Ohlig: Von Bagdad nach Merw

Von Bagdad nach Merw

Geschichte rückwärts gelesen

Karl-Heinz Ohlig

1.  Historisch-kritische Probleme

1.1 Vorbemerkung

Wann und aus welchen Kontexten ist der Islam als eine neue Weltreligion entstanden? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Zwar scheint nach der islamischen Tradition und auch dem fast allgemeinen Konsens der westlichen Islamwissenschaft alles klar zu sein; immer wieder wird behauptet, dass bei keiner anderen Weltreligion die Anfänge so gut bekannt seien wie  beim Islam.

Gemäß diesen Überzeugungen wurde der Islam durch den Propheten Mohammed (570-632) auf der Arabischen Halbinsel begründet. Seine mündlich vorgetragenen Verkündigungen wurden von Zuhörern auf alles mögliche Material niedergeschrieben oder im Gedächtnis behalten und unter dem dritten Kalifen Osman (?U?m?n) in den Jahren 650-656 zur heu­tigen Ganzschrift des Koran zusammengestellt. Mohammed konnte noch zu seinen Lebzeiten die Arabische Halbinsel unter seiner politischen und religiö­sen Führung vereinen. Nach seinem Tod begann eine staunenswerte Erfolgsgeschichte. Durch militärische Invasionen konnte unter Leitung von Kalifen, die Mohammed in seiner politischen Funktion nachfolgten, in kurzer Zeit der gesamte Vordere Orient bis an die Grenzen Indiens und Nordafrika bis nach Spanien erobert und in einem muslimischen Großreich vereinigt werden.

Eine autobiographische Notiz, die meine kritische Beschäftigung mit dem Islam erklären kann, sei mir erlaubt: Seit 1973 habe ich immer wieder (auch) den Islam in Kontext der religionswissenschaftlichen Lehrveran­stal­tungen verhandelt. Dabei wurde von Mal zu Mal deutlicher, dass die oben angegebene Darstellung über die Entstehung und Ausbreitung des Islam nicht auf belastbaren Quellen beruht. Vergebens suchte ich in der neuesten Fachliteratur nach den Angaben von Quellen und Belegen für die geschil­derten Abläufe. Mein Erstaunen und auch mein Ärger wuchsen; es war (und ist) mir unverständlich, mit welcher Nonchalance Inhaber orien­ta­listischer oder islamwissenschaftlicher Lehrstühle über Probleme hinweg­redeten oder sie sogar wegdiskutierten und darauf verzichteten, in ihrer „Wissenschaft“ das methodische Repertoire anzuwenden, das zum Standard historischer und philologischer Wissenschaften gehört. In einer im Jahr 2000 publi­zierten Monographie[1] habe ich die traditionellen Aussagen zu­sam­men­gestellt und die dabei gegebenen historischen Probleme aufgezeigt, die zur Folge haben, dass die Gestalt Mohammeds und die Anfänge des Islam im Dunkel liegen.

Durch die Gründung von „Inârah. Institut zur Erforschung der frühen Islamgeschichte und des Koran“ wurde es möglich, Forscher aus aller Welt und aus unterschiedlichen Disziplinen zu gemeinsamen und methodisch exak­ten Untersuchungen zu motivieren, so dass sich allmählich die Kon­turen der frühen Entwicklungen erkennen lassen. Aus dieser Koope­ration sind bisher drei Sammelbände hervorgegangen;[2] das vorliegende Buch ist der vierte dieser Sammelbände.

1.2 Historische Feststellungen

Der Koran bietet für die traditionelle Darlegung der Gründungszeit des Islam keine Stütze. Der in ihm von Allah Angesprochene ist manchmal z.B. Mose, Jesus oder durchgängig ein Mann bzw. Prophet ohne Namen. Nur an vier Stellen (S. 48.20; 47,2; 33,40 und 3,144) ist von mu?ammad die Rede, wo­bei aber nur an einer Stelle (S. 33,40) – auch dies ist ungewiss – ein arabischer Prophet gemeint ist.[3]

(Ein Talgrund von) Mekka wird nur einmal erwähnt, ohne nähere Betonung und ohne Bezug zu einem Mohammed (S. 48,24). Es bleibt unklar, ob damit das arabische Mekka gemeint ist oder ein Mekka zwischen Ur in Chaldäa und Harran, wohin es die älteste erhaltene geographische Zuordnung verlegt.[4] Dreimal ist von Medina die Rede (S. 63,8; 9, 101 und 9, 120), was aber auch einfachhin Stadt heißen kann.

Weitere in der Tradition auf die Arabische Halbinsel verlegte Lokali­täten sind wohl anders zu verstehen, als gemeinhin angenommen: Das unbe­kannte Bakka (S. 3,96.97) wird meist, ohne irgendeine plausible Erklä­rung, gleichgesetzt mit Mekka; nach Christoph Luxenberg aber bedeutet es nur soviel wie (irgendeinen) heiligen Bezirk, der überall an einem Heiligtum liegen kann.[5] Den Ort Badr (S. 3,123), an dem gemäß der Tradition eine entscheidende Schlacht unter Leitung Mohammeds – Anfang aller späteren militärischen Erfolge – stattgefunden haben soll, hat noch niemand auf der Arabischen Halbinsel entdecken können; auch hier leuchtet die philolo­gische Erklärung Luxenbergs ein (in alten Handschriften beginnt das Wort mit einem ?Ain, das später zu einem B verlesen wurde)[6] und fügt sich auch in den Kontext: Badr ist dann, nach Christoph Luxenberg, kein Ort, sondern heißt soviel wie Macht (und fasst die im folgenden Vers 124 genannten Engelscharen begrifflich zusammen).

Sure 37, 133-138, erzählt die Geschichte von Lot, der mit seiner Familie (bei dem Strafgericht Gottes über Sodom und Gomorra gerettet wurde, Gen 19). Die Verse 137 und 138 sagen, ohne die sinnverfremdenden Ergänzungen Rudi Parets:

„137 Ihr kommt nun (…) an ihnen (d.h. an den Überresten ihrer früheren Wohnungen) vorbei, morgens 138 und abends (w. nachts).“

Diese Verse erwecken den Eindruck, als seien Zuhörer angesprochen, die täglich an den Überresten der Zerstörung vorbeigehen; es sieht so aus: wenn sie ihr Haus morgens verlassen und abends wieder heimkehren. Zumindest diese Passage kann nur in der Nähe von Sodom und Gomorra in Südpalästina entstanden sein. Sie ist aber nicht gewichtig genug – sie wird auch durch keine weiteren koranischen Aussagen gestützt -, um eine Entstehung des Koran in Palästina zu vermuten. Sicher aber trifft das zu für die Herkunft dieses Textstücks.

Möglicherweise bietet S. 2,158 noch Hinweise. Rudi Paret übersetzt:

„A?-?af? und al-Marwa gehören zu den Kultsymbolen Gottes. Wenn einer die (…) Wallfahrt zum Haus (…) oder die Besuchsfahrt (…) vollzieht, ist es für ihn keine Sünde.“

Hier könnten (die Stadt) Marw/Merw und mit a?-?af? (syrisch „Fels“) Jerusalem gemeint sein. Statt „Kultsymbolen“ ist eher die syrische Bedeu­tung „Pilgerstätten“ zutreffend, wohin sich die im Folgenden genannten Pilgerfahrten richten könnten. Denkbar wäre also ­ – so Christoph Luxen­berg und Volker Popp -, dass sich der Koran auf Marw/Merw (im Osten Persiens, heute Südturkmenistan) und Jerusalem bezieht. Diese wären dann frühe Kultzentren der koranischen Bewegung gewesen. Ansonsten finden sich geographische Hinweise lediglich noch in den Straflegenden[7], die aber wohl als mehr oder weniger festes Corpus in den Koran eingefügt wurden und für die Verortung des Koran nicht in Frage kommen.

Auch indirekte geographische Hinweise (Gärten, Früchte, ebenso die Schweine, die es in Mekka kaum gegeben haben kann[8] ­- was soll dann die koranische Polemik?) können nur schwer mit der Arabischen Halbinsel verbunden werden.

Der Koran bleibt zwar eine wichtige Quelle für unsere Fragen, aber er gibt nichts her, was die überlieferten Anfangsgeschichten erhärten könnte. Diese stützen sich vielmehr auf muslimische Schriften des 9. und 10. Jahrhunderts (3. und 4. Jahrhundert H.), vor allem – neben den legenda­rischen Sammlungen der Sunna – die vier ebenso legendarischen sogn. Biographien Mohammeds:

1.      Die S?ra („Biographie“ Mohammeds) von Ibn-Hiš?m (gest. 833),

vorgeblich die überarbeitete Version einer S?ra von Ibn-Is??q (gest. 768),

2.      das Kit?b al-ma??z? (Geschichte der Kriegszüge) von al-W?qid? (gest. 822),

3.      die ?abaq?t („Klassen“ oder „Generationen“) von Ibn-Sa?d (gest. 845),

4.      das Ta’r?? („Annalen“) von a??abar? (gest. 922).

Diese „Biographien“ sind allerdings sehr spät abgefasst (und ihre hand­schriftliche Überlieferung ist meist noch Jahrhunderte jünger); dies gilt auch für die behauptete S?ra des Ibn-Is??q, die keinesfalls vor dem ersten Drittel des 9. Jahrhunderts geschrieben worden sein kann. Diese Schriften entstan­den alle zu einer Zeit, als Mohammed die Identifikationsfigur mächtiger Rei­che war,  und sind zudem von sehr eigenartiger literarischer Form, so dass sie über bis zu zweihundert Jahre zurückliegende Ereignisse keine Aus­kunft geben können, es sei denn, sie würden durch zusätzliche zeitge-nössische Quellen gestützt. Dies ist nicht der Fall. Ebenso wenig sind die Biographien und Lebensdaten der jeweils überlieferten Autoren historisch nachweisbar.

So steht man als Historiker vor dem Phänomen „Früher Islam“ wie das Kind im „Märchen“ des Dänen Hans Christian Andersen von des Kaisers neuen Kleidern[9]: alle behaupten, es gebe Quellen, sogar reichhaltige, aber es gibt keine.

Die Erkenntnis, dass die Quellen, auf denen die Darstellungen der Anfänge des Islam aufbauen, nicht tragfähig sind, hat nichts – so lautet ein gängiger Vorwurf – mit „Revisionismus“ zu tun. Es handelt sich vielmehr um eine in den historischen Wissenschaften selbstverständliche Heran­gehens­weise an behauptete oder reale Fakten, Motivationen, Zusammen­hänge und Verläufe. Fragen wir also ganz „naiv“ – wie das Kind im Märchen -, was sich anhand der Quellenlage über die Entstehung des Islam festmachen lässt. Vielleicht ist es sinnvoll, eine solche Fragestellung „von hinten“, von der späteren Zeit her zu beginnen und dann in der Zeitleiste zurück zu schreiten bis zu den möglichen Ursprüngen.

2. Ab wann gibt es die neue Religion Islam?

2.1 Zur Begrifflichkeit

Die Frage nach dem Islam als einer neuen „Religion“ ist eine moderne religionswissenschaftliche Fragestellung, weil es im lateinischen Altertum und im europäischen Mittelalter diesen Begriff „Religion“ zwar gab, aber er hatte einen anderen Sinn. Der Einfachheit halber zitiere ich einen früheren Versuch der Begriffserklärung:

„Der lateinische Begriff religio bezeichnete ursprünglich die Summe der Tabuverpflich­tun­gen des römi­schen Kultes; der Plural religiones umschloss alle rituellen Vorschriften. Allein diese Herkunft des Begriffs zeigt, dass es den Römern vor allem darum ging, die juridisch-rituellen Pflichten ge­gen­über dem Numinosen, dem ‚Willen der Götter‘, zu er­füllen, um Schaden von sich abzuhalten. Etymologisch ist die Herleitung des Begriffs un­sicher, Cicero (De natura deorum 2, 72) führte ihn auf religere (= berück­sichtigen) zu­rück, Laktanz (div. inst. 7, 28) auf religare (= binden). Auch das Chris­tentum, so z.B. Augustinus, ge­brauchte Religion – so blieb es bis in die frühere Neuzeit (im kirchlichen Gesetzbuch Codex Juris Canonici bis heute) – zur Bezeich­nung besonderer Pflichterfüllung oder von Klo­ster- und Ordensgemein­schaften (religiosi und religiosae = Mönche und Nonnen).

