der, der fromm ist

Das Realativpronomen kann auch Objektsätze einleiten:

sāʾilū ʿan    -nā   -llaḏī       yaʿrifu  -nā –

fragt  über  uns  welchen  er kennt uns

fragt über uns den, der uns kennt

Die Form kann auch mit Präposition stehen:

taʾtī                   -kum  bi-mā      qulnā

sie überbringt  euch   mit  was  wir sagten

sie überbringt euch, was wir gesagt haben

Eine weitere als Relativpartikel gebrauchte Form ist ʾayyu, f. ʾayyatu – hier: „wer auch immer“; ansonsten mit nachfolgendem Genitiv eines Substantivs gebraucht: ʾayyu raǧulin – welcher Mann

Diese Partikel kann auch mit man und mā kombiniert werden: ʾayyuman – wer auch immer, ʾayyumā – was auch immer.

Das Relativpronomen steht jedoch nur satzeinleitend oder nach deter­mi­niertem Bezugswort. Ist dieses indeterminiert, folgt der „Relativsatz“ unverbunden:

laqaytu   raǧulan         ḫaraǧa            min  bayti-hi –

ich traf  einen Mann  ging hinaus   aus    Haus  seinem

ich traf einen Mann, der aus seinem Haus gegangen war

Eine häufige Alternative zu Relativsätzen sind Partizipialkonstruktionen:

ar-raǧulu  -l-maqtūlatu  ʾummu-hu

der Mann   die getötete  Mutter  seine

Der Mann, dessen Mutter getötet worden ist

Zum Relativpronomen und seinem Gebrauch ist weiterhin folgendes zu sagen: Das Alif/Hamza wird im Satzinnern zum Verbindungs-Alif (Alif waṣla), d.h. es wird nicht ausgesprochen, z.B. bi + ʾallaḏī > bi-llaḏī

Nach Socin (S. 20, § 12 b.) geht die oben erwähnte Nebenform ʾallāʾī auf den Artikel ʾal + das Demonstrativum ʾulāʾi zurück, wobei die erste Silbe elidiert wurde. Auf S. 27 nennt er das Relativpronomen ein „mit dem Artikel (…) zusammengesetztes Deutwort“.

Aus den obigen Beispielen wird nochmals deutlich, warum es sich nicht um Relativ-„pro-nomen“ im eigentlichen Sinne handelt, also um flek­tierte Platzhalter, die im Relativsatz die Funktion des Nomens ein­nehmen und die­ses ersetzen. Sie flektieren nämlich nicht nach der Funktion im Relativ­satz, sondern folgen in Kasus und Numerus dem Beziehungswort im Haupt­satz. Man könnte sie also eher als Relativ-Anzeiger bezeichnen. Der darauffolgende (Pseudo)-Relativsatz ist ein völlig unabhängiger neuer Satz.

Zu der bereits erwähnten Partikel ḏū – Besitzer ist eine Bemerkung Wrights auf S. 265 interessant:

„… ḏū (= Heb. zäh, Phœn. z und ʾz, this) which is commonly used in the sense of possessor, owner. It is thus declined:“

Dazu gehören auch aram. dī, də und Geʿez za, die alle unveränderlich sind.

In einer Tabelle folgt dann ein Übersicht über die Formen von ḏū – Besitzer:

Mask. Fem.
Sing. Nom. ḏū (hebr. zäh) ḏātu (hebr. zoʾt)
          Gen. ḏī ḏāti
          Akk. ḏā ḏāta
Dual Nom. ḏawā ḏawātā (ḏātā)
         Gen. Akk. ḏaway ḏawātay (ḏātay)
Plur. Nom. ḏawū, ʾulū

hebr. ʾēlläh

ḏawātu, ʾulātu
          Gen. Akk. ḏawī, ʾulī ḏawāti, ʾulāti

Diese Tabelle ist fast identisch mit der weiter oben bei Kienast zu findenden mit den angeblichen Dialektformen des Stammes der Ṭayyiʾ. Nach Wright lauten diese:

Mask. Fem.
Sing. Nom. ḏū ḏātu
          Gen. ḏī ḏātu, (ḏāti)
          Akk. ḏā ḏātu, (ḏāta)
Dual Nom. ḏawā ḏawātā
         Gen. Akk. ḏaway ḏawātay
Plur. Nom. ḏawū ḏawātu
          Gen. Akk. ḏawī ḏawātu, (ḏawāti)

Vergleicht man damit die obige Tabelle der Partikel „ḏū – Besitzer von“, so fällt auf, dass diese fast identisch ist. Einziger Unterschied ist das Fehlen der Formen auf ʾulū und die fakultative Verwendung der Nominativformen für die obliquen Kasūs des Feminins (in der Tabelle kursiv).

Der Verdacht drängt sich auf, dass hier von den arabischen Gramma­tikern keine Sonderformen der Ṭayyiʾ wiedergegeben wurden, sondern eine auf Analogie beruhende Tabelle präsentiert wurde. Zudem soll ḏū auch als unveränderliche Form verwendet worden sein. Als Beispiel für den Gebrauch dafür gibt Wright folgenden Satz:

wa-biʾr-ī                   ḏū          ḥafartu     wa-ḏū           ṭawaytu

und Brunnen mein welch-   ich grub   und welch-    ich fasste ein

– und mein Brunnen, den ich grub und den ich einfasste.

(‚and my well which I dug and which I lined (or cased)’)

Die Form ḏū steht hier statt dem fem. ʾallatī, da biʾr Feminin ist. Die eigentlich zu erwartende Form müsste also nach der Tabelle ḏātu lauten.

Was Wright hier nicht erwähnt, ist aber eine weitere Besonderheit. Nach der klassischen Grammatik müsste das Akkusativobjekt im Relativsatz wie-der durch ein Personalpronomen aufgegriffen werden. Klassisch-arabisch würde der Satz also lauten:

wa-biʾr-ī                    ʾallatī     ḥafartu-hā     wa-llatī          ṭawaytu-hā

und Brunnen mein welchen ich grub ihn und welchen ich fasste ein ihn

Für flektiertes ḏū wie laut Tabelle zu erwarten gibt er folgendes Beispiel an:

bi-l-faḍli                  ḏū         faḍḍala-kum          bi-hi

durch die Gunst     welche   begünstigte euch    durch sie

wa-l-karāmati       ḏātu       ʾakrama-kum     –llāhu     bi-hā.

und die Ehre          welche   ehrte euch           Gott       durch sie

(‚by the excellence wherewith God hath made you excel, and the honour wherewith Goth hath honoured you)

Wright gibt hier an, dass die Formen ʾulū, ʾulātu, ʾulū und ʾulāti alle auch so geschrieben werden können, als ob sie in der ersten Silbe ein langes ū hätten, wobei aber immer ein Kurzvokal zu sprechen sei.

Zudem erwähnt er, dass in den Königsnamen des Jemen die Form ḏū oft vorkommt, z.B. ḏū Yazana, ḏū Nuwāsin, ḏū Ruʿaynin, ḏū l-Kalāʿi, und dass man diese Partikeln dann ʾāwāʾu l-yamani nennt, was wie die Pluralform eines Singulars awan aussieht.

Zudem weist er auf die Verwandtschaft der Form kaḏā – „so, so und so, so und so viel(e)“ (mit Alif oder w als Mater lectionis) hin, die aus ka – „wie“ mit folgendem Demonstrativpronomen ḏā zusammengesetzt ist.

Von den oben erwähnten Ur-Demonstrativpronomen (ḏū, ḏā etc.) leitet er dann alle in der Sprache vorkommenden Formen durch Hinzufügung wei­terer Formelemente ab, z.B. in der Nah-Deixis durch Hinzufügung von hā-: hāḏā, in der Ferndeixis durch Anfügen von –ka: ḏāka, f. tāka etc. wobei zusätzlich die demonstrative Partikel –li– vor dieses Suffix eingefügt werden kann: ḏā-li-ka, f. ti-l-ka etc.; tilka ist hierbei für ihn eine Kontraktion aus tī-li-ka. Es ergibt sich hier eine verwirrende Vielfalt von Formen, wobei Wright auch auf die von arabischen Grammatikern angeführten angeb­li­chen feinen Unter­schiede eingeht. So soll der Gen./Akk. aynnika, f. taynnika der Dual von ḏāka sein, wobei das n nur der Verstärkung diene („the second n being in their opinion merely corroborative“, S. 267).

Als weitere damit zusammenhängende Formen werden erwähnt: ayta wa-ayta und kayta wa-kayta – „so und so (thus and thus, so and so, such and such things) mit den Nebenformen ayti wa-ayti, kayti wa-kayti und seltener aytu wa-aytu, kaytu wa-kaytu sowie ayyatu wa-ayyatu, ayyāʾa wa-ayyāʾa und kayyata wa-kayyata.

Die angeblichen feinen Unterschiede zwischen diesen Formen, die nach Wright von einigen Gelehrten gemacht werden, scheinen aber auch ihn nicht wirklich zu überzeugen.

Es fällt hier natürlich auf, dass alle drei Kasusendungsvokale (-u, -a, -i) ohne Bedeutungsunterschied verwendet werden, wobei nicht – wie man ei­gentlich erwarten würde, das den Nominativ bezeichnende –u, sondern das –a die häufigste Form zu sein scheint. Der Verdacht ist also kaum zu un­terdrücken, dass die Formen auf –i und vor allem auf –u nur sekundäre – ar­­chaisierende – Varianten sind. Noch verdächtiger ist die Tatsache, dass die Endungen –atu, -ata, und -āʾa als weitere Varianten auftauchen. Bei defektiver Schreibung ohne Vokalzeichen und Anwendung der phoneti­schen Regeln der meisten (auch altarabischen) Dialekte, z.B. des angeb­li­chen hamzalosen Dialektes von Mekka, wäre die Aussprache hier immer –a.

Es sieht alles danach aus, dass – sollten diese Formen wirklich jemals einer im Alltag gesprochenen Sprache angehört haben – sie auf –a gelautet haben und alle Nebenformen nur sekundäre Versuche gewesen sind, um sie klassisch aussehen zu lassen.

Zuletzt soll nicht unerwähnt bleiben, dass auch die Form, die man ei­gentlich – aus der Sicht des Aramäischen zumindest – als Relativ­prono­men erwarten würde – indeklinables ḏā – zumindest in einigen Fällen in der Tat verwendbar ist[6]:

man wird gelegentlich, wie , durch ḏā erweitert:

man ḏā llaḏī yuḫālifu-nī – wer ist es, der mir widerspricht?“

Siehe hierzu auch Kap. 2.6.

2.2 Dialektformen der Huḏayl und Ṭayyiʾ bei Wright

Neben den normalen Formen des Klassisch-Arabischen und den Formen der Ṭayyiʾ gibt Wright auf S. 271 ff. auch Formen weiterer Stämme an, die „bei den arabischen Grammatikern erwähnt werden“ („according to Arab grammarians“).

So sollen die Huḏayl im Nom. Pl. ʾallaḏūna verwendet haben und im Gen./ Akk. ʾallaḏīna – so wie man es eigentlich erwarten würde. Wright nimmt deshalb auch an, dass diese Formen die ursprünglichen seien.

Sehr aufschlussreich ist seine Schlussfolgerung (S. 271 f.):

„… but gradually the latter supplanted the former, just as in modern Arabic the oblique form of the plur. sanus, -īn, has everywhere usurped the place of the direct form –ūn. Even the singular ʾallaḏī is a oblique form, the nom. of which ought properly to be ʾallaḏū. The forms ʾallaʾūn, gen. and acc. ʾallāʾīn, and ʾallaʾāʾu are also said to occur.“

Mit dem Ausdruck „are said to occur“ scheint Wright Zweifel an dem tat­sächlichen Vorkommen dieser Formen anzumerken. Howell[7] übrigens erwähnt, dass nach einigen auch der Stamm der ʿUqayl diese Form haben solle. Interessanter aber ist seine richtige Beobachtung, dass die Formen des Singulars und Plurals eigentlich Formen des Obliquus sind. Dies ist, uni­versal betrachtet, alles andere als ungewöhnlich. In den Romanischen Spra­chen ist die Form des Singulars der Nomina fast durchgehend auf den Akku­sativ zurückzuführen (sp./ ital. „carne“ < lat. Akk. „carnem“, nicht Nom. „caro“). Noch deutlicher wird es beim Plural auf –s, der in der Westromania ebenfalls auf den Akkusativ zurückgeht (frz. „amis“, span./ port. „amigos“ < lat. Akk. „amicōs“ gegenüber ital. (Ostromania) „amici“).

Ähnliches kann man praktisch überall auf der Welt beobachten. Auch die neupersische Pluralendung für Menschen auf –ān (z.B. in Talib-ān) geht nicht auf den altpersischen Nom. Pl. zurück, sondern auf den Gen. Pl. auf ‑ānam.

Das Ungewöhnliche ist nicht, dass der Obliquus die Funktion des Nomi­nativs übernimmt, sondern dass er sie im seltenen Dual des Relativ­pro­nomens nicht übernimmt.

Zudem wandelt sich ein Sprachsystem im Allgemeinen so, dass die Ka­sus im ganzen System zusammenfallen und nicht punktuell nur in einem Be­reich. Es ist sehr schwer vorstellbar, dass im Relativpronomen ʾallaḏūna die Endung des „gesunden“ maskulinen Plurals –ūna durch die Endung des Obliquus īna ersetzt wird – ganz parallel übrigens zu den Pluralendungen im Hebräischen (īm) und Aramäischen (īn), die ebenfalls beide auf den Obliquus zurückgehen – dass aber bei den normalen Nomina dies nicht geschieht und weiterhin –ūna und –īna unterschieden werden.

Ein weiteres Argument gegen diese Auffassung der klassischen Gram­matik liegt im Koran: Die Endungen –ūna und –īna reimen dort nämlich, was mit den Besonderheiten des arabischen Reimempfindens erklärt wird. Wenn dies stimmen würde, dann müssten auch Wörter, die in Pausa auf ‑ūm und –īm enden, reimen, was nicht der Fall ist. Vergleicht man zudem Reime und Assonanzen (unvollständige Reime) in verschiedenen Sprachen – für das frühmittelalterliche Chinesisch gibt es umfangreiche Reimwör­terbücher – so fällt auf, dass man im allgemeinen bei Konsonanten sehr viel großzügiger ist als bei Vokalen, und dass selbst ähnlich klingenden Vokale wie in „schön“ und „gehn“ im Empfinden der meisten Zuhörer zu „unreinen“ Reimen führen. Dass zwei so unterschied­liche Vokale wie [iː] (im Vokaltrapez ganz vorne, hoch, ungerundet) und [uː] (ganz hinten, hoch, gerundet) im Reimempfinden irgendeines Volkes einen Reim gebildet haben sollen, scheint doch sehr unwahrscheinlich.

Viel wahrscheinlicher ist es wohl anzunehmen, dass diese Reime zur Zeit ihrer Abfassung wirkliche Reime waren und die ausgehenden Silben durch­gehend als īna gesprochen wurden und erst nachträglich eine „Grammati­kalisierung“ stattgefunden hat, die zwar den Reim zerstörte, aber ein archai­scheres und ehrfurchtgebietendes Bild der Grammatik der angeblich gött­lichen Texte darbot.

In einer weiteren Bemerkung verbindet Wright die Formen ʾallaḏī etc. mit den hebräischen Äquivalenten hallāzäh, hallēzū und hallāz (was er zu ʾalla) stellt. Die „Diminutivformen“ ʾallaḏayyā etc. hält er für Ableitungen von ʾallaḏī, nennt sie aber „vulgar and incorrect“.

Einige der bei ihm vorkommenden Formen passen allerdings nicht zur arabischen Phonotaktik, die eigentlich Diphtonge mit anschließender Dop­pel­­konsonanz nicht zulässt. Gemeint sind Fälle wie ʾallaḏaynni. Eine Erklä­rung liefert Howell[8] in seiner mehrbändigen Zusammenführung tradio­neller arabischer Grammatik:

Nach ihm lautet die Form ʾallaḏaynni (d.h. das ʾ wird durch ein darü­bergeschriebenes „ʌ“ neutralisiert (hier dargestellt durch Hochstellung). Diese Variante soll in der Lesart des Ibn Kaṯīr vorkommen. Die Verdop­pelung des nachfolgenden nūn ist daher nur ein Ersatz für den Wegfall des ʾ. Als Beispiel gibt er an:

XLI. 29 – Our Lord, show us the two that – rabbanā ʾarinā ʾallaḏaynni…

Andere Erklärungen, die er von arabischen Grammatikern übernimmt, sind viel weniger überzeugend. So führt er die eigentliche Obliquus-Form für den Nominativ ʾallaḏīna auf ein älteres und dialektal vorhandenes ʾallaḏiyyūna (Obl. ʾallaḏiyyīna) zurück.

Er gibt aber auch ein Beispiel für den Gebrauch der eigentlich zu erwartenden Nominativform in Pausa: ʾallaḏū (S. 583 f., transliteriert mit seiner Übersetzung):

„qawmī llaḏū bi-ʿuqāẓa ṭayyarū šararan

min ruʾsī qawmi-ka ḍarban bi-l-maṯaqīli

My people are they that at ʿUkāẓ made sparks fly

from the heads of thy people, smiting with the weights.“

Auf den folgenden Seiten erwähnt er sodann er eine große Anzahl angeb­licher Dialektvarianten, die sich z.T. auch bei Wright und Rabin wieder­finden (s. dazu Kap. 5.2).

2.3 Wie die Relativpronomen eigentlich lauten sollten

Es lohnt sich, sich zu fragen, wie die Relativpronomen eigentlich lau­ten soll­ten, wenn sie sich analog den Formen von ḏū verhalten würden. Wir wollen uns dabei auf die häufigen Formen beschränken.

Zunächst einmal sollten sie im Singular nicht allaḏī (m.) und allatī (f., beide indekl.) lauten, sondern *allaḏū (Nom.), *allaḏā, allaḏī (m) sowie *allaḏātu für das Feminin. Im Plural sollte es sodann eine Nominativform *allaḏūna und eine Obliquusform allaḏīna geben. Alle Formen mit Stern­chen existieren aber nicht, die beiden übrigen kommen größtenteils in No­mi­nativbedeutung vor, haben aber die Form des Gen. bzw. Obliquus.

Diese Formen sind allerdings nur dann zu erwarten, wenn man von ver­än­derlichen Relativpronomen ausgeht. Wie wir in den folgenden Kapiteln aber sehen werden, wären sowohl aus der Sicht der modernen Dialekte, als auch aus semitistischer und typologischer Perspektive eigentlich eher un­ver­än­derliche Pronomen, z.B.  ḏā / ḏī (wie in mehreren altsemitischen Spra­chen) oder ʾillī (wie in den modernen Dialekten) zu erwarten.

Um eine Erklärung zu finden, sind weitere Untersuchungen nötig. Zunächst aber soll einmal geklärt werden, ob die problematischen Formen überhaupt im Koran vorkommen.

2.4 Vorkommen im Koran

Die in der ersten Tabelle vorkommenden Formen des Relativpronomens kom­men fast alle im Koran vor, einige Formen wie z.B. ʾallaḏī, sind sogar ex­trem häufig. Es folgt nun eine kleine Auswahl an Beispielen, ohne den Anspruch repräsentativ zu sein[9] (Hervorh. und wörtl. Ubers. jeweils Verf.):

  1. ʾallaḏī

Q 25:2  الَّذِي لَهُ مُلْكُ السَّمَاوَاتِ وَالْأَرْضِ

allaḏī lahū mulku s-samawāti wa-l-ʾarḍi

Er, der die Herrschaft über Himmel und Erde hat

  1. ʾallatī

Q 3:131  وَاتَّقُوا النَّارَ الَّتِي أُعِدَّتْ لِلْكَافِرِينَ

wa-ttaqū n-nāra llatī uʿiddat li-l-kāfirīna

Und nehmt euch vor dem Höllenfeuer in acht, das für die Ungläubigen bereitsteht!

  1. ʾallaḏīna

Q1:7  صِرَاطَ الَّذِينَ أَنْعَمْتَ عَلَيْهِمْ غَيْرِ الْمَغْضُوبِ عَلَيْهِمْ وَلَا الضَّالِّينَ

ṣirāṭa llaḏīna ʾanʿamta ʿalayhim ġayri l-maġḍūbi ʿalayhim wa-lā ḍ-ḍallīna

den Weg derer, denen du Gnade erwiesen hast, nicht (den Weg) derer, die d(ein)em Zorn verfallen sind und irregehen!

Diese Form ist sehr häufig in Vokativen wie:

Q 2:104 / Q 2:254  يَا أَيُّهَا الَّذِينَ آمَنُوا

yā-ʾayyuhā llaḏīna ʾāmanū

Ihr Gläubigen! (wörtl.: oh die, welche glauben)

  1. ʾallaḏāni

Q 4:16 وَاللَّذَانِ يَأْتِيَانِهَا مِنكُمْ فَآذُوهُمَاۖ

wa-llaḏīna yaʾtiyānihā minkum fa-ʾāḏāhumā

Und wenn zwei von euch (Männern) es begehen, dann züchtigt (?) sie (w. tut ihnen Ungemach an)!  (wörtl.: und die, welche es kommen zwei von euch = die, von welchen zwei (dies) begehen, die sollen (Imp.) sie züchtigen)

  1. ʾallaḏayni

41:29  ا رَبَّنَا أَرِنَا اللَّذَيْنِ أَضَلَّانَا مِنَ الْجِنِّ وَالْإِنسِ

rabbanā ʾarinā llaḏayni ʾaḍallānā mina l-ǧinni wa-l-ʾinsi

… Herr! Zeig uns diejenigen Dschinn und Menschen, die uns (in unserem Erdenleben) irregeführt haben, …

  1. Die Nebenform ʾallāʾī ist mindestens dreimal belegt.

65:4 وَاللَّائِي يَئِسْنَ مِنَ الْمَحِيضِ مِن نِّسَائِكُمْ إِنِ ارْتَبْتُمْ فَعِدَّتُهُنَّ ثَلَاثَةُ أَشْهُرٍ وَاللَّائِي لَمْ يَحِضْنَۚ
wa-llāʾī yaʾisna mina l-maḥīḍi min nisāʾikum ʾini rtabtum fa-ʿiddatuhunna

ṯalāṯatu ʾašhurin wa-llāʾī lam yaḥidna …

Und wenn ihr bei denjenigen von euren Frauen, die keine Menstruation mehr erwarten, (irgendwelche) Zweifel hegt, soll ihre Wartezeit (im Fall der Entlassung) drei Monate betragen. Ebenso (w. Und) bei denen, die (ihres jugendlichen Alters wegen noch) keine Menstruation gehabt haben. …

Die Formen ʾallatāni, ʾallatayni (Dual Fem. Nom. und Obl.) und die feminine Nebenform ʾallawātī scheinen nicht belegt zu sein.

2.5 Bemerkenswerte Koranstellen mit Relativpronomen

Im Folgenden werden einige Koranstelle besprochen, die in irgendeiner Weise zu Diskussionen oder Bemerkungen Anlass gegeben haben. Die erste dieser Stellen ist folgende: Q 96:9-10:

عَبْدًا إِذَا صَلَّ أَرَأَيْتَ الَّذِي يَنْهَ

ʾa-raʾayta llaḏī yanhā ʿabdan iḏā ṣallā

9 Was meinst du wohl von dem, der 10 einem Sklaven (oder: einem Diener (Gottes)) wehrt, wenn er das Gebet verrichtet?

Günter Lüling[10] schreibt dazu auf S. 44:

„Die Tradition bezieht die Worte ʾallaḏī yanhā, ‚der verneint’, auf den Störenfried der Rahmenerzählung, der angeblich einen muslimi­schen Sklaven am Gebet hindert. (…) Die Tradition deutet das ʾa-raʾayta llaḏī uni sono als ‚was meinst du wohl von dem, der …“. Zamaḫšarī z.B. paraphrasiert ʾabirnī ʿamman…, ‚berichte mir von dem, der …’. Das ist aber eine vom Qurʾān-Text ab- und über ihn hinausgehende Sinngebung: die Paraphrase kommentiert ein Präpo­si­tio­nalobjekt hinzu, das im Qurʾān-Text nicht gegeben ist. Der Qurʾān-Text bedeutet nach Zamaḫšarī „was meinst du von dem, der…“, wo im Original nur steht: „hast du gesehen das, was …“, er bietet keinesfalls zugleich ein personales und ein sächliches Objekt, zu­gleich ein direktes und ein präpositionales Objekt!“ (Kursiv­setzung Verf.)

Im Folgenden verweist Lüling darauf[11], dass in einigen Fällen die Form ʾallaḏī als Konjunktion „dass“ aufzufassen ist. Er wendet dies auf den vor­liegenden Fall an und übersetzt:

„Hast du gesehen (= jemals gesehen), daß ER (Gott) verneint (= ab­lehnt) einen (Gottes)diener, wenn er betet?“.

Zum Gebrauch von ʾallaḏī als Konjunktion s. zudem Kap.3.

Eine Reihe von weiteren Stellen im Koran, zu denen es eine jeweils ähnliche, aber in entscheidenden Punkten abweichende andere Stelle gibt, werden von Hussein Abdul-Raof[12] besprochen. Auf S. 87 führt er die folgenden beiden Sätze auf:

Q32:20: …ḏūqū ʿaḏaba n-nāri llaḏī kuntum bihī tukaḏḏibūna

Ihr bekommt (jetzt) die Strafe des Höllenfeuers zu spüren, die ihr (zeitlebens) für Lüge erklärt habt.

Q34:42: …ḏūqū ʿaḏaba n-nāri llatī kuntum bihā tukaḏḏibūna

Jetzt bekommt ihr die Strafe des Höllenfeuers zu spüren, das ihr (zeitlebens) für Lüge erklärt habt. (Hervorhebungen Verf.)

Raofs Erklärung ist die, dass das Relativpronomen sich im ersten Fall auf das maskuline ʿaḏāba (Strafe) bezogen, im zweiten Fall auf das feminine an-nāri (Feuer), der Wechsel des Personalpronomens bihī/bihā (durch es/sie) und des Relativpronomens allaḏī / allatī sei daher semantisch bedingt.

Eine einfache Verlesung dürfte hier in der Tat nicht vorliegen, da der Rasm der jeweils entsprechenden Varianten verschieden ist. Da der Sinn der beiden Sätze im Zusammenhang jedoch exakt derselbe ist und die beiden angeblichen Bezugswörter ʿaḏāba n-nāri (Strafe des Höllenfeuers) auf jeden Fall zusammengehören, muss hier eine andere Erklärung zutreffen.

Einen weiteren interessanten Fall von zwei parallelen Versen mit den beiden alternativen substantivischen Relativpronomen man und ʾallaḏī behandelt er ebenfalls[13]:

Q7:64 fa kaḏḏabūhu fa-ʾanǧaynāhu wa-llaḏīna maʿahū fī l-fulki

Da ziehen sie ihn der Lüge. Aber wir erretteten ihn und diejenigen, die mit ihm im Schiff waren,

Q10:73 fa kaḏḏabūhu fa-naǧǧaynāhu wa-man maʿahū fī l-fulki

Da ziehen sie ihn der Lüge. Aber wir erretteten ihn und diejenigen, die mit ihm im Schiff waren, … (Hervorh. Verf.)

Abdul-Raofs Erklärung der beiden von derselben Wurzel gebildeten Verben (im Text unterstrichen) mit ähnlicher Bedeutung soll hier nicht behandelt werden, interessant ist aber Raofs Bemerkung, dass das Relativpronomen Pl. und „man” hier synonym seien. Allerdings erklärt er die Wahl von man folgendermaßen:

„Also, the verb (najjā) in sentence (b) signifies multitude and, therefore, (man) is the most appropriate relative pronoun that can collocate with it.“

Bei der Diskussion des Verbes hatte er allerdings von einem semantischen Unterschied nicht gesprochen. Auch geht er mit keinem Wort auf den seiner Hauptthese zugrundeliegenden Kontext ein: Dass es sich nämlich in beiden Suren – wie auch an einer ganzen Reihe weiterer Stellen über den Koran verstreut – um Anspielungen auf die Geschichte von Noah und der Arche handelt.  Die Frage, warum Gott in dem unübertrefflichen Buch, das er sei­nem Propheten übermitteln ließ, diese Episode nicht einmal „ordent­lich” erzählt hat, statt mehrfach nur darauf anzuspielen, kann sich ein gläu­bi­ger Wissenschaftler wie Raof natürlich nicht erlauben. So kann er auch nicht auf die naheliegende Erklärung kommen, dass hier einfach verschiedene Versionen einer Geschichte bei einer späteren Kollation in verschiedene Suren geraten sind, ähnlich den heute noch nachvollziehbaren Har­mo­ni­sierungen der Versionen des Jahwist und Elohist im Alten Tes­t­ment. Hier sollte man aber mit Abdul-Raof nicht allzu streng ins Gericht gehen: Er hat zumindest noch eine nachvollziehbare Entschuldigung für diesen blinden Fleck seiner Sehweise. Von der Legion westlicher Koran­for­scher, die diese Mög­lichkeit – der Koran als spätere ungeordnete Kollation verstreuten Textgutes aus mehreren Jahrhunderten – ebenfalls permanent über­sehen, sollte man jedoch erwarten können, dass sie sich modernen wissenschaft­lichen Standards – und nicht der islamischen Tradition – verpflichtet fühlen.

2.6 Relikte älterer Formen

Im Wörterbuch zum Koran von John Penrice[14] steht unter dem  Stichwort ḏā: ذَا  Folgendes zu lesen:

„ذَا (ḏā) is frequently used with an ellipse of, or instead of الَّذِي (ʾallaḏī), and must be translated ‚that which,’ or ‚he who’, as َمَا ذَا تَأْمُرُونَ (mā ḏā taʾmurūna) 7 v. 107 ‚What then do ye order?’ Literally, ‚What is that which ye order?’ According to the system of the Arab grammarians these demonstratives are all indeclinable nouns, and totally independant of each other;“

Mit dem Koranvers ist gemeint Vers 7:110, da Penrice eine andere Vers­zählung als die des Kairener Koran verwendete. Interessant ist erstens, dass in seiner arabischen Schreibung des Verses das Wort ḏā als zwei Wörter mit klarem Zwischenraum geschrieben ist. Nur so kann ḏā auch als eigenständiges Lemma aufgefasst werden.

Doch gibt es auch Koranstellen, die wie am Ende von Kap. 2.1 gezeigt, die Verwendung von ḏā als Relativpronomen aufweisen:

Q 2:245 man ḏā llaḏī yuqriḍu llāha…

Wer will Gott ein gutes Darlehen geben

Q 2:255 …man ḏā llaḏī yašfaʿu ʿindahū ʾillā bi-ʾiḏnihī…

Wer (von den himmlischen Wesen) könnte – außer mit seiner Erlaubnis – (am jüngsten Tag) bei ihm Fürsprache einlegen?

Hier könnt man jeweils auch ḏā als Relativpronomen übersetzen: „Wer (sollte es wohl sein), der  Gott ein gutes Darlehen geben (könnte)“. Außer­dem kommt auch man ḏā + ʾallaḏī vor:

Q 3:160 … wa-ʾin yaḫḏulkum fa-man ḏā llaḏī yanṣurukum

… Und wenn er euch im Stich läßt, wer könnte euch dann, nachdem er (als Helfer) ausgefallen ist, zum Sieg verhelfen?

In allen Fälle übersetzt Paret so, als ob einfaches man (wer) hier stünde. Er sieht man ḏā als Variante von man an, ebenso wie mā ḏā gemeinhin als Variante von (was) gilt. Dass es sich hier aber durchaus um einen ursprünglichen Relativsatz handeln kann, zeigt das letzte Beispiel mit dem zusätzlichen Relativpronomen ʾallaḏī, bei dem Paret ebenso übersetzt, als ob der gesamte Nexus man ḏā ʾallaḏī nur „wer“ bedeutet.

  1. Abweichender Gebrauch der Relativpronomen

Von dem oben skizzierten Schema gibt es aber sowohl im modernen Hoch­arabisch als auch im Koran abweichenden Gebrauch. Eine sowohl in Dialek­ten, als auch im Hocharabischen, wenn auch selten, vorkommende Erschei­nung ist der Gebrauch des Relativpronomens als Konjunktion, wie bereits in dem Zitat von Lüling erwähnt.

Zu diesem Thema hat Werner Diem einen Beitrag verfasst, in dem er auch auf Vorgänger eingeht[15]. In dieser Arbeit zitiert er zu Beginn Spitaler[16] (Hervorhebungen im Original, Zitat nur verkürzt wiedergegeben):

al-ḥamdu li-llāhi llaḏī ist der Anfang eines normalen, von dem Wort Allāh abhängigen Relativsatzes, aber aus seinem eigentlichen Zusammenhang gelöst und sekundär in eine neue Konstruktion übertragen. (1963, 101)

Es ist nun ganz eindeutig, dass das stereotyp wiederkehrende al-ḥamdu li-llāhi im Lauf der Zeit einer Funktionsschwächung unter­legen ist […]. Dadurch verlor das nachfolgende allaḏī zwangsläufig den lebendigen Zusammenhang mit seinem Beziehungsnomen und der ganze Ausdruck wurde zu einem starren,  wenn auch mit einem ganz bestimmten Affektgehalt geladenen Syntagma, bei dem allaḏī nur mehr als überleitendes Element, als verbindende Partikel, letz­ten­­endes eben als Konjunktion empfunden wurde. Und nunmehr war es natürlich gleichgültig, welche syntaktische Form der anschlie­ßende Satz hatte. (1963, 235)“

Was er meint, ist die Formel al-ḥamdu li-llāhi llaḏī – „Lob sei Gott, weil…“, in der das Relativpronomen die Bedeutung einer Konjunktion hat. In seiner Arbeit zitiert Diem daraufhin mehrere Belege aus dem Hebräischen und Aramäischen, in denen die dortigen entsprechenden Relativpronomen hebr. ašer und aram. dī ebenfalls als Konjunktion fungieren, und zwar in genau entsprechenden Redewendungen (S. 105, 107):

„We can safely infer from these examples that the expanded Arabic doxology al-ḥamdu li-llāhi llaḏī is nothing but a rendition of the Syriac šubḥā l-alāha […] This means that the Arabic relative pronoun allaḏī corresponds to the Syriac d-, which in its chief function is also a relative pronoun. It is true that d- is also a conjunction of wide and vague meaning …“

Etwas später verweist er auch auf die entsprechende hebräische Formel bārūḵ Yahwē ʾašer mit gleicher Bedeutung. Er fragt sich dabei allerdings, warum nicht die viel klareren Konjunktionen hebr. kī, syrisch meṭṭul d- und arab. ʿalā ʾan oder li-ʾan gewählt wurden.

Aber auch in modernen Dialekten gibt es Vergleichbares, wie er der Arbeit von Manfred Woidich[17] entnimmt, z.B. (verteilt auf mehrere Seiten, Umschrift angepasst, Hervorh. Verf.):

il-ḥamdu li-llāhi illi – „Gott sei Dank, daß

ya-ḫāra illi – „schade, daß

ana farḥān illi šuftak – „I am happy because (that) I saw you“.

Der semantische Übergang ist in einigen Fällen nicht so ungewöhnlich, wie folgendes Beispiel zeigt:

ana ḥmār illi dafaʿt il-ḥisāb – ich bin ein Esel, der ich die Rechnung bezahlt habe.

Die Neuinterpretation als Konjunktion („weil ich die Rechnung bezahlt habe“) bedarf hier in der Tat keiner großen Erklärung.