Nach einigen ersten Ansätzen durch den Humanismus führten erst seit dem 18. Jahrhun­dert die Kritik der Aufklärung am Christentum und die wachsen­den Informationen über außer­europäische Kulte und Mythologien endgültig zu einer Ausweitung des Reli­gions­begriffs im Sinne einer Gesamt­bezeichnung zunächst für das Christentum und bald jeder in der Ge­schichte entstandenen Glaubens- und Kult­gemeinschaft; gelegentlich wird auch die religiöse Ver­fasstheit des Menschen Religion, im Sinne von Religiosität, genannt.“[10]

Von der Begriffsgeschichte her ist also falsch, einen Sprachgebrauch, der sich seit dem 18./19. Jahrhundert in Europa – mittlerweile weltweit als religionswissenschaftlicher terminus technicus – eingebürgert hat, in orientalische Literatur des 7. und 8. Jahrhunderts einzutragen. Deshalb sind alle Übersetzungen des Koran und auch anderer zeitgenössischer Texte von vornherein falsch, in denen der Begriff „Religion“ verwendet wird. In der Regel wird der koranische Begriff d?n mit Religion übertragen, der aus dem Persischen stammt[11] und über das Syrische in die arabische Sprache gekommen ist. D?n aber heißt damals soviel wie das Rechte/Wahre[12] (rechtes Verhalten, richtiger Weg, rechte Gesinnung, richtige Lebenspraxis, richtige Glaubensauffassung bis hin zu so etwas wie richtige Kirchenordnung).

Auch der Begriff Islam, heute die Bezeichnung für eine Weltreligion, wird weder im Koran noch in anderen damaligen Texten, z.B. wiederum in der Inschrift im Felsendom, in diesem Sinn benutzt. Ursprünglich ist wohl mit Islam so etwas wie die „Ubereinstimmung (mit der Schrift, also mit der Thora und dem Evangelium)“ gemeint, so z.B. in der genannten Inschrift im Felsendom.[13] In diesem Sinn wurde er auch schon in syrisch-christlichen Theologenschulen zur Bezeichnung (der Aufgabe) von Schriftauslegern (Exegeten) verwendet.[14]

Unsere Frage nach dem Islam als einer neuen Religion ist also als eine Frage im heutigen religionswissenschaftlichen Sinn zu verstehen: Wann trennte sich die spezifische koranische Glaubensrichtung formell von ihrer(n) Vorgängerreligion(en) und verstand sich als eine neue, eigen­ständige Religion? Die Antwort darauf kann nicht in den damaligen Texten, in denen von d?n oder isl?m die Rede ist, gefunden werden, sondern nur in Beobachtungen gemäß heutigen religionswissenschaftlichen Kriterien.

2.2 Arabisches Christentum im 7. und 8. Jahrhundert

„Araber“ haben in Westsyrien ab 622, mit Beginn der Siege des griechischen Kaisers Heraklius über die Sassaniden, zunehmend die Herrschaft übernommen, zunächst wohl noch als Bundesgenossen (foederati, Quraisch) des Kaisers. Mit dem Sturz der Sassanidendynastie im Osten um die Mitte des 7. Jahrhunderts begann auch dort die Selbstherrschaft der Araber, bezeugt durch den Beginn der Münzprägung arabischer Herrscher.[15] Erster historisch greifbarer Herrscher des entstehenden Großreichs war der Syrer Maavia[16], später arabisiert zu Mu??wiya (661-680), der von Damaskus aus regierte; die für die Zeit von 632-661 in der Tradition genannten vier „rechtgeleiteten Kalifen“ sind als theologisch-literarische Fiktionen anzusehen.[17]

Nach überlieferter Meinung vertrat die neue arabische Herrschaft auch eine neue Religion, den Islam. Allerdings gibt es hierfür wie auch für viele der geschilderten geschichtlichen Abläufe keine zeitgenössischen Quellen. Es ist schon seltsam, dass sich eine solche glanzvolle Geschichte nicht in literarischen Quellen dokumentiert hat. In den ersten beiden Jahrhunderten „nach Mohammed“ gibt es keine islamische Literatur – außer dem Koran (wenn man ihn einmal so einordnen will).

Zwar werden immer wieder in islamwissenschaftlicher Literatur Schriften genannt und auch herangezogen, die angeblich aus frühen Zeiten stammen, so gerade neuerdings z.B. ein Buch des ?Urwa Ibn az-Zubair (635-713),[18] vorgeblich ein Neffe der (fiktiven) ???iša, der auf Grund seiner Verwandtschaft sogar „Zugang zu Personen aus dem engsten Umfeld des Propheten“ hatte.[19] Doch stammen diese Produkte, für deren behauptetes Alter kein einziger Beleg existiert,  offensichtlich aus späterer Zeit, und die Bio­graphie des Autors ist, wie bei allen für diese Zeit angenommenen Schreibern, fiktiv und aus nachvollziehbaren Gründen in die frühe Zeit verlegt. Es mag an dieser Stelle genügen, noch einmal auf die Feststellung von Josef van Ess zu verweisen, dass es außer einigen Inschriften in den ersten beiden Jahrhunderten H. keine islamischen literarischen Zeugnisse gibt.[20]

Stattdessen gibt es aber eine Fülle von Schriften, die Christen unter arabischer Herrschaft abgefasst haben.[21] Diese berichten nicht von islamischen Invasionen von der Arabischen Halbinsel aus; die Araber sind einfach da und haben die Herrschaft (zu deren Durchsetzung und Bewahrung natürlich auch gelegentlich oder häufiger Kämpfe gehörten).

Die Araber werden meist mit dem aus der Antike stammenden Begriff Sarazenen benannt, häufiger noch mit den seit dem Ende des 4. Jahrhunderts verbreiteten bibeltheologischen und -genealogischen Bezeich­nungen (nach  Gen 16) „Söhne Hagars“ (Hagerener) oder „Söhne Ismaels“ (Ismaeliten). Sie wurden z.Zt. Mu??wiyas positiv beurteilt; es herrscht Friede und das Christentum wird gefördert, wie der ostsyrische Patriarch Išo?yahb III. schreibt.[22] Seit dem Amtsantritt ?Abd al-Maliks (685-705) aber wird zunehmend harte Kritik geübt; in den syrischen Apokalypsen werden die Ismaeliten im Anschluss an das Buch Daniel als das vierte – böse – Reich geschildert, das vor dem Kommen des Antichrist und damit dem Ende, dem Sieg des wiederkehrenden Christus, angesiedelt wird.

Die Christen – Syrer, Griechen, Kopten – unter arabischer Herrschaft beschäftigten sich weiterhin mit ihren eigenen kirchlichen und theo­logischen Streitthemen. Nichts lässt ahnen, dass es da eine andere Religion gebe. Dies ist deswegen erstaunlich, weil sie sich vor allem mit dieser hätten auseinander setzen müssen, falls es sie gegeben hätte.

Das ist nicht der Fall. Es gibt nur drei kleinere Texte, die überhaupt auf die religiösen Vorstellungen der Ismaeliten Bezug nehmen. Die Ausfüh­rungen legen nahe, dass diese als eine Form von Christentum wahr­genommen wurden, deren Spezifikum eine Ablehnung einer trinitarischen Gottesauffassung und des Bekenntnisses zu Jesus als „Sohn Gottes“ bzw. einer Inkarnationsvorstellung war.

Dies geht besonders deutlich aus einer Schrift des Johannes von Damaskus (um 650? – nach 749, vor 754) De haeresibus hervor, deren 100. Kapitel, zugleich die 100. der behandelten Häresien, dem Glauben der Ismaeliten gewidmet ist. Diesen hält er für eine häretische Variante des Christentums, wie auch die 99 vorher aufgeführten Richtungen. Zwar gibt es zur Authentizität dieses Textes Fragen, und das Kapitel ist in der heute noch überlieferten Form – die früheste Handschrift stammt aus dem 11. Jahrhundert – sicherlich überarbeitet und erweitert worden. Aber ein Kern von Aussagen könnte auf Johannes zurückgehen, ebenso wie die Einordnung unter die christlichen Häresien. Johannes aber war ein Kenner der arabischen Herrschaft und Umwelt. Wenn das Ganze, was nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, von einem späteren Abschreiber / Redaktor hinzugefügt wurde, bedeutete dies, dass auch später noch diese Glaubensrichtung der Araber als christliche Variante angesehen wurde.

Nun kann man nicht annehmen, dass christliche Theologen – Mönche, Äbte, Priester, Bischöfe, Patriarchen -, manche von ihnen weit gereist und mit theologisch beeindruckend differenzierten Werken, nicht imstande waren, eine neue Religion als solche zu erkennen, wenn es sie denn gegeben hätte. Und einen Grund, so etwas zu verschweigen, gibt es nicht. Der erste Theologe, der den Glauben der Araber, den Islam, eindeutig als neue Religion wahrgenommen hat, war nach Sebastian Brock der 845 gestorbene Syrer Dionysios von Tellmahre.[23]

Von hierher – und leider gibt es keine arabischen oder sonstigen christlichen Quellen, die anderes nahe legen könnten – muss wohl fest­gestellt werden, dass die religiöse Bewegung der Araber in den ersten beiden Jahrhunderten „nach Mohammed“ eine Sonderform des Christentums war. Dies wird durch die Theologie des Koran, aber auch durch die Ikonographie der Münzprägungen sowie die Inschriften arabischer Herrscher bestätigt. Erst seit dem späten 8. oder frühen 9. Jahrhundert erfolgte der Bruch mit dem Christentum und die Selbstwahrnehmung als eine eigenständige Religion.

Die islamische Traditionsliteratur, als früheste und wichtigste Schrift wohl die S?ra, dokumentiert diese neue Entwicklung. In eins damit projizierte sie aber, wie es in Religionen durchaus üblich war, den Beginn dieser Religion zurück in eine mythische Anfangszeit um den Propheten Mohammed auf der Arabischen Halbinsel.

2.3  Exkurs: Die Entstehung von Weltreligionen[24]

2.3.1 Grundsätzliche Beobachtungen

Welt- oder besser universale Religionen unterscheiden sich von den Hoch­religionen[25], die überall seit etwa 3.000 v.Chr. entstanden sind, dadurch, dass sie zur Sinndeutung und -hoffnung für menschliches Leben universale Konzepte anbieten, die wenigstens prinzipiell von jedem Menschen in der Welt angenommen werden könnten. Dies ist möglich, weil in ihnen der einzelne Mensch mehr im Mittelpunkt des religiösen Fragens steht als die Sippe, der Stamm oder ein Volk. Weil deswegen auch die religiösen „Ant­worten“ stärker auf den Einzelnen bezogen sind, könnten sie grund­sätzlich „von allen“ Einzelnen gelebt werden und sind deswegen „universal“. Fak­tisch spielen natürlich die kulturellen Kontexte der Einzelnen eine weiter­hin starke Rolle, so dass viele universale Religionen in ihren heimatlichen Kontexten, in ihrem Kulturraum oder in ihren ethnischen Grenzen verblieben.

Alle diese Religionen aber sind aus ihren jeweiligen Vorgänger­religio­nen, also kulturspezifisch geprägten Hochreligionen hervorgegangen. Keine von ihnen ist „vom Himmel gefallen“, jede von ihnen ist als – gelegentlich „revolutionäre“ – Weiterentwicklung ihrer Vorgänger­religionen erklärbar: Der „universal-religiöse“ Upani??den-Hinduismus basiert auf der vorheri­gen vedischen Entwicklung. Die entsprechenden universalen Konzepte des Daoismus/Taoismus sowie des Konfuzianismus setzen die ältere (und weiterlaufende) chinesische Reichsreligion voraus, der Zoroastrismus die iranisch-religiösen Traditionen, das monotheistische Juden­tum seit dem Exil (6. Jahrhundert v.Chr.) die vorherige Jahwereligion, hellenistische-universale Konzepte die griechische (und orientalische) Überlieferung, das Christentum die jüdische Religion, der Islam (Judentum und) Christentum.

Alles, was in diesen „neuen“ Weltreligionen vertreten wird, fußt auf dem „Material“, den Vorstellungen, Hoffnungen, Ängsten, Motiven und Denk­rastern ihrer Vorgängerreligionen. Diese aber werden in den neuen Entwicklungsstufen meist, im Gefolge kulturgeschichtlicher Umbrüche, selektiv gebraucht; einige Motive werden herausgegriffen, als zentral betont und bis zu einem Grad vertieft, dass sie über ihre Herkunftstradition hinaus „überall“ zur religiösen Sinndeutung menschlichen Lebens rezipiert werden könnten.

Diese Einbettung in die Herkunftsreligion ist der Grund dafür, dass die „neuen“ Konzepte von vielen ihrer Anhänger oft über längere Zeit nicht als ein Bruch mit der Vergangenheit, sondern als deren vertiefte und refor­mierte Auslegung aufgefasst wurden. Hinzu kommt, dass sich die meisten Weltreligionen auch selbst so verstanden haben und ihre hoch­religiösen Vorgängertraditionen in ihr System integrierten: ein universal-religiöser Hinduismus bezog sich weiterhin auf die Veden, so dass auch noch der heutige Hinduismus ein beinahe unübersehbarer Synkretismus hoch­religiöser (polytheistischer) Traditionen mit einer grundlegenden – aber nur von Eliten praktizierten – universalen Vorstellung und Mentalität ist. Daoismus/Taoismus und Konfuzianismus lehnen reichsreligiöse (und magi­sche) Praktiken nicht ab, das monotheistische Judentum hielt weiter­hin an der hochreligiösen Vergangenheit fest: an der ethnischen Ausrich­tung, am Gesetz bis hin zu den Reinheitsgeboten. So sind die meisten der großen Weltreligionen nicht einfachhin „reine“ Weltreligionen, sondern so etwas wie universal-religiös vertiefte Hochreligionen.

Lediglich Christentum und Buddhismus haben den Schritt in die Welt­religion in deutlicher Weise realisiert. Das Christentum hat die jüdische Religion zur Voraussetzung und gründet auf seiner universal-religiösen Entwicklungsstufe: dem Monotheismus, Schöpfungs- und Erlö­sungs­vor­stellung, Eschatologie, der differenzierten Ethik usf. Es bricht zwar nicht völlig mit dessen Vorgeschichte und hält auch die jüdischen heiligen Schrif­ten als eigene heilige Schrift bei. Weil es diese aber in einer interpretatio christiana liest, konnte es die in ihnen verschrifteten hoch­religiösen Tradi­tionen einer neuen Hermeneutik unterziehen und sich als neue Religion, verheißen schon in der jüdischen Vergangenheit, begreifen und den Schritt in eine faktische Universalisierung gehen, ohne einen völligen Bruch zu vollziehen. Dieses Bewusstsein, eine neue eigenständige Religion zu sein, hat im Christentum schon früh, mit dem Beginn der „Heidenmission“ und der förmlichen Trennung von der Synagoge begonnen, deren Probleme aber noch bis zum Ende der neutestamentlichen Zeit wahrnehmbar sind. Es ist möglich, dass diese dezidierte Trennung im ostsyrischen Christentum eine gewisse Zeit später erfolgte.

Es scheint so, als habe lediglich der Theravada- bzw. Hinayana-Buddhis­mus von Anfang an völlig mit seiner Vorgängerreligion gebrochen, obwohl er deren letzte Entwicklungsstufe, die Upani??den-Theologie, aufgreift und weiterführt. Aber er lehnt die Veden, das Brahmanentum, das Kastenwesen usf. ab. Allerdings bleibt auch hier die historische Frage, ob dieser Bruch auf einen geschichtlichen Verkünder, Buddha, zurückzuführen ist oder sich in den Jahrhunderten bis zur Abfassung des Pali-Kanons im ersten vor­christlichen Jahrhundert entwickelt hat. Vielleicht ist in den geschilderten Umständen auch der Grund dafür zu suchen, dass zunächst nur Buddhis­mus und Christentum eine missionarische Bewegung hervorgebracht haben.

2.3.2 Eine Sonderrolle von Christentum und Islam

Die meisten universal-religösen Konzepte sind im Gefolge von Indi­vi­dua­lisierungsschüben auf Grund politischer, gesellschaftlicher und kultureller Umbrüche um die Mitte des ersten vorchristlichen Jahrtausends entstanden. Christentum und Islam erscheinen religionsgeschichtlich wie „Nachzügler“ dieser Entwicklung.

Sie haben noch eine zweite Gemeinsamkeit: Wegen ihrer späten Ent­stehung basierten sie nicht mehr auf Hochreligionen. Das Christentum „beerbt“ den jüdischen Monotheismus, mit seinen Implikationen, also den weltreligiösen Aspekt dieser Religion, und löst diesen aus seinen ethnischen Rückbindungen (Christwerden ohne Beschneidung und „Gesetz“), der Islam ist aus dem syrisch-persischen Christentum hervorgegangen. Weil in Letzterem Sprache und Mentalität vor allem aramäisch geprägt waren, spielen in ihm das Alte Testament und darüber hinaus jüdische Vor­stellungen eine starke Rolle. Hierbei ist nicht nur die sprachliche Nähe der aramäischen Christen zu den Synagogengemeinden in ihrer Umgebung wichtig gewesen, auch nicht – wie vielfach behauptet – die Einflüsse eines Judenchristentums, dessen reale Existenz z.Zt. der Entstehung des Koran nicht mehr nachweisbar ist. Vielmehr ist das ganze syrische Christentum, vor allem in seinen frühen Formen, stark in der alttestamentlichen Tradition verwurzelt und dem Judenchristentum von der Mentalität her ähnlich. Das Alte Testament wurde schon früh in der syrischen Über­setzung der Peschitta gelesen; ein syrisches Neues Testament ließ noch länger auf sich warten. Es scheint so, dass erst Tatian mit seinem Diatessaron, gegen Ende des 2. Jahrhunderts, Evangelienstoffe in syrischer Sprache zugänglich gemacht hat; das Diatessaron blieb noch lange „das Evangelium“ im syrischen Raum und hat auch im Koran seine Spuren hinterlassen. Diese Eigenart hat folgerichtig auch die koranische Bewegung und den frühen Islam bestimmt.

Nun war das Christentum der damaligen Zeit, also des 6. bis 9. Jahr­hunderts, sehr pluriform. Neben den Hauptlinien der „westlichen“, griechisch denkenden Christentümer, selbst noch einmal unterteilt in Chalkedonier, Neuchalkedonier, Monophysiten, Monenergeten und Mono­theleten, gab es noch weiter westlich das lateinische Christentum und im Osten vor allem das syrische Christentum vom Mittelmeer bis nach Indien und China, auch dieses in wichtige Richtungen unterteilt: Da gab es christliche Gemeinden, die auch in den späteren Zeiten noch an der alten „vornizenischen“ Theologie festhielten, später variiert durch Motive und Raster der persischen religiösen Vorstellungswelt. Wesentlich größer aber war die ostsyrische Kirche unter dem Katholikos; sie hatte zwar die Formeln „westlicher“ Konzilien erst relativ spät auf einer Synode im Jahre 410 in Seleukia-Ktesiphon akzeptiert (Nizäa, später auch das Erste Konzil von Konstantinopel und Chalkedon), interpretierte diese aber im Sinne der antiochenischen Theologie des 4. und 5. Jahrhunderts, die schon damals in der Spannung zwischen syrischem Christentum und dem hellenistischen Christentum des Kaiserreichs stand und so Sprach- und Denkmodelle für die mit ihrer Hellenisierung aufgekommenen Probleme der ostsyrischen Kirche liefern konnte: ihr „Kirchenvater“ wurde vor allem Theodor von Mopsuestia (gest. 428), weswegen sie nach dessen Schüler Nestorius (gest. 451) fälschlich als nestorianische Kirche bezeichnet wurde und wird. Daneben aber gab es zahllose gnostische Sondergruppen; die meisten von ihnen können als christlich bezeichnet werden, weil in ihnen Jesus eine zentrale Funktion zukam.

2.4 Die Verselbständigung der koranischen Bewegung zu einer neuen Religion, zum Islam

2.4.1 Die  Trennung vom Christentum und ihre Merkmale

Zunächst war, wie weiter unten dargelegt wird, die koranische Bewegung eine Sonderform des syrisch-persischen Christentums. Sie verteidigte kämpfe­risch bis sektiererisch die Richtigkeit dieser Sonderheiten, ohne sich aber von den übrigen Christen zu trennen bzw. von Thora und Evangelium zu lösen.

Schon vor der Wende zum 9. Jahrhundert scheint eine Entfremdung und somit Distanz zwischen den religiösen Auffassungen der arabischen Herrscher und den übrigen Christentümern entstanden zu sein. Zeichen ist, wie archäologische Befunde zeigen können, die Beendigung der bis dahin zahlreichen – und wohl von den politischen Herrschern geduldeten oder geförderten ­ – Kirchen- und Klostergründungen im Arabischen Reich. Es scheint jetzt keine Unterstützung oder Duldung einer solchen regen Bau­tätigkeit mehr gegeben zu haben. Da auch solche empirisch nachweisbaren Veränderungen ihre Vorgeschichte haben, könnte eine allmähliche Distan­zierung vom Christentum schon früher, in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts, begonnen haben.

Eine grundlegende Trennung vom Christentum scheint aber erst, sukzessive, gegen Ende des 8. und im 9. Jahrhundert geschehen zu sein. Literarische Zeugnis hierfür sind die S?ra und weitere „Biographien“ sowie auch bald die Sammlungen eines reichhaltigen ?ad??-Materials, in dessen Mittelpunkt die Gestalt Mohammeds steht. Jetzt wird gelegentlich diese Trennung auch zur Sprache gebracht, ganz deutlich gegen Ende des 9. Jahrhunderts in einigen ?ad??en. Zwar behauptet die nach dem Modell des alttestamentlichen Richterbuchs (so Hans Jansen[26]), aber auch iranischer Heldenerzählungen konstruierte S?ra noch nicht unmittelbar, dass Jesus seine Rolle an Mohammed verloren habe. Aber Mohammed ist der neue „Held“ und Mittelpunkt am Anfang einer von der Arabischen Halbinsel ausgehenden religiös-politischen Bewegung, die sich zunehmend als eine eigene „Religion“ (im heutigen religionswissenschaftlichen Sinn) zu verstehen beginnt.

Was die dahinter stehende Bewegung jetzt zu einer eigenen Religion macht, ist religionswissenschaftlich und theologisch die Relativierung des zentralen christlichen Bezugspunktes, Jesu Christi, zu Gunsten Mohammeds wie auch von „Thora und Evangelium“ zu Gunsten der neuen Offenbarungsschrift Koran. Zwar bleibt Jesus eine wichtige Gestalt, aber über ihn hinaus ist jetzt Mohammed der Empfänger und Verkünder der endgültigen göttlichen Offenbarung, die im Koran niedergelegt ist. Wie die zahlreichen biblischen Bezüge und Raster auch in der Sira zeigen, ist die alleinige Geltung des Koran aber noch nicht radikal vollzogen.

Der neue Islam behielt wichtige Überzeugungen des syrisch-persischen Christen­tums bei (die diesem teilweise auch mit der jüdischen Religion gemeinsam waren), wenn auch oft durch Motive aus gnostischen Rich­tungen, apokrypher oder auch generell spätantiker Literatur variiert: vor allem den unitarischen Monotheismus, die „Christologie“, den Schöpfungs­glauben und die Eschatologie.

Aber zwei Spezifika entfielen zunehmend, die das Christentum zum Christentum machen: Zum einen und vor allem die soteriologische Funk­tion Jesu und zum anderen die Verpflichtung auf die kanonische Literatur des Alten und Neuen Testaments.

Im Christentum haben sich im Lauf der Geschichte viele Sonderformen und -gruppen gebildet, die sich oft heftig gegenseitig bekämpften und den je anderen ihre christliche Legitimität absprachen. Aber solange in einer Richtung – mehr oder weniger ausdrücklich – Jesus im Mittelpunkt der religiösen Orientierung steht, handelt es sich religionstypologisch um Chris­tentum, wenn auch gelegentlich in seltsamen Ausprägungen. Umge­kehrt kann nicht mehr von Christentum die Rede sein, wenn diese zentrale Funktion Jesu fehlt bzw. relativiert ist. So mag es z.B. zwar durchaus in mancher Hinsicht für ein Verständnis des Manichäismus erhellend sein, in ihm eine persische Form des Christentums zu sehen.[27] Weil aber die Rolle Jesu im Manichäismus zwar wichtig ist, er aber durch die neue Offen­barerfigur Mani überboten wird, ist hier ein Bruch mit dem Christentum gegeben.