Hier könnte man noch hinzufügen, dass eine ähnliche semantische Ausweitung auch in romanischen Sprachen stattgefunden hat, z.B. im Spanischen, wo das Relativpronomen que auch als Konjunktion mit der Be­deutung weil verwendet wird, wobei in vielen Fällen beide Interpretationen möglich sind, z.B. in dem berühmten Lied von Mercedes Sosa: „Gracias a la vida, que me ha dado tanto – Dank dem Leben, das mir soviel gegeben hat (oder: weil es mir soviel gegeben hat).“

Der Fall von al-ḥamdu li-llāhi llaḏī  liegt für Diem allerdings doch etwas anders. Ein weiterer Fall von erweitertem Gebrauch ist die hocharabische Verbindung „ka-llaḏī – als ob“ (im Dialekt zayy illi). Diem listet in seiner über 40seitigen Arbeit eine große Zahl von Belegstellen auf und differenziert den jeweiligen Gebrauch auf minutiöse Weise. Dabei gibt er auch eine Parallelstelle, die die feminine Form allatī verwendet:

„fa-li-llāhi l-ḥamdu wa-l-minnatu llatī kānati l-ʿaqībatu ḥamīdatan

‚So to God be praise and gratitude that the result (of the affair) was praiseworthy’“ (Unterstreichung Verf.)

Aus Spitalers Korpus zitiert er auf S. 100 außerdem einen Satz aus dem tunesischen Arabisch, in dem sich das Relativpronomen auf ein zukünftiges Ereignis bezieht:

ammin elli tūṣil l-martek w-ulādek – „sei sicher, dass du zu deiner Frau und deinen Kindern kommen wirst.“ (Hervorh. Verf.)

Dabei erwähnt er die Aussage von Hans-Rudolf Singer, dass illi im Tune­sischen fast alle Funktionen des hocharabischen „anna – dass“ über­nommen hat. Hierher gehört auch das von ihm zitierte Beispiel:

ʾaʿlamtuhu llaḏī – „I informed him (of the pleasant / regrettable fact) that“

Des weiteren erwähnt er auch verbale Konstruktionen mit allaḏī als Kon­junktion, was der Ansicht von Spitaler, es habe ein Übergang aufgrund einer „Funktionsschwäche“ stattgefunden, widerspreche (Umschrift ange­passt, gekürzt):

ḥamidtu llāha llaḏī naǧǧānā – I praised God who saved us (> because he saved us)

Die Neuinterpretation des Relativsatzes als Kausalsatz hat für ihn syn­tak­tische, semantische und morphologische Gründe.

  1. Weitere verdächtige Kapitel der arabischen Grammatik

4.1 Das Phonemsystem

In der in der Einführung erwähnten Arbeit des Verfassers im zweiten Sam­mel­band[18] von Inârah wurden verschiedene „verdächtige” Kapitel der  frühen arabischen Sprache behandelt, die hier nur kurz wieder referiert werden, da nur im Zusammenhang mit den dort gewonnenen Erkennt­nissen eine abschließende Bewertung des Befundes bei den Relativpro­nomen möglich ist. Das Phonemsystem des Klassisch-Arabischen sieht nach landläufiger Meinung folgendermaßen aus (in Schrägstrichen das jeweilige Phonem in IPA-Umschrift):

Plosive: ˒         ʾ /ʔ/    ˓ ʿ /ʕ/    b-/b/     t-/t/   d-/d/   k-/k/   q-/q/

Frikative:         f-/f/        ṯ-/θ/       ḏ-/ð/     s-/s/    z-/z/

š-/ʃ/     ḫ-/x/    ġ-/ɣ/   ḥ-/ħ/

Affrikaten:      ǧ-/ʤ/          Nasale:    m-/m/     n-/n/

Laterale:          l-/l/              Trill:         r-/r/

Halbvokale:    w-/w/    y-/j/

Vokale:        a-/a/      i-/i/    u-/u/

Charles Hockett[19] hat in seiner Liste der Sprachuniversalien, d.h. der Charakteristika menschlicher Sprache allgemein, auch die Tendenz zur Symmetrie im Phonemsystem festgestellt. Was dies bedeutet, wird ersicht­lich, wenn man das System der Plosive und Nasale im Deutschen betrachtet: /p t k – b d g – m n ŋ/. Wie man sieht, stehen einer Artikulationsart (stimm­loser Plosiv, stimmhafter Plosiv, Nasal) jeweils eine Artikulationsstelle gegenüber (bilabial, dental, velar). Dass dies im Arabischen auf den ersten Blick nicht gegeben ist, wird sofort deutlich, wenn man sich die Verteilung dort ansieht (sog. emphatische Plosive sind weggelassen):

/ b d (ǧ) – (f<p) t k – m n/.

Was hier auf den ersten Blick fehlt, ist das /g/. Bedenkt man jedoch, dass das hocharabische /ǧ/ im Ägyptischen noch heute die alte Aussprache [g] hat, hat man hier zumindest im System die Lücke gefüllt. Was weiterhin fehlt, ist das /p/. Früher war auch diese Lücke ausgefüllt, das alte /p/ ist jedoch später zu /f/ geworden. Die Tatsache, dass auch bei den Nasalen eine Lücke übrig bleibt, ist nicht überraschend, da diese oft viel schwächer besetzt sind als Plosive, was auch als eine Universalie angesehen werden kann. Wie man sieht, hatte das Arabische in früherer Zeit – und in einem Punkt im heutigen Ägyptischen – ein symmetrischeres System und man soll­te erwarten, dass in modernen Dialekten die eben aufgezeigten Lücken gefüllt werden. Dies ist auch in der Tat der Fall. Das alte /q/ ist in vielen beduinischen Dialekten zu /g/ geworden und ein /p/ wie in /urubba ~ uruppa/ (Europa) ist bei vielen Varianten als entlehntes Phonem in die Spra­che eingedrungen. Der sprachliche Wandel ist hier also systembedingt und geht auf ein universales Bestreben von Sprache als System mehr zurück als auf einen äußeren Einfluss.

Ein weiterer problematischer Fall sind die sogenannten emphatischen Laute: ṭ, ḍ, ṣ ẓ. Thelwall[20] beschreibt diese als „Retracted Tongue Root, involving simultaneous pharyngalization and greater or lesser degrees of velarization”, wobei er folgende IPA-Symbole verwendet: [tˁ, dˁ, sˁ, ðˁ].

In der bereits erwähnten Arbeit des Verf. im zweiten Sammelband wur­den eine Reihe Gründe aufgelistet, die eine alternative Interpretation dieser Laute nicht als pharyngalisierte, sondern als ejektive Laute wie in den semi­tischen Sprachen Äthiopiens und wahrscheinlich im Ursemitischen nahe­legen[21]. Das Hauptargument war dabei folgendes:

Die heutige Aussprache der emphatischen Konsonanten hat starke assi­milatorische Auswirkungen auf die Umgebung. So werden in einem Wort wie adara, in dem nur ein Konsonant emphatisch geschrieben wird, von den meisten Sprechern arabischer Varianten alle drei pharyngalisiert ge­spro­chen. Zusätzlich wird der Vokal [ɒ] gegenüber [æ] bei nicht-empha­tischen ausgesprochen. Dies geht so weit, dass oft auch längere Wörter durch­gehend pharyngalisiert werden, z.B.  „Krankenschwester – mumarriḍa [mu’mˁɑrˁːɨdˁɑ]. Bei ejektiven Lauten gibt es dagegen keinerlei Wirkung auf die Umgebung. Sollte das Arabische also schon in der Frühzeit die pharyngalisierte Aussprache gehabt haben, würde man auch öfter Falsch­schreibungen erwarten, z.B. saara statt adara, ḍiḍḍa statt ḍidda. Solche Fälle kommen in koranischen Manuskripten nicht vor, wohl aber bereits im christlichen Arabisch ab dem 8. Jahrhundert[22].

Dass v.a. das ād ursprünglich nicht wie heute als [dˁ] ausgesprochen worden sein kann, sondern – wie bereits Avicenna bemerkte – eine „l-ar­tige” Aussprache gehabt haben muss, beweisen Übernahmen von arabi­schen Wörtern in andere Sprachen, z.B. des Wortes für den „Richter – qāḍī”, was im Spanischen alcalde und im Somali qalli lautet.

Auch im Syrischen und Hebräischen muss ursprünglich die ejektive Aussprache vorgeherrscht haben, was u.a. an lateinischen Transkriptionen wie Bostra für Bura oder Mopsuestia für Maṣṣitā abzulesen ist, die aber schon relativ früh entweder verlorengegangen ist oder aber durch Pharyn­galisierung ersetzt wurde.

Zusammenfassend können wie also festhalten, dass das Phonemsystem, mit dem die ältesten Korantexte gelesen wurden, sich in wesentlichen Punk­ten von dem des späteren Klassisch-Arabischen und dem moderner Dialekte unterschied.

4.2 Die Kasus- und Modusendungen

Das System der Modusendungen des Klassisch-Arabischen sieht folgender­maßen aus (der Energicus ist weggelassen):

Indikativ Konjunktiv Jussiv (Apokopat)
Sg. 1. a-ktub-u a-ktub-a a-ktub
      2.m. ta-ktub-u ta-ktub-a ta-ktub-u
      2.f. ta-ktub-īna ta-ktub-ī ta-ktub-ī
      3.m. ya-ktub-u ya-ktub-a ya-ktub
      3.f. ta-ktub-u ta-ktub-a ta-ktub
Pl. 1. na-ktub-u na-ktub-a na-ktub
      2.m ta-ktub-ūna ta-ktub-ū ta-ktub-ū
      2.f. ta-ktub-na ta-ktub-na ta-ktub-na
      3.m. ya-ktub-ūna ya-ktub-ū ya-ktub-ū
      3.f. ya-ktub-na ya-ktub-na ya-ktub-na

Dieses System hat keinerlei Reflex in den modernen Dialekten, wo es zwar die Unterscheidung von Indikativ und Konjunktiv gibt, diese aber mit ande­ren formalen Mitteln ausgedrückt werden, z.B. der Indikativ mit der Vor­silbe b(i)-. Die Endungen des Hocharabischen haben jedoch Parallelen in anderen altsemitischen Sprachen, v.a. dem Ugaritischen, und sind somit als Archaismus anzusehen, der jedoch bereits im christlichen Arabisch des 8. Jahrhunderts[23] kaum noch lebendig gewesen sein kann, da hier bereits der Indikativ statt der anderen Modi gebraucht wird.

Auch die Nominalflexion des Klassisch-Arabischen (Nom. –u(n), Gen. –i(n), Akk. –a(n)) ist bereits im christlichen Arabisch des 8. Jahrhunderts fallen gelassen worden. Auch in den Übernahmen der Namen in andere Spra­­chen fehlt i.a. die Endung. Dabei muss ein weiteres Phänomen des Klassisch-Arabischen bedacht werden, das der sog. „diptotischen“ Nomina, die nicht wie in der Regel im Singular drei Kasusendungen besitzen (wie die daher „triptotisch“ genannten Wörter), sondern nur zwei, eine Nominativ­endung „-u“ (indeterminiert!) und eine Endung „-a“ für Genitiv und Akkusativ. Dies kommt vor bei Eigennamen (Aḥmadu / –a, aber triptotisch: Muḥammadun), Steigerungsformen (akbaru – Gen. akbara und den damit ver­wandten Farbbezeichnungen: aḥmaru – Gen. aḥmara) sowie einigen Plu­ral­typen: indeterminiert: madrasa – madārisu statt –un, Gen. madārisa statt –in; determiniert flektiert das Wort normal: al-madārisu – Gen. al-madārisi.

Kienast hält diese Kategorie nicht für ursemitisch[24], und da sie auch in modernen Dialekten nicht vorkomme, dürfe es sich wohl um eine künst­liche, durch Verlesung entstandene, Variante handeln. Alternativ wäre auch möglich, dass das Kasussystem in zwei Stufen zusammengebrochen ist, wo­bei zunächst Gen. und Akk. zu einem Obliquus auf –a zusammengefallen sind (enthalten in den diptotischen Endungen), wobei danach die Endun­gen ganz abgefallen sind.  Dies würde auch das Kasussystem symmetrischer gemacht haben, da im Plural auf ūna dem Nominativ ebenfalls nur ein Obliquus auf īna gegenübersteht.

Ein weiterer verdächtiger Fall ist der bereits erwähnter Maskulina auf ‑a(tun), z.B. ḫalīfatun – Kalif“, die ebenfalls praktisch keine klare Entsprechung in anderen semitischen Sprachen haben. Ähnlich gelagert sind Fälle auf āʾu, z.B. „arāʾu – Wüste“. Bezeichnend ist hier die von Rabin[25] erwähnte die Schwankung bei der Femininform der Elative: ˒afʿalu – fem. faʿlā/  faʿlāʾu (Schreibweise: فَعلَى   oder  فَعلاَءُ ), was ein Indiz dafür sein könnte, dass die Endungen –āʾu und –atun Falschlesungen sind und beide nur langes –ā bezeichnen. Christoph Luxenberg erklärt prinzipiell solche Fälle als Wiedergabe der syrischen emphatischen Endung –ā, die wie der arabische Artikel verwendet wird, daher sei das arabische  خليفةḫalīfatun – Kalif“ eigentlich ohne Punkte auf dem ـه als خليفـه  oder besser خليفا  ḫalīfā zu lesen und geht direkt auf das syrische substantivierte Partizip Pass. Mask. *apylj (ḥlīā) (der an eine Stelle Gesetzte, Substitut, Stellvertreter, Nachfolger) zurück.

Das Problem der Kasusendungen kann von dem der Relativpronomen nicht getrennt werden, da es gerade die Kasusflexion dieser Formen ist, die die meisten Probleme macht. Dabei ist schon sehr früh in den altsemi­tischen Sprachen ein Verlust der alten Kasusendungen zu verzeichnen, wie Kienast bemerkt[26]:

„140.1. In allen Semitischen Sprache ist nach Abfall der Mimation bzw. Nunation ein Schwund der Kasusvokale zu beobachten. Diese Erscheinung begegnet offenbar vornehmlich in der Peripherie des semitischen Sprachraumes, während in dessen Zentrum die kurzen Auslautvokale erhalten geblieben sind. Diese Erkenntnis ist beson­ders wichtig, um die Stellung des Klassischen Arabischen innerhalb der Semitischen Sprachen zu verstehen.“

Er fährt fort auf S. 145:

„Im Akkadischen werden die drei Kasus nur noch in den älteren Sprach­stufen konsequent angewendet; doch bereits im Mittelbabylo­nischen finden sich gelegentlich falsche Kasusvokale …“

„Bereits im Altsüdarabischen können wir nur dort von einem Erhalt der Kasusendungen ausgehen, wo noch die Mimation vorhanden ist; ansonsten ist hier schon früh mit Schwund der Kasusvokale zu rech­nen (…). Im Geʿez mussten das Nominativ-u und das Genitiv-i laut­gesetzlich schwinden und nur das Akkusativ-a ist erhalten.“

Die Situation im Geʿez ist also in etwa die bei den diptotischen Nomina im Klassisch-Arabischen. Weiter schreibt Kienast:

„140.6. Auch in arabischen Randdialekten ist der Verlust der Kasusvokale schon früh eingetreten und nach W. DIEM (ZDMG 123, 1973, 227-237) etwa bereits im Namensmaterial der nabatäischen Inschriften (um das 1. Jhd. v. Chr.) bezeugt. Hier sind dann die gleichen Veränderungen in der Nominalbildung eingetreten wie in den anderen Semitischen Sprachen.“

Bis hierhin passt die Entwicklung des Arabische also zu der der übrigen semitischen Sprachen. Aber Kienast fährt fort:

„Zentralarabische Dialekte mit Erhalt der Kasusvokale sind dem­ge­gen­über zur Grundlage des Klassischen Arabischen geworden, das dann Dialektwörter aufgenommen und diese der Kasusflexion unter­worfen hat. Diese sog. Diglossiesituation ist der Grund für die völlige Zerrüttung des Systems der Nominalbildung im Arabischen.“

Hier sieht Kienast offensichtlich den Erhalt der Kasusflexion als Archaismus der zentralarabischen Dialekte an – die Tatsache, dass der Ḥiǧāz, in dem der Koran ja entstanden sein soll, gar nicht zu Zentralarabien gehört, wird noch zu besprechen sein. Er präzisiert dies noch weiter auf S. 164:

„In arabischen Randdialekten ist es durch Nunationsschwund und Vokalreduktion schon früh zu ähnlichen Entwicklungen wie im jüngeren Kanaʿanäischen und im Aramäischen gekommen. Eine Fol­ge davon dürfte die Ausbildung des Artikels ha- im Thamudischen, Liḥjā­nischen, Safaitischen und Hasaitischen (…) und ʾal im Naba­täisch-Arabischen darstellen. (…) Im Klassischen Arabischen sind da­gegen sowohl die Nunation (< Mimation) wie die Kasusvokale er­hal­ten; die Opposition determiniert: raǧulu : indeterminiert raǧulun ist also intakt. Die Aufnahme des dialektischen ʾal- in die Hoch­sprache kann als weitere Präzisierung des determinierten Nomens angesehen werden.“

Zwei Dinge sind hier bemerkenswert: Erstens sieht er einen Zusammenhang zwischen Abfall der Kasusendungen und Aufkommen des bestimmten Artikels al-, was allerdings im Arabischen ein Problem darstellt, da bei Erhalt der Kasusendungen und der (unbestimmt machenden) Nunation der Artikel eigentlich überflüssig wäre. Er löst das Problem dadurch, dass er annimmt, hier seien Merkmale verschiedener Dialekte gemischt worden.

Dazu ist Folgendes zu sagen: Der Beobachtung Kienasts, dass ein be­stimm­ter Artikel vor allem dann entsteht, wenn Kasusendungen abfallen, ist unbedingt zuzustimmen, wie sehr gut an den romanischen und germa­nischen Sprachen abzulesen ist. Auch bei den slawischen Sprachen ist es ausgerechnet das Bulgarische (mit dem nahe verwandten Mazedonischen), das einen Artikel kennt und die Nominalflexion größtenteils verloren hat. Das Altgriechische mit seiner Kasusflexion und dem bestimmten Artikel widerspricht dem nur scheinbar. Bei Homer ist der bestimmte Artikel nicht obligatorisch, dafür gibt es noch mehr Kasusendungen (z.B. für einen Ablativ).

Was den Erhalt von Kasusendungen in modernen Dialekten angeht, so werden in der Fachliteratur nur drei Dialektgebiete (Zentralasien, Jemen, Zentralarabien) erwähnt, in denen die Nunation allerdings andere Funktio­nen hat als im Klassisch-Arabischen. So schreibt Bergsträsser[27]:

„Von der Nunation der Nomina sind erstarrte Reste hie und da vorhanden; lebendig ist sie noch beduinisch, allerdings ohne Kasusunterscheidung, als Ausdruck der Indeterminiertheit: ilʿen – ein Berg.“

  1. Die Verhältnisse im „Altarabischen“

5.1 „Frühnordarabisch“

Wirkliche Vorgänger des späteren Klassisch-Arabischen haben auf der ara­bischen Halbinsel in vorislamischer Zeit keine wirklichen Spuren hinter­lassen. Dagegen gibt es zumindest einige nahe verwandte Dialekte, die es zu untersuchen lohnt. Walter W. Müller schreibt dazu[28]:

„Epigraphisches Material von erheblicherem Umfang liegt uns aus dem nordarabischen Raum erst vor mit den thamudischen, liḥya­nischen, ṣafaitischen und ḥasaitischen Inschriften, die in Alphabeten abgefaßt sind, welche sich aus der altsüdarabischen Schrift herleiten.“

Dies ist zunächst einmal bemerkenswert. Warum, wenn der Koran denn wirk­lich in Mekka offenbart worden sein sollte, wurde für dessen Aufzeich­nung kein südarabisches Alphabet verwendet. Diese Frage wird von Robert Kerr[29] damit beantwortet, dass er den Ursprung der arabischen Schrift­sprache im sog. Haträischen sucht (Anm. 22, S. 367):

„الحضر‎ , ca. 290 km nordwestlich von Bagdad, wurde von Arabern im 3. Jh. v. Chr. gegründet und lag im späteren Machtbereich des parthi­schen Reichs, zeitweise als selbständiger Pufferstaat oder Unter­fürs­ten­tum (im parthischen Staatsgebilde) zwischen Rom und Ktesi­phon. Sie wurde erfolglos sowohl von Trajan (116/117) als auch von Septimius Severus (198/199) belagert, aber dann vom sassanidischen Kaiser Schapur I. im Jahr 241 n. Chr. eingenommen und zerstört. Zu den Texten vgl. K. BEYER, Die aramäischen Inschriften aus Assur, Hatra und dem übrigen Ostmesopotamien, Göttingen 1998 und B. AGGOULA, Inventaire des inscriptions hatréennes, Paris 1991“.

Eine der Besonderheiten des Haträischen ist das Vorkommen des bestimm­ten Artikels al- wie im Klassisch-Arabischen (s. dagegen unten die anderen Dialekte). Das Haträische gehört mit dem Nabatäischen und Palmyre­ni­schen zu den westaramäischen Dialekten, die auch von Sprechern des Ara­bi­schen als Schriftsprache verwendet wurde. Sollte sich diese Theorie be­wahr­heiten, dann läge der Ursprung des Klassisch-Arabischen eher in Me­so­potamien als auf der Arabischen Halbinsel. Doch wir wollen zunächst zu dieser zurückkehren, um uns die einzelnen dort epigraphisch belegten For­men näher anzusehen. Müller gibt zu den einzelnen Dialekten Folgendes an:

  1. Thamudisch (S. 18): Selbstbezeichnung: md; westliches und zentrales Nord­arabien, besonders in Midian und entlang der antiken Handels­straßen hinab bis nach Naǧrān und bis in den nördlichen Jemen; In­schriften umfassen eine Periode von rund tausend Jahren, 6. Jh. v. Chr. – 4. Jh. n. Chr.; best. Artikel h- (ha-, eventuell usprünglich han-). Zum De­mon­strativ- und Relativ pronomen führt er aus (S. 20):

„Das Demonstrativum hat im Singular masculinum die Form n (ān), im Singular femininum die Formen –n (wohl īn) und t (āt); das Maskulinum zum letzteren, (ā), ist im Adverb b (bi-ā) ‚hier’ enthalten. Das Relativpronomen lautet im Singular mascu­linum – (ū), im Singular femininum āt; ʾl (ū ʾāl) drückt die Zugehörigkeit zu einem Stamm aus.“

  1. Lihyanisch: (einschließlich des Dedanischen); nordwestarabische Oase, wichtige Station auf der Weihrauchstraße; früheste Inschriften schwer zu datieren, evtl. 5. oder 6. Jh. v. Chr.; best. Art. h– (S. 22); der Dual der 3. P. des abh. Personalpronomens ist wie im Sabäischen –hmy (-humay), nicht humā. Zum Relativpronomen sagt er folgendes:

„Das selbständige Demonstrativpronomen hat die Form (ū); in Verbindung mit dem stets determinierten Substantiv lautet es im Mas­kulinum h (ā) und im Femininum t (āt) und wird nach­gestellt, z.B. masculinum hsfr h ‚diese Inschrift’, femininum hbrt t (JS 313, 2-3). Für das Relativpronomen findet sich neben gewöhn­lichem (ū) bei Personen auch mn (man), bei Sachen mh ().“

  1. Safaitisch (Safatenisch) (S. 22 f.): abgefasst „im nördlichen Ausläufer der südarabischen Schrift“; 1. Jh. v. Chr. – 3. Jh. n. Chr.; best. Art. h- (z.B. hʿbd – der Sklave, neben aramäischem ʿbdʾʿabdā); Safaitisch ist

„nach Ṣafāʾ, der Ḥarra südöstlich von Damaskus benannt. Ihre Fund­orte (…) erstrecken sich im Osten bis nach Dura-Europos am mittle­ren Euphrat und im Süden bis in das Wadi Sirḥān und bis in die nörd­lichen Wüstenzonen des heutigen Saudi-Arabien.“

Weiterhin ist interessant, dass mehrere Götternamen auftauchen, u.a. ʾlt / lt (Ilāt, Lāt, S. 23):

„Der gemeinsemitische Gottesname ist nur noch in Eigennamen be­zeugt, und zwar außer in der Form –ʾl (-ʾil) mit der Variante –l auch noch, vor allem im Süden, in der Form –ʾlh (-ʾilāh) mit der Variante –lh, z.B. sʿdʾl und sʿdl neben sʿdlh.“

Außerdem wird ein weiterer bemerkenswerter Lautwandel erwähnt (S. 24):

„Varianten mit –h zu Eigennamen, die sonst auf –t endigen, schei­nen den Übergang der Aussprache von –at zu –ah anzudeuten, z.B. wʾlh (WH 1601; ʾilah neben häufigerem wʾlt.“

Zum Relativpronomen sagt er folgendes (S. 25):

„Das Demonstrativpronomen ist für beide Geschlechter , wahr­schein­lich durch die Vokalisation in ā und ī unterschieden. Als Relativpronomen wurde (dū) gebraucht, daneben auch mn (man); ʾl (dū ʾāl) drückt die Zugehörigkeit zu einer Sippe oder einem Stamm aus.“

  1. Hasaitisch (Hasäisch, S. 25 f.): im nordöstlichen Saudi-Arabien in der Re­gion am Arabo-Persischen Golf; geschrieben im altsüdarabischen Alpha­bet mit einigen wenigen Besonderheiten, ca. 30 Inschriften 5. – 2. Jh. v. Chr. In einem solchen Falle ist immer damit zu rechnen, dass die Sprache stark von der Sprache kontaminiert ist, die das Alphabet geliefert hat, in diesem Falle Altsüdarabisch. Der Artikel lautet hn oder h-. Das Relativ­pro­nomen wird folgendermaßen charakterisiert (S. 26):

„Das Relativpronomen hat im Singular masculinum die Form (ū), im Femininum ʾt, meist in Verbindung mir ʾl (ʾāl) zur Bezeichnung der Sippen- bzw. Stammeszugehörigkeit;“

Die phonetische Interpretation ist interessant, denn

„durch die Schreibung ḏʾt wird sicherlich nicht, wie in arabisch ḏāt, ein Langvokal ā angedeutet, sondern eine Form aʾt(u), auf welche auch der Konsonantentext von hebräisch zōṯ (< *zāt < *zaʾt) ‚diese’ schließen läßt.“

Außerdem

„…lassen jedoch gelegentlich Abweichungen von der altsüdara­bi­schen Norm und Übereinstimmungen mit dem Frühnordarabischen er­ken­nen, etwa in der Schreibung des femininen nominalen Demon­strativums als ʾt (gegenüber sabäisch t; z.B. RES 3605bis, 11; RES 4763,1; Mü 2,3); t gibt möglicherweise, wie im Hasaitischen, noch *aʾtu wieder, sofern nicht ʾ hier bereits, wie in arabisch āt, als mater lectionis für den Langvokal ā dient.“

Zusammenfassend noch einmal die Formen des Relativpronomens und des bestimmten Artikels in einer Tabelle:

Relativpronomen bestimmter Artikel
Thamudisch Sg. m.– (ū), Sg. f. āt h- (ha-, evtl. uspr. han-)
Lihyanisch (ū), bei Personen auch mn (man), bei Sachen mh () best. Art. h
Safaitisch (dū),  mn (man) h-
Hasaitsch Sg. m. (ū), f. ʾt, + ʾl (ʾāl) hn oder h-.

ʾl (dū ʾāl) drückt in allen Dialekten Zugehörigkeit zu einer Sippe aus. Es fällt auf, dass alle diese Dialekte Relativpronomen haben, die den aramäi­schen ähneln und maximal für das Feminin Singular eine eigene Form besitzen, mit den Klassisch-Arabischen Formen aber nicht vereinbar sind. Das gleiche gilt für den Artikel, der überall dem hebräischen ha– ähnelt, nicht aber dem arabischen al-!

Wie wir sehen, spricht nichts dafür, dass der direkte Vorgänger des Klas­sisch-Arabischen von der Arabischen Halbinsel stammt, die Hinweise zei­gen vielmehr in Richtung Mesopotamien.

5.2 „Altwestarabisch“

Wir wollen uns nun der Bezeugung des Klassisch-Arabischen in islamischer Zeit widmen. Wir lesen bei Wolfdietrich Fischer[30] (S. 37):

„Als Klassisches Arabisch bezeichnete man diejenige Form des Alt­ara­bischen, die im 8. Jh. n. Chr. von Sprachgelehrten in Kūfa und Baṣra aufgezeichnet und beschrieben wurde. Die älteste gram­matische Darstellung ist die einfach Kitāb ‚Buch’ genannte Abhand­lung des Persers Sībawaih (gest. 177/793[31]). Sie bietet in 574 Kapiteln eine umfassende Sammlung aller sprachlichen Phänomene der ʿArabīya, der Sprache der Dichtung der nordarabischen Stämme, in der auch der Koran niedergeschrieben worden war, und die daher eine über die arabischen Stämme weit hinausreichende  Bedeutung als Kultur- und Bildungssprache der Muslime erlangt hatte.“

Inwieweit das, was ein Perser fast 200 Jahre nach der angeblichen Ent­stehung des Korans über dessen Sprache zu sagen hat, sprachlicher Realität entspricht, wird aber noch zu prüfen sein. Als Korpus, aus dem die Grammatik herausgefiltert wird, dient jedoch nicht nur der Koran:

„Als Basis für die Beschreibung und Fixierung der klassisch-arabi­schen Grammatik diente den Sprachgelehrten des 8. Jh. in erster Li­nie das von ihnen selbst gesammelte Corpus altarabischer poetischer Texte, deren Entstehung sie in die Zeit vom Beginn des 6. Jh. bis in den Anfang des 8. Jh. datieren.“ (Hervorheb. Verf.)

Fischer kommt als kritischer Sprachwissenschaftler im Folgenden zu dem Schluss:

„Die Beurteilung der sprachlichen Verhältnisse vor dem 9. Jh. ist mit erheblicher Unsicherheit verbunden, nachdem sowohl die grammati­ka­lischen und lexikalischen Informationen wie auch die Texte nur durch die Vermittlung der arabischen Sprachgelehrten und in einer von ihnen bearbeiteten Form vorliegen.“

Er vermeidet hier den Begriff „erfunden“. Aber es kommt noch ein drittes hinzu:

„Dazu kommt noch, daß das meiste Quellenmaterial nicht in seiner ursprünglichen Form, wie es die erste Generation von Sammlern auf­gezeichnet hatte, erhalten geblieben ist; die Regel ist vielmehr, daß deren Informationen erst in Werken späterer Generationen, also aus zweiter oder dritter Hand, zur Verfügung stehen.“

Der Wert dieser grammatischen Beschreibungen (für die alte Sprache) ist also, zumindest nach westlichen Kritierien, nicht sehr hoch einzuschätzen. Die These von K. Vollers lehnt Fischer jedoch ab (S. 40):

„Die von K. Vollers (1906) vertretene Auffassung, der Korantext sei zunächst im Dialekt Mekkas aufgezeichnet und erst später von arabischen Sprachgelehrten überarbeitet und an die Normen des Klassischen Arabisch angepaßt worden, wird heute kaum mehr ernsthaft von jemandem geteilt.“

Auch Kahle kann ihn nicht überzeugen:

„Auch die von P. Kahle (1947) herangezogenen Traditionen, in de­nen die Koranleser ermahnt werden, den Koran mit Iʿrāb, d.h. mit den für die klassische Sprache typischen Flexionsendungen, vorzu­tragen, können nicht als Argumente für diese These herangezogen werden.“

Dass aber die Erklärungen arabischer Gelehrter bezüglich der Hamza-Or­tho­graphie nicht richtig sein können, wird aus den folgenden Aussagen klar:

„Schreibungen wie <ʾmrw>, <ʾmry>, <ʾmry>, <ʾmrʾ> für (i)mruʾun, (i)imriʾin, (i)mraʾan oder <šrkʾwhm>, <šrkʾyhim>, <šrkʾhm> für šurakāʾuhum, šurakāʾihim, šurakāʾahum weisen eindeutig auf die klas­sisch-arabische Konzeption des Textes (gemeint: der Koran, Anm. d. Verf.) hin. Überdies zeigen einige Reimformen wie ʾinšāʾa neben ʾabkā, ʾatrā (Sure 56,35 – 37/34-36), daß ʾ (Hamza) ge­spro­chen wurde, obwohl die arabischen Sprachgelehrten dem ḥiǧāze­ni­schen Arabisch die Existenz des Hamza im Wortinlaut ab­sprechen und die Orthographie in Übereinstimmung damit ʾ in der Regel nicht zum Ausdruck bringt.“

Hier wäre es wichig, auch die ältesten Manuskripte heranzuziehen, da das Hamza dort gar nicht auftaucht. Die From ʾinšāʾa hat hier aber schon mehr Gewicht. Zu den Angaben der arabischen Gelehrtenfährt er fort:

„Die Beurteilungen solcher Mitteilungen über altarabische Dialekte ist oft mit einem Bündel von Problemen belastet. In vielen Fällen wird nur mitgeteilt, daß eine Dialektform (luġa) vorliegt, ohne daß die Stammeszugehörigkeit näher spezifiziert wird. Doch auch dann, wenn bestimmte Stämme genannt werden, widersprechen sich die Quellen nicht selten. Zur Vorsicht muß auch mahnen, daß späte Au­toren Erscheinungen bestimmten Stämmen zuschreiben, wo ältere Quel­len sich mit der bloßen Feststellung luġa begnügen. Typisch hier­für ist z.B. as-Suyūṭīs Behauptung eines Lautwandels ʾ > ʿ in den Dialekten der Qais, Tamīm und anderer Stämme sowie eines Laut­wandels > ʿ im Dialekt der Huḏail. Erstere Behauptung basiert auf der Mitteilung des Grammatikers al-Farrāʾ (gest. 207/822), daß bei ei­ner Reihe arabischer Stämme die Partikeln ʾan und ʾanna, aber nur diese, ʿan und ʿanna gelautet hätten (dazu Fußnote 21: Die Mittei­lung von al-Farrāʾ wird Lisān XVII 168 = (1955) 12. 295a, 15 zitiert; vgl. dazu as-Suyūṭī: Muzhir I 222,13 (an-nauʿ al-ḥādī ʿašar)), letztere auf der Lesevariante des Ibn Masʿūd, nämlich ʿattā ḥīnin für attā ḥīnin (Sure 12,35), die die älteren Gelehrten dem Dialekt der Huḏail zurechnen.“

Dies zum zugrunde liegenden Material und seiner Vertrauenswürdigkeit. Aber auch die Betrachtungs- bzw. Herangehensweise wird sehr kritisch gesehen (S. 42):

„Problematisch für die Beurteilung des Dialektmaterials in den Wer­ken der arabischen Sprachgelehrten ist auch deren grundsätzlich ahisto­rische Betrachtungsweise der ʿArabīya, die offen läßt, ob sich die gegebene Information auf die Verhältnisse der vorislamischen Zeit bezieht oder auf den zeitgenössischen Zustand. Aber auch dann, wenn ein Versbeleg die Dialektform zeitlich fixierbar macht, bleibt fraglich: Handelt es sich um den Reflex einer lokalen Sonderform der altarabischen Dichtersprache oder um einen Einzelfall echten Dia­lekts, der in die Dichtersprache eingedrungen ist.“

Zudem weist er auf die Gefahr hin, reim- und versmaßbedingte Abwei­chungen von der Norm einem Dialekteinfluss zuzuschreiben. Auch wichtig bei der Betrachtung ist die angestrebte Neutralität (S. 42):

„Schon im Kitāb al-Kāmil von al-Mubarrad (gest. 285/898) findet sich die bekannte Anekdote, die besagt, daß das beste Arabisch frei sein muß von der furāya des Irak, der kaškaša der Tamīm, der kaskasa der Bakr, der ġamġama der Quḍāʿa und der umumāya der Ḥimyar.“[32]

Diese Liste wird später noch erweitert. Trotzdem hält er nicht alles für erfun­den, und dies aus mehreren Gründen (S. 42 f.):

–    die Abweichungen rücken das Arabische näher an andere semitische Sprachen heran

–    die Wurzeln neuarabischer Dialekte werden klarer.