Dies gilt ebenso für die koranische Bewegung seit dem 9. Jahrhundert. Jesus hat, trotz aller bleibenden Wertschätzung, seine konstitutive und escha­to­logische Geltung zu Gunsten einer neuen und endgültigen Offen­barung seitens Gottes durch die Vermittlung des arabischen Propheten Mohammed verloren  – eine neue Religion ist entstanden. Nicht mehr Jesus ist „das Wort“ Gottes in die Welt, sondern die Verkündigung Mohammeds. Damit verliert auch die – formal beibehaltene – „Bewährungsethik“[28] des syrischen Christentums ihren christologischen Bezug, was den Verlust ihrer humanen Tiefendimension (z.B. Bergpredigt, Liebesgebot, Pflicht zu immer neuem Verzeihen) und ihrer „Aufhebung“ (im doppelten Wortsinn) durch die sünderliebende Zuwendung Gottes bzw. durch Erlösung oder Gnade mit sich brachte.

Ein zweites Spezifikum des Christentums ist die Selbstverpflichtung auf das Alte und Neue Testament, dem gegenüber spätere Schriften nur „Aus­legung“ sind, so dass sie sich ihrerseits am Maßstab der hl. Schrift messen lassen müssen. Durch die Überordnung des Koran – obwohl dieser selbst von sich anderes aussagt – wird letzterer zur entscheidenden kano­nischen Größe. Dies führte, wenn auch noch nicht sofort, wie das Schrift­tum seit dem 9. Jahrhundert zeigt, zum hermeneutischen Prinzip der Selbst­ausle­gung und Unvergleichlichkeit des Koran; für Muslime wurde trotz reich­haltiger wörtlicher, inhaltlicher oder motivgeschichtlicher Übernah­men des Koran aus der biblischen Tradition der Blick auf das Alte und Neue Testament überflüssig. Im Widerspruch zu seiner faktischen und histo­rischen Eigenart wurde der Koran nur noch im Sinn der bald ent­stehenden Sunna ausgelegt, zeitlich gewissermaßen von hinten her.

Zwar hat damit der Islam noch nicht seine uns heute bekannten Formen erreicht. Dies scheint erst in der Folgezeit, seit dem späteren 9. Jahrhundert geschehen zu sein:

„Eher pragmatisch und allmählich setzte sich der Glaube an die Bedeutung des Korans und das Handeln (sunna) des Propheten als Grundlage eines einheitlichen Glaubens durch und verfestigte sich nach und nach zu einer Richtung, die sich vom Schiismus unterschied und als Sunnismus bekannt wurde.“[29]

Nach den turbulenten Erschütterungen der folgenden Jahrhunderte brachte wohl erst die spätere Aiyubiden- und dann die frühe Mamlukenherrschaft im 13. Jahrhundert eine Art von islamischer Sammlung, in der sich die „heutigen“ Formen des Islam deutlicher konturierten; so scheint auch das Werk a?-?abar?s in der heute vorliegenden Gestalt erst jetzt neu bearbeitet und geschrieben worden zu sein – seine Sprache hat eine große Nähe zum damals in Ägypten gesprochenen „moderneren“ Arabisch (so Chr. Luxenberg und V. Popp).

2.4.2 Exkurs: Zur Islamisierung Spaniens

Diese zeitliche Platzierung der Bildung der neuen Religion Islam wird auch – unabhängig von den bisherigen Überlegungen – von der Entwicklung in Spanien bestätigt. Natürlich sieht es anders aus, wenn die traditionelle Darstellung zu Grunde gelegt wird: Dieser zufolge begann im Jahre 711 eine islamische Invasion über das Meer nach Spanien, die bald weit nach Norden vorstoßen konnte und das Reich der Westgoten mit Toledo als Hauptstadt vernichtete. Von 716 an sei Cordoba Sitz eines Emirs gewesen, später eines Kalifen.

Die Quellen für diese Darstellung sind in ihrer historischen Zuver­lässigkeit äußerst fragwürdig.[30] Es scheint vielmehr so zu sein, dass die Wurzeln dieser Entwicklung ganz andere waren: die spanischen Westgoten waren arianische Christen, während ihr Königshaus unter dem Druck der Byzantiner „katholisch“ geworden war und vom Ende des 6. bis zum Ende des 7. Jahrhunderts mittels einer Reihe von Synoden die byzantinische Theologie durchzusetzen versuchte; noch Karl der Große bekämpfte einen Adoptianismus in Nordspanien.[31]

Unter den Bischöfen und im westgotischen Adel gab es Gegner der Könige. Im 8. Jahrhundert kam es zu einer Art Verschwörung des – vor allem südspanischen – Adels und einiger Bischöfe gegen das katholische Königshaus. Der Adel hat aus seinen Besitzungen in Nordafrika Berber, die ebenfalls Christen mit einer von hirensischen Christen bzw. Ibaditen geprägten Christologie waren, und auch Araber als Hilfstruppen[32] einge­setzt. Nach dem Sieg über das Königshaus zogen immer mehr Araber nach Spanien, und ihr Einfluss, vor allem als militärische Führer, wurde mit der Zeit bestimmender.

Im Jahre 839 berief der „Omaiyadenkalif“ ?Abd ar-Ra?m?n II. in Cordoba eine Bischofssynode für ganz Spanien ein. Fragen der Christologie wurden nicht diskutiert – anscheinend war man sich einig. Aber es wird eine neue Gefahr für das Christentum beschworen, die von der Sekte der Casianer ausgehe. Die neue Gefahr für die Bischöfe ist also nicht der Islam, wie man auf Grund der traditionellen Berichte hätte erwarten müssen. Wer und was die Casianer waren, ist nicht genau zu bestimmen. Wahrscheinlich sind sie benannt nach einem Johannes Cassianus, der als Zeitgenosse des Augustinus zunächst als Mönch und Priester lange Jahre in Ägypten verbracht hatte und schließlich in Marseille zwei Klöster gründete. Er hat gegen die Gnadenlehre des Augustinus Stellung genommen, woraufhin es in Südgallien zu Unruhen kann. Wahrscheinlich ist „Casianer“ damals ein Sammelbegriff für eine mönchische Bewegung in Spanien mit radikalen asketischen Lebensformen und vielleicht unorthodoxen Lehren.

Hätte es im Jahr 839 den Islam gegeben, hätte sich die Bischofskonferenz vor allem mit ihm auseinandersetzen müssen. So war auch die damals errichtete Mezquita in Cordoba, die nicht nach Mekka ausgerichtet war, ursprünglich eine christliche Kathedrale.

Diese damaligen religiösen Verhältnisse werden bestätigt durch einen Brief, den der Bischof Albar von Cordoba um 840 an einen Abt geschrieben hat. Darin beklagt er, dass die Menschen in Cordoba glaubten, Jesus Christus sei nur Mensch gewesen, also nicht Gottessohn. Diese Leute beriefen sich, schreibt er, auf das Matthäusevangelium; es handelt sich also um Christen, nicht um Muslime, die sich hierfür auf den Koran gestützt hätten. Außer­dem beklagt er sich über die Faszination der arabischen Sprache und Literatur auf die Jugend, die schon kaum noch Latein verstehe.

Noch zu Lebzeiten dieses Bischofs Albar aber kam es zu  einer Wende. Ein Bischof Eulogius hatte von einer Reise in den Orient eine christliche polemische Schrift gegen Mohammed mitgebracht. Gleichzeitig scheint sich der Islam in Spanien verbreitet zu haben – das adoptianische und ibaditische Christentum „mutierte“ zum Islam und wurde von dem Kalifen ?Abd ar-Ra?m?n II. und seinen Nachfolgern propagiert.

Jetzt, um 850, nehmen Albar und auch Eulogius Stellung gegen den Islam – die ältesten Zeugnisse für den Islam in Spanien -, was zehn Jahre vorher anscheinend noch nicht erforderlich war. Nun kam es zu einer zunehmenden Islamisierung der Gebiete, die unter arabischer Herrschaft standen. Aber es gab noch bis ins 10. Jahrhundert hinein eine Reihe von Gegenbewegungen und auch halbselbständige Gebiete unter westgotischen Fürsten, die noch eine Zeit lang christlich blieben. Erst unter den Almora­viden im 12. Jahrhundert wurde das strenge islamische Richtersystem einge­führt, und damit setzte sich ein rigider sunnitischer Islam durch.

Der Wandel eines adoptianischen bzw. hirensisch/ibaditischen Chris­ten­tums in den Islam nach 840 ist die Konsequenz der wenige Jahrzehnte zuvor im Osten erfolgten Umwandlung der koranischen Konzeption zu der neuen Religion Islam. Diese Abfolge bestätigt, gewissermaßen „von außen“, die hier vorgeschlagenen Datierungen.

2.4.3 Fließende Übergänge

Die These von der Entstehung einer neuen Religion Islam gegen Ende des 8. und des frühen 9. Jahrhunderts bezieht sich auf Hinweise, die eine spätere Zäsur ausschließen, wenn es auch später noch eine manchmal erstaunliche Nähe von Christentum und Islam gegeben hat.

Mehr Unsicherheit gibt es bezüglich der Deutung einiger früherer Zeugnisse, die einen Bruch mit dem Christentum anzeigen könnten, deren Kargheit eine genauere Bestimmung aber schwierig macht. Voraussetzung für die Ausbildung einer eigenen Religion war ganz gewiss die Histori­sierung des ursprünglich christologischen Prädikats mu?ammad.[33] Erst wenn dieses Epitheton als Name eines Propheten aufgefasst wurde, der im Kontext der Geltung des „arabischen“ Koran als arabischer Prophet gedacht wurde, konnte diese Gestalt in den Vordergrund rücken.

Laut Inschrift im Felsendom hat ?Abd al-Malik mu?ammad noch als christologisches Prädikat verstanden.[34] Dies dokumentieren auch die Münz­prägungen, die er während seines Zugs von Ost nach West prägen ließ: Sie zeigen auf einer Seite ein MHMT, im Westen angekommen mit der arabischen Erläuterung mu?ammad, und auf der anderen Seite eine chris­tliche ikonographische Gestaltung.[35] Vor 750 n.Chr. aber sieht Johannes von Damaskus in seinem Liber de haeresibus, falls diese Passage authentisch ist, Mamed (Machmed) als Eigenname des Verkünders einer graphé (Schrift).[36] So muss also der Übergang zur Auffassung von Mohammed als einer geschichtlichen Gestalt in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts erfolgt sein.

Noch früher aber, um das Jahr 77 H. (um 701 n. Chr.) finden sich weit im Osten, in Merw/Marw, Münzen mit der Aufprägung machmatan. Liest man dieses Wort als persische Vokabel, dann bedeutet die angehängte Silbe ?n soviel wie „Leute von …“, der ganze Begriff heißt dann „Leute (oder Anhänger) Mohammeds“. Möglich wäre auch eine syrische Lesung, bei der ?n eine adjektivische Bedeutung hat, also „zu Mohammed gehörig“ – in beiden Versionen folglich die gleiche Aussage. Wenn man aber auch machmat nur übersetzt („der Gelobte“ oder „der zu Lobende“), dann würde es sich um Leute handeln, die zu dem zu Lobenden (Jesus) gehören. Letztere Möglichkeit erscheint aber allenfalls grammatisch möglich, aber für den gemeinten Sachverhalt allzu kompliziert (es sei denn, man zieht eine Parallele zu der griechischen Bezeichnung christianoi [Christen], was ja wörtlich auch soviel bedeutet wie „Leute [oder Anhänger] des Messias“ [Jesus]). Nehmen wir einmal an – es ist die einfachste Lösung -, dass auf den Münzen von „Leuten Mohammeds“ die Rede ist.