Aber auch zu eben diesen Dialekten und deren Darstellung bei den alten Gram­matikern hat er Zweifel (S. 42 f.):

„Seit Chr. Sarauw (1908) spricht man von der Spaltung der altara­bischen Dialekte in eine westliche und eine östliche Gruppe. Für erste­re wird als repräsentativ der Dialekt des Ḥiǧāz, für letztere der der Tamīm genannt. Doch ist zu bedenken, daß ‚Ḥiǧāz’ und ‚Tamīm’ auch als Repräsentanten des Gegensatzes zwischen Ansässigen- und Beduinen-Stämmen angesehen werden können.“

Typisch für den iǧāzī-Dialekt sollen folgende Charakteristika sein (S. 43):

  1. Schwund von Hamza (Glottalstop/ ʾ), wobei intervokalisch y oder w als Ersatz eintritt bzw. Vokale kontrahiert werden oder zu Langvokalen wer­den, z.B.: yasʾal – yasal; aṭīʾatun > aṭīyatun; yurāʾūna > yurāna; saʾala > sāla; ruʾūsun > rūsun.
  2. Imperfektvokal a vs. i bei anderen Dialekten (man könnte hinzufügen auch im Hebräischen), z.B.: yaktubu vs. yiktubu (vgl. hebr. yiḵtōḇ).
  3. keine Assimilation des Personalsuffixes der 3. P. an den vorhergehenden Vokal: bi-dārihu, bi-dāri-hum (kl.-arab. bi-dāri-hi, bi-dāri-him)

Fischer fasst zusammen: „In den Punkten 1 und 3 gelten die klassischen Formen als tamīmisch“.

Für den Punkt 1 wäre dies noch verständlich, da mit dem Erhalt des Hamza die Wurzeln immer ihre drei Radikale behalten würden, was die Grammatik von einigen Unregelmäßigkeiten befreien würde. Auch zeigt die komplizierte Hamza-Orthographie an, dass die Aussprache mit Hamza erst sekundär ist, da die Trägerkonsonanten (Mater lectionis) für das Hamza Alif, wāw und ʾ sind, je nachdem, welcher Konsonant vor der Einführung des Hamza gesprochen wurde. Hier ist es wahrscheinlich, dass eine spätere Re-grammatisierung stattgefunden hat. Ob diese allerdings auf Analogie oder den Einfluss eines Dialektes zurückgeht, ist eine ganz andere Frage.

Auch Punkt 2 ist bemerkenswert, da fast alle modernen Dialekte im Im­per­fekt auf Formen zurückgehen, die i statt a haben (Muster: „yiktib“). Danach könnten sie wohl kaum auf den Dialekt von Mekka zurückgehen.

Gerade gegen das Argument, das Punkt 1 verständlich macht, eine regel­mäßi­gere Grammatik, ist aber ein anderes Argument nicht von der Hand zu weisen: Sollte eine möglichst regelmäßige Grammatik das Ziel gewesen sein, warum wurden dann nicht die regelmäßigen Formen des Dialektes von Mekka – bi-dāri-hu statt des Klassisch-arabischen bi-dāri-hi – beibehalten. Denn die angeblich mekkanische Form lässt das suffigierte Pronomen un­verändert, ist also regelmäßiger. Zudem gibt es Koranausgaben, die hier solche Formen und nicht die klassischen aufweisen[33]. Warum also sollten spätere Generationen hier die mekkanischen Formen durch die anderer Dialekte ersetzen? Interessant ist weiterhin eine Angabe über den Dialekt der Bakr ibn Wāʾil: Danach sollen sie bei Verben mediae geminatae die Geminaten nicht getrennt und statt dessen einen Hilfsvokal eingefügt haben, also raddatu statt radadtu. Dies wäre ebenfalls regelmäßiger als die klassischen Formen. Warum wurden diese Formen nicht ebenfalls aufgenommen?

Der Dialekt, dessen Besonderheiten, vor allem in Bezug auf das Hamza, das Klassisch-Arabische am meisten beeinflusst haben soll, ist der zentral­arabische der Tamīm, der ansonsten folgende Charakteristika besessen haben soll:

  1.   Ausfall von i in offener Silbe, z.B. faʿila > faʿla, munaliqun > munalqun
  2. Assimilation von a an folgendes i, ī, wenn zwischen den beiden ein Laryngal steht: aiqa > iiqa, baʿīrun > biʿīrun
  3. Bildung des Passivs der Verben II inf. mit ū: qūla – es wurde gesagt (klassisch: qīla).

Wie wir sehen, ist keine dieser Besonderheiten ins Klassisch-Arabische ein­ge­drungen. Sollte die Tradition recht haben, wäre das Klassisch-Arabische also ein Mischdialekt von Mekkanisch, Tamimisch und eventuell weiteren Formen.

Auch vom Dialekt der Ṭayyiʾ erwähnt Fischer eine Reihe „gut bezeugter“ Dialekteigentümlichkeiten, darunter das Relativpronomen ḏū und den Artikel am-, der auch in heutigen jemenitischen Dialekten belegt ist.

Einen etablierten sprachlichen Standard für die klassische Sprache nimmt er aber erst recht spät an (S. 44):

„Der sprachliche Standard der klassischen Periode tritt deutlich in den Texten zu Tage, die nach der Mitte des 8. Jh. entstanden sind. Während die Prophetenbiographie des Ibn Isḥāq (gest. 151/768) noch viele Züge der Sprache der vorklassischen Periode an sich trägt, fehlen solche in der Prosa des Abū Miḫnaf (gest. 142/759), repräsen­tativ für die standardisierte Sprache der klassischen Periode. […] Infolge des Umstands, daß wir für die Entstehungsgeschichte des Klas­sischen Arabisch so gut wie ausschließlich auf die Informationen der arabischen Sprachgelehrten angewiesen sind, läßt sich deren An­teil an der Vereinheitlichung und Standardisierung, die das Arabi­sche beim Übergang von der vorklassischen zur klassischen Periode durchgemacht hat, schwer bestimmen.“

Er nimmt eine Auswahl aus den alternativen Formen verschiedener Dialek­te an, wobei sowohl Häufigkeit, die Möglichkeit zur Analogie (qiyās), als auch das Prestige des jeweiligen Dialektes eine Rolle gespielt haben kann.

Er bringt als Beispiel ausgerechnet das Demonstrativpronomen:

„Als Beispiel für die Auswahl nach dem Prinzip der Häufigkeit sei auf das Demonstrativpronomen verwiesen, wo aus einer Fülle altara­bischer Formen wie ḏā, hāḏā (sg. m.), ihi, hāihi, tī, tihī, tā (sg.f.), ʾulā, ʾulāʾi, hāʾulāʾi für die Nahdeixis nurmehr die Reihe ḏā, hāihī, hāʾulāʾi mit gelegentlichem Gebrauch von ḏā übriggeblieben ist; ähn­lich liegen die Verhältnisse  bei den Formen für die Ferndeixis.“

Wenn hier eine Auswahl getroffen wurde, fragt es sich allerdings schon, wa­rum hier schon im Koran nur die späteren klassischen Formen vorkommen. Auf das Schwanken zwischen den Dialekten des Ḥiǧāz und dem der Tamīm kommt er dann nochmals zu sprechen:

„Während die Festlegung auf die a-Reihe der Imperfektpräfixe ḥiǧāze­nischem Sprachgebrauch entsprochen haben soll, bevorzugte man hinsichtlich der Behandlung des ʾ (Hamza) den der Tamīm. De­ren altertümlicherer Sprachgebrauch mit Bewahrung des Hamza stand offensichtlich in höherem Ansehen.“

Wolfdietrich Fischer geht in einem weiteren Beitrag[34] im selben Sammel­band auch auf das Relativpronomen ein (S. 85):

„Als Relativum „das was“ ist jedoch nach wie vor in Gebrauch. Das klassisch-arabische Relativpronomen allaḏī, f. allatī mit seinen verschiedenen Flexionsformen wurde durch eine invariable Relativ­partikel illī, il, in Nordafrika auch iddī, dī, d, ersetzt. Die Struktur des Relativsatzes sowie die Unterscheidung zwischen syndetischem und asyndetischem Relativsatz blieb davon unberührt.“

Auf S. 86 dann erwähnt er eine Anekdote über Abū l-Aswad ad-Duʾalī (gest. 69/688), der seine Tochter wegen falscher Kasusendungen missversteht. Dies scheint ein Beleg für ein sehr frühes Nebeneinander von Sprachformen mit und solchen ohne die Kasusendungen zu sein, mit anderen Worten für ein Diglossie-Verhältnis. Über die Vorgängersprache der modernen Dialek­te fällt er ein klares Urteil (S. 86):

„Auf Grund einfacher historischer Überlegungen läßt sich mit Sicher­heit sagen, daß das Neuarabische nicht direkt von derjenigen Form des Altarabischen abstammt, die von den arabischen Gramma­tikern als Standardsprache beschrieben wurde.“

Als einen der Belege führt er als auffälligen Unterschied zwischen Altara­bisch und neuarabischen Dialekten die Formen des V. und VI. Stamm: tafaʿʿala und tafāʿala an, denen im Neuarabischen die Bildungsweisen itfaʿʿal und itfāʿal gegenüberstehen. Aber er fügt hinzu:

„Insgesamt fallen die Unterschiede jedoch so wenig ins Gewicht, daß die Forschung in der Regel vom Klassischen Arabischen ausgehen konnte, um aus ihm die Entwicklung des Neuarabischen zu verstehen.“

Dass es jedoch auch nicht so einfach ist, zeigt der folgende Satz:

„Man wird allerdings vorsichtig sein müssen, den relativ einheit­lichen Charakter des Neuarabischen allein seiner Herkunft aus einer dem Klassischen Arabisch sehr nahestehenden Sprachform zuzu­schreiben. Die Tatsache, daß die heutigen Dialekte im Zentrum ihres Verbreitungsgebietes ein viel einheitlicheres Bild zeigen als an den Rän­dern, wo die Entwicklung oft sehr weit weg vom Grundtypus geführt hat, läßt vermuten, daß noch andere Faktoren zur Vereinheitlichung beigetragen haben.“

Hier nennt er den Einfluss des Hocharabischen, man möchte hinzufügen, auch des Islam, was man schon daran sehe, dass die Stadtdialekte, die dem Hocharabischen viel stärker ausgesetzt gewesen seien als die Beduinen- und Fellachendialekte, viel einheitlicher seien als jene, wobei er in Fußnote 12 auf eine weitere Arbeit verweist:

„Über den Einfluß des Hocharabischen auf die neuarabischen Dia­lekte siehe W. Diem: Divergenz und Konvergenz im Arabischen. In: Arabica 25 (1978) 128-147. Diem schätzt den Einfluß des Hoch­arabischen gering ein, geht jedoch von anderen Gesichtspunkten aus, indem er das Ausmaß morphologischer Entlehnungen zum Maßstab nimmt.“

Auf S. 88 f. diskutiert er dann drei alternative Thesen, die man folgen­dermaßen zusammenfassen kann:

  1. These: Zur Zeit des Propheten war der Iʿrāb voll bewahrt und ging erst im Laufe der Eroberung und Neuordnung der arabischen Stämme verloren. (TH. Nöldeke, J. Fück, J. Blau).

Gegenargument: die Kasusendungen -un, -an sind im Rasm nicht erhalten; -atun wird als –h geschrieben. Nöldeke dagegen meint, die Texte seien den Schreibern langsam vorgelesen und die Wörter in der Pausalform aufgeschrieben worden. Dies ist nicht sehr überzeugend.

  1. These: Zur Zeit des Propheten wurde bereits eine Sprache von neuara­bischem Typus gesprochen, zumindest in Mekka und Medina, mög­licherweise aber auch im Ḥiǧāz und im Naǧd (Zentralarabien). Das spätere Hocharabisch sei aber die prestigeträchtige Sprache der altara­bischen Dichtung gewesen und nur bestimmten Stilebenen vorbehalten ge­wesen, z.B. den Sprüchen der Wahrsager (kuhhān, Sg. kāhin, vgl. hebr.: kohēn) und der feierlichen Ansprache (ḫuṭba). (A. Fischer, C. Brockelmann), weiter ausgebaut durch Argumente von F. Rosenthal, A. Spitaler und H. Wehr.
  2. These: ebenfalls unter der zweiten subsummiert, aber vielleicht eher als eigene aufzufassen (K. Vollers): Der Koran sei zunächst in mekka­nischem Arabisch, einer Sprache des neuarabischen Typus, abgefasst worden und später von Gelehrten dem Standard der altarabischen Dichtung angepasst worden. Fischer verweist darauf, dass diese These später wieder von P. Kahle aufgegriffen worden sei.

Zu der bereits oben behandelten Frage, wann die Kasusendungen aus­gestorben seien, zitiert er Werner Diem[35], der anhand des Namenmaterials in nabatäischen Inschriften festgestellt habe, dass (Fischer S. 88):

„der Zusammenbruch des nominalen Kasussystems bei diesen Arabern, also in einer Randzone des arabischen Sprachraums, schon im 1. Jh. v. Chr. stattgefunden haben dürfte.“

Dieser Punkt ist wichtig und sollte bei der Beurteilung des Materials nicht vergessen werden.

Fischer geht im Folgenden (S. 89) auf F. Corriente[36] ein, der eine ver­mitteln­de Position einnimmt: Die Kasusendungen (iʿrāb) seien zuerst in einer nördlichen Randzone (Nabatäisch-Arabisch) aufgegeben worden und dieses Phänomen habe sich langsam nach Süden verbreitet, bis es im 9. Jh. auch die Beduinendialekte erreicht habe. Auch Fischer selbst nimmt schließ­lich eine solche vermittlende Position ein, indem er für das frühe Arabisch bereits den Verlust der Kasusendungen annimmt, aber doch

„stand es gewiß in Wortschatz, Phraseologie und Syntax der Sprache, die wir in den überlieferten Dokumenten aus vor- und früh­isla­mi­scher Zeit kennen, noch sehr nahe.“[37]

Bereits auf S. 87 hatte er zugegeben:

„Die Frage, ob die Entstehung des Neuarabisch dem Einfluss der zum Islam übergetretenen Nichtaraber oder ob der Verlust des Iʿrāb nicht wesentlich früher eingetreten ist, gehört zu den umstrittensten Problemen der Arabistik.“

Für die Meinung, dass die Flexionsendungen bereits in der frühesten Stufe der Sprache nicht mehr in der Umgangssprache vorhanden gewesen sein können, gibt er als Beleg die altarabische Raǧaz-Dichtung an. In dieser habe das Element der Improvisation eine größere Rolle gespielt, so dass auf die­sem Wege Zitate aus der Umgangssprache den Weg in die Dichtung gefun­den hätten. So gebe es Formen mit der typisch neuarabischen Endung –ah (statt –atun). Dass der Iʿrāb einer hohen Stilebene angehört habe, ergebe sich auch aus der Tatsache, dass man sich gescheut habe, das vulgäre ḥir („Vulva“) mit der jeweiligen Endung zu versehen.

Nach dieser Lektüre wird wohl auch dem letzten Leser klar, dass es eine Communis Opinio der Arabistik zur Frage der Entstehung des Klassisch-Arabischen nicht gibt.

Ein weiterer wichtiger Beitrag von Joshua Blau[38] zu der nächsten Sprachstufe, dem frühen Neuarabisch, findet sich im selben Sammelband. Zu dem bereits behandelten Thema Phonemsystem bestätigt Blau die schon früh bezeugte Verwechslung von emphatischen und nicht-emphatischen Konsonanten (S. 102):

„Weit wichtiger sind Abweichungen von der klassischen Ortho­graphie, die oft die Aussprache ganzer Silben, manchmal auch ganzer Wörter mit tafḫīm bzw. tarqīq an den Tag legen, eine Erscheinung, die in modernen Dialekten gut belegt ist.“ (gemeint ist, dass ganze Wörter nur mit emphatischen oder nicht-emphatischen Konso­nan­ten geschrieben werden, Anm. d. Verf.)

Zum Verschwinden von Kasus- und Modusänderungen meint Blau, dass die Kasusendungen in einer bestimmten Reihenfolge ausgestorben seien, und zwar zuerst die, die durch kurze Endvokale oder tanwīn (Kurzvokal + Nun) bezeichnet wurden, also: -u, -i, -a, -un, -in, -an.

Die Endungen des Duals (-āni, -ayni etc.) und die des gesunden maskulinen Plurals (-ūna) seien erst später betroffen gewesen.

Blau gibt eine Reihe von Beweismitteln an: So fehlten in koptischer und griechischer Transliteration die Kasusendungen fast vollständig. Weiterhin fehle in unvokalisieren Texten oft das Alif des Akkusativs, das die Endung  „-an“ anzeigt, bzw. es steht dort, wo es nicht hingehört, mithin ein klassischer Fall von Hyperkorrektur.

Auch die Wortstellung gebe klare Hinweise, da die nach Wegfall der Kasusendungen und dadurch bedingten Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ das Subjekt und direkte Objekt jetzt durch die Wortstellung unterschieden werden musste. Zudem sei das direkte Objekt fakultativ durch die Präposition li– gekennzeichnet worden, eine Konstruktion, die in christlich-palästinischen Texten aus Südpalästina anzutreffen sei und dort wohl aus dem Aramäischen stamme. Hier könnte man hinzufügen, dass das klassische Arabische durchaus einen eigenen Indikator für das direkte Objekt besaß, z.B. in „iyyā-ka – dich“, eine Form, die wohl schon altsemi­tisch ist und mit dem hebräischen „e“ gleicher Funktion zusammenhängt. Als Beispiel für die Verwendung von li- in derselben Funktion gibt Blau an: „yastaftī raǧul li-ʿālimain – jemand fragt zwei Gelehrte“. Dieser Gebrauch ist identisch mit dem des Syrischen.

Weiterhin erwähnt er (S. 106), dass im Neuarabischen mā „Aller­welts -negation“ wird, während sie im klassischen Arabischen nur zur Negation von Nominalsätzen diente. Zu den Relativpronomen und deren Verwen -dung als Konjunktion vermerkt er Folgendes:

„Wie in modernen Dialekten das Relativpronomen illī oft auch zur Einleitung von daß-Sätzen verwendet wird, so auch in mittelarabischen Texten allaḏī, das wohl (siehe oben) oft als „klassi-scher Ersatz“ für illī anzusehen ist, wahrscheinlich zuerst entstanden in Sätzen vom Typus al-ḥamdu li-llāhi llaḏī.“

An dieser Stelle verweist er auch auf einen Aufsatz von Spitaler[39], der bereits in Kap. 3 behandelt wurde. Ein wichtiger Punkt ist das Verschwimmen des Unterschiedes von syndetischen und asyndetischen Relativsätzen, d.h. allaḏī kann jetzt auch Relativsätze nach indeterminiertem Leitwort einleiten (S. 107). Zum Schluss fasst er folgendermaßen zusammen:

„Es ist recht schwierig, besondere Dialekte in den mittelarabischen Texten zu erkennen. Nicht nur wechseln klassische, neuarabische und pseudokorrekte Formen und Konstruktionen miteinander ab, sondern auch die unvokalisierte Schrift, die noch obendrein ent­schei­dend von der klassischen Orthographie beeinflusst ist, verwischt recht viele dialektale Eigenheiten.“

Die vielleicht umfangreichste Arbeit zu den altarabischen Dialekten der Halb­insel stammt von Chaim Rabin[40]. Vieles von dem, was er dort an an­geblichen Dialektformen erwähnt, ist bereits in den vorangegangenen Kapi­teln erwähnt worden. Daher wird im Folgenden nur das noch nicht Behandelte aufgeführt. Zu der Verlässlichkeit der Angaben der Gramma­tiker fällt er ein noch vernichtenderes Urteil als seine Kollegen (S. 6):

„the recording of dialect data was a sideline, something that did not form part of his proper business of codifying the laws of the Classical language. […] There were many further reasons for falsification of dialect data, which will be discussed in the following paragraphs.“

Es folgen die Quellen, erstaunlich, dass fast alle denselben Titel, „kitāb al-luġāt“ tragen, aber von jeweils anderen Autoren stammen. Es gibt aber auch eine Monographie (S. 7)

„We possess only one monograph on dialects. This is a treatise ascribed to ʾAbū ʿUbaid Qāsim b. Sallām al-Herewī (d. 223/838), entitled Risāla fī mā warada fī l-qurʾāni min lughāti l-qabāʾili ‚Treatise on dialect words in the Koran’. The work was published on the margin of the lithographed edition of Dīrīnī’s Taisīr fī ʿilm at-tafsīr (Cairo 1310), and reprinted on the margin of the Tafsīr al-Jalālain (Cairo 1356).“

Die Daten, die wir besitzen, betreffen nur drei Gebiete (S. 16):

„We have fairly plentiful information only for three areas within Arabia: Hijaz (probably only the holy cities), Yemen, and Tamīm (Anm. der Verf.: im nordöstlichen Zentralarabien). (…) The gaps are, however, painful enough. (…), they include nearly the whole of those Central-Arabian dialects which perhaps were the basis of Classical Arabic. The lack of interest displayed in these is all the more asto­nishing as most of the important early poets hailed from this area.“ (Hervorheb. Verf.)

Mit anderen Worten: Ausgerechnet über die Dialekte, die angeblich dem Klassisch-Arabischen zugrundeliegen sollen, haben wir keine Daten. Dass die in Arabien übliche Mystifizierung auch die Sprache betrifft, zeigt er auf S.18:

„There was just as substantial agreement among Moslem scholars, only that they held the opposite view. For them literary Arabic was identical with the spoken language of the bedouins. The nomad Arab was the final arbiter of correct Arabic. He could not speak wrong Arabic even if he had wanted to (cf. § 2 s). The less opportunity he had of acquiring a veneer of civilization the better. ‚The best speakers of Arabic are those deepest in the desert’ (ʾafṣaḥu l-ʿarabi ʾabarruhum) says a proverb (Lisān, v, 119).“

Während man fast überall auf der Welt eine urbane, weit verbreitete und gut zugängliche Version einer Sprache als neuen Standard setzt, sollen die Araber also ausgerechnet die entlegendsten Dialekte geschätzt haben. Gewisse Zweifel scheint Rabin hier ebenfalls zu haben:

„But there can be little doubt that the spoken language of the bedouin was different from the Classical idiom. It is hard to under­stand that the scholars never seem to have realized this. Perhaps they were able to abstract their minds from those bedouins with whom they came in contact and to concentrate on some ideal bedouin. (Fußnote:) Even to-day the traveller in Arabia is told about tribes, somewhere in the center of the peninsula, who still speak the purest Classical Arabic.“

Wie dieser Mythos weiter wirkte wird danach klar:

„Whatever the reasons of this self-deception may have been, there is no doubt that the basic identity of Classical Arabic with the everyday speech of some Arabs was the guiding principle in the Arab scholar’s approach to this question.“

Die Uneinigkeit der arabischen Gelehrten wird aber ebenso erwähnt wie die besondere Stellung der Tamīm (S. 20):

„Nearly every tribe of the peninsula is said by some scholar to have been ʾafṣaḥ al-ʿarab, ‚the best speakers of Arabic’. Perhaps, when we find an early scholar like ʾAbū ʿAmr b. al-ʿAlāʾ (. 154/771) asserting this of the Upper Hawāzin and Lower Tamīm (suyūṭī, ʾItqān, p. 109), he did not mean that they spoke the best Arabic, but that they were most expert in handling the language of poetry, using faṣīḥ[41] in its original sense of ‚eloquent’.“

Ein wichtiger Punkt dazu finden wir im Folgenden:

„The same may be the meaning of the story (Ṭabarī, Tafsīr, i, 14) that the Prophet arranged an inter-tribal contest in recitation and found that the Tamīm were most correct in the use of the case-endings (ʾaʿrabu l-qaumi).“

Ob jemals ein solcher Wettbewerb stattgefunden hat, sei dahingestellt – wie sollte er wohl einberufen worden sein –, Buschtrommeln gibt es in der Wüste nicht! Der entscheidende Punkt jedoch ist, dass die Geschichte zeigt, dass zu diesem Zeitpunkt die Kasusendungen schon nicht mehr lebendig gewesen sein können und als bewusste und erwünschte Archaisierung em­pfunden wurden. Dagegen gibt es eine abweichende Meinung zum Dialekt des Koran (S. 22):

„Khālid b. Salama states it as a commonplace that the Koran is in the dialect of the Quraish (Ṭabarī, Tafsīr, i, 23). The same ʾAbū Bakr al-Wiṭī whom we have seen above (§ e) argue the mixed character of the Koranic vocabulary, is quoted as saying that there are only three words in the Koran that do not belong to the Quraish dialect (Fußnote: The words are: yunghiḍūna (xvii, 53/51), muqīt (iv, 87/85), and sharrid (viii, 59/58).), otherwise the holy book is composed entirely in that dialect ‚because it is smooth and clear, while the speech of the Arabs (bedouins) is uncouth and full of unusual words’ (Suyūṭī, ʾItqān, p. 314).“

Er fährt fort:

„ʾAbū l-Laith as-Samarqandī applies the dialect criterion to textual criticism: ‚When two different readings mean the same, Mohammed can have uttered only one variant, which one was it?’ – we shall reply ‚the one that agrees with the dialect of Quraish’’ (ʾItqān, p. S93).“

Auch ein Rezitationsfehler eines Prophetengefährten, der auf der bereits erwähnten angeblichen Ersetzung von durch ʿ (phonetisch gesehen ein Fall von Sonorisierung) beruhen soll, wird erwähnt:

„Muḥammad al-ʾAmīr (on Mughnī, i, 111) tells us that one day Ibn Masʿūd was reciting the Koran in the presence of the caliph ʿOmar, and pronounced ʿattā for ḥattā (cf. § 8 o), according to his own Hudhail dialect. The caliph rebuked him sharply: ‚The Koran was not revealed in the Hudhail dialect, therefore teach the people according to the dialect of the Quraish’.“

Vielleicht ist dies aber auch nur Polemik gegen Ibn Masʿūd, schließlich stammt von diesem eine konkurrierende Koranausgabe mit anderer Suren­reihenfolge und ohne Fātiḥa. Allerdings gibt es auch Gegenstimmen gegen die Vorrangsstellung des Dialektes der Qurayš (S. 23):

„There seems to have been some opposition to this glorification of the Quraish dialect. As usual, it was clothed in the form of a hadith in which the Prophet says: ʾanā ʾafṣaḥu l-ʿarabi baida ʾannī min Quraishin wa nashaʾtu fī Banī Saʿdin (Ibn Hishām, Mughnī, i, 105; Lisān, iv, 68). This, to my mind, bears only one translation: ‚I would have been the most eloquent of all Arabs, but for the fact that I was born in Quraish and grew up among the Banū Saʿd’ or perhaps: ‚I am the most eloquent of the Arabs, though I was…’ Ibn Hishām ascribes to baida here the otherwise non-existing meaning ‚because’.“

In der dazugehörigen Fußnote (Nr. 10 auf S. 24) gibt Rabin eine weitere Möglichkeit an:

„I speak the best Arabic, for though I was born in Quraish, yet I grew up among the Saʿd.“

Dazu bemerkt er zum Lebenslauf des Propheten:

„The view that Muhammad was sent to the Saʿd in order to improve his Arabic is expressed by Ibn Hishām. Perhaps our story is drawn from the hadith preserved in the Nihāya of Ibn Athir (ed. Cairo, i, 3) where Muhammad ascribes his ability to converse with ‚the Arabs’ to his stay with the Banū Saʿd. It is worth while noting that this hadith implies that such speech was almost unintellegible to the townsmen of Mecca.“

Also mit anderen Worten: Der Prophet sprach irgendwann in seinem Leben ein schlechtes Arabisch (den Dialekt von Mekka?) und wurde zur Verbesserung zu einem entfernten Stamm geschickt. Wieso die Mekkaner deren Dialekt – denn eine Standardsprache konnte es ja noch nicht geben – schöner oder korrekter gefunden haben sollten, bleibt im Dunkeln. Die Unterschiede in den vorliegenden Berichten sind jedoch schon bis hierher frappierend genug und alle können natürlich nicht recht haben!

Besonders interessant für uns sind seine Angaben zum Relativpronomen im Jemen (S. 39). Dort soll eine Relativpartikel ḏī (dhī) ohne Genus- und Numerusunterscheidung (Nashwān, Extr., p. 39) verwendet werden, für die er folgendes Beispiel angibt:

„dū bud min dhī ḥakam al-ʾamīr – there is no help (lā budda) against what the governor decided’.“

Rabin bemerkt dazu:

„This dhī is still used in the region between Dhamār and Yarīm (Rossi, Sanʾa, p. 23; RSO, xviii, 303), and in the western Hadramaut (Barth, Pronominalbildung, p. 159). It is also used in the colloquials of the Maghrib, where Yemenite influence is strong.“

Anderswo im Jemen aber sei dieses Pronomen ersetzt worden durch allaḏī, das aber unveränderlich in Beziehung auf Genus und Numerus verwendet werde („invariable for gender and number (mit Verweis auf: Mittwoch, Aus dem Jemen, S. 59; Landberg, Dathina, s. 408). Aber auch im Ḥiǧāz soll unveränderliches allaḏī vorkommen:

„(Bukhārī, Diyāt, 22) qālū lilladhī wujida fīhim ‚they said to them among whom he was found’.“

Diesen Gebrauch findet man nach Rabin auch im Koran, was den Komme­ntatoren (z.B. Baiḍāwī) aufgefallen ist, z.B.:

„Q 9:69: wa-ḫuḍtum ka-llaḏi hāḍū: ihr habt (ebenso lose) geplaudert wie sie.“

Rabin sieht dies als Hinweis darauf, dass auch im Ḥiǧāz die unveränderliche Partikel ḏī nicht lange Zeit davor üblich gewesen sein muss:

„The West-Arabian Ṭayyiʾ in the north used dhū, corresponding to the archaic Hebrew common relative zū, and there is some evidence that dhū was once current in Oman (cf. Brockelmann, GVG, i, 325). It therefore appears that the central and southern West-Arabian dhī was secondary. It may be due to contamination with the masculine demonstrative dhī (cf. § t tu), or to South-Arabian influence.“

Das Gegenargument zum letzten Punkt liefert Rabin gleich im nächsten Satz, in dem er darauf verweist, dass wir die Vokalisierung des altsüd­arabischen „dh“ nicht kennen, wobei seine zusätzlichen Aus­füh­rungen die Sache auch nicht klarer machen:

„Ethiopic has za, but Mehri has di, dĕ (cf. Maltzan, ZDMG, xxvii, 266), and a form with i is preserved in Ethiopic zīʾa ‚that of’, Amh. ya (which, who)’.“

Rabin nimmt Protosemitisches dhē an, was sich lautgesetzlich zu arabi­schem dhā entwickeln musste. In einigen Dialekten, die normalerweise kei­ne Imāla[42] haben, müsse es „dhǣ“ oder „dhē“ gesprochen worden sein. Interessant ist eine Bemerkung zu den modernen Dialekten:

„The colloquials that have forms like dhē for the masculine are the ones that most agree with Yemenite: Tlemsen, Egypt, Oman, and Yemenite ones, such as Ẓafar and Dathīna.“

Er meint weiterhin, dass die Schreibung mit ī vielleicht auch der Versuch ist, die Imāla (ḏē) auszudrücken. Er sieht eine Parallelität im Hebräischen in der späteren Verwendung des Demonstrativen zeh, f. zō statt dem relativen zū.

In seinem Kapitel über die Hudhail gibt er (S. 89) die Form allaḏī neben alla an, was im Bereich dichterischer Freiheit gelegen haben soll und nach Rabin oft auf archaischen Gebrauch hinweise. Er sieht eine Parallele zu hebr. hallāzeh (Gen., xxiv, 65, xxxvii, 19; both JE) gegenüber dem häufi­geren hallāz – dieser. Für den Plural werden 2 Formen gegeben:

allaḏūna (gegenüber klassisch allaḏīna für alle Fälle) und die „typische“ Hudhail-Form allāʾūnaʾ. In dem Kapitel zur Morphologie des Hijaz (S. 152) gibt er an:

„In Hijazi poetry a particle dhī (dhē, cf. § 10 aa at end) could be added to proper names at will and without influencing meaning in any way (Schwarz, Umar, iv, 145). In some cases it would produce grammatically impossible constructions if taken as genitive of dhū ‚possessor’ (e.g. ʿOmar, poem cxxxvii, 2, cclviii, 5).“

Der Plural des Demonstrativpronomens soll ʾū im Tamīm-Dialekt gewesen sein (S. 153), aber ʾūʾi im Ḥiǧāz. Rabin bezweifelt dies und führt dies darauf zurück, dass man den Gebrauch im Koran für den der Quraiš gehalten habe. Vor allem passen die beiden Hamza wohl kaum zu dem angeblich Hamza-losen oder doch zumindest -armen Dialekten des Ḥiǧāz.

Auf S. 154 f. erwähnt Rabin weiter eine Form des Relativpronomens für den Pl. fem.: allāʾi. Dies soll Hijazi allāy oder allai entsprechen (Lesung z.B. von Abū ʿAmr aus Baṣra). Rabin verweist darauf, dass die Form keine femininen Bildungselemente besitzt und wohl auch für das Maskulinum benutzt worden sein könne. Dazu gibt er ein Beispiel des syrischen Grammatikers Aḫfaš (gest. 291/904) an: wallāʾi yuʾlūna – ‚and those who forswear’ statt klassisch zu erwartendem lillaḏīna yuʾlūna.

Er schlussfolgert, dieses allāy / allai sei nichts anderes gewesen als das Demonstrativpronomen ullai als Relativum. Die Form allaʾūna, die dem Hudhail-Dialekt zugeschrieben wurde, könnte dann eine Zwischenstufe auf dem Weg von allai zu alladhīna gewesen sein. Eine weitere Zwischenstufe sieht er in den poetischen Formen al-ʾulä, al-ʾulāʾi, die auch Brockelmann erwähnt (GVG, i, 324). Rabin nimmt an, dass hier der Artikel hinzugefügt wurde, da man (fälschlich) auch in Formen wie allaḏī in der ersten Silbe den Artikel sah. Danach wird noch eine Form erwähnt (S. 155):

„According to the grammarians allāʾu (ʾallau, cf. § 11 ee) could be used in Classical Arabic for the singular. Subsequently this ʾullai was replaced by the synonym alladhī.“

Er dürfte auf dem richtigen Pfad sein, wenn er ʾallaḏī für nicht ursprünglich hält, aber knapp am Ziel vorbeischießen, wenn er als Grund angibt:

„ʾullai had become reduced after vowel-ending words to llai, lla (cf. la in Mesopotamia, li in Yemen; Brockelmann, loc. cit.), and thus felt to have too little body.“

Über den bereits erwähnten Dialekt der Ṭayyiʾ sagt Rabin (S. 194):

„Vollers (Volkssprache, p. 7) says that the Tayyiʾ dialect was not included among those constituting the ‚ʿArabiyya’. Nöldeke (Neue Beiträge, p. 5, n. 1) asserts that it was always included. The dialect figures in the list of ‚correct’ dialects by the philosopher Alfārābī, though it is last in the list.“

Dem Ṭayyiʾ-Stamm werden eine relativ große Anzahl vorislamischer Dich­ter zugeschrieben. Das Hauptmerkmal ist das „ḏū Ṭāʾīya“, das bereits be­han­delte angeblich flektierte Relativpronomen. Die meisten erwähnen es allerdings als indeklinabel, Farrāʾ erwähnt aber einen Bettler in einer Moschee in Kufa, der die Femininform ḏātu benutzt haben soll (Fußnote 22, S. 210):

„We find Ṭāʾīs using dhū for the genitive in verse in Ḥamāsa, p. 515, line 6 and in prose, ibid., p. 148, line 20.“

Rabin sieht hier innerhalb der Semitischen Sprachen eine Verteilung:

ḏī im Aramäischen und den Ost- und zentralarabischen Dialekten, ḏū bei den Ṭayyiʾ, im Westarabischen und im Hebräischen (mit dem veralteten zū) zuerst ein ḏū, dann ein ḏī (Hebr. zeh). Dies ist m.E. nicht sehr überzeugend, v.a. wegen der sehr fraglichen und widersprüchlichen Belege.

5.3 Das Altarabische der Inschriften aus vorislamischer Zeit

Arabische Sprachelemente finden sich auch in anderssprachigen, v.a. ara­mäi­schen Inschrif­ten, hier vor allem bei den Nabatäern. Walter W. Müller schreibt dazu[43] (S. 30):

„Die Nabatäer waren ein im nördlichen Ḥiǧāz ansässiger arabischer Volksstamm, der seit dem Jahre 312 v. Chr. gesichert bezeugt ist und bis zum Jahre 106 n. Chr. einen blühenden, vorwiegend vom Handel lebenden Staat mit der Hauptstadt Petra bildete.“

Im Jahre 106 n.Chr. sei das Nabatäerreich in die römische Provinz Arabia eingegliedert worden, und die letzte Inschrift sei auf das Jahr 355/356 datiert.  Auf den folgenden Seiten führt Müller wichtige Punkte zur arabisch durchsetzten Sprache der Inschriften an:

Die Inschriften stammen mehrheitlich aus der Zeit vom 1. Jh. v. Chr. bis zum 1. Jh. n. Chr. und sind aramäisch geschrieben. Die gesprochene Spra­che sei jedoch ein nordarabischer Dialekt gewesen, der v.a. in Namen Spuren hinterlassen hat. Hier gibt es einige Besonderheiten: (S. 30 f.)

  1. Die feminine Endung wurde noch mit –t geschrieben, nicht wie später im Arabischen mit –h (das aber mit der Endung als –atun) gesprochen wird bzw. worden sein soll.
  2. Der Artikel lautete ʾl gegenüber lihyanisch h(a)n-, z.B. im Namen: ʾl-ʿzʾ (al-ʿUzzā) gegenüber lihyanisch hnʿzy. Hier zeigt sich auch, dass dem langen –ā wie im klassischen Arabischen im Lihyanischen ein –ay gegen­übersteht.
  3.    Auch der Name ʾlh – Allah ist belegt, z.B. in den Eigennamen: whbʾlhy – Wahb-allāhi und šʿdʾlhy – Saʿd-allāhi.
  4. Bisweilen wird der arabische Artikel ʾal– durch den suffigierten ara­mäischen Artikel ʾ (-ā) ersetzt, z.B. in Eigennamen wie klbʾ (Kalbā) statt ʾal-Kalb.
  5. Nabatäische Eigennamen, egal ob klassisch Arabisch diptotisch (mit zwei Kasusendungen –u und –a), triptotisch (mit den drei Kasus­endungen –u, -i, -a) oder auf eine 3. P. Sg. des Imperfekts zurück­gehend, haben am Ende alle ein –w, z.B. rtw – Ḥāriu. Dagegen enden Namen, die das Element Allāh beinhalten alle auf –y, z.B. ʿbdʾlhyʿAbd-allāhi.

Dies scheinen Reflexe der Nominativendung –w und der Genitivendung –i zu sein.Trotzdem meint Müller:

„Wahrscheinlich war aber im Nabatäisch-Arabischen bereits zu der Zeit, aus welcher die Hauptmasse der Inschriften stammt, die Kasus­flexion aufgegeben, da auch im Genitiv stehende Nomina die En­dung –w erhalten können, z.B. im Titel mlk nbw ‚König der Nabatene’, in šrkt tmwdw ‚(Stammes)föderation der Thamud’ (grie­chisch-nabatäische Bilingue am Tempel von Rawwāfa) und in Eigen­namen wie tymytʿy (Taimyiṯaʿ) ‚Diener des Yiṯaʿ’ oder ʿbdʿmrw (ʿAbdʿamr) ‚Diener des ʿAmr’. Die Schreibung mit –y und oft nicht mehr korrekt angewandtem –w dürften somit nur noch als histo­rische Orthographie beibehalten worden sein und nicht mehr die gesprochene zeitgenössische Sprache wiederspiegeln. Die tatsäch­lichen sprachlichen Verhältnisse, nämlich der wohl schon eingetre­tene Verlust der Kasusflexion, kommen in den Schreibungen ohne –w bzw. –y zum Ausdruck.“

Wie bereits in Kap. 4.2 erwähnt war W. Diem zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen[44]. Eine weitere Stadt, die Inschriften mit arabischem Sprach­material hervorgebracht hat, war Palmyra (S. 31 f.):

„Der Stadtstaat in der an einer wichtigen Karawanenstraße gelegenen Oase Palmyra (Tadmur), der kurz vor seiner Vernichtung durch die Römer im Jahre 273 n.Chr. seine höchste Blüte erreicht, war wahr­scheinlich nicht nur eine arabische Gründung, sondern wies auch ei­nen größeren arabischen Bevölkerungsanteil auf, (…) Als Schrift­sprache wurde in Palmyra das Aramäische verwendet, das in einem ei­genen palmyrenischen Alphabet, einer Abzweigung der mittel­ara­mäischen Schrift, geschrieben wurde.“

Aus den Inschriften scheint nicht viel Arabisches herauszulesen sein. Die Zwillingsgötter ʾrw Arṣū und ʿazyzw ʿAzīzu zeigen wie auch im Naba­täi­schen die Schreibweise mit –w.

In einem weiteren Kapitel widmet sich Müller den vorislamischen ara­bischen Inschriften, die in nicht-arabischer Schrift verfasst sind (S. 32 ff.). So ist die Inschrift JS 71 aus al-Ḫuraiba (Dedān) „zwar in lihyanischer Schrift abgefasst, nicht jedoch in lihyanischer Sprache; die Zeilen 4-10 lassen vielmehr ein fast klassisches Arabische erkennen.“ So ganz klassisch scheint das Arabisch nun aber doch nicht zu sein, denn der Stammesname trägt den lihyanischen Artikel hnʾkt (han-ʾAḥnikat), aber bereits die Ortsbezeichnung trägt den arabischen Artikel –(a)l– : blḥgr (bil-Ḥigr). Für die Untersuchung der Relativsätze interessant ist, dass hier zum ersten Mal das arabische feminine Relativpronomen ʾlt (ʾallatī) belegt ist. Diese Texte markieren einen Übergang (S. 33):

„Auch einige späte, noch in nabatäischer Schrift abgefasste Inschrif­ten lassen erkennen, wie das Nabatäisch-Aramäische allmählich durch das Arabische ersetzt wird und immer mehr arabische Wörter und Formen in die Texte eingeführt werden.“

Die mehrfach erwähnte Schreibung mit –w findet sich auch hier, z.B. rbwrabbu – ‚Erzieher’. Das Relativpronomen in der nabatäisch-griechischen Bilingue (RES 1097) von Umm al-Ǧimāl (ca. 270 n.Chr.) im Ḥaurān ist jedoch dʾ (ḏā).

In der bekannten Inschrift RCEA 1 von an-Nemāra (ca. 120 km südöst­lich von Damaskus) des um 328 verstorbenen Königs Marʾalqais, Sohn des ʿAmr (mrʾlqys br ʿmrw) wird die nabatäische Schrift verwendet, die Sprache ist jedoch größtenteils Arabisch.

Von Müller nicht thematisiert, aber sicherlich erwähnenswert ist der Um­stand, dass dieser Name gemischt arabisch-aramäisch ist: mrʾ = marʾ (aram./arab.) marʾ/marā) + ʾl = al- (arab.) + qys = qays (arab.) + br = bar (aram.) + ʿmrw = ʿamru (arab.). Die letzte Form hat die Nominativendung –u, sollte aber entweder die aramäische Endung –ā (nachgest. Artikel) oder die arabische Genitivendung –i haben. Diese Missachtung des Kasus findet sich auch in vielen anderen Beispielen von Substantiven mit der Nominativ­endung, wo ein anderer Kasus stehen müsste.

Folgende weitere Punkte sind bemerkenswert:

  1. Das feminine Demonstrativpronomen ist ty (tī), das dem sabäischen Relativpronomen t- entspricht.
  2. Das maskuline Relativpronomen ist dw (-ḏū)

Die ersten epigraphischen Denkmäler in arabischer Schrift nehmen sich nach Müller „nach Umfang und Inhalt recht bescheiden aus.“ Interessant ist, dass auch hier Mischformen von Aramäisch und Arabisch die Regel sind und die Nominativendung auch in syntaktisch falscher Position verwendet wird. Als Beispiel S. 35:

„In einer vierzeiligen Inschrift vom Ǧebel Usais südöstlich von Damaskus berichter ein ʾbrhym (Ibrāhīm) br mʿyrh (Sohn des Muġīra) ʾlʾwsy (ʾal-ʾAusī), daß ihn der ġassanidische König al-Ḥāriṯ (ʾlrt) im Jahre 528 zu einer militärischen Mission aussandte.“

Hierzu ist allerdings einiges zu bemerken:

  1. Die Interpretation von ʾbrhym als Ibrām ist nicht ganz unproble­matisch, da im Arabischen ein y auch als Mater lectionis für langes ā verwendet wird (z.B. in attā – bis), also auch eine Lesung Abrahām möglich wäre.
  2. Auch hier wird das aramäische br (bar = Sohn) statt des arabischen ʾbn (ʾibn) verwendet.
  3. In mʿyrh entspricht dem ʿ ein klassisch arabisches ġ wie im Aramäi­schen und Hebräischen, man denke an Fälle wie „Westen“ = arab. ġarb, hebr. ʿereb (Abend). Außerdem zeigt das h am Wortende, dass hier keine Kasusendung gesprochen wurde (nicht –atu/ ata/ ati), sondern –ā.
  1. Relativsätze in anderen altsemitischen Sprachen

6.1 Einleitenden Vorbemerkungen

Im Folgenden werden in Kürze die Relativsätze in den wichtigsten alt­semitischen Sprache vorgestellt, gefolgt von einer ähnlichen Behandlung der modernen arabischen Dialekte, getreu der Leitlinie, dass alle die klassisch-arabischen Erscheinungen zunächst einmal als verdächtig zu gelten haben, die weder in der einen, noch in der anderen Gruppe vorkommen. Von be­son­ders großem Nutzen war bei der Behandlung der altsemitischen Spra­chen das bereits mehrfach erwähnte Standardwerk zur Semitischen Sprach­wissenschaft von Burkhard Kienast[45]. Anders als andere Übersichtsbände über die Gruppe der Semitischen Sprachen[46] geht Kienast nicht vom Ara­bischen aus, das man lange für die Semititsche Sprache par excellence ge­sehen hatte, die den ursprünglichen Charakter am besten bewahrt habe, sondern vom Akkadischen als der bei weitem ältesten Stufe (ab ca. 2350 v. Chr.). Zwar hat das Eblaitische und die Sprache von Mari z.T. noch ältere Textzeugnisse aufzuweisen (ca. 2500 v.Chr.), sie sind aber nur bruchstück­haft belegt und zudem nahe mit dem Akkadischen verwandt[47].

Zur allgemeinen Verwendung der Relativpronomen sagt Kienast folgendes (S. 464):

„Insgesamt ist also festzustellen: Die Möglichkeit zur Unterordnung von Sätzen fehlt dem Seminitschen zunächst fast völlig und damit auch weitgehend die Fähigkeit, einen Text logisch gliedern zu kön­nen. Angesichts dieser Tatsache sind die Infinitivkonstruktionen ge­ra­de der älteren Semitischen Sprachen von ausserordentlichem Inte­resse, da sie wenigstens einen teilweisen Ersatz für die fehlenden Subjunktionalsätze bieten.“

Darauf folgt ein Kapitel über Infivitivkonstruktionen. Es mögen zwei Beispiel genügen (S. 466 f.):

      Akkadisch:

annīum epēši – wörtl.: dies (ist) mein Tun = dies ist, was ich getan habe

ina bāb muāti-šu – am Tore seines Sterbens = bevor er starb

ša duāki-ka tēpuš – das deines Getötet-werdens hast du getan = du hast getan, was deine Tötung erfordert.

      Hebräisch: (S. 473)

beśinʾaṯ Jahwä ʾōṯānū – in-Hassen Jahwe uns = weil Jahwe uns hasst

leḏaʿtō – zu wissen-sein = wenn er weiß

Auf S. 51 gibt er eine Übersicht über die semitischen Relativpronomen (ergänzt um weiter unten stehende Angaben):

Tabelle 15: (Akkadisch, Ugaritisch, Hebräisch, Aramäisch, Arabisch, Altsüdarabisch, Geʾez)

Akk. Ug. Hebr. Aram. Arabisch ASA Geʾez
Sg. m. šu

(Gen. šī;

Akk.: ša)

d zō / zū,

ša / šä / še

dī, de ḏū, ʾallaḏī za
      f. šāt dt ḏātu, ʾallatī ḏt ʾenta
Du. m. ša ḏawā, ʾallaḏāni ḏj
   f. ša ḏawātā,

ʾallatāni

ḏtj
Akk. Ug. Hebr. Aram. Arabisch ASA Geʾez
Pl. m. šūt ḏawātu, ʾulātu,

ʾallaḏīna, ʾallāʾi

ʾlw ʾella
      f. šāt ḏawātu, ʾulātu,

ʾallāti, ʾallāʾi

ʾlw ʾella

Bereits die Fülle der Einträge beim Arabischen gegenüber den wenigen Formen überall sonst ist überraschend.

6.2 Akkadisch

Das Determinativpronomen wird auch als Relativpronomen verwendet, das altakkadisch noch folgendermaßen flektiert wird: (größtenteils basierend auf Kienast S. 448 f.):

Sg. m. Sg. f. Pl. m. Pl. f.
Nom.

Gen.

Akk.

šū

šī

ša

šāt

šāti

šāt

šūt

šūti

šūt

šât

šât

Bsp.: Śarrukīn … šū dEnlil māḫira la iddin-u-śum – Sargon, der – Enlil hat einen Rivalen ihm nicht gegeben = Sargon, dem Enlil einen Rivalen nicht gegeben hat

in śantim śaliśtim šāti dEnlil śarrūtam iddin-u-śum – im dritten Jahr, jenem – Enlil hat ihm das Königtum gegeben = im dritten Jahr, nachdem Enlil das Königtum ihm gegeben hatte

Seit altassyrischer/  altbabylonischer Zeit tritt einheitlich ša ein.

(awīlum) ša elīšu kišpu nadû (altbabylonisch) – der Mann, welcher – auf ihn ist Zauberei geworfen = der Mann, dem Zauberei (vor)geworfen ist.

Das flektierte Demonstrativpronomen zusammen mit dem neuen unveränderlichen Relativpronomen kommt ebenfalls vor[48]:

anniu šū ša qabūni (anniu šu-u ša qabûni) –

das ist das was gesagt wird (this is what is said)

Kienast stellt die altakkadischen Formen, die noch voll flektiert wurden, wenn auch nicht alle Formen belegt sind, den bereits besprochenen (zwei­felhaften) Formen des Dialektes der Ṭayyiʾ gegenüber (S. 52; ohne Nennung des Stammesnamens):

mask.

Akk.        Arab.

fem.

Akk.         Arab.

Sg. Nom. šū ḏū šāt ḏātu
      Gen. šī ḏī šāti ḏāti
      Akk. ša ḏā šāt ḏāta
Du. Nom. ḏawā ḏātā, ḏawātā
      Obl. daway ḏātay, ḏāwātay
Pl. Nom. šūt ḏawū šāt ḏawātu
      Obl. ḏawī ḏāwāti

Wir sehen, dass selbst im Vergleich mit dem Altakkadischen die Besetzung der Tabelle im postulierten Arabischen weit reichhaltiger ist. Zudem muss daran erinnert werden, dass die Nominalflexion im Akkadischen schon seit altbabylonischer/altassyrischer Zeit im Abbau begriffen war und das Rela­tiv­pronomen sozusagen das erste „Opfer“ war. In einer ähnlichen Lage, so­gar in viel weitergerücktem Stadium, soll das Arabische diese Fülle erhalten bzw. überhaupt erst aufgebaut haben? Dies widerspräche allen Vergleichs­fällen.

Relativsätze ohne einleitende Partikel sind selten, das Bezugswort des Relativsatzes ist dann endungslos:

bīt īpuš-u – wörtl.: ein Haus – er hat (es) gebaut = das Haus, das er gebaut hat

šti abum iddin-u-šum  -ein Geschenk: das: der Vater hat (es) ihm gegeben = das Geschenk, das der Vater ihm gegeben hat

Riekele Borger gibt in seinem Standard-Lehrbuch[49] folgendes an:

„§128a Das Prädikat eines Nominalsatzes kann aus einem ganzen (Nominal- oder Verbal-)Satz bestehen (zusmmengesetzter Nominal­satz), z.B. awīlum šū šībūšu lā qerbū ‚was jenen Menschen anbetrifft, so sind seine Zeugen nicht nahe’. Das Subjekt wird im Präd. meistens durch ein Pron.-Suff. wieder aufgenommen. Der Zweck ist die be­ton­te Heraushebung eines bei normaler Satzfügung wenig betonten Satzteiles als eine Art von Einstellungsstichwort, das im Nominativ vorangestellt wird (casus pendens).“

Das hier gegebene Beispiel ist gut geeignet, um die Entstehung der Verwendung der Demonstrativpronomen als Relativpronomen zu erklären: Das spätere Relativpronomen, das ursprünglich dem Demonstrativ­pronomen gleich ist, ist anfangs auch nichts anderes als ein solches: „awīlum šū – dieser Mann“ stellt das Satzthema an den Anfang („was diesen Mann betrifft“). Das von diesem Thema Gesagte (das sog. „Rhema[50]“) folgt dann wie nach einem Doppelpunkt: „šībūšu lā qerbū – wörtl.: Zeugen seine nicht sind nahe = seine Zeugen sind nicht nahe.

Von einer solchen Nominalsatzkonstruktion ist es nur ein kleiner Schritt zu einem Relativsatz: der Mann, dessen Zeugen nicht nahe sind.

Formal wären diese beiden Sätze auch nur unterscheidbar durch das danach Folgende. Hier wird der Unterschied zur Lage des Arabischen ganz deutlich: Während das flektierte Demonstrativpronomen ganz natürlich mit dem vorangehenden Bezugswort in Kasus und Genus kongruiert und die Interpretation als Relativanzeiger nur sekundär ist, ist diese Erklärung beim arabischen ʾallaḏī und seinen Formen nicht möglich, das diese nur als Rela­tiv­pronomen verwendet werden. Die vordergründig ähnliche Konstruktion des Altakkadischen ist also bei näherer Betrachtung kein wirklicher Parallelfall.

6.3 Ugaritisch

Tropper gibt in seiner ugaritischen Grammatik[51] als Relativpronomen die Form bzw. d(<*ḏ) an, und zwar in einer deklinablen und einer in­deklinablen Variante. Indeklinabel: d = /d/:

deklinabel:     m.Sg. Nom. d /dū/ – Gen. d /dī/ bzw. /ḏī/ – Akk. d /dā/

f.Sg. dt /dātu/ (Nom.), /dāti/ (Gen.), /dāta/ (Akk.)

pl.: dt /dūtV/

Die Form ist abhängig vom syntaktischen Kontext:

il mlk d yknnh – Ilu, der König, der ihn erschaffen hat

d in bn lh – …, der keinen Sohn hat

Vor asyndetisch angeschlossenen attributiven Nebensätzen steht das Leit­wort – sofern erkennbar – im St.cs.:

rgm      l         tdʿ          nšm

Wort  nicht kennen  Menschen =

ein Wort, das die Menschen nicht kennen

Hier muss jedoch angemerkt werden, dass die Interpretation des Relativ­pronomens als deklinabel (dū, dī, dā ec.) äußert zweifelhaft ist, da das Ugaritische Vokale nur nach ʾ unterscheidet, in diesem Falle also graphe­misch nur zwei Fomen (d vs. dt) vorkommen. Die Kasusunterschiede wurden also rein analog zum Arabischen angenommen.

6.4 Hebräisch

Im Hebräischen[52] lautet das normale Relativpronomen אֲשֶׁר – ʾašär und ist indeklinabel:

יְהוָה ׀ אֱלֹהֵי הַשָּׁמַיִם אֲשֶׁר לְקָחַנִי מִבֵּית אָבִי

YHWH ʾälohê ha-ššāmayîm ʾašär     ləqāḥa-nī    mi  -bêṯ     ʾāḇī

Jahwe  Gott    der Himmel welcher nahm mich von Haus Vater mein

Der HERR, der Gott des Himmels, der mich von meines Vaters Hause genommen hat

Es handelt sich auch hier um einen appositionell beigefügten Relativsatz:

„Jahwe, dieser, er hat mich genommen …“. Dass das spätere hebräische (auch im Iwrith normale): -שֶׁ – šä- eine Kurzform von ʾašär ist, ist bestritten worden. ʾašär ist ursprünglich lokal und hängt mit dem Akkadischen „ašrum – Ort; wo“ zusammen (Kienast, S. 459). Vergleiche dazu akkadisch: imtaši ašar iwwald-u – er hatte vergessen, wo er geboren wurde.

Weiter schreibt Kautzsch auf S. 227 (dt., Hebräische Buchstaben transliteriert):

„Wie das urspr. Demonstrativpronomen ʾašär dienen auch die ei­gent­lichen Pronomina demonstrativa zäh, zō, zū (letzteres sogar ge­wöhn­lich), sowie bisweilen der Artikel, in dichterischer Rede ziem­lich häufig zur Einführung sowohl unselbständiger als selbständiger Relativsätze.“

Es mag je eines der angeführten Beispiele für jede Form genügen:

Ps 104, 26: לִוְיָתָן זֶה־יָצַרְתָּ לְשַׂחֶק־בֹּו׃

liwiyāṯān   zäh-   yāṣartā       li-śaḥēq    bô.

Leviathan dieser du schufst zu spielen in ihm

Leviathan, der – du hast (ihn) geschaffen = den du geschaffen hast. (Ges.)

Walfische, die du gemacht hast, daß sie darin spielen. (Luther)

Isaiah 42, 24

הֲלֹוא יְהוָה זוּ חָטָאנוּ לֹו

halôʾ           YHWH  zû         ḥāṭāʾnû            lô

etwa nicht Jahwe     dieser  wir sündigten an ihm

Hat’s nicht der HERR getan, an dem wir gesündigt haben,

Ps 132,12

אִם־יִשְׁמְרוּ בָנֶיךָ ׀ בְּרִיתִי וְעֵדֹתִי זֹו אֲלַמְּדֵם

ʾim-yišmirû                 bānäy-ḵā     birîṯî      w-ʿēḏoṯî          zô     ʾalamməḏēm

wenn werden halten Kinder dein m. Bund u. m. Zeugnis dies   ich werde                                                                                                            sie lehren

Werden deine Kinder meinen Bund halten und mein Zeugnis, das ich sie lehren werde,

 

Nach einem indeterminierten Substantiv folgt der Relativsatz im status absolutus (Kienast S. 463):

śārīm     zāhāḇ la-häm

Fürsten Gold  zu ihnen = Fürsten, die Gold besitzen.

ʾälohīm                lō       jeḏāʿūm

Götter, (die sie) nicht kannten

6.5 Aramäisch

Im biblischen Aramäisch wird für alle Genera und Numeri verwendet[53]:

lā        īṯay        dī         -yəmaḥaʾ  bīḏeh

nicht es gibt  welcher  abwehrt   mit seiner Hand

– es gibt niemanden, der abwehren kann (Dan 4:32)

Auch mit dem Interrogativpronomen wird es verbunden: min-dī – quisquis,

h ḏī – was auch immer. Allerdings bedeutet māh ḏī (ähnlich wie arabisch mā ḏā) oft nur „was“ (Analyse Verf.): (Dan 2:45)

hōḏaʿ       l-malkā             mā   ḏī           lehewā       aharay ḏnā

tat kund  zu dem König  was welches  wird sein  nach   von uns

er hat dem König kundgetan, was in Zukunft geschehen wird.

ū-man    dī    lā        jippēl wə-jisguḏ

und wer der  nicht  fällt    und anbetet

und wer auch immer nicht niederfällt und anbetet

steht auch ohne dī als Rel.pron.:

yāḏaʿ       mā    biṯašôḵā –

er weiß   was   in Finsternis

er weiß, was im Finsternisse ist (D 2, 22)

Auf S. 86 geben Bauer/Leander an, dass dieses Relativpronomen dī ursprüng­lich mit dem Demonstrativpronomen identisch sei.

Rosenthal erwähnt in seiner Grammatik[54] eine spätere häufige Form „də-, die nur in einer Falschlesung vorkommt.

Im Syrischen wird ebenfalls ein indeklinables d(a)- verwendet[55], das auch „von, dass, damit, weil“ bedeuten kann:

  1.     „von“: ḥayuṯā d-ʾarʿā – Tiere der Erde
  2.     Rel.pron.: abun ­bašmayyā – Vater unser der im Himmel

l-man gēr d-iṯ leh nettiheḇ – wer hat, dem wird gegeben

  1.     zur Bildung unterordnender Konjunktionen:

aykanā d– just as, man d– wer auch immer, ayk d– als ob

  1.     „dass“, : zur Einleitung indirekter Rede, bzw. 5. final (so) dass:

    wa-qaḏ   l-ʿabdawhy    d-neqṭlun   l-ḵul   meṣrāyā   ḏ-āḡaʿ   b-hon.

und er befahl seinen Dienern, dass sie töten sollen jeden Ägypter, der auf sie trifft.

Weitere Beispiele von

ʾelāhā de-sāger-at leh – der Gott, welcher – du verehrst ihn = der Gott,   den du verehrst (Kienast S. 449)

ʿbew  d-šapir – tut, welches gut – tut das, was gut ist (Mt. 5:44) (aus     Muraoka[56])

6.6 Altäthiopisch (Geʿez)

Tropper[57] gibt in seiner Grammatik an, das die Demonstrativa auch als Relativpronomen verwendet werden:

Die Pronomina za-, ʾənta (f.) und ʾəlla (Pl.) haben determinative Grundfunktion. Da sie ebenso Relativsätze einleiten, werden sie auch Relativpronomen genannt. Sie dienen:

  1.     Zur Einleitung eines Relativsatzes:

bəʾəsi  za- maʾa – der Mann, der kam

nagar za kama-zə – eine Sache (die) wie diese (ist) – eine derartige Sache

  1.     zur Periphrase einer Genitivverbindung:

manbar za-warq – ein Thron aus Gold

  1. ohne Leitwort: za-lam – der der Lepra = Lepra-Kranker
  2. ohne Leitwort mit folgender Verbform in der 3.Sg.:

za-yəreʾi – der Seher (der – er sieht)

Weitere Beispiel auf S. 218:

wa(-mimma) bo-nu kāləʾ       za          -nəsseffaw

oder gibt es einen anderen, auf den wir warten sollen? (Lk 7,19.20) (Wz. sfw. – ʾasaffawa – Hoffnung machen; ba – in, bei, um ; bo – in ihm, –nu – Fragepartikel)

Kienast gibt folgende Beispiele (S. 449):

beʾesīta za-mōta – die Ehefrau dessen – er ist gestorben = die Ehefrau dessen, der gestorben ist

ʾī-kōnkemū ʾante ʾella tetnāgarū – nicht ihr (seid) jene – sie reden = nicht ihr (seid) es, die reden

6.7 Altsüdarabisch

Maria Höfner[58] schreibt in ihrer Grammatik, dass das Relativpronomen den Demonstrativpronomen aufs engste verwandt sei. Die in allen Dialekten geläu­figste Form ist đ; im Qatabatanischen mit der Nebenform đw (đau, nur einmal belegt); für Sg. u. Pl. gebraucht; Femininform đt = đat. Allerdings gibt es auch Belege für den Gebrauch von đ für das Feminin. Interessant ist, dass das Qatabatanische eine Nebenform hat, die durch das m-Demonstrativ erweitert ist: đm, f. đtm (Gebrauch wie đ, đt)

6.8 Andere Afroasiatische Sprachen: Hausa

Die semitischen Sprachen gehören zu der größeren Gruppe der afro­asiatischen Sprachen, die man früher irreführend als „Semitisch-Hamitisch“ bezeichnete[59]. In den vorangegangenen Kapiteln wurde gezeigt, dass in praktisch allen altsemitischen Sprachen Formen mit „d-“ vorkommen. Eine ähnliche Form kommt auch in anderen Sprachen der Makrogruppe vor, was auf das hohe Alter dieser Formen hindeutet. Als Beispiel möge hier das Hausa dienen, die wichtigste sog. tschadische Sprache und, zusammen mit dem Kiswahili, eine der beiden wichtigsten afrikanischen Sprachen[60]: Der Relativsatz wird im Hausa mit der Partikel „da“ eingeleitet; das Bezugswort im Hauptsatz steht in der bestimmten Form:

yáa            sayí      abîn    da          súka          sáamuu.

er (Verg.) kaufen Sache  welche  sie (Perf.)  bekommen

er kaufte die Sache, die sie gefunden/ bekommen hatten.

sún           saamí    ɾiigâr   da          yá               neemáa

sie (Pef.)  finden   Tobe   welche   er (Verg.)  suchen

sie fanden die Tobe (langes Gewand), die er gesucht hatte.

Das selbständige Relativpronomen beinhaltet ebenfalls dieses Element und lautet:

  1. wânda,     f. wâdda, Pl. wáɗanda – welch-

wâdda súka sáamu – diejenige, welche sie fanden / erhielten

Relativpronomen der Art und Weise, des Ortes und der Zeit sind:

yâdda   –  wie, in der Art wie

índa   –  wo, dort wo

sáʔadda ~ sân-da ~ sáaʔanda – wann, zur Stunde da, als

  1. Relativsätze in späteren arabischen Dialekten

7.1 Die modernen arabischen Dialekte

Zu der Entstehung der neuarabischen Dialekte schreibt Singer[61]  (S. 117):

„Wie an anderer Stelle (siehe Abschnitt 3.1.2) ausgeführt, ist damit zu rechnen, daß schon in frühislamischer Zeit, wenn nicht sogar früher, zwei Sprachformen des Arabischen neben- und miteinander existieren: eine sprachgeschichtlich ältere, die wir in der Hoch­spra­che, und eine jüngere, deren Nachfolger wir in den neu­arabischen Dialekten sehen. Es kann kaum zweifelhaft sein, daß diese bis heute andauernde Diglossie von Angang an die Entwicklung des Arabi­schen in besonderer Weise beeinflußt hat.“

Danach erwähnt er die generelle Spaltung der arabischen Dialekte in Bedui­nen- und Ansässigendialekte:

„Als trennendes Kriterium zwischen den beiden großen Dialekt­gruppen, der der Ansässigenmundarten und der der Beduinen­mund­arten, galt J. Cantineau die Aussprache des qāf: eine stimmlose Ver­tre­tung in den Ansässigen-, eine stimmhafte in den Beduinen­mundarten.“

Hier nennt er jedoch auch Ausnahmen (Oberägypten und Jemen) und er schlägt als Definitionskriterien eher ein Bündel von Merkmalen vor. Kurz geht er auch auf die These Fergusons[62] ein:

„Die großräumige Konvergenz sprachlicher Eigentümlichkeiten, die insbesondere in den Stadtmundarten auffällt, bildet den Hintergrund der Hypothese Ch. Fergusons, die er unter dem Titel The Arabic Koine (1959) veröffentlichte: eine relativ homogene überregionale Umgangssprache (Koine), die nicht auf dem Dialekt eines einzelnen, zentralen Ortes beruhte – so meint Ferguson -, entwickelte sich be­reits in vorislamischer Zeit als eine arabische Umgangssprache und verbreitete sich in den ersten Jahrhunderten der islamischen Ära über den größten Teil der islamischen Welt. Sie bestand neben der klassischen ʿArabīya, wurde aber selten für schriftliche Zwecke ver­wendet. Die meisten heutigen Dialekte, speziell jene außerhalb Ara­biens, sind Fortsetzungen dieser Koine, so daß ihre Unterschiede als Entlehnungen oder Neuerungen verstanden werden müssen, die nach der Ausbreitung dieser Gemeinsprache eintraten. (…) Die Koine entwickelte sich in den Städten und innerhalb der Armee, (…). Die Mundarten der Beduinen sind nach Auffassung Fergusons von dieser Entwicklung unberührt geblieben; sie stammen nicht direkt von der Koine ab. Zum Beweis seiner These führt er aus, daß die heutigen Mundarten in einer Reihe von Punkten gegenüber dem Altarabischen übereinstimmen, und zwar in solchen, die nicht als Fortsetzer alter Tendenzen, wie Verlust des Hamza, Reduktion der Flexionskategorien und andere, anzusehen sind. Da einige dieser Erscheinungen komplizierter Natur und nur schwierig durch ‚drift’ zu erklären sind, sei eine gemeinsame, nichtklassische Vorform zu postulieren. Die Koine entstand also durch einen komplexen Vor­gang gegenseitiger Entlehnungen und reziproken Ausgleichs der ver­schiedenen altarabischen Dialekte, nicht durch Ausbreitung von einer einzigen Quelle aus.“

Singer lehnt diese Hypothese ab und stützt sich auf die Kritik D. Cohens[63].