Hatte sich also, nach dem Wegzug ?Abd al-Maliks, wiederum in Merw, schon recht früh die Vorstellung von dem Propheten Mohammed ent­wickelt? Es könnte so gewesen sein, und diese Vorstellung könnte sich dann auch im Westen verbreitet haben. Jedenfalls findet sich eine vergleichbare Formulierung („Araber Mohammeds“) auch in einer Thomas dem Presbyter (erste Hälfte 7. Jahrhundert) zugeschriebenen Chronik. Allerdings handelt es sich bei der entsprechenden Passage wohl um eine spätere – nicht datierbare (nur noch: vor Ende des 8. Jahrhunderts) Interpolation.[37]

Was bedeutet es nun, wenn sich eine – offensichtlich herrschende, weil zum Prägen von Münzen berechtigte – Gruppe nach Machmet benennt? Ganz sicher hat diese Gemeinschaft eine Identität entwickelt, die vor allem von (dem vermeintlichen) Machmet geprägt ist. Ist damit schon eine neue religiöse Ausrichtung oder sogar Religion angezeigt, oder handelt es sich „nur“ um eine Bezeichnung von Merkmalen, die sie von anderen christ­lichen Gruppen unterscheidet, so wie man von Lutheranern oder Calvinis­ten spricht? Dies scheint gegenwärtig noch nicht beantwortet werden zu können. Vieles spricht aber dafür, dass hier zumindest die Grundlagen für eine spätere Trennung vom Christentum gelegt sind: je prononcierter ein Sondermerkmal herausgestellt wird, umso leichter kann es sich zur zentralen Aussage verdichten.

Ein weiterer Schritt wird anscheinend in Münzprägungen um das Jahr 150 H. (772 n.Chr.) dokumentiert. Aber auch deren Deutung ist nicht sicher, weil die wenigen Begriffe auf einer Münze keinen Kontext haben, von dem her sie genauer bestimmt werden könnten. Diese Münzen tragen nach gängiger Meinung an erster Stelle den Namen eines Kalifen. Diese „Namen“ aber sind, laut Volker Popp, keine Eigennamen, sondern be­nennen apokalyptische Topoi, die von den hinter ihnen sich verbergen­den un­genannten Herrschern  vertreten wurden.[38] An zweiter Stelle gibt es die Aufprägung wal? ?ahd, gängigerweise mit „Kronprinz“ übertragen. Der Begriff wal? kann aber arabisch auch „Erbe“ bedeuten oder syrisch „Helfer“, „Unterstützer“, „Beauftragter“, mit dem Zusatz „Bund“ also: Erbe, Beauf­tragter o.ä. des Bundes.

Nun könnte es sein, dass der hier gemeinte Bund der im Koran genannte Bund Gottes mit Abraham ist, in den man sich besonders hineinstellen will, auch könnte, wahrscheinlicher, ?ahd eine Bezeichnung für die hl. Schrift sein; dann handelte es sich, wie im Koran, um ein entschiedenes Bekenntnis der Münzprägenden zur hl. Schrift. Unwahrscheinlicher aber ist, dass an eine Art von neuem Bund gedacht ist. Sicherheit gibt es hier nicht. Aber auch mit Rückbezug auf Abraham oder die Bibel wäre ein eigener Beauf­tragter für diese Gemeinschaft, also ein spezifischer Funktionsträger, schon eine Art Abgrenzung von den übrigen Christentümern; dann wäre hier ein Zeugnis für eine – wenigstens beginnende – Verselbständigung der korani­schen Bewegung zu einer eigenen Religion in der Zeit von den 70er Jahren des 8. Jahrhunderts n.Chr. (ab 150 H.) gegeben. Dies könnte dann auch plausibel machen, dass in der Folge immer mehr Erzählungen von Mohammed entstehen konnten, die dann im Verlauf des 9. Jahrhunderts niedergeschrieben wurden; denn auch die vielen Geschichten der Tradi­tions­literatur brauchen zu ihrer Entstehung eine gewisse Vorlaufzeit.

2.4.4 Der Wechsel vom Christentum zum Islam

Die Religionsgeschichte zeigt, dass neue universale Religionen, wie schon ausgeführt, auf ihren Vorgängerreligionen basieren. Religionssystematisch unterscheiden sie sich von ihnen dadurch, dass sie aus deren Traditionen eine Auswahl treffen und die gewählten Schwerpunkte vertiefen, bis zu einem Punkt, der weiterführend zu einem (nicht gänzlich) neuen Konzept führt. Nicht gänzlich, weil sowohl Selektion wie auch Vertiefung in der Linie der Strukturen und Vorgaben der Vorgängerreligionen liegen. So greift z.B. der Upani??den-Monismus die schon in der vedischen Religion angelegten monistischen Tendenzen auf und macht sie zur zentralen Aus­sage; ebenso verhält es sich bei den chinesischen universal-religiösen Konzepten: die latent monistischen Denkweisen der chinesischen Reichs­religion greift der Daoismus auf und macht sie zur alleinigen Idee, die starken gesellschaftlich-ethischen Traditionen der Reichsreligion gipfeln im Konfuzianismus auf; der Monokult der älteren Jahwereligion wird in der Exilszeit zu einem auch theoretischen Monotheismus weitergedacht, die ethischen Impulse zu einer differenzierten humanen Ethik.

Diese Beobachtung lässt sich bei allen universalen Religionen machen, nicht aber – so sieht es aus – für den Islam. Ein das syrische vornizenische Christentum überbietendes und vertiefendes Konzept oder eine neue Idee ist für den Religionswissenschaftler nicht zu erkennen. Dies gilt auch für den streng unitarischen Monotheismus, der zum Erbe des Islam zu rechnen ist. Es scheint so, als sei der Islam deswegen eine neue Religion, weil er für die eigene Bewegung – entgegen seiner tatsächlichen Geschichte – einen neuen Anfangsmythos geschaffen hat, der ihn unabhängig vom Christen­tum begründet. Alles Übrige wird im Grunde beibehalten.

Allerdings führt diese neue Begründung durchaus zu Veränderungen, die sich aus der bloßen Existenz der neuen Religion ergeben: So wird z.B. die koranische Christologie beibehalten und durch die These vom Offen­barungscharakter des Koran fest etabliert. Weil aber Jesus Christus nicht mehr die entscheidende Heilsrolle zukommt, sondern der Offenbarung Gottes durch Mohammed, werden die christologischen Aussagen des Koran (Jesus, Sohn der Maria, ist Messias, Gesandter, Knecht Gottes, der Gepriesene usf.) zwar weiter überliefert, haben aber nicht mehr die Funktion eines Christusbekenntnisses. Sie verlieren, trotz verbaler Identität, ihren bisherigen christologischen Charakter. Anders gesagt: Christlich-theologisch betrachtet kann (und muss) man zwar von einer Christologie des Koran sprechen, nicht aber – trotz verbal gleich bleibender Aussagen – von einer Christologie des Islam.

Wahrscheinlich sind dieses Fehlen einer erkennbaren neuen, vertiefen­den Idee sowie das Beibehalten der tradierten Aussagen der Grund dafür, dass der Islam lange Zeit keine Mission betrieb und in vielen christlichen Regionen der Wechsel zum Islam keine eigentliche „Konversion“ erforder­lich machte. Das Christentum konnte in diesen Fällen beinahe unmerklich zum Islam „kippen“. Vieles, was über Gott und Jesus Christus gedacht wurde, war ja gegeben, zunächst in der koranischen Bewegung, dann auch im Islam. Erst allmählich merkte man, dass man einer neuen Religion zuge­hörte. Dies kann auch erklären, warum in Teilen des ostsyrischen Christen­tums, aber auch im adoptianischen oder ibaditischen westgotischen Spanien der Wechsel zum Islam so unproblematisch vor sich ging – und man gelegentlich noch längere Jahrhunderte nicht so recht unterscheiden kann, ob hier (noch) Christentum oder (schon) Islam vorliegt.

Zwar wurde in Teilen der ostsyrischen („nestorianischen“) Kirche dezi­dier­ter die seit 410 übernommende Bini- und Trinitätslehre sowie die Gottes­sohnschaft Jesu internalisiert. Vielleicht gilt dies weniger für die einfachen Christen auf dem flachen Land, die mühelos zum Islam wechselten (wenn das denn als formeller Wechsel wahrgenommen wurde), aber es ist anzunehmen, dass dort, wo auch täglich die syrische Liturgie gefeiert und die mit ihr verbundenen Lehren in die Frömmigkeit eingegangen waren, eine größere Widerständigkeit bestand. Die ostsyri­schen Kirchen unterschiedlicher Art gingen nicht gleich unter, machten aber einen Schrumpfungsprozess durch. Die noch bis in die jüngste Zeit existierenden Gemeinden und ihr Klerus werden aber in den letzten Jahren mehr oder weniger ins Exil gezwungen und leben, bis auf kleine Gruppen, in der Westlichen Gesellschaft fort.

Dieses „Kippen“ zum Islam gilt aber nicht für die Regionen, in denen ein griechisches oder hellenistisches, später auch ein lateinisches Christentum verbreitet waren. Für griechisch denkende Christen war schon – spätestens nach Nizäa – das syrisch-vornizenische Christentum nicht akzeptabel; es erschien als häretisch. Nachdem es im Gewand des Islam auftrat, wurde es erst recht als Bestreitung der christlichen Essentials wahrgenommen. Deswegen grenzten sich die Christentümer in Kleinasien, Griechenland und Ägypten (Kopten) polemisch gegen die neue Religion ab und blieben, als Majorität in der Bevölkerung oder als starke Minoritäten, auch unter islamischer Herrschaft bestehen; oft gab es nur in Randbereichen, nicht selten durch Zwangsmaßnahmen (z.B. Beamten oder Reichen gegenüber), eine Übernahme des Islam. Auch die spätere lateinische Kirche erlebte in der Konfrontation mit den arabischen Reichen zugleich den Gegensatz zu einer neuen Religion, die das bestritt, was sie für christlich hielt, neben Gottessohnschaft Jesu und Trinität vor allem die Heilsbedeutung des Kreuzes.[39]

Diese lateinisch-westliche Erfahrung des Islam spiegelt sich leider bis in die heutige – islamwissenschaftliche und christlich-theologische – Literatur hinein. Immer wieder wird vertreten, dass der Islam Glaubensaussagen bestreite, die zum Kern des Christentums gehören. Übersehen wird, im Gefolge der wissenschaftsgeschichtlichen Engführung der theologischen Forschung auf den antiken Mittelmeerraum und danach das lateinische Europa, dass die im Islam vertretenen Thesen der eigenen christlichen Theologiegeschichte, nämlich der frühen syrischen Theologie, entstammen. Das Christentum führt im Dialog mit dem Islam im Grund ein Selbst­gespräch mit den eigenen frühen Zeiten (deren Strukturen übrigens auch der Theologie der synoptischen Evangelien – Matthäus, Markus und Lukas – entsprechen). So bleibt die schon 1919 erhobene Forderung des bekannten (und ansonsten viel zitierten) Islamwissenschaftlers Friedrich Schwally bis heute ein unerfülltes Postulat: „Aber den Theologen ist es noch nicht genügend zum Bewusstsein gekommen, daß der Islam zur Kirchen­geschichte gehört“[40]; koranische Theologie und Christologie waren einmal christliche – näherhin syrische – Theologie.

3. Die Traditionsliteratur

3.1 Allgemeine Charakteristik

In dieser Literatur, die eine neue Religion oder wenigstens den Übergang zu ihr dokumentiert, liefern die biblischen bzw. generell christlichen Traditio­nen weiterhin den Verstehenshorizont und die wichtigsten Motive. Diese aber werden in einem neuen, anderen Sinn gewertet und verwendet. So ist z.B. die Sira gänzlich von biblischen Rastern geprägt, wie z.B. Albrecht Noth und Hans Jansen (in seiner Mohammedbiographie) aufgezeigt haben. Auch noch in den gemäß der Tradition rund hundert Jahre (in Wirklichkeit wohl noch wesentlich) jüngeren „Annalen“ des a?-?abar? dienen biblische Muster und Motive dazu, eine biblische Heilsgeschichte zu erzählen.[41] Aber trotz der Internalisierung und Verwendung dieser biblischen Raster und Motive entsteht etwas Neues: Erzählungen vom Anfang und der frühen Geschichte einer neuen Religion, die von dem arabischen Propheten Mohammed im Auftrag Gottes begründet ist.

Dabei mag man durchaus noch Zweifel daran haben, ob die S?ra Mohammed tatsächlich nicht nur als Held, Prophet und um seine Autorität kämpfende Figur, sondern auch formell als eine Art Religionsstifter vor­stellt; im Munde Mohammeds kommen keine programmatischen religiösen Aussagen vor. Dennoch aber ist der Hintergrund der Erzählungen von der Überzeugung bestimmt, in seiner Gestalt die Anfänge der koranischen Bewegung, die sich gegenüber dem Christentum verselbständigt hat, dingfest machen zu können. Viele der in der Traditionsliteratur aufgeschrie­benen Geschichten verraten noch ihre Herkunft von volksnahen Geschich­ten­erzählern, die neben einem religiösen Interesse auch unterhalten wollten und spannende, manchmal phantastische oder kuriose Szenen schilderten.

Wenn auch keine ernsthaften religiösen Aussagen in Richtung einer Trennung vom Christentum getroffen werden –  dem sich bildenden Islam fehlte ein Paulus – und sich alles auf einer anekdotischen Erzählebene  bewegt – Mohammed als Wundertäter, Weissager, Kämpfer, Beter, potenter und auch grausamer Mann usf. -, so wird er doch zum Mittelpunkt und Maß dessen, was für die koranische Entwicklung wichtig ist. Und diese verrät nicht mehr eine christliche Ausrichtung. Wenigstens insofern sind die S?ra und die anderen Biographien als Dokumente einer neuen Religion, so unscharf sie in ihren Konturen auch noch erscheint, anzusehen.

Diese Literatur scheint Begebenheiten, Ereignisse, Kämpfe, Eroberungen darzustellen; zusätzlich finden sich in ihnen Genealogien, Gedichte, Gemein­­de­ordnungen usf. Zwar wurde schon seit dem 19. Jahrhundert ihr weithin legendarischer Charakter festgestellt. Für die S?ra z.B. stellt C.H. Becker, fest, dass sie „keine selbständige historische Quelle“ sei.

„Sie ist nichts anderes als biographisch aneinander gereihtes Hadit­material. Die Einzelhadite aber sind entweder exegetische Ausgestal­tungen koranischer Andeutungen oder dogmatisch-juristische Ten­denz­erfindungen späterer Zeit. Das exegetische und dogmatische Interesse ist älter als das historische. Letzteres erwacht erst, als gegenüber den christlichen Geschichtsquellen … analoge historische Quellen auch für den Stifter des Islam erwünscht erscheinen. Die wirklich geschichtliche Überlieferung ist äußerst gering. Da greift man zu den Andeutungen des Korans und spinnt sie aus; vor allem aber sammelt man die bereits existierenden dogmatischen und juristischen Hadite und ordnet sie chronologisch. So entsteht die Sira.“[42]

Nach Ignaz Goldziher sind die ?ad??e spätere Produktionen, die alles, was nach dem „Gefühl des naiv Gläubigen“ richtig war, „als Spruch des Prophe­ten verkündet. Dies ist die Methode des Hadith.“[43]

Der legendarische und anekdotische Charakter vieler Erzählungen drängt sich schon beim einfachen Lesen auf. Schon Albrecht Noth hat 1973 die Verwendung literarischer Formen und Topoi in der islamischen Traditions­literatur nachgewiesen, die ihren Charakter und ihre Nutzung als historische Quellen problematisch bzw. unmöglich erscheinen lässt.[44]

3.2  Religionswissenschaftliche Beobachtungen zu den Anfangs- bzw. Gründungsmythen universaler Religionen

Die meisten universalen Religionen haben Mythen ausgebildet, die ihre Anfänge und Begründung betreffen. „Mythen“ deshalb, weil über die Distanzen von zweihundert bis mehr als tausend Jahren historische Zugänge zu dem Erzählten nicht mehr möglich waren. Alttestamentliches Schrifttum wurde frühestens seit dem Exil im 6. Jahrhundert v. Chr abge­fasst, berichtet aber in den Patriarchenerzählungen, z.B. zu Abraham, von mindestens 1.000 Jahre zurückliegenden Geschehnissen, im Fall der Mose­überlieferungen und des Exodus sind es immerhin noch mehr als 600 Jahre, die zu überbrücken sind. Die zoroastrische Literatur muss noch größere Zeiträume überbrücken:

„Ungefähr 2.000 Jahre …  trennen die ältesten Stammhandschriften der avestischen Texte von der vermeintlichen Lebens­zeit Zarathustras und der Entstehung der ‚altavestischen‘ Texte.“[45]

Die buddhistische Literatur wurde kurz vor der Zeitenwende im Pali-Kanon aufgeschrieben und bezieht sich auf einen Verkünder, der vor einem halben Jahrtausend gelebt haben soll. Kleinere Zeitabstände finden sich bei den neutestamentlichen Schriften, aber selbst bei ihnen ergibt sich das Problem der Spannung zwischen dem Jesus der Geschichte und dem Christus des Glaubens, dem historischen Jesus und dem kerygmatischen Christus.

Die Anfangsmythen können (und wollen) also keine Geschichte erzählen, sondern sie projizieren den jeweiligen Glauben ihrer Erzähler und Autoren in frühe Zeiten. Ihr Zweck ist nicht ein Bericht über frühere Begebenheiten, sondern die theologische Postulierung eines Anfangs der Religion, wie sie zur Zeit der Abfassung verstanden wird. Sie sind deswegen so wichtig, weil sich in ihnen die zentralen Eigenarten dieser Religionen narrativ aufzeigen und für konstitutiv erklären lassen.

Ausnahmen von dieser Regel sind nur diejenigen universalen Konzepte, die lediglich eine Art Vertiefung schon bestehender Hochreligionen geblie­ben sind; hier waren keine begründenden Anfangsmythen erforderlich. Das gilt vor allem für den Hinduismus, der nur unter Vorbehalt als „Weltreligion“ bezeichnet werden kann, weil seine universal-religiöse Komponente, der Upani??den-Monismus, lediglich eine übergreifende Vorstellung blieb, die im indischen Raum, wenn nötig, zur Vertiefung der im Hinduismus versammelten Polytheismen und auch Henotheismen (??va- und Vi?nu-Verehrung) dienen kann. Wenn man die religiösen Kon­zepte der hellenistischen philosophischen Schulen oder die Mysterienkulte als unversal-religiös betrachten will, gilt für sie Ähnliches, weil sie nicht zu einer Überwindung, sondern „nur“ zur – allenfalls gelegentlichen – Vertiefung der ethnischen religiösen Traditionen führten. In diesen Fällen waren keine Ursprungsmythen notwendig, diese waren schon von den weitergeführten hochreligiösen Traditionen vorgegeben.

Die anderen „Weltreligionen“ aber haben ihre Anfänge in Mythen dargelegt. Im Konfuzianismus rankten sie sich um eine wohl in der Vergangenheit „reale“ Person, im Daoismus um einen mythischen Laotse. Im Zoroastrismus wird recht spät, nach weit mehr als tausend Jahren, die religiöse Tradition auf einen, wie die neuere Forschung zeigt, fiktiven Zarathustra begründet und für ihn eine Biographie entworfen. Die „ältesten Texte, die eine Zarathustra-Vita enthalten, stammen aus dem 9. Jahr­hundert u.Z.“, wie Michael Stausberg schreibt[46] – interessanterweise die gleiche Zeit, in der die Mohammedbiographien entstanden sind. Diese Zarathustra-­Vita, von der die ältere Literatur nichts weiß, bietet genaueste Details, „präzise nach Tagen und/oder Monaten datiert“,[47] und darüber hinaus „eine 14 Generationen zurückreichende Genealogie,“[48] ein wahr­haf­tig erstaunlicher „Wissenszuwachs“, gebildet ohne irgendwelche Quellen.

Diese Mythen werden durch die Anfangsmythen des Buddhismus noch übertroffen: Gemäß dem P?l?-Kanon aus dem späteren ersten Jahrhundert v. Chr. – die früheste (erhaltene) schriftliche Aufzeichnung buddhistischen Gedankenguts – wird das Rad der Lehre angestoßen durch einen Verkün­der, Gautama Siddharta, später Buddha (der Erleuchtete) genannt. Obwohl (oder weil) sein Leben mittlerweile einige hundert Jahre zurücklag, wurden sehr schöne Legenden von ihm erzählt: von seiner Präexistenz und Geburt, seinem behüteten Leben, den vier Ausfahrten, seinen Wanderjahren, der Rede von Benares usw. Diese Erzählungen veranschaulichen wichtige Aspek­te der buddhistischen Lehre und sind wohl Basis der Rezeption des Buddhismus in weiten Bevölkerungskreisen, die mit den abstrakten Lehren und der differenzierten buddhistischen Philosophie nicht viel anfangen konnten.

Die lange Zeit wohl weithin mündlichen Erzählungen, die in Israel über seine frühere – wirklich nicht glanzvolle – Geschichte kursierten, sind z.Zt. seiner „nationalen“ Bedrohung in der Exilszeit verschriftet worden. Der gleich­zeitig erfolgende Durchbruch zur monotheistischen Gottesvorstellung aber scheint einen grandioseren Anfangsmythos erforderlich gemacht zu haben, der zurückgriff bis auf den Anfang schlechthin (Gen 1,1), auf die Erschaffung des Chaos und der geordneten Welt, von der Erschaffung der ersten Menschen über die Völker- und Patriarchengeschichte bis hin zu Mose und der Landnahme. Dieses beeindruckende Präludium korrespon­diert der Größe der monotheistischen Jahwevorstellung und begründet zu­gleich, im Augenblick seiner tiefen Ohnmacht, die Bedeutung der jüdischen Geschichte und somit die zentrale Rolle Israels für „das Heil“ der Völker.

Das Christentum hat diesen Anfangsmythos übernommen und musste ihn infolgedessen zur Begründung der eigenen Besonderheit nur noch christo­logisch spezifizieren, ihn also als Glauben an Jesus Christus erläutern. Dies wurde verwirklicht vor allem durch die Sammlung und Verkündigung der Jesustraditionen, die – ein Glücksfall, aber dennoch ergibt sich daraus das Problem um den historischen Jesus – erst wenige Generationen Überliefe­rungsgeschichte hinter sich hatten, und durch Jesus-bezogene Anfangs­mythen in den Kindheitsgeschichten und im Johannesprolog, welcher den Bezug zum allerersten Anfang (Gen 1,1) herstellte (ähnlich im pseudo­paulinischen Kolosserbrief 1,14-17). Diese Beispiele mögen genügen.

3.3  Der islamische Anfangsmythos

Als sich die koranische Bewegung zur eigenständigen Religion zu ent­wickeln begann, boten die koranischen Texte, für sich genommen, keinerlei Anknüpfungspunkte für einen Anfangsmythos. Ebenso wenig gab es andere Quellen aus früher Zeit für das, was dann geschaffen wurde. Die Erzählung über den eigenen Anfang konnte und musste jetzt erst gebildet werden: Der Islam gründet sich auf seinen Anfang in der Gestalt des arabischen Prophe­ten Mohammed, dessen Wirken in Mekka und Medina verlaufen sein soll. Die Arabische Halbinsel bot sich an, weil sie sich gewissermaßen als tabula rasa – frei von störenden Kultzentren wichtiger religiöser Fremdtraditionen – präsentierte und somit ohne Überschneidungen mit anderen wichtigen Religionen, wie sie in dynamischen Regionen mit alter Tradition gegeben waren, als Bühne zur Verfügung stand. Vielleicht hat aber auch die zuneh­mende Dominanz des Arabischen diese Ausrichtung gewissermaßen von selbst nahe gelegt. Möglicherweise wurde „Arabien“ auch dadurch begüns­tigt, dass die Herrschenden noch eine Erinnerung hatten an ihre Wurzeln im Reich Arabiya zwischen Tigris und Euphrat oder in der provincia Arabia der Römer, östlich von Judäa. Beide gab es nun schon lange nicht mehr, vielleicht wurde der Begriff „arabisch“ mittlerweile vorwiegend mit der Arabischen Halbinsel assoziiert.

Für die Gestaltung seiner Vita und vor allem seiner religiösen Bedeutung standen allenfalls biblische Muster, die man benutzen konnte, zur Verfü­gung. Diese scheinen durch die Erzählungen an vielen Stellen durch: z.B. Jungfrauengeburt bei Jesus, fast jungfräuliche Geburt bei Mohammed; Namens­gebung durch den Engel bei Jesus, ebenso bei Mohammed bis hin zu einer, wenn auch vorübergehenden Himmelfahrt; der Engel Gabriel verkündet Maria die Geburt Jesu, in der islamischen Tradition die Herab­kunft des Koran, Jesus war Wundertäter, mit geringer theologischer Gestaltung auch Mohammed usf.