Unter anderem führt er Folgendes an (S. 118):

„Bei der Durchmusterung der von Ferguson vorgebrachten Erschei­nungen zeigt sich nach D. Cohens Auffassung zwar eine gewisse ge­mein­same Entwicklungsline, eine Tendenz der Sprache, die sich ledig­lich bei den Seßhaften rascher vollzogen bzw. durchgesetzt hat. Im übrigen handelt es sich um Neuerungen nicht der Gesamtheit der Dialekte aller Ansässigen; man darf also diese Züge nicht unbesehen einer Koine zuschreiben, wie dies Ferguson des öfteren zu Unrecht – weil offensichtlich ohne intimere Kenntnis maghrebinischer Stadt­mund­arten – tut, sondern höchstens regionalen Umgangssprachen. Die Verhältnisse in den Lagerstädten der Araber, in denen die Koine entstanden sein soll, waren sehr unterschiedlich. Die Regel war star­ke Mischung der Stämme, so sind mehrere Fälle belegt, wo in einer Stadt oder in einem Landstrich eine bestimmte Stammesgruppe do­mi­nierte. In solchen Fällen ist nicht von der Hand zu weisen, daß manche Ausstrahlungszentren der Arabisierung durch einen be­stimm­ten Dialekt charakterisiert gewesen sein können.“

Singer erwähnt allerdings auch die Arbeiten von A.S. Kaye[64] (S. 119):

„A.S. Kaye (1976) hat die Ferguson’sche These für ein Randgebiet des arabischen Sprachraums (Ostsudan und Tschad) auf ihre Rich­tigkeit geprüft und sie seiner Meinung nach bestätigt gefunden. Viel­leicht waren die alten Dialekte nicht allzu verschieden voneinander, so daß die neuen Mundarten sich eher durch das Abschleifen und Verwischen der auffälligsten Eigenheiten auszeichneten als durch Neuerungen und Sonderentwicklungen.“

Behnstedt und Woidich[65] listen folgende in der Literatur erwähnten wichtigen Neuerungen des neuarabischen Sprachtypus auf:

„Der neuarabische Sprachtyp ist durch die modernen Dialekte reprä­sentiert, ist aber schon sehr früh belegt, da sich gewisse Merkmale des­selben ab dem 9. Jhdt. in Texten nachweisen lassen. Er unter­scheidet sich vom altarabischen in wesentlichen Punkten, s. unten 3.“ (das Folgende gibt nur einige der Punkte wieder)

  1. Verlust des /ʾ/: qaraʾa > qarā; dagegen aber auch Formen mit /ʾ/ (Glottalstopp; Hamza):     Nildelta: yiʾakkil – füttern
  2. Verlust der interdentalen Spiranten in den Ansässigendialekten, Erhalt derselben in den Beduinendialekten (viele Ausnahmen)
  3.  Zusammenfall der Phoneme /ḍ/ und   /ḍ/[66] in /ḍ/ in den Ansäs­si­gen­­­dialekten, /ḍ/  in den Beduinendialekten.
  4. Verlust auslautender Kurzvokale und Kürzung auslautender Län­gen. Nicht bei vielen jemenitischen Dialekten
  5. Elision kurzer Vokale in unbetonter Silbe – viele Ausnahmen
  6. Aufgabe der Opposition /i/ und /u/ in vielen Ansässigendialekten

Wie man an den Einschränkungen sehen kann, werden viele dieser Punkte von ihnen stark relativiert. Manche angeblich späten Wandelerscheinungen sind schon für vorislamische Dialekte belegt. Interessant ist, was sie zum angeblichen Verlust des Duals bei der Verbalflexion zu sagen haben:

„Bei Verb und Pronomen ist im Neuarabischen der Dual angeblich aufgegeben, während er beim Nomen, wenn auch nicht in allen Fällen, noch angewendet wird, und auch bei Körperteilen als Pseudodual, vgl. BLAU (1970b), auftritt. Mit FISCHER (1982b) 84 und (1995) 83 muß man sich jedoch fragen, ob die Vorläufer der heutigen arabischen Dialekte überhaupt jemals den Dual in allen Kategorien besessen haben, und ob es sich nicht, was Verb und Pronomina betrifft, um eine Systematisierung des Duals im KA handelt.“

Sie nehmen hier also eine analogische Erweiterung des Verbalsystems um den Dual im Klassisch-Arabischen an, die in der Umgangssprache nicht statt­gefunden hat. Da wäre natürlich gleich die nächste Frage, wer hier analogisch erweitert hat. Etwa die alten Grammatiker, oder sollte diese Erweiterung ein Vorbild in einem Dialekt haben? Dieser Punkt ist wichtig, da man ein ähnliches Phänomen auch für die Relativpronomen annehmen könnte.

Zu den Modusendungen des Klassisch-Arabischen haben sie Folgendes zu sagen (S. 17):

„14. Verlust der Kasus- und Modusdistinktion

Hier weisen alle Autoren, die sich mit dem Thema befassen, auf den Verlust der durch Vokale ausgedrückten Kasus- und Modus­dis­tink­tion hin. Letztere ist jedoch im Neuarabischen durch Bildung von Verbmodifikatoren nur neu gestaltet worden […], vgl. etwa ägyp­tisch-arabisch  biyiktib ‚er schreibt jetzt, gewöhnlich’ vs. yiktib ‚er soll schreiben’. Die Tatsache, daß die neugebildeten Partikeln zur Bezeichnung der Gegenwart in den städtischen Dialekten18 (bi-, ʿa-, qa-, ka-, ta- etc.), auf die verschiedensten lexikalischen Quellen zurückgehen, macht einen gemeinsamen Ursprung derselben aus einer Koiné recht unwahrscheinlich.“

Sollte dies ein Anzeichen dafür sein, dass die gemeinsame Vorstufe aller Dialekte die Modalendungen noch besaß, und diese erste später durch andere Mittel ersetzte? Oder könnte es sein, dass das Vorhandensein eines Konjunktivs ein typologisch so häufiges Phänomen ist, dass er auch spontan entstehen kann. Da das Arabische allgemein zu asyndetischen oder nur schwach (z.B. durch wa – „und“) verbundenen Sätzen neigt, ist ein Anzeiger für Unterordnung in Form einer besonders markierten Verbform eigentlich zu erwarten[67]. Die Tatsache, dass solche Formen in vielen Dialekten vor­kommen, ist also kein klares Anzeichen für einen gemeinsamen Ursprung. Zu den einzelnen aufgelisteten Punkten fällen Behnstedt und Woidich auf S. 20 folgendes abschließendes Urteil:

„Aus der obigen Diskussion eines Teiles dieser in der Literatur ange­führten und im Vergleich zum Altarabischen als relevant erachteten Merkmale des Neuarabischen ergibt sich, daß nahezu jedes mit der nötigen Skepsis zu betrachten ist. (…) Ähnliche Skepsis legt W. DIEM an den Tag, wenn er sagt: ‚Je mehr Sonderentwicklungen ara­bischer Dialekte bekannt werden, desto schwieriger wird es, den Begriff ‚Neuarabisch’ zu definieren’ (DIEM (1991) 297). So läßt er denn nur noch zwei Entwicklungen als gemeinneuarabisch gelten:

  1. Aufgabe der Kasus- und Modusdistinktion und
  2. Abfall auslautender kurzer Vokale und bestimmter Endungen

(-un, -in, -an).“

Aber auch letzterer Punkt, die Aufgabe der indeterminierten Endungen (mit Nunation, d.h. –n) muss relativiert werden. Sie erwähnen als Gegenbeispiele den Dialekt der nördlichen jemenitischen Tihāmah (jamalun – ein Kamel),  -in in anderen Gegenden der Region (Jemen/Minabbih: xams banātin – fünf Mädchen), sodann Beduinendialekte der arabischen Halbinsel (wlidin ḥarbiyyin – ein Junge vom Stamme Ḥarb), den noch zu besprechenden zentralasiatischen Dielekt von Usbekistan/Chorasan (labāṯin ḏēnin – schöne Kleider) und schließlich einen Dialekt im Sudan (maratan fālḥa – eine tüchtige Frau). Ihr abschließendes Urteil lautete:

„Ein  ‚Proto-Neuarabisch’ in dem Sinne, daß es alle Merkmale um­faßt, die in der Literatur als ‚neuarabisch’ bezeichnet werden, dürfte es wohl nie gegeben haben.“

Wie noch erläutert werden wird, ist ihnen in diesem Punkt auch aus typo­logischer Sicht beizupflichten. Im Folgenden werden von ihnen eine Reihe verschiedener Theorien zur Entstehung der modernen Dialekte kurz vor­gestellt, die z.T. bereits erwähnt wurden, so auch Fergusons Theorie einer frühneuarabischen Koiné in den Armeelagern und Kasernenstädten (Baṣra, Kūfa, al-Fusṭāṭ, Qayrawān) (S. 22). Auch die Theorie von Vollers, dass schon in der Frühzeit eine Sprache des neuarabischen Typus bestand, die zu einer Prestigesprache (mit allen Endungen) in einem Diglossieverhältnis stand (s. dazu auch Kap. 5.2). Relevant für unsere Untersuchungen sind archaische Dialekte, die sie auf S. 24 erwähnen:

„Die Dialekte nicht nur des Jemen, sondern auch Saudi-Arabiens (insbesondere ʿAsīr) weisen noch sehr viele konservative Züge auf, Erhalt des ‚glottal stop’ in jemenitischen Dialekten, Interdentale, punk­tuell Unterscheidung der Reflexe von *ḍ und *ḍ, Diphthonge, konservative Silbenstruktur und Vokalismus, lange Vokale im Aus­laut. In der Morphologie: internes Passiv; und die Verbal­endungen des Perfekts des KA sind alle (bis auf den Dual) in jemenitischen und saudischen Dialekten.“

Weiterhin ist ein in allen Sprachgemeinschaften zu beobachtendes Phäno­men wichtig, dass nämlich bei Vorhandensein eines Diglossieverhältnisses sich als dritte Sprachform eine hochsprachlich beinflusste Honoratioren­sprache entwickelt (S. 58):

„‚Honoratiorenarabisch’ zeichnet sich primär durch dialektale Merk­male aus, ist im Lexikon jedoch stark durch das Hocharabische be­ein­flußt. Es zeigt sich auch in der Phonologie, etwa in Ägypten und Syrien bei der häufigeren Verwendung der Lautsubstitute /s/, /z/, /ẓ/ für die hocharabischen  /ṯ/, /ḏ/, /ḍ/[68], denen dialektal /t/, /d/ und /ḍ/ ent­­sprechen. Das Honoratiorenarabisch hat eine gewisse Variations­breite. Strikte Scheidungslinien zu ziehen dürfte wie bei allen Ab­grenzungen von sprachlichen Varietäten, sehr schwierig sein.“

Auch einen zentralen Begriff führen sie ein, der leider viel zu oft ignoriert wird, den des Dialektkontinuums (S. 95):

„Vergleichbar dem westgermanischern Dialektkontinuum gibt es ein arabisches Dialektkontinuum. Dies ist allerdings nicht derart zu ver­stehen, daß man allmählich mit allen möglichen Übergängen von einem Dialektgebiet zu einem anderen kommt, etwa von Marokko nach dem Jemen. Innerhalb dieses Kontinuums gibt es scharfe Bruch­stellen, etwa zwischen libyschem und ägyptischem Arabisch im Westen des Nildeltas oder in vielen arabischen Ländern solche zwi­schen Ansässigendialekten und Beduinendialekten, wobei oft über hunderte von Kilometern fast identische Dialekte gesprochen werden, […]“

Dass es in einem Dialektkontinuum immer auch Gravitationskräfte gibt, die größere zusammenhängende Gebiete schaffen (im Bereich der deutschen Dialekte z.B. die alemannischen Dialekte der Schweiz), ist ein Phänomen, das man auch in Arabien antrifft. Als Beispiel nennen sie die Dialekte Ägyp­tens, die „die eine Reihe von charakteristischen Merkmalen und durch mehrere verschieden zu gewichtende Isoglossen abgegrenzt“ sind.

Doch zurück zu den bereits erwähnten Archaismen. Zu Beginn seines kurz vor seinem Tod verfassten Aufsatzes zu Archaismen im Klassisch-Arabischen und den modernen Dialekten schreibt Alan S. Kaye[69] folgendes:

„This essay argues that modern spoken Arabic dialects sometimes retain very archaic Semitic features. In fact, they may even preserve Proto-Semitic forms that have been lost in Classical Arabic – another indication that Classical Arabic is not to be regarded as their ancestral proto-language […]. Rather, there were other Arabic dialects spoken alongside Classical Arabic all throughout history that served as the ancestral inputting ones to the contemporary picture of Arabic dialects.“

Kaye verweist auf mehrere Dutzend Beispiele aus den Dialekten, in denen die jeweilige Dialektform archaischer ist als die entsprechende Form des Hocharabischen, z.B. dialektale Formenmit laʾ für die Negation (mit Ham­za/ Glottalstop am Ende), die den altsemitischen Formen (z.B. im Hebräischen) näher sind als das klassische lā.

Ein weiteres gutes Beispiel ist der bereits erwähnte Imperfektvokal, der in fast allen Dia­lekten, ebenso wie in den altsemitischen Sprachen, i lautet, im Klassisch-Arabischen jedoch a, z.B.:

„Colloquial Arabic /yifqid/ corresponds to Akkadian /ipqid/, Ara­maic /nepqud/, Hebrew /yipqod/, Geʿez /yəfqad/ and Classical Ara­bic /yafqid/ (Proto-Semitic √fqd = ‚to seek’). Most Semitic languages and most modern Arabic dialects have /i/ or a vowel clearly origi­nating from it, as opposed to Classical Arabic /a/. Although Moscati et al. (1964) postulate the vowel */a/ as Proto-Semitic, they also remark (1964, 143): ‚Some scholars, however, regard the vowel i of the prefix as primary, alongside a.’ I believe there is much evidence in favor of Proto-Semitic */i/ than */a/.“

Im Folgenden wird ohne größeren Kommentar die Bildung von Relativ­sätzen in verschiedenen Dialekten mit einigen Beispielen erläutert. Wie man sehen wird, werden praktisch überall nur die bereits erwähnten Formen *illi bzw. *iddi gebraucht. Eine eigene Interpretation des vorliegenden Materials wird erst am Ende erfolgen.

7.2 Marokko[70]

Das Relativpronomen lautet: lli (hier und im Folgenden werden die Transkrip­­tionen in einigen Fällen leicht angepasst, aber die Übersetzungen der arabischen Sätze beibehalten).

hada huwa ṛažel lli ṭaḥ – this is the man that fell

hada huwa ṛṛažel lli qolna-lek ʿlih – this is the man (that) we told you about

men-lli – seit

      men-lli mša – since he left

Bei Fragen nach škun – wer

      škun lli šafek? – who (is it that) saw you (sg.)?

7.3 Algerien[71]

elli, daneben: lli, di

el-ʿummâl elli hum ṣḥâb-ṣanʿa – les ourvriers qui sont titulaires d’un métier

hiyya lli ḍaṛbet l-awwla – (c’est) elle qui al frappé la première

Satzeinleitend: der, welcher – elli

      elli iqder itʿallem ḥerfa – celui qui peut apprendre un métier

mit Präposition:

      el-bent elli ḫrejna mʿaha – la fille avec qui nous sommes sortis

hocharabisch (Verf.): al-bintu allatī ḫaraǧna maʿa-hā

7.4 Tunesien[72]

In städtischen Dialekten: əlli oder lli:

lli maː yišqå ma yilqå – wer sich nicht bemüht, findet nicht

auch in Zusammensetzungen: fị’lli – das, in dem; lˊlli – das, dem; bˊlli – durch das, was; mịlli – das, von dem; ʕaˊlli – das, auf dem

In jüdischen Dialekten mit der hocharabisch beeinflussten Form: əldi (<allaḏī). In ländlichen Dialekten gibt es die von Zavadovskij als „rätselhaft“ bezeichnete Form əlla, die es auch in beduinischen Dialekten gibt:

ˊll  f-ed-daːˊr – der, der zu Hause ist.

7.5 Ägypten[73]

Das Relativpronomen lautet: illi

ʃuft il beːt illi (huːwa) kibiːr – I saw the house which is big

Birkeland[74] erwähnt einen wichtigen Punkt, der beim „Abfall“ der klassisch-arabischen Endungen der Modi und der Kasusendungen oft übersehen wird:

„The case-endings of the determinate forms of nouns consisted of short vowels which, of course, were elided. The same holds good for short final vowels of the verbal modi. But one problem still remains, viz. the indeterminate nouns: In the dialect not only the case-endings –un and –in have disappeared, as they did in the classical language in pause. The ending –an of the indeterminate accusative, which in the classical language in pause of the masc. nouns became ā, has also disappeared. And it is not the classical ending ā that is elided, since long final vowels have only been shortened, so that ā in that case should have become –a. (…) On this point the dialects have not developed directly out of the ʿArabīya.“

Er verweist auf sein Buch „Altarabische Pausalformen[75]. Auf S. 15 geht er zudem kurz auf das Problem ein, eine „natürliche“ sprachliche Entwicklung, z.B. einen Lautwandel, von einer späten (fehlerhaften) Übernahme aus der Hochsprache zu unterscheiden. Dies könnte man vergleichen mit franzö­sischen Fällen wie „loyal“ (< lat. lēgālis) und der späteren Übernahme aus dem mittelalterlichen Latein „légal“. In einigen Fällen ist dies im ägyp­tischen Dialekt unterscheidbar:

„In aʿūzu bil’lāh and b-izni-l’lāh the z corresponds to Old Arabic . But in the dialect the correspondence is not z but d! The corres­pondence z : is characteristic of words secondarily introduced from the literary language,“

7.6 Sudan[76]

Das Relativpronomen hat, wie auch im weit entfernten Arabisch von Chorasan, die Form al und ist unveränderlich:

al bidrus bitʿallam – he who studies learns.

al ħumaːr aʃ ʃirib – the donkey which drank

Die Form „aʃ“ zeigt, dass hier das Relativpronomen anscheinend denselben Assimilationserscheinungen unterworfen ist wie der Artikel.

im Beispieltext: …al maħall al yitlaːqu fiːhul baħar al azraq wal baħar al abyađ – … the place where (in which) the Blue and the White Niles meet.

7.7 Syrien/ Libanon/ Palästina

Grotzfeld[77] schreibt:

„Das Relativpronomen lautet für beide Genera und Numeri yəlli, nach vorhergehendem Konsonant oft auch əlli, nach Vokal oft lli. Ohne vorhergehendes Beziehungswort sind neben yəlli auch halli und yalli gebräuchlich.“

Es folgt eine Erklärung:

yəlli ist wohl primär und nicht aus allaḏī verkürzt. Seine Herkunft ist noch nicht geklärt. halli < hā (§ 15, b, 2) + illi. yalli ist eine Kreuzung von yəlli mit halli.“

7.8 Irak[78]

Der beschriebene Dialekt wird charakterisiert als „Muslim Baghdad Arabic“. Das Relativpronomen lautet illi oder lli:

      l-walad illi wuṣal – the boy who arrived

Dazu gibt es wie im Sudan-Arabischen Kurzformen, die ähnlichen Assi­mi­lationserscheinungen unterliegen wie der Artikel (id-, is-, l-):

      l-walad id-diras – the boy who studied

      l-walad is-siʾal – the boy who asked

      l-walad l-ištira – the boy who bought

7.9 qəltu-Dialekte

Otto Jastrow[79] verweist in der Einleitung darauf, dass es sich nicht um ein zusammenhängendes Sprachgebiet handelt, sondern eher um Sprachinseln, die sich über einen weiten geographischen Raum des Vorderen und Mitt­leren Orients verteilen (S. 123 f.):

„Das (stets unveränderliche) Relativpronomen dient in den qD (gemeint: qəltu-Dialekte, Anm. d. Verf.), wie auch sonst im Nar. (ge­meint: Neuarabischen, Anm. des Verf.), zur Einleitung von Rela­tiv­sätzen, die von einem determinierte Nomen abhängen. Ety­molo­gisch ver­wandt mit dem Relativpronomen ist in den qD der sog. Ge­ne­tiv­exponent, eine pronominale Form, die in Genetiv­verbin­dun­gen an­stelle des Regens steht, um die Wiederholung einer bereits ge­nannten Nomens zu vermeiden.“

Auch Jastrow hat anscheinend, allerdings vergeblich, die hocharabischen For­men im Dialekt gesucht, denn weiter unten schreibt er:

„Eine längere Form, in der das mutmaßliche aar. Etymon ʾal-la-ḏī noch deutlich zu erkennen wäre, ist im Bereich der qD nicht erhal­ten. Es herrschen vielmehr Kurzformen vor, wie sie auch aus vielen anderen nar. Mundarten bekannt sind:

     l- (Āzəx, Chr.- und Jüd.-Bagdadisch – BLANC 1964, S. 120;

Bəḥzāni, Dēr izZōr)

     lə-  (Kōsa und Mḥallami-Mundarten, Qartmīn)

     la- (Mardin und Umland)

     lē    (Diyarbakır, Siirt- und Kozluk-Dialekte; Ǧawze [Kōsa])“

Auch Jastrow war bemüht, hier unbedingt die alten Formen als Grundlage anzunehmen:

„Die Entstehung der regionalen Formen ist nicht ganz klar. Als Aus­gangsform ist etwa *la-ḏī anzusetzen, das im einen Falle *la-ī > *lay > lē, im anderen la, lə-, l- ergeben hat. lə ist stets unterschieden vom Ar­tikel (ə)l der gleichen Mundart, z.B. Kəndērīb hāy ləqāl… ‚der, welcher sagte …’, hāy əlqāləb ‚dieses Stück (Seife)’. Demgegenüber ist l- formal meist nicht vom bestimmten Artikel der betreffenden Mund­art zu unterscheiden und unterliegt auch den gleichen Assimi­lations­erscheinungen, z.B. Dēr izZōr ʿiml irrādu ‚er machte das, was er wollte’. Im Gegensatz zu den übrigen Formen stellt oft ein phono­logisches Wort, kein Präfix dar.“

Besonders interessant ist das folgende Unterkapitel zum sog. Genetivexponent (S. 125 f.):

ḏīla, ḏīl (Qarṭmīn, Teile der Kōsa- und Mḥallami-Mundarten)

ḏēla, ḏēl   (Kōsa, z.B. Arbəl)

dēl          (Diyarbakır-Dialekte)

Mit Suffixen: ḏīli, ḏīlək, 1. Pl. dīlna

Daneben in Anatolien aus Formen aus lē + l, z.B. Āzəx lēl „der meinige“ < *lē lī – der, welcher mir gehört. Weitere Beispiele: ə

lfaṛas ḏīli-ye – das Pferd ist mein(es)

sətt ṛūs       mən   ḏīlu

7     Köpfe  von    seinigen = sieben seiner Köpfe

Etwas erstaunlich ist allerdings Jastrows Erklärung zu Beginn des Kapitels (S. 124):

„Als Ausgangsform der meisten anatolischen Formen läßt sich etwa *ḏī-la ansetzen, das wie *la-ḏī (…) etymologisch mit dem aar. Relativ­pronomen ʾal-la-ḏī zusammenhängt.“

Als ausgewiesener Fachmann des Aramäischen, der viel zu neuaramäischen Dialekten publiziert und noch mehr editorisch betreut hat, überrascht es et­was, dass er hier nicht die viel näher liegende Parallele mit dem unab­hängien syrischen Personalpronomen sieht. Im Syrischen gibt es den Stamm dīl-, mit dessen Hilfe die unabhängigen Possessivpronomen gebildet werden, z.B. dīl-an – unserer (Muraoka S. 21).

Doch allzu streng sollte man hier nicht sein, da die Ehrfurcht vor dem klassischen Arabischen als „Paradesprache“ der Semitistik auch Leute wie Nöldeke und Brockelmann, die beide sowohl im Arabischen wie auch im Syrischen zu Hause waren, davon abhielten, die offensichtliche Beein­flus­sung des Arabischen (bzw. der Koransprache) durch das Syrische wahrzu­nehmen oder zumindest sich dies einzugestehen.

7.10 Saudi-Arabien[80]

Beschrieben wird der Dialekt von Jidda. Das Rel.pron. lautet: alli:

      iiwa, humma n-naas alli inta šuftahum.

Yes, the ones which you saw (them).

7.11 Maltesisch[81]

Relativpronomen: li oder illi mit der Besonderheit, dass bei Präposition + Personalsuffix dieses direkt nach dem Relativpronomen steht:

il-ħabel li bih tgħallaq – the rope with which he hanged himself

it-tabib li miegħu tkellimt fuq il-marid – the doctor with whom you spoke                                                                        about the patient

Umgesetzt ins Hocharabische (ohne Endungen) würde der Satz lauten (Verf.):

      aṭ-ṭabīb allaḏī maʿahu takallamta fauqa al-marīḍ

Dieser Satz würde der arabischen Syntax widersprechen: „maʿahu takallamta“ müsste korrekt „takallamta maʿahu“ lauten.

Auch mit Präpositionen gibt es diese Umstelltung:   li bih – with which

il-ħabel li bih tgħallaq – the rope with which he hanged himself; die dem Hocharabischen nähere Satzstellung kommt hier aber auch vor und ist sogar häufiger: … li tgħallaq bih.

7.12 Zentralasiatische Arabische Dialekte

Eine knappe, aber sehr gute Beschreibung eines zentralasiatischen arabi­schen Dialektes mit Beispieltext gibt es von Ulrich Seeger[82].

Die zentralasiatischen Dialekte sind insgesamt vom Aussterben bedroht. Nach der Homepage „the ethnologue[83]“ des SIL (Summer Institute of Linguis­tics) gibt es in Usbekistan noch 700 Sprecher eines arabischen Dialektes, etwa 1000 in Tadschikistan und rund 5000 in Afghanistan (im Westen von Daulatabad (Khushalabad), nahe Balkh). Im Falle des von Seeger beschriebenen Dialektes von Chorasan (Nordosten des Iran) soll es im Bezirk Zur Kuh ( زير كوه ) 4 arabischsprachige Dörfer geben, was laut Seeger auf ca. 5-10.000 Sprecher schließen lässt (S. 631).

Die zentralasiatischen arabischen Dialekte sind also Sprachinseln unter anderem in dem Raum, der von der Forschergruppe Inârah als Emergenz­terrain des Islam angesehen wird. Ob sie aber direkt auf „vorislamisches“ Ara­bisch zurückgehen oder erst später eingeführt wurden – eine wei­tere Mög­lichkeit wäre auch die „Auffrischung“ durch spätere Einwanderer –, ist schwer zu beantworten.

Nach dem einschlägigen Artikel der großen, 15-bändigen ethnogra­phischen Enzyklopedie der Sowjetunion[84] lebten im Jahre 1959 in der Usbe­kischen Teilrepublik 6400 und in Tadschikistan ca. 500 Menschen arabi­scher Muttersprache. Weitere Gruppen gab es in der Nähe Samarkands. Der Artikel verweist auf einen Artikel von M.S. Andrejew, der im Jahre 1921 schrieb, dass sich diese Gruppe noch als Araber bezeichnete, dass man aber mittlerweile (d.h. 1963) die Selbsteinordnung als „Usbeken“ zu hören be­komme. Anhand der Ortsnamen könne man ersehen (S. 582), dass sie schon im 16.Jahrhundert in denselben Gegenden wie heute lebten. Man un­ter­scheide zwei Dialektgruppen, die Buḫāra-Gruppe und die Kaška­dari­ni­sche Gruppe, die aber untereinander nicht verständlich seien (unterein­ander redeten sie tadschikisch oder usbekisch). Die Dialekte seien stark von um­lie­gen­den Sprachen beeinflusst (mit Verweis auf Forschungen von G. V. Tsereteli). Der Artikel hält sie für eine eigenständige Dialektgruppe, ver­gleichbar dem Maltesischen, abgesondert vom Rest der arabischen Dialekte, aber mit gewissen Ähnlichkeiten mit irakischem und zentralarabisch-bedu­i­nischen Dialekten. Die Frage der Herkunft kann der Autor des Arti­kels aber auch nicht klären (S. 585, Übers. aus dem Russ. Verf., Namen transliteriert)

„Die Frage, wann die Araber sich in Zentralasien angesiedelt haben, und aus welchen arabischen Ländern sie stammen, kann vorläufig als nicht endgültig geklärt angesehen werden. Die Angaben der histo­rischen Quellen und auch die sprachwissenschaftlichen, ethnogra­phischen und anthropologischen Materialien zeigen zweifelsfrei, dass die Araber nicht aus einer Gegend und nicht gleichzeitig nach Zen­tral­asien gekommen sind. Die Überlieferungen der zentralasiatischen Araber über ihre Herkunft sind verschieden. In den meisten Tradi­tionen wird davon geredet, dass die Vorfahren der Araber nicht un­mit­tel­bar aus arabischen Ländern in ihre heutigen Siedlungsgebiete gekommen sind, sondern aus Nord-Afghanistan – aus der Gegend von Balkh (der Stamm Sanoni), Andkhoa, Akhči (der Stamm Šayboni).“

Weiter wird von Traditionen der anderen Gruppen (Kaškadarinische und Kattakurganische und Samarkander Araber) berichtet, die ihre Herkunft auf den „Emir Timur“ zurückführen. Daneben gebe es bei den Arabern auch die Legende, dass sie von den ersten arabischen Eroberern abstammten. Die Verfasser des Artikels halten sich mit Bewertungen zurück und fahren fort:

„Wie bekannt, waren zur Zeit der Eroberung Zentralasiens durch die Araber, im 7. und 8. Jahrhundert, in den wichtigen Städten Trans­oxaniens[85]– in Bukhara und Samarkand – große Garnisonen aus Ara­bern stationiert; in Bukhara waren ihnen die Hälfte der Häuser und Ländereien der Bewohner übergeben worden.“

In der Folge seien die Araber in den großen Städten assimiliert worden:

„Schon im 9. Jhdt. schrieb Ǧāḥiẓ, dass es nicht mehr möglich ist die Araber, die sich in Fergana oder den anderen Teilen Chorazans nie­der­gelassen haben, von der angestammten Bevölkerung zu unter­scheiden.“

Die Autoren denken, dass die Abstammung von dieser ersten Welle nicht ausgeschlossen ist. Sollten diese arabischen Dialekte wirklich von Eroberern eingeführt worden sein, so wäre dies sicher ein Sonderfall, da das Arabische entweder großflächig (wie in Ägypten) oder gar nicht (wie u.a. in Persien oder in berber­spra­chigen Gegenden) in neu eroberte Gebiete hinein­getra­gen wurde. Wie schon erwähnt zeigen diese Dialekte den großen Ein­fluss der umliegenden Sprachen. Der Dialekt von Chorasan ist z.B. stark von per­sischer Phonetik und Phonologie beeinflusst, trägt aber auch aramäische Züge. Interessant ist der Wechsel /s/ > /ṯ/ (wie heute im Turkmenischen; von Seeger nicht erwähnt). Das aus dem Persischen entlehnte hat ( < hast- „ist“) dient als Kopula:

(uhū) mašġūl hū – „er arbeitet“ (er arbeitend er)

(ane) mašġūl hat – „ich arbeite“ (ich arbeitend)

Wie Seeger unterstreicht und wie bereits erwähnt wurde, sind

„eines der hervorstechendsten Merkmale dieses Dialektes […] die zahlreichen Tanwīn-Reste, z.B.

aṯ-ṯāʿ naʿmatātin hat – jetzt gibt es Annehmlichkeiten

gult maaltin mā – ich sagte: ‚Kein Problem, …’

lafḏum lafḏin ʿarabiyye hū – ‚ihr Dialekt ist ein arabischer’

(Unterstreichungen. Verf.).“

Das Relativpronomen lautet al wie im Sudan, wofür leider – auch in den Texten – kein Beispiel zu finden ist.

7.13 Das sogenannte Mittelarabisch[86]

Mit Mittelarabisch wollen wir die mittelalterlichen Sprachformen des Ara­bischen bezeichnen, die nicht (ganz) den klassischen Regeln entsprechen, man könnte auch von einer Zwischenstufe zu den Dialekten sprechen. Dies sind in erster Linie der alte Dialekt von Andalusien und das christliche Ara­bisch des Vorderen Orients.

Das normale Relativpronomen im Dialekt von Andalusien ist allaī, das allerdings hier indeklinabel ist und als Entlehnung aus dem Hocharabischen gelten muss, denn es erscheint auch als addi, alle bzw. als indeklinable Par­tikel –an-. Auch im christlichen Arabisch des Vorderen Orients gibt es schon früh keine deklinierten Relativpronomen mehr. Georg Graf[87] schreibt dazu im Vorwort auf S. V.:

„Der literarische Niederschlag dieses Volksidioms zeigt sich schon in den Anfängen der in arabischer Sprache erscheinenden christ­lichen Literaturdenkmäler, d.i. vom 8. und 9. Jahrhundert an.“

In der Einleitung auf S. 1 listet er sodann die von ihm behandelten Texte auf, die größtenteils aus dem 8. und 9. Jhdt. stammen. Die von ihm besonders hervorgehobenen Charakteristika sind folgende (S. 22):

„Deklination. – Auf die Flexion der Nomina wird in J, S, L u. R wenig Rücksicht genommen und die Kasus promiscue gebraucht.“

Über den Gebrauch des Plural und Dual   hat er auf der Folgeseite einiges zu sagen:

„Besonders häufig steht im Plural u. Dual der Acc. statt des Nom., in welchem Umstande deutlich das allmähliche Verlorengehen der Endungen ûna und âni und die Vorherrschaft der Endungen în und ên (aini) in der vulgären Sprache sich kundgibt.“

Daneben beschreibt er Fälle von Wegfall der Nunation sowie Beibehaltung der vollen Pluralendung im Status Constructus (S. 27). Dies zeige sich auch in griechischen Transkriptionen am Fehlen jeglicher Flexionsvokale.
Für den Gebrauch von allaḏī auch für das Feminin gibt er dann auf S. 70 eine ganze Reihe von Beispielen an und fügt hinzu:

„Der Grund dieser Unkorrektheit ist darin zu suchen, daß die Über­setzer zwar die alten Endungen des Relativpronomens noch kannten und sie sichtlich auch zu gebrauchen suchten (wie ja auch die kor­rekte Konstruktion noch überwiegt), aber dabei, weil die Flexion in der Umgangssprache (zu gunsten der unveränderlichen Partikel ellî) verschwunden war, zahlreiche Versehen mit unterlaufen ließen.“

Man muss sich diese Angaben nochmals vor Augen führen. Alles, was man gemeinhin als besonderes Charakteristikum des Neuarabischen definiert, ist bereits in Texten des 8. Jahrhunderts vorhanden, d.h. die Zeit, in der auch die Aufzeichnung der Traditionsliteratur beginnt. Hier muss man sich wirklich fragen, ob solch gravierenden Wandelerscheinungen (völliger Zu­sam­menbruch der Flexionen, Ersetzen wichtiger grammatischer Partikel etc.)  in der Sprache innerhalb so kurzer Zeit überhaupt möglich ist, oder ob dies nicht viel eher ein klares Indiz dafür ist, dass es schon lange ein Diglos­sieverhältnis zwischen Umgangssprache und Hochsprache gegeben haben muss.

  1. Relativsätze im universalen Vergleich: Eine sprachtypologische Betrachtung

Ein Standardwerk der Typologie des Relativsatzes ist die mehr als 400 Seiten umfassende Studie von Lehmann[88]. Darin beschreibt er verschiedene Typen von Relativsätzen, von denen hier nur einige Beispiele wiedergegeben werden können.

  1. zirkumnominaler RS (Relativsatz)(z.B. Navaho):

Ich werde [(welchen) Weg du gehst] auch gehen.

  1. pränominaler RS (z.B. Türkisch, Quechua (Relativpartizip),

Baskisch, Chinesisch, Japanisch (ohne Subordinator))::

Ich werde [(welchen) du gehst] Weg auch gehen.

            Ich werde den [von dir gegangenen] Weg auch gehen.

  1. postnominaler RS (z.B. Persisch; Indonesisch, Nahuatl, Arabisch, Swahili (mit nicht-resumptiven Relativpronomen), Altgriechisch (hos-Rel.s.), Englisch (mit resumptiven Relativpronomen):

Den Weg [den du gehst] den werde ich auch gehen.

  1. vorangestellter RS (z.B. Hethitisch)

[Welchen Weg du gehst] den werde auch ich gehen.

  1. nachgestellter RS (z.B. Altgriechisch):

Auch ich werde den Weg gehen [den du gehst].

  1. umstellbarer RS (z.B. Vedisch, Bambara).

Dabei gibt es verschiedene Methoden der Relativsatzbildung: Konstruk­tionen mit einem Substantivsatz, einem Partizip, dem Infinitiv, mit Genitiv- und Adjektivattribut oder einem unabhängigen Satz. Es kann subordiniert, nominalisiert oder attribuiert werden. Eine weitere Strategie ist die Leer­stellenbildung, d.h. das Offenhaltung einer Stelle im Relativsatz, die seman­tisch durch den Nukleus eingenommen wird. Im Teil IV seiner Arbeit gibt er eine Definition des Relativpronomens, das er sehr eng fasst (S. 248 f.):

„Es handelt sich also um die drei von uns behandelten Funktionen der Subordination, der Leerstellenbildung und der Attribution.“

Etwas weiter schränkt er diese Strenge ein wenig ein:

„Es scheint konsequent, ‚Relativpronomen’ als einen prototypischen Begriff aufzufassen: seine konstitutiven Merkmale sind die drei Funk­tionen, die bei der RSbildung zu erfüllen sind, aber um ein Relativpronomen zu sein, genügt es, zwei davon zu erfüllen.“

Was er dabei alles als Relativpronomen zählt, ist auf S. 251 ersichtlich:

„Das Auftreten eines Relativpronomens im allgemeinen ist, soweit man bis jetzt sieht, vom Sprachtyp weitgehend unabhängig. (…) Hinsichtlich des syntaktischen Typs bestehen ebenfalls nur geringe Bindungen. Das Relativpronomen kommt in typischen SOV-(Unga­risch), SVO- (Deutsch) und VSO-Sprachen (Arabisch) vor.“

Interessant sind seine Ausführungen zum Arabischen (S. 97 ff.). Das Relativpronomen analysiert er al-la-ḏī, also

„der definite Artikel, der auch vor anderen Attributen und in älterer Poesie auch vor verbalen RSen auftritt, gefolgt von einem ehemaligen Demonstrativum sowie einem Kongruenzsuffix. Das letztere weist im Singular und Plural nur Genusunterschiede, im Dual jedoch auch Kasusunterschiede auf…“.