Auch aus den koranischen Texten werden Vorstellungen, die dort mit Jesus verknüpft waren, auf Mohammed übertragen, so z.B. der Titel ras?l all?h, „Gesandter (oder Apostel) Gottes.“ So wird in Sure 4,157 der Messias, Sohn der Maria, ras?l all?h genannt, in der nachkoranischen Tradition wird dies der bevorzugte Titel Mohammeds. Dabei lassen sich noch Vorstufen dieser Übertragung feststellen: auf einer Münze aus Bišap?r in der Persis (im Jahr 687 n.Chr. geprägt) findet sich erstmals ein Segensspruch für den mu?ammadun ras?l all?h, wobei hier noch der mu?ammad (der zu Preisende) Jesus ist.[49] Mit der Verselbständigung der Mohammedfigur zu einer eigenen Gestalt wurde dieser Titel dann auf ihn bezogen.

Dass bei den nun entstehenden Erzählungen von Mohammed in Arabien darauf geachtet wurde, nicht in Widerspruch zum Koran zu gera­ten bzw. sich möglichst, in einer Form recht willkürlicher Exegese, auf kora­ni­sche Anklänge zu stützen bzw. diese narrativ zu unterlegen, ist von der Eigenart der dabei wirksamen religiösen Mechanismen zwangsläufig. Davon abgesehen aber waren der Phantasie fast keine Grenzen gesetzt, wie sich ja auch in den häufigen Widersprüchen zwischen den verschiedenen „Biogra­phien“ oder in den Mehrfacherzählungen von Ereignissen (in je neuen Variationen) zeigt.

So haben die Erzählungen von Mohammed in Mekka und Medina den Zweck, die Entstehung der neuen Religion grundzulegen, in den sogn. Biographien wie in dem weiteren ?ad??-Material. Sie bieten keine histo­rischen Berichte, sondern verfolgen religiöse Absichten: Sie sind als „heilige Geschichte“ konstitutiv für die neue Religion und verdeutlichen diese in narrativer Form, indem sie das, was ihnen wichtig ist, von ihren Anfängen erzählen. Erst auf diesem Hintergrund konnte der (nicht narrative) Koran als kanonisches Dokument begründet und vermittelt werden. Der Koran selbst hätte keinen Anlass geboten, eine neue Religion zu schaffen. Erst dieser Anfangsmythos des 9. Jahrhunderts „macht“ den Islam.

3.4  Die Eigenart der Anfangsmythen, oder: Warum immer neue Kämpfe, Siege und Vernichtungen der Gegner?

Die Erzählungen von Mohammed berichten von zahllosen Kämpfen, von feindseligen Stämmen, die vernichtet oder vertrieben wurden, von Nieder­lagen und Siegen, von kriegerischen Grausamkeiten usf. Diese Eigenart behal­ten auch die Schilderungen der späteren Expansionen bei, bis hin zu den (sehr späten) Schriften zur Eroberung Spaniens.[50]

Nun könnte sich natürlich alles oder wenigstens einiges auch so zugetra­gen haben, wie es geschildert wird, und für die Zeit Mohammeds lässt sich dies auch, bis auf offensichtlich Unglaubwürdiges, nicht widerlegen, weil damals keine größeren Schäden, die Spuren hinterlassen haben, angerichtet wurden. Sobald die Berichte später aber z.B. die Zerstörung von Städten, Kirchen und Klöstern im Gefolge von Eroberungen betreffen, werden sie von der Archäologie oder von zeitgenössischen Quellen her falsifiziert. Alles muss wesentlich friedlicher zugegangen sein, und dies ließe sich wohl auch in die Mohammed-Zeit, für die es keinerlei zeitgenössische Quellen gibt, rückübertragen (wenn es sie denn gegeben hätte). Warum aber dann Erzählungen dieser Art?

Diese Frage stellt sich auf vergleichbare Weise auch für die alttestament­lichen Berichte von der Landnahme bis hin zu ihrer späteren Neudeutung im Buch Deuteronomium. Ausgrabungen zeigen, dass damals in Palästina keine nennenswerten Zerstörungen stattgefunden haben – so war z.B. das angeblich bei der Landnahme zerstörte Jericho zu dieser Zeit überhaupt nicht besiedelt -, wahrscheinlich gab es auch keinerlei Landnahme, sondern eine autochthone Entwicklung der ansässigen halbnomadischen Bevölke­rung im Umfeld der kanaanäischen Städte zu israelitischen Stämmen. Und das Deuteronomium stellt uns einen recht blutig-kriegerischen Jahwe vor, der z.B. nach einem Sieg Israels den Bann anordnet, und das zu einer Zeit, als die Juden in der Nähe des Exils oder im Exil um ihr Überleben bangen mussten und Jahwe für sie alles andere als ein mächtiger Kriegsgott war, das Gottesbild (Monotheismus) sich gewandelt und sich eine differenzierte Ethik (bis hin zum Liebesgebot) entwickelt hatte.

Vielleicht erklärt sich manches, wenn man die gesamte Literatur des Vorderen und Mittleren Orients in den Blick nimmt. Ein Beispiel können die Schöpfungsmythen sein.[51] In der Ägyptischen Religion ging die Ent­stehung der geordneten Welt aus dem Chaos recht friedlich vor sich: aus dem Urmeer Nun tauchte ein Urhügel (oder eine Lotosblume) auf, und der somit entstehende Schöpfergott erschafft dann alles gemäß seinen Gedanken und die Menschen aus den Tränen seines Auges.[52] Vergleichbar unblutig sind die sumerischen Schöpfungsmythen, denen zufolge Götter und Welt aus Zeugungsprozessen eines Urpaares (Land und Wasser) hervorgegangen sind.

Gemäß dem babylonischen (also nunmehr semitischen) Schöpfungslied En?ma-Eliš aber entsteht der Kosmos durch einen gigantischen und blutigen Kampf der Götter, besonders Marduks, gegen die  chaotischen Ur­kräfte Aps? und Tiamat, die eigenen Eltern, aus denen sie hervorgegangen sind. Die Errichtung des Kosmos gründet auf Mord, blutrünstige Kämpfe finden statt, und am Ende wird der schuldige Gott Kingu getötet, um aus ihm den Menschen zu machen.

Diese Linie gewaltiger Kämpfe von Urkräften finden sich auch in der alt- und mittelpersischen Tradition:

„Leben und Existenz der Menschen wie auch der Welt werden wie ein großes Drama angesehen, in dem die guten und die bösen Mächte um die Herrschaft kämpfen.“[53]

Ebenso verhält es sich durchgehend auch noch viel später in den Schöpfungs­mythen z.B. der Mandäer oder der Manichäer. Es scheint so zu sein, dass in dieser Tradition der semitischen, persischen und semitisch-persischen Literatur das Zustandekommen der Welt und die Konturierung der wichtigsten wirksamen Faktoren anders nicht ausgesagt werden konnten. Dabei verkörpern einander feindselige Urkräfte im Grunde nichts anderes als Ideen, die nach damaligen Vorstellungen die Welt gebildet haben: Chaos und (göttliche) Ordnung/Form treffen zusammen und bilden die Welt. Was Griechen zwar zunächst (Homer, Hesiod) narrativ und auch nicht gänzlich unblutig, dann aber abstrakt sagten – z.B. zum Apeiron tritt die Zahl, das Bestimmende, hinzu, oder: alles ist konstituiert durch Hyle und Morphe, Materie und Form (um nur einige Motive zu nennen) – oder was die Sumerer oder Ägypter zwar narrativ, aber ohne Gewalt­vorstellungen wiedergaben, machte in der seit den Babyloniern begin­nen­den Tradition offensichtlich Gewalterzählungen erforderlich. „Ideen“ wur­den anscheinend unterschieden und von einander abgegrenzt durch Erzählungen von gegensätzlichen und einander bekämpfenden Kräften und Parteien. Wahrscheinlich gab es vergleichbare Vorstellungen auch in alten Jahweüberlieferungen, wie ein Relikt aus Psalm 104, 7 („vor deinem Schelten flohen sie [die Berge]“) zeigen kann; aber die theologische Entwicklung des Jahweglaubens machte dann das Kampfmotiv überflüssig: Gott erschafft alles nach Art eines Bauern oder Handwerkers (Gen 2) oder mühelos durch das Wort (Gen 1).

Eine vergleichbare Darstellungsweise ergibt sich naturgemäß auch, oder besonders, für Landnahmeerzählungen in Israel und in „Mohammed­biographien“ sowie in den „Berichten“ über die weitere Etablierung arabisch-muslimischer Herrschaft. Alles verläuft in Kämpfen, Niederlagen und Siegen; es fließt viel Blut und immer wieder wird Gewalt angewendet. Offensichtlich kennen die Darstellungen der S?ra sehr viele Parallelen zur Moseüberlieferung (wie Mose kam z.B. auch Mohammed nicht selbst nach Palästina) und weiteren  Landnahmeerzählungen.

Hierbei hat man nicht selten den Eindruck, dass die gegnerischen Parteien in Wirklichkeit nichts anderes als unterschiedliche Ideen, Theolo­gien und religiöse Konzepte darstellen und Kämpfe die theoretische Gegen­sätzlichkeit der Vorstellungen anschaulich machen sollen. Weil aber in den Mohammedbiographien kaum grundsätzliche theologische Ideen vor­kommen, erscheinen die Erzählungen episodenhaft und recht „flach“; sie lassen nicht viel mehr erahnen als die Gegensätzlichkeit von religiösen Richtungen.

Versteht man diese Literatur in vergleichbarer Weise, muss man nicht die Historizität der geschilderten Vorgänge behaupten oder bestreiten, weil es den Erzählungen gar nicht darum ging, Abläufe festzuhalten, sondern unterschiedliche Konzepte einander gegenüberzustellen, voneinander abzu­grenzen und die Überlegenheit der eigenen Version durch Siege klarzu­machen, was nicht heißen muss, dass der Hörer/Leser die Untaten nicht schaudernd und, je nach Gusto, beglückt oder auch perhorresziert miter­leben kann. Hinter dieser vordergründigen und oft auch schlichten Ebene aber werden die ideellen Konflikte erahnbar.

4. Zum Koran

4.1  Heilige Literatur im Vorderen Orient in den ersten neun Jahrhunderten n.Chr.

Die religiöse Landschaft im Vorderen Orient war äußerst vielfältig. Auffällig ist die reichhaltige Produktion von heiliger Literatur in den Jahrhunderten nach Christi Geburt.

Schon vorher war die heilige Schrift der Juden entstanden, wenn auch ihr genauer Umfang nicht festgelegt war. Offensichtlich war im palästi­nischen Judentum ein engerer Kanon verbreitet, wohl beschränkt auf die in hebräischer Sprache vorliegenden Schriften („palästinischer Kanon“); in der griechischsprachigen Diaspora mit dem kulturellen Zentrum Alexandrien waren weitere Schriften in griechischer Sprache und auch Erweiterungen ursprünglich weniger umfangreicher Bücher in Gebrauch („alexandri­ni­scher Kanon“). Hier waren auch alle hebräischen Schriften ins Griechische übersetzt worden (Septuaginta).

Nach der Zerstörung Jerusalems durch die Römer im Jahre 70 n.Chr. (und erst recht nach dem Ende der Bar-Kochba-Aufstände im frühen zweiten Jahrhundert) konnten das Judentum und seine Religion nur noch in der Diaspora weiterleben. In dieser Situation des drohenden Identitäts­verlustes einigten sich jüdische Autoritäten, nach gängiger Meinung, in der kleinen palästinischen Küstenstadt Jabne (griechisch Jamnia) im frühen 2. Jahrhundert auf einer so genannten Synode darauf, nur noch die in hebräischer Sprache vorliegenden und mit der Thora übereinstimmenden Schriften anzuerkennen. Das junge Christentum im Mittelmeerraum aber benutzte weiterhin die griechische Übersetzung, die Septuaginta, und einen erweiterten Kanon, wie er vorher auch in der vorchristlichen jüdischen Diaspora verbreitet war.