Darauf folgt das Beispiel (Transkription angepasst, Interlinearübers. Verf.):

bi-l-marʾat-ayni                lla-tayni            ḍarab-tu-humā

mit den beiden Frauen   die (Dual Obl.)  ich schlug sie (beide, Dual)

mit den beiden Frauen, die ich schlug

Dazu unterstreicht er nochmals den ungewöhnlichen Punkt:

„Hier sieht man deutlich, daß das Relativpronomen mit dem Bezugs­nomen im Kasus kongruiert, also nicht dessen syntaktische Funktion im RS anzeigt. Dazu dienen vielmehr die Personalsuffix und freien Personalpronomina…“

Wie ungewöhnlich die Flexion nach dem Beziehungswort und nicht nach der Funktion im Relativsatz ist, zeigt sich daran, dass er für diesen Fall im gesamten Buch nur drei sehr fragwürdige Parallelfälle angibt (S. 251):

„Man sollte meinen, ein Relativpronomen, das nach Kasus flektiert, fungiere immer auch resumptiv. Meist wird das wohl so sein; eine Kasusflexion, die nicht genutzt wird, kann sich nicht lange halten. Aber es gibt Ausnahmen. Im Arabischen, Sebei, Luiseño und Vulgär­lateinischen kann das Relativum mit dem Bezugsnomen im Kasus kongruieren, wobei der – postnominale – RS zusätzlich ein Resump­tivum enthält. In allen genannten Sprachen ist diese Konstruktion von vergleichsweise marginaler Bedeutung; im Arabischen hat das Relativum überhaupt nur im Dual eine Kasusflexion. Im Vulgär­lateinischen, wo das Relativum ursprünglich den Nukleus repräsen­tierte, handelt es sich offenbar um einen Pleonasmus, der das Statt­finden eines Wandels anzeigt.“

Dann verweist er auch Kapitel VI. Dort finden wir auch Beispiel für das, was er meint (Beispiele aus dem Sebei und Luiseño fehlen leider; S. 392, Interlinearübers. Verf.):

(11) hominem    quem    ego    beneficium   ei     feci (Form.And. 48)

den Mann    den       ich     Gefallen        ihm  tat

       „einen Mann, dem ich einen Gefallen getan habe“.

Wie dieses  Beispiel aber einzuschätzen ist, zeigt ein anderes Beispiel auf S. 390:

„Das Relativum kann die Funktionen der Attribution und der Leer­stellenbildung nur erfüllen, wenn es einerseits nach Genus und Nu­me­rus und andererseits nach Kasus möglichst formenreich dekli­niert. Das tut es in der gemeinen Umgangssprache bereits zu klassi­scher Zeit nicht mehr. (1) und (2) zeigen Abwesenheit von Genus- bzw. Numerusfunktion. (Interlinearübers. Verf.)

(1) faciatis     Victoria     quem     peperit     Suavulva

      macht      Victoria     die          gebar        Suavulva

amante      furente     pre     amore     meo (Audollent no.265)

liebevol      rasend       vor     Liebe      meiner

„macht Victoria, die Tochter der Suavulva, liebevoll, rasend vor Liebe zu mir.“

Fast alle hier vorkommenden Formen sind klassisch gesehen falsch. Es sollte eher heißen: „facite Victoriam, quam peperit Suavulva, amantem, furentem

Interessanterweise stehen diese Beispiele in einem Kapitel „Vom Relativ­pronomen zur Konjunktion“, was bereits die Erklärung für das Phänomen ist. Die Flexion des Relativpronomens war zur Zeit des Parallelbeispiels „hominem quem ego beneficium ei feci“ wahrscheinlich schon längst im Zusammenbruch begriffen und es ist fraglich, ob der Satz wirklich so gedacht war. Wahrscheinlich gab es für den Sprecher nur noch ein indekli­nables Relativpronomen.

Als wirkliche Parallele zum Klassischen Arabischen taugt das Beispiel auch schon deshalb nicht, weil diese Konstruktion in keiner romanischen Sprache weiterlebt und daher womöglich nur eine Ad-hoc-Bildung oder ein Fehler des Schreibers war.

  1. Wie entsteht ein sprachlicher Standard

9.1 Fallstudie Griechisch[89]

Im Folgenden soll, um die Geschichte des Arabischen etwas besser ein­ord­nen zu können, die Geschichte einer Sprache sozusagen exemplarisch nach­gezeichnet werden, wobei sich gewisse Parallelen zeigen werden.

Das Griechische ist, neben dem Indoarischen, dem Aramäischen und Chinesischen die Sprache, die über den längsten Zeitraum (ca. 3000 Jahre) gut belegt ist. Die ältesten schriftlichen Zeugnisse sind dabei die in einer defektiven Silbenschrift geschriebenen mykenischen Linear B-Tafeln, die auf die Zeit vom 15. bis zum 12. Jh. v. Chr. zurückgehen. Der Inhalt der Texte war allerdings recht prosaisch (Wirtschafts- und Verwaltungstexte). Gefolgt wurde diese Periode, die mit der Zeit der dorischen Wanderung zu Ende ging, von rund 400 Jahren ohne schriftliche Zeugnisse (the „dark ages“), die dann aber von zwei Meisterwerken der Weltliteratur abgelöst wurden, die sowohl für Literaten, als auch für Sprachwissenschaftler von höchstem Interesse sind, der Ilias und der Odyssee.

Zu dieser Zeit existierte das Griechische in vier Dialektengruppen, die anscheinend noch untereinander verständlich waren und auch zum Teil eigene literarische Traditionen aufzuweisen hatten:

  1. Das Dorische, das u.a. in Sparta gesprochen wurde. Auch Elisch und Achaiisch gehören dazu. Überlebt hat es bis heute als sog. Tsakonisch im Süden der Peloponnes und in Resten in griechischen Dialekten Kalabriens.
  2.     Das Äolische (mit Lesbisch, Thessalisch und Boiotisch).
  3. Das Ionische, zu dem als spezielle Ausprägung das Attische gehört. Das „nicht-attische“ Ionische hat dabei in den Büchern Herodots ein literarisches Denkmal gefunden.
  4. Das Arkadisch-Kyprische in Arkadien (Peloponnes) und Zypern, wo es unter anderem in einer eigenen Silbenschrift bezeugt ist. Der moderne zypriotische Dialekt des Neugriechischen ist damit nicht verwandt.

Die Ilias und die Odysse werden traditionell einem Schriftsteller namens Homer (gr. „Geisel“) zugeschrieben und sind in einer ionisch-äolischen Misch­sprache geschrieben, die so nirgends und niemals gesprochen wurde. Die Grundlage der Sprache ist der Ionische Dialekt, wobei jedoch in allen den Fällen, in denen die äolische Form besser in das Versmaß passt, diese verwendet wird, so z.B. beim Dat. Pl. der konsonantischen Stämme auf ‑εσσι, z.B. „den Hunden – κύνεσσι (äolisch) statt ionisch κυσί(ν), das mit zwei Kürzen schwer in einem Hexameter verwendbar ist. Dass diese Spra­che mündlich kaum verwendbar ist, zeigt das nebeneinander von äolischen und ionischen Formen beim Personalpronomen: „wir“ – äol. ἄμμες – ion. ἡμεῖς; „ihr“ – äol. ὔμμες, ion. ὑμεῖς.

Ein weiterer beachtenswerter Punkt ist die Frage nach der zeitlichen Entstehungsgeschichte der Epen, für die das Vorhandensein des sog. „Digamma“ von Bedeutung ist. In den Linear B-Texten sowie in mehreren Dialekten gibt es noch den Laut [v], der mit dem Buchstaben „Digamma“ bezeichnet wird, von dem unser Buchstabe „F“ abgeleitet ist, z.B.: Ϝάναξ  – wánax – der König. Dieser Buchstabe kommt zwar in den Epen, so wie sie uns heute vorliegen, nicht vor, wohl aber muss er bei vielen Versen zur Zeit der Entstehung noch vorhanden gewesen sein, denn er hat metrische Wir­kung hinterlassen. Ein Zählung ergab, dass in 3354 Fällen das Digamma metrisch wirksam ist und in 617 Fällen nicht[90], wobei die tatsächliche Zahl noch höher liegen könnte, da viele unerwünschte Kürzen durch späteres Einfügen von Füllwörtchen wie ‚δ‘  oder ‚ῥ‘ „repariert“ wurden.

Das Nebeneinander von wirksamem und unwirksamem Digamma er­klärt man dabei mit verschiedenen Schichten der Entstehung der Verse. Die Verse mit wirksamem Digamma (beziehungsweise formelhafte Bestandteile solcher Verse) sind die älteste Schicht und wurden zu einer späteren Zeit, in der das Digamma in der gesprochenen Sprache geschwunden war, vom Endredaktor der Epen trotzdem ohne Änderungen d.h. ohne Digamma übernommen, wobei das dadurch entstandene metrische Problem ignoriert wird. Bei den neu hinzugefügten Versen war das mittlerweile geschwundene Digamma dann natürlich nicht mehr wirksam.

Viele spätere Autoren imitierten die homerische (Misch)sprache, ange­fangen bei Hesiod, der homerische Formeln verwendet, und Zitate aus den Epen Homers finden sich auch in großer Anzahl unter anderem bei Platon. Dabei wurde die homerische Sprache – ähnlich wie dies für das koranische Arabisch von Christoph Luxenberg beschrieben wurde – in einigen Fällen falsch verstanden. So wurde der Ausdruck κύμβαχος „die Spitze des Helms“ falsch verstanden als „des Kopfes“.

Aufgrund der politischen und kulturellen Vormachtstellung Athens – als Stichwörter sind hier der Attische Seebund und Schriftsteller wie Platon und Aristoteles zu nennen – gewann ab ca. 500 v.Chr. das Attische immer mehr an Bedeutung. In hellenistischer Zeit wurde es von Alexander dem Großen in leicht abgewandelter Form in fast die gesamte damals bekannte Welt verbreitet und begann, die Dialekte zu verdrängen. Die „kleinen“ Ver­än­derungen betrafen in erster Linie die typisch attischen Formen, die in allen übrigen Dialekten anders lauteten, z.B. entspricht oft gemeingriechisch –σσ- dem attischen –ττ-, z.B. gemeingr.  θάλασσα gegenüber attisch θάλαττα. In diesen Fällen wurde die jeweils gemeingriechische Form ge­wählt. Die durch diesen Ausgleichsprozess entstandene neue Sprachform wurde „Koiné“ (die „Allgemeine“) genannt, damit vergleichbare sprachliche Erscheinungen nennt man in der Sprachwissenschaft auch daher Koini­sierung. Über längere Zeit gab es zu den Dialekten, die mehr und mehr von der Koiné verdrängt wurde, ein Diglossieverhältnis. Zur Zeit des Neuen Testamentes, das ebenfalls in der Koiné geschrieben ist, waren die Dialekte wohl schon größtenteils ausgestorben. Die Koiné ist nicht nur der Ursprung des Neugriechischen, sondern auch fast aller seiner Dialekte.

Verkompli­ziert wird die Situation dadurch, dass nach Neugründung eines griechischen Staates im 19. Jahrhunderts nachdem das Land wäh­rend der jahrhundertelangen Türkenherrschaft praktisch ohne lebendige Schrift­sprache auskommen musstezunächst nicht die damals gesprochene Volks­sprache mit einer Orthographie versehen wurde, sondern die alte Koiné etwas an die neue Sprachform angeglichen wurde. Diese neue Misch­form nannte man Katharévousa (Καθαρεύουσα – „Reinsprache“) im Gegen­satz zur Dhimotikí (Δημοτική „Volkssprache“). Diese Reinsprache war bis 1976 Amtssprache in Griechenland, war aber vorher schon allmählich im­mer mehr aus dem öffentlichen Leben verschwunden. Die heutige Neugrie­chische Sprache ist aber nicht vollständig identisch mit der Dhimotikí, son­dern enthält zahlreiche Ausdrücke aus der Katharévousa. Diese sind zum Teil zu erkennen an Lautkombinationen, die eigentlich nicht vorkommen dürften, z.B.: -πτ- wie in ελικόπτερο „Hubschrauber“ (zu erwarten wäre *ελικόφτερο), am Vorhandensein von alten Präpositionen, z.B.: εν (in, sonst: εις) wie in εν τάξει [en ˈdaksi][91] – in Ordnung, oder am bereits im letz­ten Beispiel vorkommenden (alten) Dativ, der normalerweise durch εις + Akk. ersetzt wird, wie in δόξα τω Θεώ[92] – wörtl.: „Ruhm dem Gott = Gott sei Dank“, εν τω μεταξύ – wörtl.: „in dem Dazwischen = inzwischen“.

Geradezu typisch für die neugriechische Aussprache ist übrigens das „Über­handnehmen“ des Vokals [i], der allein auf folgende 8 (!) alt­grie­chischen  Vokale und Diphthonge zurückgehen kann: ι /i, iː/, υ /y, yː/, η /ɛː/, ῃ /ɛˑ/, οι /o/, ει /e/. Bei der neugriechischen Aussprache des Altgrie­chischen fallen unter anderem „wir – ἡμεῖς“ und „ὑμεῖς“ (beide [i΄miˑs]) und die 2. P. Sg. des  Indikativs  Präsens der regelmäßigen Verben παιδεύεις, des Konjunktivs παιδεύης sowie des Optativs παιδεύοις (‚erziehen’) alle in [pɛ΄δɛˑvis] zusammen. Allein schon deshalb konnte das Sprachsystem ohne gewisse Veränderungen nicht bestehen bleiben. Man kann also hieran sehen, wie ein phonetischer Wandel automatisch, sozusagen wie bei Domino­steinen, auch lexikalische und grammatische Veränderungen nach sich zieht.

Eine letzte Bemerkung zum Neugriechischen sei der bereits in einer Fußnote erwähnten Orthographie ge­wid­met. Bis in die 60er Jahre wurde für das Neugriechische das aus dem Altgriechischen ererbte Akzentsystem (mit Spiritus asper und lenis) verwendet. Dieses heute als polytonisch bezeichnete System wurde dann insoweit vereinfacht, dass nur noch ein Akzentzeichen und keiner der Spiritūs mehr vorkommen, d.h. ἀ, ἁ, ᾳ fallen zusammen zu α, während  ά, ὰ, ᾶ, ἆ, ἇ, ἄ, ἅ, ἂ, ἃ vereinfacht als ά geschrieben werden. Zudem fällt die vorher nur noch orthographisch greifbare Kategorie des Konjunktivs (-η- [i] in den Endungen statt Indikativ –ει- [i]), der generell in Nebensätzen verwendet wurde, weg.

Wir wollen nun einen kurzen Blick auf die Relativpronomen in den verschiedenen Entwicklungsstufen des Griechischen werden:

Altgriechisch

Das allgemeine Relativpronomen im Altgriechischen[93] ist ὅς, ἥ, ὅ, Pl. ὅι, ἅι etc., das nach Genus und Numerus flektiert:

ὁ      ἀνήρ,     ὁν     εἶδες, …

der Mann     den   du sahst

Diese Formen gehen auf ein indogermanisches *os zurück, von dem auch die Formen des altindischen Sanskrit (yas etc.) abstammen. Es sollte er­wähnt werden, dass im Ionischen Dialekt Herodots hier der Artikel steht: ὁ, ἡ, τό.

Daneben gibt es Relativpronomen mit der verallgemeinernden Vorsilbe ὁ-: „ὁ ὁποῖος, ἡ ὁποῖα, τό ὁποῖο – welcher Art auch immer“, „ὁποσος – wie groß auch immer“ etc. Einleitende Relativpronomen sind sodann: „ὅστις; ἥτις; ὅ, τι –  wer auch immer“ und „ὅσπερ“. Erwähnt werden sollten einige interessante Phänome, so zunächst das der Kasusattraktion. Hier wird  der Genitiv wie beim Bezugswort statt des Akkusativs der Funktion des Relativ­satzes entsprechend verwendet:

ἄξιοι       ἔσεσθε             τῆς   ἐλευθερίας,   ἧς (statt ἣν) κέκτησθε

würdig  ihr werdet sein der Freiheit          deren      ihr errungen habt

…würdig der Freiheit, die ihr errungen habt

Um einen Fall wie im Arabischen handelt es sich trotzdem nicht, da das Akkusativobjekt im Relativsatz nicht wieder aufgenommen wird (d.h. keine Resumption). Sodann der Einschluss des Bezugswortes in den Relativsatz:

ἀδικεῖ           Σωκράτης,  οὓς     ἡ πόλις  νομίζει  θεοὺς,   οὐ νομίζων

tut Unrecht Sokarates   welche die Stadt glaubt  Götter nicht glaubend

Unrecht tut Sokrates, darin daß er nicht an die Götter glaubt, an welche die Stadt glaubt.

Und schließlich die Kombination beider Fälle:

εἰς     ἣν       ἂφίκοντο    κώμην,    μεγάλη   ἧν   (=ἡ κώμη  εἰς ἣν)

zu welchem sie kamen   Dorf         groß       war (= das Dorf, zu dem)

das Dorf, in das sie kamen, war groß

Etwas seltener als im Lateinischen gibt es auch relativische Satzanschlüsse, d.h. das Relativpronomen steht im Folgesatz statt eines Demonstrativ­pronomens, wodurch die beiden Sätze näher aneinander rücken:

βουλοίμην     ἂν       Κῦρον    λαθεῖν                ἀπελθών

ich möchte    wohl    Kyros     verborgen sein   weggehend

ὃ        οὐ      δυνατόν ἐστίν

was   nicht  möglich  ist

ich wollte wohl unbemerkt von Kyros weggehen, was nicht möglich ist (das ist nicht möglich)

Und schließlich gilt für alle älteren indogermanischen Sprachen und auch für einige moderne die Möglichkeit der Verwendung von Partizipien:

ὁ παιδεύων – der Erziehende = der, der erzieht

ὁ παιδεύσας – der, der erzogen hat

ὁ παιδεύσων – der, der erziehen wird

ὁ παιδευόμενος – der, der erzogen wird

ὁ πεπαιδευκώς – der, der erzogen worden ist

Neugriechisch

In der Dhimotikí werden Relativsätze allgemein mit der unveränderlichen Partikel πού [pu] ausgedrückt, die ansonsten „wo“ bedeutet[94]. Universal gesehen ist es übrigens eine sehr häufige  Erscheinung, dass dieses Fragepro­nomen oder ein Ortsadverb zu einem indeklinablen Relativpronomen wird:

τό     ἀγόρι     πού     παίζει    ἐκεῖ    εἶναι    ὁ   γιος   μου.

[to    a΄ɣori      pu        ΄pɛzi       ɛ΄ki      ΄inɛ      o    jos     mu]

Der  Junge     der       spielt    hier     ist       der Sohn mein   

Der Knabe, der dort spielt, ist mein Sohn.

Bei Genitivverhältnissen wird das Besitzverhältnis durch ein nachgestelltes Personalpronomen wiederaufgenommen, was an die „Wiederaufnahme“ des Objektes im Arabischen erinnert:

ὁ   Κώστας,   πού    ἡ      μητέρα   του   ἔφυγε, …

[o   ΄kostas      pu       i      mi΄tɛra    tu      ΄ɛfije]

der  Kostas     der     die Mutter   seine  ging weg

Kostas, dessen Mutter fortgegangen ist, …

Ebenso beim Akkusativ mit vorangestelltem Personalpronomen:

ὁ    Κώστας,   πού   τόν   ἀπαντησα    χτές,…

[o   ΄kostas       pu      ton   a΄pandisa     xtɛs]

der  Kostas     der     ihn   traf ich        gestern

Kostas, den ich gestern traf, …

Daneben wird das aus der Katharévousa übernommene ὁ ὁποῖος, ἡ ὁποῖα, τό ὁποῖο [o o΄pijos, i o΄pija, to o΄pijo] verwendet. „Wer auch immer; jeder, der“ wird ausgedrückt durch eine fast identische Form, die sich durch eine andere Betonung auszeichnet: ὅποιος, ὅποια, ὅποιο [΄opijos, ΄opija, ΄opijo]:

πήγαινε     μέ     ὅποιο                            τραῖνο    θέλεις.

[΄pijɛne       me    ΄opijo                               ΄trɛno      ΄θɛlis]

fahre          mit   welchem auch immer Zug         du willst

fahre mit welchem Zug du willst!

In der eigentlichen Katharévousa gab es jedoch noch mehr Möglichkeiten als das erwähnte Relativpronomen[95] ὁ ὁποῖος etc. So beispielsweise die altgriechischen Formen ὅς, ἥ, ὅ, Pl. ὅι, ἅι etc., dann ὅστις; ἥτις; ὅ, τι (dieses auch in der Dhimotikí) sowie ὅσπερ, z.B.:

Ἡ   γυναῖκα,    ἡ    ὁποῖα (oder: ἥτις)   ἦτο    ἐδῶ

[i    ji΄nɛka         i      o΄pija   / ΄itis               ΄ito     ɛ΄δɔ]

die  Frau          die  welche   / welche     war    hier

Die Frau, die hier war, …

Wie bereits erwähnt stammen fast alle neugriechischen Dialekte nicht von den altgriechischen Dialekten, sondern von der Koiné ab. Einzige Ausnah­men sind das Tsakonische auf der südlichen Peloponnes und griechische Dialekte in Süditalien, von denen das Tsakonische ohne Zweifel, das Grie­chische von Kalabrien zumindest zum Teil auf dorische Dialekte zurück­geht. Besonders verdient gemacht um die Erforschung dieser Dialekte hat sich der berühmte Romanist Gerhard Rohlfs. In seiner Standard-Gram­matik[96] erwähnt er auf S. 16 die Auseinandersetzung zwischen Morosi und ihm selbst über die Herkunft dieser Dialekte. Er vertritt die Theorie „eines aus alter Zeit ohne Unterbrechung fortlebenden Griechentums“, nach Morosi stammen diese dagegen aus byzantinischer Zeit (nicht vor dem 10. Jhdt.). Die Wahrheit liegt wahrscheinlich in der Mitte, da selbst im Falle eines Fortbestehens alter Dialekte eine Beeinflussung durch die Byzantiner nicht ausgeschlossen ist. Zudem sind die einzelnen Dialekte recht verschie­den, so ist auch eine unterschiedliche Herkunft nicht unmöglich.

Klare Reste dorischer Formen sind jedoch nicht wegzudiskutieren. So ist das Ur-griechische *ā im Attischen zu ē (η) [ɛː] geworden, was im Neugrie­chischen [i] gesprochen wird. Im Dorischen dagegen, z.B. in Sparta, blieb das ā erhalten. Einige Formen mit solchem a < ā  finden sich heute noch in zwei modernen Dialekten, dem Tsakonischen (Süd-Peloponnes) und in Ka­la­brien, dort allerdings nicht durchgehend: dor. πακτά  (att. πηκτή) lebt in Kalabrien weiter in pastá, pattá, paθ – „weiche frische Käsemasse“. Diese beiden Dialekte müssen also zumindest teilweise auf altgriechische Dialekte zurückgehen[97].

Dass die italogräkischen Dialekte aber auch eine gewisse „Auffrischung“ aus dem Mutterland erfahren haben müssen, sieht man an einigen auch in Italien vorhandenen typisch neugriechischen Eigenheiten, z.B. S. 132:

Neben dem normalen altgriechisch ererbten Infinitiv, der außer in Res­ten im Neugriechischen ausgestorben ist, ist auch die dort übliche, als „balka­nisch“ betrachtete Ausdrucksweise (θélo na páo – „ich will dass ich gehe“ statt altem „ich will gehen“) vorhanden. Auch andere Formen sehen den neugriechischen Formen ähnlicher als den altgriechischen, z.B. die flektierten Formen von „sein“: ist – altgr. ἐστί – neugriechisch: είναι [̍΄inɛ] (aus dem altgriechischen Infinitiv) – Kalabrien und Apulien: ène; Imperfekt: altgr. ἦν; neugr. ήταν [΄itan] – Kal. íto(n), Apul. íone (S. 149).

Trotzdem sind die in Italien gesprochenen griechischen Dialekte in vie­len Bereichen völlig andere Wege gegangen als die des Mutterlandes, so dass von einer frühen Trennung, eventuell aber nicht einer völlig unabhängigen Weiterentwicklung auszugehen ist. Das Relativpronomen in diesen Dialek­ten zeigt übrigens italienischen Einfluss (S. 119 f.). Es lautet für alle Ge­schlechter ti (urspr. ‚was’), was mit ital. che zusammenhängen könnte.

o ándra ti írte – der Mann, welcher gekommen ist.

o ándra ti ivra – der Mann, den ich sah

Reste einer Flexion gibt es jedoch auch, und zwar nach der Präposition me – mit: o ándra me tíno eplátezze – der Mann, mit dem ich sprach. Tíno entspricht hier dem altgriechischen Akkusativ τίνα. In Apulien ist die Bildung im Übrigen wie im Neugriechischen mit pu (ποῦ).

Was kann man nun aus der Geschichte des Griechischen für die des Arabischen lernen? Wohl mehr als von allen anderen Sprachen. Zunächst einmal liefern die Ilias und die Odyssee und hier vor allem die Tatsache, dass sie in einer Mischsprache geschrieben sind, eine Parallele zum Koran. Weiterhin ist die besondere Sprachform des Koran, als auch die der Ilias und Odysse von späteren Schriftstellern immer wieder imitiert oder zumindest zitiert worden.

Sodann ist die Herausbildung der altgriechischen Koiné ein Muster­beispiel dafür, wie „Koinisierungsprozesse“ ablaufen. Das damit zusammen­hängen­de Aussterben der alten Dialekte und das Entstehen neuer auf der Grundlage der neuen Koiné ist ein weiterer wichtiger Punkt. Dabei dürfen aber zwei weitere Phänomene nicht vergessen werden:

In Randgebieten können Elemente der alten Dialekte überleben. Dabei ist in abgelegenen Gebieten auch die Bewahrung von Archaischem viel wahrscheinlicher als im Zentrum.

Der aber – für die Entstehung des Klassisch-Arabischen – vielleicht wich­tigste Punkt betrifft die geplante Schaffung einer neuen, aber archaisierenden National­sprache im 19. Jahrhundert, der Katharévousa. Diese hat morphologische Elemente der alten Koiné mit moderner Aus­sprache und gemischter Lexik verbunden.

Die Möglichkeit, dass auch das Klassisch-Arabische auf eine solche archaisierende Methode der Sprachschöpfung zurückgeht, sollte als Mög­lich­keit in Betracht gezogen werden.

Auch das damit zusammenhängende jahrhundetelange Diglossie­verhält­nis zwischen Altgriechisch bzw. Katharévousa und der Dhimotikí bzw. ihren Vorläufern ist ein Charakteristikum, das zur Geschichte des Arabi­schen und seiner Dialekte gut passt.

Die Entwicklung der Relativpronomen schließlich zeigt, dass in einer Sprache, die Morphologie abbaut, auch flektierte Relativpronomen sehr schnell verschwinden und durch indeklinable Formen ersetzt werden.

9.2 Fallstudie Deutsch

Stefan Sonderegger[98] beschreibt das Wesen und das Entstehen des Althoch­deutschen folgendermaßen:

„Das Althochdeutsche, die älteste schriftlich bezeugte Stufe der deu­tschen Sprache, ist erst langsam im Verlauf des frühen Mittelalters aus den Stammesdialekten der Franken, Bayern, Alemannen und Langobarden zu einer zunächst noch wenig einheitlichen Sprache erwachsen, die dann Ende des 11. Jhs. und im 12./13. Jh. geglätteter ins höfische Mittelhochdeutsch überging. Oberdeutsch und Frän­kisch sind die beiden tragenden Schichten des Althochdeutschen, zu denen sich südlich der Alpen mit deutlicher Verbindung zum Bai­rischen noch das Langobardische im oberitalienischen Raum gesellt. Althochdeutsch heißt somit (…) Vielfalt einzelner Mundarten seit dem 8. Jh.“

Später, bei der Entstehung des Neuhochdeutschen, spielten eine Reihe wei­terer Faktoren eine gewichtige Rolle: Deutschland war im ausgehenden Mit­tel­alter politisch und sprachlich zersplittert. Ein geistiges Zentrum wie London für England oder Paris für Frankreich fehlte. So hätte höchstens die kaiserliche Kanzlei – zumindest für die geschriebene Sprache – diese Rolle übernehmen können. Sperber und v. Polenz[99] beschreiben die Situation wie folgt (s. 61):

„Einen sprachlich normierenden Einfluß der kaiserlichen Kanzlei kön­nen wir zur Zeit Ludwigs d. Bayern noch kaum feststellen. Einen solche auszuüben war sie zunächst noch wenig geeignet, da in ihr nicht nur Bayern arbeiteten, sondern auch Angehörige anderer Dia­lekt­gebiete, die sich bei der Ausfertigung der Urkunden unbedenk­lich ihrer verschiedenen Heimatmundarten bedienten.“

Diese Rolle fiel dann der Prager Kanzlei Karls IV. zu (S. 61 f.):

„Böhmen, das Kernland der luxemb. Hausmacht, sei zur Ausbildung einer zwischen den einzelnen Schreibdialekten vermittelnden Ver­kehrs­sprache schon deshalb besonders geeignet gewesen, weil seine Bewohner, soweit sie Deutsche waren, zwei verschiedenen Dialektgebieten angehörten. (…) Die Kanzleisprache, die auf diesem Boden erwächst, vereinigt denn auch Züge verschiedener Mund­arten.“

Mit anderen Worten: Hier mussten von den Schreibern Entscheidungen getroffen werden. Ähnliches könnte sich auch in arabischen Kanzleien er­eig­net haben. Wenn nun eine Dialektgruppe für das Relativpronomen illi hat, die andere ḏī, und möglicherweise in einem abgelegenen Dialekt die Form allaḏī zu hören ist, was lag näher, als hier diese Kompromissform als neuen Standard zu wählen? Um dieser neuen Standardform die gebührende Ehrfurcht zu verschaffen, fügt man die von kaum einem beherrschten, aber noch passiv bekannten, Kasusendungen an, zumindest – um Eindruck zu schinden – bei den seltenen Dualen.

9.3 Fallstudie Rätoromanisch

Ein gutes Beispiel für aktive Sprachpolitik bietet das Rätoromanische[100]. Diese im Schweizer Kanton Graubünden[101] gesprochene romanische Spra­che besteht aus fünf Dialekten mit zum Teil lange zurückreichender Schrift­tradition, von West nach Ost: Sursilvanisch (sursilvan), Sutsilvanisch, Sur­meirisch (surmiran), Oberengadinisch (puter), Unterengadinisch (vallader), die ein gewisses Kontinuum darstellen. So ist das Surmeirische eine Art Übergangsdialekt. Die Sprecherzahl betrug im Jahre 2000 isg. 73.195. (= 46,2 % der Kantonsbevölkerung).

In der Geschichte gab es dabei mehrere erfolglose Versuche der Ver­einheitlichung, z.B. das

Romonsch fusionau des Mittelschullehrers Placidus a Spescha (1752-1833) und schließlich, in den 60er Jahren dieses Jahrhunderts, das surmiran-basierte Interrumantsch von Leza Uffer (1912-1982).“ (Liver, S. 68).

Der – zumindest vorläufig[102] – einzig erfolgreiche Versuch war die Schaf­fung des sogenannten „Rumantsch Grischun“ (Graubündner Romanisch), das im Jahre 1982 vom Züricher Romanisten Heinrich Schmid entworfen wurde und in der Folge obligatorisch in Schulen eingeführt wurde. Seit 2001 ist es zudem kantonale Amtssprache. Hier hat man nicht einen vorhan­de­nen Dialekt als überregionale Sprache ausgebaut – was Schmid ursprünglich bevorzugt hätte – sondern eine neue, für Sprecher aller Dialekte ver­ständliche Sprache geschaffen. Die Prinzipien dieser Neuschöpfung kann man wie folgt zusammenfassen:

  1. Wo die drei Hauptdialekte Surselvisch, Surmeirisch und Unter­en­gadinisch übereinstimmen, wird die Form auch für Rumantsch Grischun genommten, z.B. Schlüssel – clav (in allen Dialekten gleich).
  2. Wo ein Dialekt abweicht, gilt das Mehrheitsprinzip (vgl. S. 69 f.):

„Faden“: Surs. fil, Surm. feil, Untereng. fil  > Rum. Grisch. fil

In diesem Falle wich ausgerechnet das zentral gelegene Surmeirische ab, in den meisten Fällen ist es jedoch als Brückendialekt ausschlag­gebend, z.B. „Herz“ – Surs. cor, Surm. cor, Untereng. cour > Rum. Grisch. cor

  1. Im Rumantsch Grischun kommen nur die Laute vor, die überall vorkommen, d.h. [y] (ü) wird durch „i“ ersetzt, „ö“ durch „e“:
Surs. Surm. Untereng. Rum. Grisch.
in en ün in (ein)
egl îgl ögl egl (Auge)
vendiu vendia vendü vendi (gekauft)
fiasta festa festa festa (Fest)
gie ea schi gea (ja)

Im letzten Fall konnte das Mehrheitsprinzip nicht angewendet wer­den, da die drei Formen zu unterschiedlich sind. Hier wurde die Form des kleinsten Dialektes (Sutselvisch) genommen.

  1. Grammatikalisch gilt dasselbe Prinzip. Somit verschwinden einige Archaismen, die nur im Surselvischen vorkommen, z.B. das prädikative –s (secs < lat. siccus) und der i-Plural (ils spusai statt analog zu erwartendem spusas) der schwachen Partizipien.

Hier haben wir es mit einem Fall aktiver Sprachpolitik zu tun, die nicht von einem bestehenden Dialekt ausgeht, der durch Ausgleichserscheinungen für Sprecher anderer Dialekte „akzeptabler“ gemacht wird, etwa wie das Attische zur Koiné wurde, sondern aus bestehenden Einzeldialekten wird künstlich eine Zwischenform geschaffen, die möglichst gleichen Abstand zu allen haben soll.

9.4 Fallstudie Okzitanisch

Das heutige Okzitanische (Südfrankreich) besteht aus mehreren vom Aus­sterben bedrohten Dialekten (u.a. Provenzalisch, Languedokisch, Limou­sinisch, Gaskognisch), hatte jedoch im Mittelalter eine überragende Rolle in der europäischen Kulturgeschichte mit seiner Troubadourdichtung.

Im letzten Jahrhundert erlebte es mit dem späteren Nobelpreisträger Frédéric Mistral und seiner Dichtervereinigung „lou Felibrige“ eine kleine Renaissance. Mistral schrieb sein Epos „Mirèio“ (Mireille) noch in einer phonetischen Schreibweise, aber mittlerweile wird als Standard eine auf die Schreibung des mittelalterlichen Okzitanischen aufgebaute Orthographie ver­wendet, die zwar aus der Sicht jedes einzelnen Dialektes „stumme“ Buch­staben beinhaltet, aber nicht in jedem Fall dieselben. So werden im Proven­zalischen die Endungen des Plural auf –s nicht ausgesprochen, wohl aber im (archaischeren) Langue­dokischen. Bei auslautendem –n (z.B. in vin – Wein) ist es aber umgekehrt. Die archaisierende Schreibung erlaubt hier also ein Mehr an Überregionalität. Die neue Schreibung des Namens der Dichter­ver­einigung ist übrigens „lo Felibritge“. Zum Vergleich folgen zwei Zeilen aus einem Gedicht von Théodore Aubanel[103].  In der ersten Zeile steht die ori­­gi­nale, phonetisch orientierte Schreibung Aubanels, wie sie auch Mistral verwendete, darunter die überregionale Schreibung, wie sie v.a. Alibert in seiner Grammatik[104] verwendet. In der dritten Zeile steht die phonetische Umschrift des Textes, so wie er auf der Begleitkassette gesprochen wurde. Die Vokabelangaben beziehen sich auf die überregionale Schreibung:

A      moun    còu,   si      bèu        bras  tant  dous,

A      mon      còu,   si       bèu        braç  tan   doç,

[a      mun      kou̯     si       bɛu̯        bras  tan    dus]

an    meinem  Hals  seine schönen Arme  so     süß

 

Li    crousèsse    un    jour     touti      dous!

Li    crosèsse      un    jorn     toti         dos!

[li    kʁu’zɛs         yn     ʒuʁ      ‚tuti         dus]

sie   kreuzte (sie) ein   Tag      alle        beide!      

Auch mit dieser Möglichkeit – der Wahl einer archaisierenden Sprachform zur besseren Identifikationsmöglichkeit verschiedener Stämme, muss bei der Entstehung des Klassisch-Arabischen gerechnet werden.

  1. Letzte Sprachwissenschaftliche Fragestellungen

10.1 Vom Auf- und Abbau von Morphologie

In der Arbeit war mehrfach davon die Rede, dass Endungen nach dem Prin­zip der Analogie an bestimmte Formen angehängt werden. Ein einfaches Beispiel im Deutschen wäre ein Wort wie „rappen“ (= einen „Rap“ singen). Hier wird die Infinitivendung an ein englisches Fremdwort angehängt. Bei Kasusendungen ist es schon etwas schwieriger, da an Fremdwörter oder in­deklinable Formen nur selten Kasusendungen angefügt werden. Ein gutes Beispiel für einen solchen Fall findet sich aber in der russischen Literatur. In dem Roman „Schwarzes Dreieck“ von Jurij Michaelowitsch Klarov gibt es eine Unterhaltung zwischen einem Monarchen und einem Soldaten. Der Monarch fragt:

„‚Wohin gehst du?’ – Darauf stammelt dieser: ‚Ins Depu, eure kaiserliche Hoheit!’ Der Kaiser lachte darauf wohlwollend und erklärt mit sanfter Stimme: ‚Du kleiner Dummkopf, in der russischen Philologie wird ‚Depot’ doch nicht gebeugt!’. Aber das Schulter­riemenchen (Spitzname) ist nicht einverstanden: ‚Keineswegs, eure kaiserliche Hoheit’, sagt er. ‚Und warum nicht, Dummköpfchen?’. Der antwortet: ‚Weil sich vor eurer kaiserlichen Hoheit alles beugen muss!’“[105]

Das Fremdwort „Depot“ wird normalerweise nicht dekliniert, der einfache Soldat fügt aber analog die Kasusendung –u an. Dies ist aber nur möglich in Sprachen, in denen solche Endungen noch produktiv sind. Im Russischen ist die Nominalflexion noch so produktiv, dass sogar neue Akronyme dekli­niert werden, weshalb dieser Lapsus des Soldaten nur allzu verständlich ist. Zudem sollte man daran denken, dass auch von einem Cicero der falsche Genitiv „senati“ belegt ist. Hier wurde die Genitivendung der häufigsten Konjugationsklasse eingesetzt. Für das Arabische heißt das, das das Anfügen einer Pluralendung īna an das Relativpronomen ʾallaḏī durchaus verständ­lich ist, wenn man davon ausgeht, dass die normale Pluralendung ohne Kasusunterscheidung bereits –īna war, nicht aber, wenn sie noch ūna gelautet hatte.

10.2 Sprachen im Kontakt: Diglossie, Dialektkontinuum und anderes

An mehreren Stellen des vorliegenden Beitrags wurden die Phänomene Dialektkontinuum und Diglossie erwähnt. Der Normalfall einer Sprach­gruppe ist nicht, dass diese aus klar abgegrenzten Einheiten (z.B. Spanisch, Portugiesisch, Französisch etc.) besteht, sondern dass es immer Über­gangsmundarten (Spanisch – Valenzianisch – Katalanisch – Languedokisch – Französisch) gibt, die dann allerdings auch aussterben können, was das Bild verzerrt.

Unter Diglossie versteht man das Nebeneinander von zwei verwandten Sprachformen, z.B. von Hochsprache und Dialekt, denen bestimmte Le­bens­bereiche zugeordnet sind. Etwas anderes ist es, wenn zwei unter­schiedliche Sprachen nebeneinander verwendet werden. Es kann auch bei­des zusammen vorkommen: In Luxenburgischen Gerichten wird die Ver­handlung auf Letzeburgisch, einem zur dritten Amtssprache gewordenen ursprünglich moselfränkischen Dialekt, geführt, das Protokoll auf Hoch­deutsch verfasst und die Gesetze werden auf Französisch zitiert. Aber Spra­chen, die nebeneinander verwendet werden, können auch noch in anderem Verhältnis zueinander stehen.

So gibt es noch das Phänomen einer Sakralsprache, in der nichts mehr produziert wird, in der aber bei sakralen Handlungen rezitiert wird. Ein typischer Fall ist die Rezitation des Avesta bei den heutigen Parsen (im Iran: Zardoshti), die Koranrezitation in nicht-arabischen Ländern oder die Ver­wendung des Pali bei der buddhistischen Rezitation z.B. in Thailand, Burma oder Sri Lanka.

Sodann gibt es sehr oft das Nebeneinander von alten und neuen For­men. Das französische Passé Simple (z.B. je fus – ich war)  wird in der ge­spro­chenen Sprache nicht mehr verwendet und durch das Passé Composé „j’ai été“ ersetzt. In der gehobenen Schriftsprache wird es aber immer noch verwendet. Dies ist kaum zu trennen vom Phänomen verschiedener Stil­ebenen (Vulgärsprache, Umgangssprache, Amtssprache etc.). Eine beson­dere Form davon kann die Sprachform einer besonderen sozialen Klasse sein (Soziolekt). Eine besonders krasse Form davon ist die thailändische „Königssprache/ Hofsprache“ – ราชาศัพท์ – raachasàp (aus dem Sanskrit; transliteriert: raaja-śabda). Es handelt sich hierbei um eine Sprachform, bei der für Mitglieder der Königsfamilie (mit ihnen und teilweise auch über sie) bestimmte Vorsilben, vor allem aber auch ganze Wörter exklusiv verwendet werden, die für den Rest der Bevölkerung anders lauten, so zum Beispiel für Körperteile und einfache Tätigkeiten, z.B. essen – Normales Thai: „kin (khââw) – (Reis) essen“ oder höflicher „(ráppra)thaan aahǎǎn“ (aahǎǎn < Sanskrit: āhāra) – Hofsprache/ Raachasàp: „sawəəj“ (aus dem Kambo­dschanischen).

Was es ebenfalls gibt, ist das Phänomen einer „Lesesprache“, eine Spra­che, die passiv verwendet wird, wobei man nochmals unterscheiden kann zwischen einer Sprache, in der noch Texte produziert werden und einer solchen, in der nur Altes vorgelesen wird. Die Grenzen sind hier allerdings fließend. Das Hebräische wurde über viele Jahrhunderte in erster Linie als Sakralsprache verwendet, daneben aber auch als Lesesprache. Die Produk­tion von Texten hat aber nie ganz aufgehört (z.B. auch Verträge), wenn auch bei weitem nicht alle, die Hebräisch lesen konnten, es auch aktiv verwendeten. Mittlerweile ist es wieder zu einer gesprochenen Sprache geworden.

Zuletzt gibt es noch das Phänomen einer Geheimsprache, im Bereich des Deutschen wäre hier die Jägersprache zu nennen, in der vor allem Teile des Vokabulars eine z.T. alte Bedeutung haben (schweißen[106] = bluten).

In allen diesen Fällen ist es aber nicht so, dass diese einzelnen Sprach­formen in Reinform verwendet werden, vielmehr gibt es fast immer ein Spektrum, auf dem man sich je nach Situation und eigener Sprecher­identität bewegt.

Lothar Steitz[107] hat in seiner Grammatik der Mundart von Saarbrücken fest­gestellt, dass in der täglichen Umgangssprache mundartliche Formen, hoch­sprachliche Formen und dazwischen liegende, oft ad hoc gebildete hybride Formen fast immer nebeneinander verwendet werden. Unter ande­rem gibt er folgende Beispiele an, die aus authentischen Aufnahmen stammen (S. 25):

Mundart hybrid Hochsprache
dɛːds ˈʃɛːdəl (Schädel)
iʃ ˈsin iʃ ˈbin iç ˈbin (ich bin)
ˈmɔrjə ˈmɔrʃən ˈmɔrgən (morgen)

Im ersten Fall ist eine Hybridform nicht möglich, da die beiden Etyma ver­schieden sind, hier muss der Sprecher sich für die eine oder andere Form entscheiden, wobei vielleicht die Aussprache dem jeweiligen Phonemsystem angepasst wird, wie im zweiten Fall, wo ein Phonem ersetzt wird. Im dritten Fall wird eine ganz neue Form gebildet, die keiner der Ausgangsformen entspricht.

Eine solche Interferenzform gibt es auch bei den Relativpronomen. Das eigentliche Relativpronomen der Mundart ist das unveränderliche „voː“ (wo), z.B. (S. 335):

/iʃ han‿ˌin dər ˈʃtad‿s ˈluvis gəˈsiːn | voː‿a‿m  ˈʃɛːsə ˈvaːr/

– ich sah in der Stadt Luise, die gerade Ausgang hatte

Bei der Behandlung der Relativpronomen (S. 125) jedoch gibt Steitz die Formen „(dɛr) voː, (das) voː, (diː) voː“ etc. an, d.h. hier wird die hoch­sprachliche Form „der, die, das“ mit der mundartlichen (optional) kom­biniert. Ähnliches gibt es in vielen deutschen Mundartgebieten, u.a. im gesamten Saarland und der angrenzenden Pfalz. Solche aneinandergereihten Formen sind keine Seltenheit. Sie sind u.a. die Standardform im Mittel­englischen[108]:

With Creon, which that was of Thebes king,

Möglicherweise ist im Arabischen etwas Ähnliches geschehen. Zwischen dem Hocharabischen und den modernen Dialekten herrscht ein ähnlich star­kes Diglossieverhältnis wie in der Schweiz, mit Ausnahme nur des Maltesischen und Maronitischen Arabisch auf Zypern.

Aber auch in vorislamischer Zeit gab es, z.B. bei den Nabatäern, ähnliche Ver­hältnisse. Die Umgangssprache war ein altarabischer Dialekt, während die Sprache der höheren Kultur das Aramäische war. Bedenkt man, dass in fast allen modernen Dialekten das unveränderliche Relativpronomen entweder ílli / əlli oder iddi, di oder ähnlich klingt, wobei letzteres dem aramäischen d…, ḏ… entspricht, so würde eine aus beiden zusammen­ge­setzte Form, die dem saarländischen „der wo“ entspräche, wohl əlli-ḏə lau­ten. Da in einigen Dialekte (Sudan und Zentralasien) das Relativpronomen al lautet, ist aber auch die Form allaḏī nicht wirklich überraschend. Da weiterhin die Morpheme ḏi und ti in den alten Dialekten für das Maskulin und Feminin alternieren, wäre es zu einer weiblichen Form alla-tī nicht mehr weit. Nicht umsonst ist eine solche Form ja auch vereinzelt auf Inschriften nachweisbar.

Alle anderen Formen (allaḏ-īna, allaḏ-āni etc.) jedoch wären sekundär und durch analoges, bewusst archaisierendes Anfügen von Kasus­endungen konstruiert worden, ohne dass sie jemals von Sprechern einer Variante des Altarbischen, das diese Kasusendungen ja bereits fast vollständig verloren hatte, verwendet worden wären, wobei die Reihenfolge der Schaffung dieser neuen Formen ebenfalls noch zu erörtern sein wird.

Diglossie ist ein Phänomen, das zudem fast überall im Bereich der Roma­­nischen Sprachen beobachtet werden kann, wie Rebecca Posner[109] anschaulich an Beispielen zeigt. Sprecher des Gascon in Frankreich oder der italienischen Dialekte sprechen den Dialekt in einem anderen sozialen Umfeld als die Hochsprache.

Ein besonders interessantes Phänomen erwähnt sie unter der Be­zeichnung Interlekt (interlect). Gemeint sind damit Mischformen von zwei verwandten Sprachen, z.B. Spanisch und Italienisch (cocoliche in der Rio Plata Region Argentiniens) oder Spanisch und Portugiesisch (fronterizo in Nord-Uruguay). Das Problem hierbei ist, inwieweit diese Interlekte stabile Systeme sind bzw. die Zwischenformen schwanken[110].

10.3 Archaisches und Modernes

Das Überleben archaischer Elemente vor allem in Randgebieten, wozu auch schwer erreichbare Gebiete näher am Zentrum dazugehören, z.B. abgele­gene Gebirgstäler, Oasen, Inseln etc. findet sich in praktisch allen Sprach­gruppen, was anhand einiger Romanischer Beispiele verdeutlicht werden soll: Vidos[111] nennt in seinem Handbuch der Romanistik mehrere Archais­men in Randsprachen, von denen einige wenige exemplarisch aus drei Sprachen ausgewählt wurden:

      Portugiesisch (am Rande):

Erhalt lateinischer Vokale (decem > dez, acētum > azêdo, filum > fio, rota > roda, fumum > fumo). Im Spanischen z.B. entspricht dem dez ein diez und dem roda ein rueda.

Trennbarkeit des Infinitivs von der Futurendung (< lat. habēre): ich werde es tun – far-lo-ei (< *facere illu habeo) gegenüber spanisch lo haré und italienisch lo farò.

Dem kann noch das Überleben des lateinischen Konjunktiv Perfekt als „Konjunktiv Futur“ hinzugefügt werden, z.B.: se Deus o quiser (< *si Deus illud quaesiverit) – ‚so Gott will’. Die entsprechende spanische Form quisiere ist im heutigen Spanisch ausgestorben.

      Sardisch (auf einer Insel):

– Im Logoduresischen und Nuoresischen der Erhalt der Aussprache [k] des lateinischen „c“ in allen Stellungen, z.B. Log. kéra < cera – Wachs.

– Erhalt von intervokalischem p, t, k (wie im Italienischen)

– Erhalt des lateinischen Konjunktiv Imperfekt: Dialekt von Barbagia aret > haberet.

– Erhalt vieler alter Wörter, z.B. „wissen“ – iskire (lat. scire), das außer im Rumänischen (ştiu) sonst überall durch sapere (eig. „weise sein“) ersetzt wurde.

      Rätoromanisch (Gebirgsdialekte):

Erhalt von einigen Wörtern, die sonst in der Romania nicht erhalten sind: unterengadinisch: cótschen – rot (< coccinus), incléger – verstehen (intellegere, auch im Rumänischen[112] erhalten), cudesch – Buch (< codex).

Dem könnte der Erhalt einiger lateinischer Nominative hinzugefügt werden, während sonst der Akkusativ die Ausgangsform ist, z.B. surselvisch: ins – man (< lat. unus); surs.: temps, (vgl. sardisch „tempus“).

Im Falle der germanischen Sprachen gibt es ebenfalls solche Randgebiete. Die bei weitem archaischste germanische Sprache ist das abgelegene Islän­dische zusammen mit dem Färöischen. Das Deutsche ist von den übrigen die altertümlichste, so hat es im Gegensatz zu den meisten die Nominal­flexion erhalten. Dies könnte mit der Nähe der slawischen Spra­chen zu­sammenhängen. Ersichtlich wird dies in Sätzen wie „Ich kenne des Men­schen nicht!“ aus der Matthäus-Passion. Die Verwendung des Genitivs zur Bezeichnung des direkten Objektes in verneinten Sätzen ist eine slawische Besonderheit[113].

Aber noch einen weiteren Punkt muss man an dieser Stelle beachten: Das absichtliche Archaisieren, um die Autorität der eigenen Aussage zu erhöhen. Schaut man sich Werbung an, so fällt auf, dass etwas entweder ganz neu oder ganz alt sein muss, um attraktiv zu sein. Auch die Beliebtheit von Science-fiction Conventions und gleichzeitig Mittelalter-Märkten ist hierfür ein Anzeichen.

Ein besonders krasses Beispiel eines bewusst archaisch formulierten Textes ist das „Book of Mormon“, der im 19. Jahrhundert verfassten angeblichen „Übersetzung“ von Texten, die in „reformiertem Ägyptisch“ (reformed egyptian) geschrieben und verloren gegangen sein sollen. Das Book of Mormon ist nicht im Englisch des 19. Jahrhundert geschrieben, sondern in einer Sprache, die stark an die der King James Bible von 1611 angelehnt ist[114].

Auch im Deutschen gibt es eine bewusst archaisierend übersetzte Version von Dantes „Divina Commedia“ von Rud. Borchardt (Berlin 1930), z.B. im 34. (und letzten) Gesang der „Hölle“ (S. 159):

„Nicht eben kemenate in herren pfalzen

wars, da wir stunden, sondern wilde kammer,

an fliesen rauch, und licht nicht reich geschmalzen:

‚Eh dass ich rissen sei aus höllen klammer,

herr meister mein, ‚sprach ich und stund da strack,

‚bescheide mich des zweifels ob dem jammer: …“

Im Nachwort erklärt er, dass er versucht habe, in dem (nicht belegten) Deutsch des ausgehenden 14. Jahrhunderts (S. 522) zu schreiben.

Seine Motivation ist rein literarisch, im Falle des Book of Mormon ist sie wohl eher das Bestreben, durch archaische Sprache Autorität zu gewinnen. Letztere Motivation muss auch bei der Abfassung der koranischen Texte mit berücksichtigt werden.

10.4 Zur Rekonstruktion früherer Sprachstufen

Die damit zusammenhängenden Probleme mögen an einem Beispiel ver­deut­licht werden: Aus den Formen des bestimmten Artikels Sg. mask. in fast allen romanischen Sprachen kann man auf eine gemeinsame Urform schließen: „Der Wolf“ – span. el lobo, frz. le loup, ital. il lupo, rum. lup-ul  < protoromanisch: illu– (klassisch Latein: ille, Akk. illum; lupus, Akk. lupum).

Obwohl die meisten Sprachen eine rekonstruierte Ur-Form „illu lupu“ nahelegen, fällt das Rumänische mit dem nachgestellten Artikel –ul aus der Reihe. Zur Not könnte man annehmen, dass in der gemeinsamen Vorstufe der Artikel sowohl vor- als auch nachgestellt wurde und sich im Rumä­nischen als einziger Tochtersprache die Nachstellung erhalten hat. Nicht in dieses Bild passt aber das Sardische (und einige Dialekte des Katalanischen), die den bestimmten Artikel su besitzen, der nicht von „illu“, sondern von „ipsu“ („derselbe“, klassisch Latein ipse, Akk. ipsum) stammt. Was sich hier zeigt, ist eine Trennung des Sardischen vom Rest schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt. Die anderen Sprachen hatten noch eine Zeitlang eine gemeinsame Weiterentwicklung, während das Sardische schon eigene Wege ging, allerdings auch nicht ganz unabhängig, denn aus historischen Grün­den kam das Sardische immer wieder in Kontakt mit anderen romanischen Sprachen (Spanisch, Katalanisch, mittelalterliches Latein und zuletzt immer stärker Italienisch). Trotzdem fällt eines auf: Sowohl im Sardischen, als auch im gesamten Rest ist der Artikel vom Akkusativ des ursprünglichen lateinischen Wortes abgeleitet, nicht vom Nominativ.

Diese Eigenheit der romanischen Sprachen ist also ebenfalls die Rekon­struktion einer Eigenheit des Ur-Romanischen, beschreibt aber eine Ent­wicklung, die früher liegt als die nur einen Teil der Romania betreffende Entwicklung des bestimmten Artikels aus dem Lateinischen „illu“. Die Rekonstruktion des dem Ur-Rumänischen zugrundeliegende Form „lupu illu“ wäre wohl noch später anzusetzen, zudem in einem geographisch be­grenzteren Raum. Man nennt dieses Lokalisieren einer Wandel­erschei­nung im Vergleich zu anderen Wandelerscheinungen „Relative Chronologie“.

Zudem muss auch bedacht werden, dass schriftliche Zeugnisse nicht unbedingt immer den Sprachgebrauch der Entstehungszeit wiedergeben. Helmut Lüdtke[115] hat die Sprachform des „altfranzösischen“ Textes der Straßburger Eide als „Kompromißstil“, als „Halbromanisch“ bezeichnet und gibt als Beispiel das sporadische Weglassen des bestimmten Artikels „lo“ an.

Wenn hier also eine Grammatik des Ur-Romanischen (oder analog Ur-Indogermanischen, Ur-Semitischen) etc. rekonstruiert wird, so handelt es sich dabei nicht um die Beschreibung eines Sprachsystems, das zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort gesprochen wurde, sondern um eine Sammlung von rekonstruierten Formen, die unter Umständen jeweils verschiedenen Zeiten und verschieden großen Gebieten angehörten. Zusätz­lich ist dabei immer auch die Möglichkeit von Parallelentwicklung und Entlehnung bzw. Lehnbildung miteinzubeziehen.

  1. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

11.1 Zusammenfassung der Beweislage

Wie wir in den vorangegangenen Kapiteln gesehen haben, führt die Beschäftigung mit der Geschichte der arabischen Sprache zu einem nahezu chaotischen Sammelsurium an Ungereimtheiten. Sowohl die Traditions­literatur, als auch die moderne Arabistik sind meilenweit von einer communis opinio entfernt. Wie wollen nur einige Punkte rekapitulieren, um uns die wichtigsten Problemfelder ins Gedächtnis zu rufen:

  1.    Im Klassisch-Arabischen gibt es Relativpronomen, die eine aus­geprägte Flexion aufweisen, allerdings mit unerklärlichen Lücken (es fehlt der Plural auf –ūna) und einer orthographischen Beson­derheit (Doppel-lam vs. Einzelschreibung).
  2.    In allen frühen inschriftlich belegten Texten arabischer Dialekte gibt es keine Anzeichen für flektierende Relativpronomen. Die exis­tierenden Formen gehen größtenteils nach dem Muster mask. – fem. -t, wobei die Qualität der Vokale unklar ist.
  3.    In allen modernen Dialekten gibt es nur unveränderliche Relativ­pronomen, die auf *illi, *iddi und vielleicht noch *alli zurückgehen.
  4.    Die Form allai ist schon in sehr frühen Texten indeklinabel und hat in den Dialekten (mit Ausnahme des jüdischen Dialektes von Tunis) keine Spuren hinterlassen.
  5. Fast alle altsemitischen Sprachen haben nicht-deklinable Relativ­pronomen, höchstens kommen besondere Formen für das Feminin vor. Die einzige Ausnahme, das Altakkadische, ist ein Sonderfall und nicht mit dem Hocharabischen zu vergleichen. Die existie­renden Formen gehen größtenteils auf ein altes *d– mit einer Femininform auf –t zurück.
  6.    Die Angaben zu angeblichen altarabischen Dialekten bei den ara­bischen Grammatikern sind äußerst zweifelhaft und zeigen in vielen Fällen zu genau gerade die Formen, die man eigentlich er­warten würde (z.B. ʾallaḏūna), die aber nicht belegt sind. Sie passen schon gar nicht zu dem, was effektiv auf der arabischen Halbinsel epigraphisch belegt ist.
  7.    Die inschriftlichen Belege für klassisch-arabisch aussehende Formen ebenso wie die Herkunft des Alphabetes zeigen nicht in Richtung Mekka ud Medina, sondern in Richtung Norden (Fruchtbarer Halbmond bzw. Mesopotamien).
  8.    Auch im Koran gibt es einige Reliktformen, die auf das Vorhan­den­sein eines Relativpronomens ḏā/ ḏē hinweisen.
  9.    Im Koran sind mehrere Geschichten in verschiedener Version (z.B. die von Noah) auf verschiedene Suren verteilt worden.
  10. Das Klassisch-Arabische zeigt archaische Züge (Nominalflexion, ejek­tiver Charakter der „emphatischen Laute“), die bereits in sehr alten Schriftdokumenten aus dem 8. Jhdt. fehlen.
  11. Die Nominalflexion scheint schon Jahrhunderte vor der Entstehung des Koran (wie das Nabatäische zeigt) größtenteils zusammen­gebrochen zu sein und wird wohl nur noch in Relikten (wie Deutsch „zu haus-e“ mit Dativendung) vorhanden gewesen sein.
  12. Die Erklärungen der Traditionsliteratur zur Sprache des Koran sind höchst widersprüchlich und lassen viele Fragen offen, selbst wenn man bereit ist, ihr zu glauben: Ist der Koran im mekkanischen Dialekt abgefasst? Warum wurde dann mit der Hamza-Ortho­gra­phie die Lautung eines fremden Dialektes (angeblich er Tamīm) eingeführt? Und warum wurde dann nicht alles in diesen Dialekt übertragen? Oder passte man ihn an eine Art überregionaler Dich­ter­­­sprache an, weil diese ein hohes Prestige besaß? Wenn dem so war, galten denn die Dichtungen mehr als der Koran? Und die Dichtersprache (oder die  Koransprache) selbst, war es der Dialekt eines Stammes, eine Koiné oder ein rein literarisches Konstrukt? Wurde sie auch gesprochen oder war sie eine reine Lesesprache?

Aus all diesen einzelnen Erkenntnissen, Ungereimtheiten und Fragen ist es schwer, eine Geschichte des Klassisch-Arabischen herzuleiten. An Versu­chen hat es ja bisher nicht gefehlt (s. Kap. 5.2). Im folgenden Kapitel soll daher der Versuch unternommen werden, im Lichte der alten und neuen Erkenntnisse eine neue Theorie zur Genese des Klassisch-Arabischen vor­zulegen, die Elemente älterer Theorien beinhaltet, aber auch zu eigenen Schlussfolgerungen kommt.

11.2 Relativsätze, Kasusendungen und die Entstehung des Hocharabischen

Was man aus dem vorgelegten Material mit einiger Sicherheit zur Ge­schichte der Relativpronomen herauslesen kann, ist Folgendes:

  1.   Es gab wohl nie einen gesprochenen arabischen Dialekt, in dem die heutigen hocharabischen Relativpronomen – geschweige denn die dazu gehörenden seltenen Nebenformen – jemals im normalen Gespräch verwendet wurden.
  2.   Die beiden Relativpronomen, die in der Emergenz-Zeit des Koran im Gebrauch waren, waren die erwähnten Formen *illi, alli etc. einerseits und *ḏā, ḏī, ḏū, möglicherweise aber auch ḏē, zu der es eine feminine Form ḏāt oder ḏēt gab. Letztere waren vor allem auf der arabischen Halbinsel anzutreffen, die anderen wohl eher nördlich davon, also in Mesopotamien, Syrien oder noch weiter entfernt.
  3.   Aus diesen beiden Alternativen wurde eine neue Form zusammen­gesetzt,, ähnlich wie in deutschen Dialekten „die wo“, die *alli-ḏī oder ähnlich gelautet haben mag.
  4.   Die feminine Form *allatī ist inschriftlich (vorislamisch) belegt und muss schon alt sein. Wahrscheinlich ist sie analogisch gebildet, in dem das typisch feminine Morphem ti- (vgl. ti-lka – jene) das nun als mas­kulin empfundene ḏī ersetzte. Die feminine Form war aber bestimmt nicht überall verbreitet und sicherlich nicht obligatorisch, wie der weit verbreitete Gebrauch von indeklinablem ʾallaḏī zeigt.
  5.   Aus der maskulinen Form wurde dann ein Plural gebildet, indem man die Endung īna anhängte. Da diese ursprüngliche Obliquus-Endung auch für den Nominativ verwendet wird, kann daraus im Rahmen der relativen Chronologie der Sprachwandelerscheinungen geschlossen wer­den, dass zur Zeit, in der diese Bildung entstanden ist, das Kasussystem schon nicht mehr lebendig war.
  6.   Die anderen Formen (Fem. Pl. und Dual) sind sekundär, analogisch und später. Dies sieht man an der bereits lange obsoleten Unterscheidung von Nominativ und Obliquus und bei den Femininformen an der Viel­falt der Nebenformen. Zudem sind sekundäre Formen am Doppel-lam erkennbar.
  7.   Das System der nun klassischen Relativpronomen wurde schon früh von den Grammatikern als wenig symmetrisch empfunden, und so erfanden diese Dialektformen, die die Lücken füllten.
  8.   In der aktiven Verwendung sind die Formen der Relativpronomen im­mer problematisch gewesen und konnten in den Dialekten nie größere Spuren hinterlassen.
  9.   Die heutigen Dialekte zeigen praktisch alle Formen, die nicht auf die For­men aus der Halbinsel zurückgehen, sondern auf die aus dem Norden.
  10. Ebenso wie bei modernen Dialekten gab es bereits in vorislamischer Zeit ein Dialektkontinuum, das sowohl von Koinisierungstendenzen, als auch von der späteren klassischen Hochsprache beeinflusst wurde.

Dies muss nun noch mit den bereits erwähnten Erkenntnissen zum Phonemsystem und der Morphologie des Arabischen zusammengeführt werden und wir kommen zu weiteren Einsichten:

  1.   Das Phonemsystem, das der arabischen Schrift zugrundeliegt, ist nicht das des heutigen Arabischen. Die sog. emphatischen Laute wurden eher als Ejektive ausgesprochen, was sich aber innerhalb kurzer Zeit änderte.
  2.   Das System der Nominal- und Verbalflexion war schon lange vor der Ent­stehung des Islam in allen Dialekten der Halbinsel im Zusam­men­bruch begriffen und wohl nur in Relikten erhalten. Bei der Schaf­fung des klassisch-arabischen Standards jedoch wurde das System so gestaltet, dass man die Spuren eines herannahenden Zusammenbruchs an den Pausalendungen und den diptotischen Formen erkennen kann, die aber auf das Vorhandensein eines noch mehr oder weniger funk­tionierenden Systems in einem Vorbild-Dialekt schließen lassen.
  3.   Aus letzterem Punkt kann geschlossen werden, dass es einen archai­schen Dialekt oder zumindest archaische Texte gegeben haben muss. Da in mündlich tradierten Texten kaum phonetische Kategorien wie Ejek­tive vs. pharyngalisierte Laute erhalten bleiben, spricht die Wahr­schein­lichkeit viel eher für einen Dialekt als für eine Textsamm­lung. In diesem Dialekt gab es noch (erhebliche Reste einer) Nominal- und Modal­fle­xion, die vielleicht analogisch standardisiert wurden. Möglich war dies, weil auch in den Dialekten, die die Nominalflexion schon verloren hat­ten, diese noch in formelhaften Wendungen als alter­tümlich zu er­ken­nen waren. In dieser archaisierenden neu geschaffenen Schrift­spra­che, die in einem eigenen, auf dem aramäischen beruhenden Alphabet geschrie­ben und als neue Amtssprache automatisch Verbrei­tung finden musste, wurden auch literarische Texte (die sogenannte altarabische Dich­tung[116]) und religiöse Texte (später zusammengestellt zum Koran) verfasst, evtl. auch ältere Texte in diese umgeschrieben.
  4.   Die Standardisierung war ein Prozess, der wohl lange Zeit, vielleicht einige Jahrhunderte, in Anspruch nahm und seinen Niederschlag in einer immer detailversesseneren Orthographie fand (s. die Sonder­zei­chen in Koranausgaben).
  5.   Ein Grund für diese immer genauere Bezeichnung der Aussprache wa­ren Probleme mit Verlesungen, da der Bezugspunkt dieser Sprache zunächst immer das Geschriebene war.

Alles, was es also im Klassisch-Arabischen gibt, geht auf die Neuordnung von Elementen zurück, die in Dialekten vorkamen, allerdings nicht so wie in der neu geschaffenen Standardsprache.

  1. Das Hocharabische und das Emergenzterrain des Islam – Wie könnte alles angefangen haben?

Bis hierhin sollte das vorgestellte sprachwissenschaftliche Material und die damit verbundenen Gedankengänge für Arabisten[117], Semitisten und vergleichende Sprachwissenschaftler mit Kenntnissen des Arabischen nach­vollziehbar sein, auch wenn sie die sonstigen Theorien der Forschergruppe Inârah nicht kennen oder sogar ablehnen. Dass dies nicht unbedingt Zu­stim­mung zu allen Schlussfolgerungen bedeutet, versteht sich von selbst, aber die angegebenen Quellen sind zum großen Teil Standardwerke.

Die vom Verfasser gezogenen Schlussfolgerungen sollten sich somit bis hierher auch im Rahmen der „Schulwissenschaft“ bewegen. Im nun fol­genden letzten Kapitel soll aber der – zugegebenermaßen spekulativere – Ver­such gemacht werden, diese Schlussfolgerungen mit den von anderen Forschern der Inârah-Gruppe gewonnenen Erkenntnissen und theore­ti­schen Ansätzen zu verknüpfen und zu einer weitergehenden Hypothese zur Entstehung der Sprache der koranischen Bewegung zu verbinden. Dies soll im Folgenden geschehen:

Wie wir gesehen haben, spricht einiges dafür, dass es einen archaischen Dialekt gab, der bei der Schaffung der neuen Standardsprache eine Rolle gespielt hat. Weiterhin zeigen die inschriftlichen Belege, dass dieser Dialekt nicht von der arabischen Halbinsel stammen kann, wo der typisch klas­sische Artikel al- ebenso fehlt wie die Nominalendungen. Zudem hätte man auf der Halbinsel vielleicht eher das bereits in Gebrauch befindliche alt­südarabische Alphabet ver­wendet, das die Phoneme des Arabischen viel bes­ser unterscheidet als das unpunk­tierte, auf dem Aramäischen basierende spä­tere arabische Alphabet. Viel wahrscheinlicher ist also ein Dialekt, der aus dem Norden kam, aus Mesopotamien etwa.

Das Problem ist nun aber, dass es etwas schwer erklärbar ist, warum aus­gerechnet unter mesopotamischen Dialekten, die ja in ständigem Kon­takt mit dem Aramäischen, Griechischen und Mittelpersischen standen, sich eine archaische Sprachform erhalten haben soll. Eine solche würde man eher in einem Randgebiet, getrennt vom Rest der Dialekte und in der Nähe von stark flektierenden Sprachen erwarten.

An dieser Stelle kommt die Grundthese der Forschergruppe Inârah ins Spiel, die das Emergenzterrain des Islam nicht im Ḥiǧāz, sondern im Ost­iran (heutiges Turkmenistan) um die Stadt Merw an der Seidenstraße verortet:

Arabischsprachige Enklaven, die ein vornizenisches Christentum ver­traten und deren Sakralsprache das Syrische waren, lebten über längere Zeit in der kosmopolitischen Atmosphäre dieser Handelsstadt, wo sie auch Ele­mente der spätantiken Philosophie und Theologie, des Zoroastrismus, Ma­ni­chäismus und Buddhismus in ihre Religion aufnahmen. Als sie nach einigen Jahrhunderten in den Vorderen Orient kamen, trafen sie auf (von ihnen) längst vergessene arabischsprachige Stämme, die mittlerweile nicht nur die Lehre von der Dreifaltigkeit angenommen hatten, sondern auch modernere Formen des Arabischen sprachen. Als diese Neuankömmlinge ihre „alte“ Lehre vom nicht-trinitarischen Monotheismus verbreiten woll­ten, wählten sie dafür nicht die Schriftsprache Aramäisch – diese war schon zu sehr von den Trinitariern besetzt –, sondern eine an ihren eigenen archai­schen Dialekt angelehnte und mit Syriazismen durchsetzte neue Spra­che, die im Laufe der Zeit immer konkretere Züge annahm. Als Kanzlei­sprache der neuen Machthaber wurden nicht nur religiöse Texte in ihr verfasst, sondern mehr und mehr auch weltliche Literatur (die sog. alt­arabische Dichtung) in ihr verfasst oder in sie umgeschrieben. Da aber die Sprecher der meistern arabischen Dialekte – und nach ein oder zwei Generationen wohl auch ihre eigenen Nachkommen – diese Sprache nur noch unvollkommen beherrschten, wurde es mehr und mehr nötig, die Texte mit eindeutigerer Orthographie zu schreiben.

Als eigenen Ursprungsmythos konnte aber der alte Ostiran nicht her­halten – Propheten kamen alle aus der Wüste – und so wurde der ver­meint­lich ei­gene Ursprung im Ḥiǧāz verortet, eine Gegend, die zu den Macht- und Pilger­zentren des eigenen Kernlandes keine Konkurrenz dar­stellte. Ein Problem war allerdings, dass die Dialekte dieser neu gewählten Gegend, anders als die archaischeren Zentralarabiens, nicht sehr gut zu der neuen Standardsprache passten. Also musste die altarabische Dichtersprache in Zentral­ara­bien lokalisiert werden, um so einen Grund für die Abwei­chungen der Sprache des Koran vom Dialekt von Mekka zu schaffen. Man mag hier einwenden, dass die altarabische Dichtung doch das Nomaden­leben Zentralarabiens widerspiegelt. Dem kann entgegengehalten werden, dass Nomaden ebensowenig dazu neigen, das Nomadenleben zu roman­tisieren, wie Hüttenarbeiter dazu, vom „ewigen Walzwerk“ zu träumen und zu dichten. Die bukolische Dichtung Europas wurde schließlich auch nicht von Hirten gedichtet, sondern von Städtern, die sich nach dem Traumland Arkadien sehnten, das sie in den imaginären Auen ihrer Dichtungen erst erschufen.

An diesem Punkt bleibt nur noch zu klären, wo man die arabischen Enklaven, in denen der „archaische Vorbilddialekt“ gesprochen wurde,  ver­muten würde. Die Stadt Merw war ein Handelszentrum, in dem vor allem Parthisch gesprochen wurde, das ebenso wie das Mittelpersische seine Nominalflexion schon größtenteils verloren hatte. Sundermann[118] schreibt folgendes zum Parthischen:

„Für die ältere Sprache der Inschriften besteht aber noch ein Unter­schied zwischen Pluralformen im Rectus (endungslos wie der Sing.) und Obl. (auf –ān < Gen. airan. *-ānām) und –īn (urspr. alte -ī-Stämme auf *-īnām, doch auch weitere Nomina erfassend). (…) Doch haben Obl.-Formen auf -ān bereits Rectus-Funktionen über­nommen.“

Und ähnliches zum Mittelpersischen[119]:

„Im Übergang zum Mittelpersischen büßte das altiranische Nomen den Reichtum seiner Stammbildungen (weitestgehend Genera­li­sie­rung der a-Deklination) ein, verlor den Dual und alle Genus­unter­scheidungen.“

Außerdem ist eine Handelsstadt ein zu begrenzter Raum für eine größere Ansammlung kriegerischer Araberstämme, es muss für umgesiedelte ara­bische Wehrdörfer einen größeren Siedlungsraum gegeben haben. An dieser Stelle fällt das Augenmerk automatisch auf das östlich von Merw gespro­chene Sogdische, das u.a. in Buḫāra und Samarkand die vorherrschende Sprache war und auf dem östlichen Teil der Seidenstraße als Lingua Franca fungierte. In dieser Sprache wurden sowohl christliche, manichäische als auch buddhistische Texte in jeweils leicht variierenden Dialekten ge­schrie­ben. Sicherlich wurde es als damalige Weltsprache auch in Merw ebenso gesprochen wie Englisch im heutigen Singapur. Das Sogdische ist nun aber von allen mitteliranischen Sprachen die mit Abstand archaischste und hat ein reiches Nominalflexionssystem erhalten[120]:

Masc. Ntr. Fem.
Nom. Sg. -i -u -a
Akk. Sg. -u -u -a
Gen. Sg. -e *-e -ya
Loc. Sg. -ya -ya -ya
Abl. Sg. -a -a -ya
Voc. Sg. -a *-e
Nom.-acc.numv. -a -e -e
Abl. numv. -ya(?)

Sollte sich dies bewahrheiten, würde es bedeuten, dass die besagten ara­bischsprachigen Enklaven vermutlich über einen beträchtlichen Teil der Seidenstraße anzutreffen waren. Die Verbindung zu den Sogdern würde auch die Übernahme von Elementen aus dem Manichäismus und Buddhis­mus erklären. Und schließlich wäre es nicht unmöglich, dass die letzten verbliebenen Sprecher arabischer Dialekte in Zentralasien zumindest zum Teil die Nachfahren der Bewohner dieser alten Enklaven sind.

[1]    Groß, Markus, Neue Wege der Koranforschung aus vergleichender sprach- und   kulturwissenschaftlicher Sicht, in: K.-H. Ohlig (Hg.), Der frühe Islam, Berlin     2007, S. 457-639.

[2]   Der Einfachheit halber wird im Folgenden dieser Terminus gebraucht, wobei man exakter immer zwischen der Sprache des Koran, der klassischen Hoch­sprache z.B. in der mittelalterlichen Literatur und dem modernen Hocharabisch unterscheiden müsste.

[3]   Kienast, Burkhart, Historische Semitische Sprachwissenschaft. Wiesbaden 2001, S. 449.

[4]   Die Beispiele sind ihrerseits zitiert aus: Reckendorf, Arabische Syntax, Heidel­berg, 1921; 2. Aufl. Heidelberg 1977, § 207.1.

[5]   Im Folgenden wird die Umschrift bei zitierten Beispielen nur in offensichtlichen Fällen an das Übliche angepasst, z.B. wenn arabische Buchstaben oder Zahl­zei­chen im jeweiligen Umschriftsystem verwendet werden. Bestehen aber Zweifel bezüglich der Aussprache, z.B. im Falle einiger arabischer Dialekte, wird die Original-Umschrift beibehalten. Bei den zitierten Beispielen ist zudem meist eine Interlinear-Übersetzung hinzugefügt worden, um die Syntax der jeweiligen Sprache zu verdeutlichen. Diese stammt in allen Fällen vom Verf.

[6]   Fischer, Wolfdietrich: Lehrgang für die arabische Schriftsprache der Gegenwart, Band II. Syntaktische Struktuen und Einführung in die literarische Sprache. Wiesbaden 1986, S. 189 (Transliteration vom Verf.).

[7]    Howell, Mortimer Sloper: A Grammar of the Classical Arabic Language – trans­lated and compiled from the works of the most approved native or naturalized authorities, four volumes in seven parts.1886, reprint Delhi 1986, Vol. 1, Part 2, S. 582.

[8]    Howell, Mortimer Sloper: A Grammar of the Classical Arabic Language – translated and compiled from the works of the most approved native or naturalized authorities, four volumes in seven parts.1886, reprint Delhi 1986, Vol. 1, Part 2, S. 582.

[9]   Die Übersetzung ist die von: R. Paret, Der Koran. Übersetzung,  Stuttgart 1. Aufl. 1966, 9. Aufl. 2004;  Kommentar und Konkordanz. Stuttgart 1. Aufl. 1971, 7., un­v­er­änderter Nachdruck 2005 der Leinenausgabe 1977; daneben auch die Version der „Digitalen Bibliothek (Directmedia Publishing, Berlin)“; die Trans­literation koranischer Passagen folgt der von Hans Zirker (PDF-Datei), herunterladbar unter:

http://www.eslam.de/begriffe/t/transliteration_des_quran.htm

[10]    Lüling, Günter: Über den Ur-Qurʾān. Ansätze zur Rekonstruktion vorislami­scher Strophenlieder im Qurʾān. Erlangen 1974.

[11]    Er verweist auf J. Blau, Grammar of Christian Arabic, § 409.2, wo ʾallaḏī als Übersetzung von griechisch ὅτι (hóti) – dass verwendet wird.

[12]    Hussein Abdul-Raof, On the Stylistic Variation in the Quranic Verse, Journal of Semitic Studies LII/1 spring 2007; zu dieser Arbeit, v.a. zum Ansatz und der Art der Betrachtung gäbe es viel zu sagen, was aus Platzgründen hier unterbleiben muss. Vor allem seine im Abstract vorgetragene Schlussfolgerung „Stylistic variation is Qurʾān-specific and is context and co-text sensitive” mag in einigen Fällen zutreffen (was aber andererseits auch nicht überraschend ist), er ignoriert aber völlig die Möglichkeit von mehrfachem Auftauchen von Versatzstücken, die durch Verlesungen in verschiedenen Versionen in den späteren kanonischen Text gelangt sind. Es folgt hier also lediglich die Aufführung von Parallelstellen, die bei ihm betrachtet werden, wobei der arabische Text jeweils nur in Umschrift angegeben wird.

[13]    Textvarianten, bei denen ein Schwanken zwischen man und Formen von allaḏī festzustellen ist, gibt es auch in Manuskripten, z.B. in dem im vorliegenden Sam­mel­band beschriebenen Palimpsest, s. Elisabeth Puin, Ein früher Koranpa­limp­sest aus Ṣanʿāʾ (DAM 01-27.1), Teil IV, S. 347.

[14]    Penrice, John: A Dictionary and Glossary of the Koran. Erstausgabe 1873. Reprint Delhi 1990, S. 51; Die in Klammern angegebene Transliteration stammt vom Verf.

[15]    Werner Diem, Arabic allaḏī as a conjunction. An old problem and a new approach. In: Everhard Ditters / Harald Motzki, Approaches to Arabic Linguis­tics, Presented to Kees Versteegh on the Occasion of his Sixtieth Birthday, Leiden / Boston (Brill) 2007, S. 67-112.

[16]    Anton Spitaler, „alamdu li-llâhi llaḏī und Verwandtes. Ein Beitrag zur mittel- und neuarabischen Syntax.“ Oriens 15, 1962, S. 97-114 = Spitaler, Aton, Philologica. Beiträge zur Arabistik und Semitistik, ed. by Hartmut Bobzin, S. 230-247, 248 („Zusätze“). Wiesbaden: Harrassowitz, 1998.

[17]    Manfred Woidich, „illi als Konjunktion im Kairenischen“, in: Werner Diem / Stefan Wild, Studien aus Arabistik und Semitistik Anton Spitaler zum siebzigsten Geburtstag von seinen Schülern überreicht, Wiesbaden 1980, S. 224-238.

[18]    Groß, Markus, Neue Wege der Koranforschung aus vergleichender sprach- und kulturwissenschaftlicher Sicht, in: K.-H. Ohlig (Hg.), Der frühe Islam, Berlin 2007, S. 457-639.

[19]    Charles F. Hockett, The Problem of Universals in Language, in: Joseph Greenberg (Hrsg.), Universals of Language, 2. Aufl., M.I.T. Press, Cambridge (Mass.) / London 1961, S. 1-29, hier S. 25: „A historical tendency toward phonological symmetry is universal.“

[20]    Thelwall, R., Sa’adeddin, M.A., Arabic, In: Handbook of the International Phonetic Association. Cambridge University Press 1999, S. 51 f.

[21]    Im Geʿez gibt es folgenden ejektiven Phoneme:  ጰ p̣ [pʼ], ጠ ṭ [tʼ], ቀ ḳ [q, kʼ], ቈ ḳʷ [qʷ, kʷʼ], ፀ ṣ́ [ɬˁ], ጸ ṣ [ʦʼ].

[22]    Georg Graf, Der Sprachgebrauch der ältesten christlichen Literatur, Ein Beitrag zur Geschichte des Vulgär-Arabisch, Leipzig 1905, S. 6.

[23]    Georg Graf, Der Sprachgebrauch der ältesten christlichen Literatur, a.a.O, S. 30 f.

[24]    Kienast, Burkhart: Historische Semitische Sprachwissenschaft, Wiesbaden 2001, S. 141: „Die diptotische Flexion im Singular begegnet nur im Arabischen (für mögliche Vorkommen im Ugaritischen vgl. C. H. GORDON, UM, 1955, 45 und D. SIVAN, GUL 83 f.) im status indeterminatus bestimmter Nominalformen und bei Eigennamen;…“.

[25]    vgl. Rabin, Chaim (1951). Ancient West-Arabian. London, S. 110, wo er u.a. eine Idee aufgreift, die sich bereits findet bei: Vollers, K (1906). Volkssprache und Schriftsprache im alten Arabien. Strassburg. Danach würde die Schreibung –āʾu ein Phonem /-ō/ bezeichnen, das dann erst später mit /-ā/ zusammengefallen sei. Parallelfälle wären die mit waw mit darübergesetztem Hamza, z.b. ṣalāh صلاة   /  صلوة. Daneben habe es im Ḥiǧāz auch einige „hohle“ Wurzeln mit /eː/ gegeben, z.B.: ḫēfa – fürchten, ṭēba – gut sein, mēta – sterben (vgl. hebräisch mēṯ). Die beiden Phoneme /eː/ und /oː/ sind also wohl auch für das Ur-Arabische, wie für das Protosemitische anzusetzen.

[26]    Burkhart Kienast, Historische Semitische Sprachwissenschaft. Wiesbaden 2001, S. 144.

[27]    G.  Bergsträsser, Einführung in die semitischen Sprachen. Sprachproben und gram­ma­tische Skizzen, München 1928(Nachdruck: Darmstadt 1963), S. 165.

[28]    Walter W., Müller, Das Fühnordarabische, in: Fischer, Wolfdietrich (Hrsg.), Grundriss der arabischen Philologie. Band 1: Sprachwissenschaft. Wiesbaden 1982, S. 17-36, S. 17.

[29]    Robert Kerr, Kann die semitische Epigraphik etwas über die Entstehung des Korans erzählen?, in: M. Groß/ K.-H. Ohlig: Die Entstehung einer Weltreligion I, Berlin 2010, S. 354-376.

[30]    Wolfdietrich Fischer, Das Altarabische in islamischer Überlieferung: Das Klassische Arabisch, in: Wolfdietrich Fischer (Hrsg.), Grundriss der arabischen Philologie. Band 1: Sprachwissenschaft, Wiesbaden 1982, S. 37-50.

[31]    Die Frage der Verlässlichkeit solcher biographischen Angaben wäre eine eigene Arbeit wert und kann hier aus Platzgründen nicht erörtert werden.

[32]    Mit diesen Ausdrücken werden angebliche Aussprachebesonderheiten bezeich­net. Mit kaškaša / kaskasa beispielsweise ist die Aussprache als –ši, -kiš, -kis für das suffigierte Personalpronomen der 2. Sg. f. (-ki) gemeint.

[33]    Persönliche Mitteilung von Gerd-R. Puin.

[34]    Wolfdietrich Fischer, Frühe Zeugnisse des Neuarabischen, in: ders. (Hrsg.), Grundriss der arabischen Philologie. Band 1: Sprachwissenschaft, Wiesbaden 1982, S. 83-95.

[35]    Diem, Werner: Die nabatäischen Inschriften und die Frage der Kasusflexion im Altarabischen. In: ZDMG 123 (1973), S. 227-237.

[36]    Corriente, Federico C.: Marginalia on Arabic Diglossia and evidence thereof in The Kitab al-Agani. In: JSS (Journal of Semitic Studien. Manchester) 20 (1975), S. 38-61.

[37]    ursprünglich aus: Fischer, W. und Jastrow, O.: Handbuch der Arabischen Dialekte, a.a.O.

[38]    Joshua Blau, Das frühe Neuarabische in mittelarabischen Texten, S. 96-109.

[39]    Spitaler, A.: Al-amdu lillāhi llaḏī und Verwandtes. Ein Beitrag zur mittel- und neuarabischen Syntax. In: Oriens 15 (1962), S. 97-114.

[40]    Chaim Rabin, Ancient West-Arabian, London 1951.

[41]    Von derselben Wurzel ist nämlich auch die arabische Bezeichnung der Hoch­sprache (fuṣḥa) abgeleitet.

[42]    Mit „imāla“ wird die ē-artige Aussprache von geschriebenem ā bezeichnet.

[43]    Walter W. Müller, Das Altarabische der Inschriften aus vorislamischer Zeit., in: Wolfdietrich Fischer (Hrsg.), Grundriss der arabischen Philologie, Band 1: Sprachwissenschaft, Wiesbaden 1982, S. 30-36.

[44]    s. ZDMG 123, 1973, S. 227-237.

[45]    Burkhart Kienast, Historische Semitische Sprachwissenschaft, Wiesbaden 2001

[46]    Namentlich erwähnt werden in der Einleitung Brockelmann Carl: Grundriss der Vergleichenden Grammatik der Semitischen Sprachen, GvG, 2 Bd Leipzig 1908 und 1913, Neudruck Hildesheim 1961 sowie Moscati, Sabatino/ Spitaler, Anton/ Ullendorf, Edward/ von Soden, Wolfram (1964). An introduction to the comparative grammar of the Semitic languages. Phonology and Morphology. edited by Sabatino Moscati. Porta Linguarum Orientalium. Wiesbaden

[47]    Im restlichen Kapitel werden die Angaben Kienasts, der zu allen altsemitischen Sprachen wertvolle Hinweise gibt, nicht mit Fußnoten, sondern mit dem Kürzel (Kienast, S. …) bezeichnet.

[48]    aus: The Assyrian Dictionary, The Oriental Institute of the University of Chicago, Editorial Board: Ignace J. Gelb, Benno Landsberger, A. Leo Oppenheim, Erica Reiner, Chicago und Glückstadt 1964.

[49]    Riekele Borger, Babylonisch-Assyrische Lesestücke. Heft 1. Elemente der Grammatik und der Schrift, Übungsbeispiele, Glossar, Rom 1963, S. XXVII.

[50]    statt „Thema“ und „Rhema“ werden auch die Bezeichnungen „topic“ und „comment“ verwendet.

[51]    Josef Tropper, Ugaritisch. Kurzgefasste Grammatik mit Übungstexten und Glossar. Elementa Linguarum Orientis 1, Münster 2002; S. 26, 101.

[52]    A.E. Cowley, Gesenius‘ Hebrew Grammar as edited and enlarged by the late E. Kautzsch. second English edition, revised in accordance with the twenty-eighth German edition (1909) by Cowley, A.E.. Oxford 1946; verglichen mit E. Kautzsch, Wilhelm Gesenius’ Hebräische Grammatik, völlig umgearbeitet von E. Kautzsch. Kleine Ausgabe der 26. vielfach verbesserten und vermehrten Auflage, Leipzig 1986, S. 226 ff.

[53]    Hans Bauer / Portus Leander, Grammatik des Biblisch-Aramäischen. Halle 1927 (Neudruck 1995: Hildesheim/ Zürich/ New York/ Vaduz), S. 85 f.

[54]    Franz Rosenthal, A Grammar of Biblical Aramaic, Wiesbaden 1961, S. 21.

[55]    Beispielsätze aus: John F. Healey,  First Studies in Syriac. University Semitics Study Aids 6. Birmingham 1980; Umschrift durch den Verf.

[56]    Muraoka, Takamitsu, Classical Syriac. A Basic Grammar with a Chrestomathy. Porta Linguarum Orientalium Bd. 19. Harassowitz. Wiesbaden 1997.

[57]    Tropper, Josef, Altäthiopisch. Grammatik des Geʿez mit Übungstexten und Glossar. Elementa Linguarum Orientis 2. Münster 2002, S. 159 f.

[58]    Maria Höfner, Altsüdarabische Grammatik, Leipzig 1942, S. 47.

[59]    Siehe dazu: Hans-Jürgen Sasse, Afroasiatisch, in: Bernd Heine, Thilo C. Schadeberg, Ekkehard Wolff (Hrsg.), Die Sprachen Afrikas, Hamburg 1981, S. 129–148; die Bezeichnung „Semitisch-Hamitisch“ suggeriert, dass dem Semi­tischen eine Gruppe Hamitisch gegenüberstünde.

[60]    Herrmann Jungraraithmayr / Wilhem J.G. Möhlig, / Anne Storch, Lehrbuch der Hausa-Sprache. Grundkurs in 30 Lektionen, Köln 2004, S. 152 f.

[61]    Singer, Hans-Rudolf: Der neuarabische Sprachraum, in: in: Fischer, Wolfdietrich (Hrsg.), Grundriss der arabischen Philologie. Band 1: Sprachwissenschaft. Wiesbaden 1982, S. 110-118.

[62]    Ferguson, Charles: The Arabic Koine. In: Language 35 (1959), S. 616-630.

[63]    Cohen, David: Koinè, langues communes et dialectes arabes. In: Arabica 9 (1962), S. 119-144.

[64]    Kaye, Alan S.: Chadian and Sudanese Arabic in the Light of Comparative Arabic Dialectology. The Hague-Paris 1976.

[65]    Peter Behnstedt / Manfred Woidich, Arabische Dialektgeographie – Eine Ein­füh­­rung, Handbuch der Orientalistik, Bd. 78, Leiden 1983, S. 9 ff.

[66]    Gemeint sind die „emphatischen“ Laute ض [dˁ] und ظ [ðˁ]. Letzterer Buchstabe wird allgemein statt mit unterstrichenem und Unterpunkt versehenem „d“ meist mit „ẓ“ transliteriert.

[67]    Eine eigene Form für den Konjunktiv gibt es in einer großen Anzahl von Sprachen; ein asyndetischer Relativsatz ist dadurch sofort als untergeordnet zu erkennen, auch ohne dass ein Relativpronomen steht. Ein Musterbeispiel dafür ist das Somali, bei dem der Indikativ auf –a(a), der Konjunktiv meist auf –o endet.

[68]    Gemeint ist das arabische ﻅ, das hocharabisch als inter­dentaler Rei­belaut [ðˁ] gesprochen werden sollte, wobei /ẓ/ die Aussprache [zˁ] bezeichnet.

[69] Alan S. Kaye, Classical and colloquial Arabic Archaisms, in: Everhard Ditters / Harald Motzki (Hrsg.), Approaches to Arabic Linguistics: presented to Kees Versteegh on occasion of his sixtieth birthday, Leiden (Brill) 2007, S. 595-605.

[70]    Beispiele aus: Richard S. Harrell, A Dictionary of Moroccan Arabic: Arabic-English, Washington, D.C. 1966; ders., A Basic Course in Moroccan Arabic, Washington, D.C. 1965, ders., A Reference Grammar of Moroccan Arabic. Washington, D.C. 1962.

[71]    Tapiéro, Norbert: Manuel d’Arabe Algérien Modern, 2. Aufl., supplément de 15 dialogues entre Maghrébins, sur la vie des immigrés avec traduction. Paris 1978, S. 77 ff.

[72]    Ю. Н. Завадовский, Туниccкий Диалект Арабского Языка. Москва 1979, S. 72; Übers. aus dem Russischen Verf.

[73]    Gairdner, W. H. T.: Egyptian Colloquial Arabic. A Conversation Grammar and Reader. Cambridge 1917, S. 211.

[74]    Birkeland, Harris: Growth and Structure of the Egyptian Arabic Dialect. Oslo 1952, S. 13.

[75]    Birkeland, Harris: Altarabische Pausalformen, Oslo 1940.

[76]    Trimingham, J. Spencer: Sudan Colloquial Arabic.Oxford University Press. London 1946, S. 140 ff.

[77]    Grotzfeld, Heinz: Syrisch-Arabische Grammatik. Porta Linguarum Orientalium. Wiesbaden 1965, S. 24.

[78]    Wallace M. Erwin, A Basic Course in Iraqi Arabic, Washington 1969; ders., A Short Reference Grammar of Iraqi Arabic. Washington 1963.

[79]    Otto Jastrow, Die mesopotamisch-arabischen qəltu-Dialekte. Bd. 1. Phonologie und Morphologie, 1. Aufl. Wiesbaden 1978. (Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes; Bd. 43,4).

[80]    Margaret K. Omar, Saudi Arabic Basic Course (Urban Hijazi Dialect), Foreign Service Institute, Washington D.C. 1975, S. 117.

[81]    Joseph Aquilina, Maltese. Teach Yourself Books. London 1965, S. 98 f.

[82]    Ulrich Seeger, Zwei Texte im Dialekt der Araber von Chorasan, in: „Sprich doch mit deinen Knechten aramäisch, wir verstehen es!“. 60 Beiträge zur Semitistik, Festschrift für OttoJastrow zum 60. Geburtstag, Wiesbaden 2002, S. 629-646; als download unter: seeger.uni-hd.de/Seeger_Chorasan.pdf.

[83]    http://www.ethnologue.com/show_language.asp?code=auz

[84]    Среднеазиатские Арабы, in: С. П. Толстова (Hrsg.), Народы Мира, Этнографические Очерки, Bd. 2: Народы Средней Азии и Казахстана Москва 1963, S. 582-598 (Völker der Welt, Ethnographische Skizzen,  Bd. 2: Völker Zentralasiens und Kasachstans)

[85]    Im russischen Text: Мавераннахр < arab. mā warāʾa n-nahr – wörtl.: ‚was hinter dem Fluss ist’, die Gegend östlich von Choresmien im östlichen Turk­menistan und Usbeskistan

[86]    В.В. Лебедев, Поздний Cреднеарабский Язык (XIII-XVIII вв.) . Москва 1977, S. 61; außerdem vgl. EI1: M. Th. Houtsma et al., eds., The Encyclopædia of Islam: A Dictionary of the Geography, Ethnography and Biography of the Muhammadan Peoples, 4 vols. and Suppl., Leiden: Late E.J. Brill and London: Luzac, 1913–38.

[87]    Georg Graf, Der Sprachgebrauch der ältesten christlichen Literatur, Ein Beitrag zur Geschichte des Vulgär-Arabisch, Leipzig 1905.

[88] Christian Lehmann, Der Relativsatz. Typologie seiner Strukturen, Theorie seiner Funktionen, Kompendium seiner Grammatik. Language Universals Series, 3., Tübingen, Gunter Narr Verlag, 1984; die Zusammenstellun der Haupttypen basiert v.a. auf der (positiven) Rezension von H. Hettrich in Kratylos, Kritisches Berichts- und Rezensionsorgan für indogermanische und allgemeine Sprach­wissenschaft, Jahrgang 30, Wiesbaden 1985.

[89]    vor allem basierend auf: Francisco R. Adrados, Geschichte der griechischen Sprache, von den Anfängen bis heute, aus dem Spanischen übersetzt von Hansbert Bertsch, Tübingen und Basel, 1999 (Erstausgabe)/ 2001 (Übersetzung); Rüdiger Schmitt, Einführung in die griechischen Dialekte, Darmstadt 1977; Heinz F. Wendt, Fischer Lexikon Sprachen, durchgesehene und korrigierte Neuausgabe, Frankfurt a.M. 1987, S. 128-152.

[90]    vgl. E. Schwyzer, Griechische Grammatik, I. Allgemeiner Teil, Lautlehre, Wort­bildung, Flexion, München 1934-1939.

[91]    Im Neugriechischen werden Konsonanten vor hellen Vokalen palatalisiert, was in der folgenden Transkription unbezeichnet bleibt, ebenso wie die halbe Länge bei betonten Vokalen; sie ist somit eher phonemisch als phonetisch.

[92]    Dieses und das nächste Beispiel sind in neuer Orthographie geschrieben; in alter Schreibweise lautete es wie im Altgriechischen: δόξα τῷ Θεῷ; die eigentliche Dhimotikí-Form wäre: δόξα στο Θεό (dóxa sto theó).

[93]    Rolf Mehrlein / Friedrich Richter / Wilhelm Seelbach, Ars Graeca, Griechische Sprachlehre, Paderborn 1968, S. 240 ff.

[94]    Beispiele aus: Pavlos Tzermias, Neugriechische Grammatik, Bern und München 1969 (in alter Orthographie), S. 114 ff., die alte Orthographie der Grammatik ist in den folgenden beibehalten worden, während die obigen Beispiele in neuer Orthographie gesetzt sind, s. dazu Kap. 8.6.2.

[95]    J. K. Mitsotakis, Praktische Grammatik der neugriechischen Schrift- und Um­gangssprache, Lehrbücher des Seminars für Orientalische Sprachen zu Berlin, herausgegeben von dem Director des Seminars, Bd. V, Stuttgart und Berlin 1891, S. 88 ff.; in diesem Lehrbuch werden die beiden Sprachformen gegenübergestellt.

[96]    Gerhard Rohlfs, Historische Grammatik der unteritalienischen Gräzität, Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1949, Heft 4, München 1950.

[97]    Zu den neugriechischen Dialekten s. Albert Thumb, Handbook of Modern Greek Vernacular, Grammar, Texts, Glossary, Edinburgh 1912. Auf S. 311 stellt er fest: the Zakonian dialect is noteworthy as the descendant of the ancient Laconian patois.“

[98]    Stefan Sonderegger, Althochdeutsche Sprache, in: Ludwig Erich Schmitt (Hrsg.) Kurzer Grundriß der germanischen Philologie bis 1500, Band 1: Sprach­ge­schich­te, Berlin 1970, S. 288-346, hier S. 288.

[99]    vgl. H. Sperber / P. v. Polenz. Geschichte der deutschen Sprache, Sammlung Göschen Bd. 915, Berlin 1966, S. 60 ff.

[100] Ricarda Liver, Rätoromanisch, Eine Einführung in das Bündnerromanische, Tübungen 1999, S. 68 ff.; Manfred Gross / Lia Rumantscha, Romanisch, Facts & Figures, Chur 2004, S. 31, 93.

[101] Das Dolomitenladinische in Südtirol und das Friulanische im Friaul gehören nicht dazu.

[102] Seit August 2011 ist es romanischsprachigen Schulen wieder freigestellt, den Unterricht in den Einzel-„Idiomen“ (Schweizer Bezeichnung für die Dialekte) abzuhalten statt in der bisher obligatorischen Gemeinsprache. Die Kontroverse wurde über mehrere Jahre geführt, vgl.:

http://www.swissinfo.ch/ger/specials/raetoromanisch/Kontroverse_um_Standard-Raetoromanisch_dauert_an.html?cid=625324.

[103] aus: Alain Nouvel, L’occitan sans peine (mit Kassetten), Méthode Assimil. Chennevières-sur-Marne 1975, S. 366 f. (dort auch die alternative Schreibung); daneben wurde auch verwendet: Peter Cichon, Einführung in die okzitanische Sprache, 2., korrigierte Auflage, Bonn 1999.

[104] Loïs Alibèrt, Gramatica Occitana segon los parlars lengadocians, Tolouse 1935.

[105] Übers. vom Verf., Text aus: http://lib.rus.ec/b/27272/read; die russichen Originalstellen lauten: Тот ка-ак гаркнет: „В депу,…; […] „депо“ не склоняется; auf diese Stelle aufmerksam wurde ich durch ein russisches Einführungsbuch zur Sprachwissenschaft, nach meiner Erinnerung: Р. А. Будагов, Введение в науку о языке. Москва 1965.

[106] Im Altenglischen hat „swāt“ die beiden Bedeutungen „Schweiß“ und „Blut“. Es handelt sich hier also um einen Archaismus.

[107] Steitz, Lothar, Grammatik der Mundart von Saarbrücken. Beiträge zur Sprache im Saarland 2., Saarbrücken 1981, S. 25, 125, 335.

[108] Chaucer, Geoffrey, The Canterbury Tales. selected edition with translation. edited by A. Kent Hieatt and Constane Hieatt. o.O. 1987, S. 48 – 4. Zeile: (The Knights Tal, /Z. 128).

[109] Rebecca Posner, The Romance Languages, Cambridge Language Surveys, Cambridge (UK) 1996, S. 335 ff.

[110] Der Verfasser hatte vor über zwanzig Jahren die Gelegenheit, auf einer Reise durch Südamerika mehrere Wochen an Gesprächen zwischen zwei Uru­guayern, von denen einer einer solchen Zwischenform aufgewachsen war, und einem Brasilianer teilzunehmen. Auf Nachfrage konnte der Sprecher des Inter­lekts, der in der Schule natürlich Spanisch gelernt hatte, mir zumindest in vielen Fällen klar eingebürgerte Formen zitieren.

[111] vgl. B.E. Vidos, Handboek tot de Romaanse Taalkunde, ‚s Hertogenbosch 1956, S. 352 ff; die Vergleichsformen anderer romanischer Sprachen stammen vom Verf.; zum Rätoromanischen wurden weiterhin benutzt: Sep Modest Nay, Lehrbuch der Rätoromanischen Sprache (deutsch-surselvisch), Chur 1948; Jachen Curdin Arquint, Vierv Ladin (Lehrbuch des Unterengadinischen). Chur 1964.

[112]     Das Rumänische gehört sicherlich auch in die Gruppe der archaisierenden Roma­nischen Sprachen gehören, so hat es u.a. auch einen Reflex des alten     Gen. Pl.    auf  ‑orum erhalten.

[113]     Auf die Beeinflussung durch slawische Sprachen und diese Textstelle bin ich dankenswerterweise durch Thomas Milo hingewiesen worden. So etwas fällt   in erster Linie jemand auf, der sowohl Deutsch, als auch Russisch als    Fremd­­sprache gelernt hat.

[114]      z.B. „1 Nephi 2:3 – „And it came to pass that he was obedient unto the word of the Lord, wherefore he did as the Lord commanded him.“

[115] Helmut Lüdtke, Die Entstehung romanischer Schriftsprachen, in: Reinhold Kontzi, Zur Entstehung der romanischen Sprachen, Darmstadt 1978, S. 386-409, hier S. 392.

[116] Die Frage, ob die sog. „altarabische Dichtung“ nun vor- oder nachkoranisch ist, kann aus Platzgründen hier nicht eingehend diskutiert werden. Da sowohl die Abfassung der einzelnen koranischen Texte, als auch die der einzelnen Werke der Dichtung einen längeren Zeitraum in Anspruch genommen haben muss, ist wohl auf jeden Fall mit einer gewissen Überlappung zu rechnen, die Frage wäre somit auch nicht ganz korrekt gestellt.

[117] Aufgrund der verschiedenen Ausrichtungen philologischer Disziplinen an Uni­­versitäten sind damit explizit nicht Kenner der (hoch)arabischen Literatur gemeint, sondern Kenner der Sprachwissenschaft des Arabischen und seiner Dialekte, eine viel seltenere Gattung, da man dazu neben Kenntnissen des Arabischen auch solche in allge­meiner Sprachwissenschaft, Phonetik und Phonologie, historischer Sprach­wissenschaft, Semitistik und Sprachtypologie braucht.

[118] Werner Sundermann, Parthisch, in: in: Rüdiger Schmitt (Hrsg.),   Compendium linguarum iranicarum, Wiesbaden 1989. S. 114-138; hier S. 132.

[119] Werner Sundermann, Mittelpersisch, in: in: Rüdiger Schmitt (Hrsg.), Compendium linguarum iranicarum, Wiesbaden 1989. S. 154.

[120] Nicholas Sims-Williams, Sogdian. in: Rüdiger Schmitt (Hrsg.), Compendium linguarum iranicarum, Wiesbaden 1989. S. 173-192, hier S. 183; daneben: P. Oktor Skjærvø, Introduction to Manichaean Sogdian, Online-Publikation auf der Homepage der Harvard University unter

http://www.fas.harvard.edu/~iranian/, S. 53 (Lesson 8):