Auch für das junge Christentum war diese jüdische Schriftensammlung „die heilige Schrift“, die in Gottesdiensten verlesen und ausgelegt wurde. Zwar entstanden in den ersten hundert Jahren christlicher Geschichte eine Reihe von spezifisch christlichen Schriften[54], die aber zunächst noch nicht in ihrem Schriftcharakter, sondern als lebendige Anrede (viva vox) Jesu oder der Apostel verstanden wurden; Zitate aus diesen Schriften werden eingeleitet: „Der Herr (bzw. Apostel) sagt …“. Um das Jahr 150 wurde aber in den Gottesdiensten auch aus diesen Schriften vorgelesen, neben der Lesung aus der (jüdischen) „heiligen Schrift“. In diesem Aufkommen der parallelen Lesung in Gottesdiensten zeigt sich, dass die christlichen Schriften jetzt auch als „heilige Schrift“ aufgefasst wurden; gleichzeitig setzt sich für Zitate aus diesen Schriften dieselbe Einleitung wie bei der (jüdischen) Schrift durch: gégraptai („es steht geschrieben“) oder légetai („es ist [von Gott] gesagt worden“). Das Bewusstsein setzte sich durch, zwei Arten von heiliger Schrift zu besitzen. Tertullian (gest. nach 220) brachte als erster diese neue Entwicklung auf den Begriff, indem er von „Schriften des alten und neuen Bundes“ (veteris et novi testamenti) sprach.[55]

Welche Schriften zu diesem Neuen Testament zu zählen sind, wurde in den kirchlichen Regionen unterschiedlich beantwortet. Aber vor allem in der Auseinandersetzung mit der Gnosis, die selbst „neutestamentliches“ Schrifttum produzierte oder, wie Markion (gest. um 160), die Geltung (auch) einiger neutestamentlicher Schriften bestritt, kam es ab etwa 180 n.Chr. in weiten Teilen der Kirche zu einem Konsens, dass die vier Evangelien, die Apostelgeschichte und die (echten) Paulusbriefe dazu gehörten. Über die Zugehörigkeit weiterer Schriften, den Kanon der Antilegomena (der [noch] umstrittenen Schriften) wurde noch längere Zeit diskutiert; um 350 war dieser Kanon festgelegt, mit Ausnahme der Zugehö­rigkeit des Hebräerbriefs und der Apokalypse, die erst im späten 4. Jahr­hundert – das Ende der neutestamenlichen Kanonbildung – aufgenommen wurden.

In der ostsyrischen Christenheit verlief die Kanonbildung zunächst anders. Das Alte Testament lag schon früh in syrischer Sprache, in der (seit dem 8. Jahrhundert so benannten) Peschitta (Peši???) (die „einfache“ [Über­setzung]), vor, die Evangelien aber erst seit Tatian (gest. gegen Ende des 2. Jahr­hunderts) in Form einer Evangelienharmonie (Diatessaron, [eines] „durch [aus] vier“). Dieses wurde Mitte des 3. Jahrhunderts (?), Mitte des 6. Jahrhunderts in endgültiger Fassung durch die syrische Übersetzung aller Evangelien, bald auch weiterer Schriften, abgelöst und von Rabbula von Edessa (gest. 435) sogar als häretisch verboten, obwohl das Diatessaron noch längere Zeit in liturgischem Gebrauch blieb. Die genauere Geschichte der übrigen neutestamentlichen Schriften ist noch nicht zureichend er­forscht, auf jeden Fall aber gehören sie später zum neutestamentlichen Teil der Peschitta.

Ob die neutestamentliche Kanonbildung den Anstoß zum Konzept von Schriftreligion und für die Entstehung weiterer heiliger Literatur gegeben hat, bleibe dahingestellt. Jedenfalls kam es in den folgenden Jahrhunderten zu einer Reihe weiterer religiöser und in den jeweiligen Kontexten „kanonischer“ Literaturen.

An erster Stelle ist hier die Entwicklung innerhalb des Judentums zu nennen. In den ersten drei Jahrhunderten n.Chr. entstand eine Sammlung von Bestimmungen zum jüdischen Religionsgesetz, die Mischna („Wieder­holung“), eine Art von zunächst mündlicher Thora, die (angeblich) Mose neben der schriftlichen Thora gelehrt habe. Der Sache nach handelt es sich um Meinungen und Lehren jüdischer Religionsgelehrter, die in verschiedenen Fassungen in hebräischer Sprache aufgeschrieben wurden.

Die Mischna wurde dann zum Kernbestandteil des Talmud („Beleh­rung“, „Studium“), in dem sie, in einem zusätzlichen Teil, der Gemara („Lehre“, „Wissenschaft“), in aramäischer Sprache analysiert und kommen­tiert wird. Meist wird unter Talmud der babylonische Talmud verstanden, ein umfängliches Werk, das seine Anfänge im babylonischen Diaspora­judentum in sassanidischer Zeit hat und bis zum 8. Jahrhundert abge­schlossen wurde. Daneben gibt es noch einen (kürzeren) Jerusalemer oder palästinischen Talmud.

Daneben sind noch die Targume („Übersetzungen“) zu erwähnen, die die hebräische Bibel in andere Sprachen, vor allem ins Aramäische, über­tragen, meist zur Verwendung im Synagogengottesdienst. Abgesehen von einem Targum zu Buch Ijob, der in Qumran gefunden wurde, stammen sie aus nachchristlicher Zeit, endgültig redigiert wohl zwischen dem 3. und 5. Jahrhundert n.Chr.

Im Zoroastrismus wurde zur Aufzeichnung der avestischen Ritualtexte im 4. oder 6. Jahrhundert n.Chr. eine phonetisch äußerst differenzierte Schrift (53 Buchstaben mit 16 Vokalzeichen) entwickelt, es entstand der schriftliche Avesta[56] („Wissen“, „Grundtext“, „Testament“?). Dieser Avesta wurde später durch mittelpersische Kommentare und Materialien (Zand [„Interpretation“] und Denkard [„Akten der Religion“]) ergänzt. Der Zand bietet eine mittelpersische Übertragung des Avesta mit Beifügung kommen­tierender Passagen und weist große formale Ähnlichkeiten mit jüdischen Targumen auf; der mittelpersisch verfasste Denkard wurde im 9. Jahr­hundert aus älteren verstreuten Texten kompiliert.[57]

Auch die Mandäer (Nazoräer, Sabier) werden im Koran zu den „Leuten der Schrift“ gezählt, so dass vorher ihre wichtigsten Bücher, in einer eigens seit dem 2. oder 3. Jahrhundert n.Chr. entwickelten Schrift, vorgelegen haben müssen, vor allem – als wichtigste – die „rechte“ und die „linke Ginza“ („Schatz“); nachweislich ins 3. oder 4. Jahrhundert n.Chr. reicht ihre älteste Schrift Qolasta („Preisung“) zurück.[58]

Daneben produzierten schon früh viele gnostische Richtungen eine Fülle von Literatur, aus deren christlichen Varianten sich – wie die Funde von Nag Hamadi (Na?? ?amm?d?) zeigen – beinahe ein ganzes gnostisches Neues Testament zusammenstellen ließe.

Die späteste und zugleich am weitesten verbreitete gnostische Bewegung – sie reichte von ihrem Stammland in Mesopotamien nach Osten über Transoxanien nach China und Indien und im Westen nach Nordafrika, Italien und weitere Gebiete – war der Manichäismus. Dieser hat Mission betrieben, kirchenähnliche Strukturen ausgebildet und  verstand sich von Anfang an als Schriftreligion. Ihr Begründer, Mani (gest. 276/277) hat selbst einen Kanon von sieben Werken, dem meist noch ein achtes („Bild“) hinzugezählt wird, verfasst.[59] Er hat sich „eines aramäischen Idioms als Sprache“ bedient, mit „Nuancen südmesopotamischer Eigenart“, und wohl „in einer eigenen manichäischen Schrift“ geschrieben.[60] Wegen der weit­räumigen Mission wurden diese Schriften in viele Sprachen übersetzt, und es entstand weitere manichäische Literatur.

Bis ins 20. Jahrhundert waren diese Bücher und einzelne Zitate nur noch aus polemischen Schriften christlicher Theologen und später auch arabi­scher Autoren bekannt. Erst Funde in der Oase Turfan in Ostturkestan und dann in Ägypten haben Fragmente der Schriften Manis zugänglich gemacht.

Zusätzlich sind eine Fülle von Bibelübersetzungen in vielen Ländern ent­standen, meist mit der Schaffung eigener Alphabete verbunden. Zu nennen sind persische Übersetzungen, von denen sich allerdings nur noch Spuren erhalten haben,[61] koptische Übersetzungen, zunächst recht früh im sahidi­schen (oberägyptischen) Dialekt, zwischen dem 5. und 7. Jahrhundert auch im Bohairischen (Dialekt des Nildeltas). Zu erinnern ist auch an: die goti­sche Übersetzung des Bischofs Wulfila (Ulfilas) im 4. Jahrhundert, ab 406 oder 407 eine armenische, etwa gleichzeitig eine georgische Übersetzung, jeweils meist mit eigenem Alphabet,  usf.

Einen großen Teil dieser Schriftensammlungen kann man für die jeweiligen religiösen oder kulturellen Kontexte als kanonisch im vollen Sinn – nennen wir dies einmal „protokanonisch“ – bezeichnen, ein anderer Teil genoss, soweit er sich als Kommentar oder Ergänzung versteht, ebenfalls hohes Ansehen und partizipierte, indirekt, an der kanonischen Geltung dessen, was er bekräftigen wollte; in diesem Sinn könnte, wenn man diese Sprachregelung akzeptiert, zwischen proto- und deuterokanonischer Litera­tur unterschieden werden. Allerdings sind diese Abgrenzungen nur selten ganz eindeutig. So wurde z.B. später dem – prinzipiell deuterokanonischen – Denkard „implicite sogar die größte Autorität zugesprochen“.[62]

In diesen erstaunlich fruchtbaren Strom der Produktion heiliger Litera­tu­ren im Orient sind auch der Koran und die spätere Sunna oder generell die Traditionsliteratur einzuordnen. Wie noch darzulegen ist, verstand sich der Koran selbst als Erklärung und Bestätigung  von Thora und Evangelium, also im genannten Sinn als deuterokanonisch. Mit der Entstehung aber des Islam als einer eigenen Religion wurde der Koran als kanonisch schlechthin, also im hier gewählten Sprachgebrauch als protokanonisch aufgefasst. Die später entstandene Sunna und weitere Traditionsliteratur waren von An­fang an als Erklärung und Stütze des Koran gedacht und insoweit deutero­kanonisch. Der Sache nach aber ist diese Literatur die eigentliche proto­kanonische Instanz des Islam, weil er erst durch sie begründet und dem Koran die von Altem und Neuem Testament unabhängige protokanonische Funktion zugewiesen wird.

4.2  Zur Textgestalt und sprachlichen Eigenart des Koran

4.2.1 Die z.Zt. zugänglichen Materialien

Der Koran ist also entstanden in einer Zeit, als im religiösen Umfeld auch andere Religionen, Bewegungen, Richtungen eine auffällige Tendenz zu schrift­lichen Fassungen ihrer Konzepte an den Tag legten; ebenso bemer­kens­wert ist die Tendenz, hierfür neue Schriftsysteme zu benutzen. Es wäre seltsam gewesen, wenn die – nennen wir sie einmal so – koranische Bewegung keine solche Dokumentation hervorgebracht hätte.

Wie auch bei den anderen damals entstandenen heiligen Literaturen sind auch für den Koran längere Entstehungszeiten anzunehmen, die nicht genau zu fixieren sind. In endgültiger und voll ausgeschriebener Textform lag er wohl gegen Ende des 9. Jahrhunderts (3. Jh. H.) vor (?).

Die ältesten Handschriften sind nur noch fragmentarisch erhalten. Die umfangreichsten Fragmente bieten die als Faksimile zugänglichen Editio­nen: die Pariser Handschrift (eine zweite soll bald publiziert werden), ein Londoner Faksimile (auch hier steht die Publikation eines zweiten bevor) und eine Samarkander Handschrift. Zugänglich, aber bisher nicht ediert, sind die Handschriften von Sanaa (?an???) (Fotodokumentation an der Universität des Saarlandes) und St. Petersburg, darüber hinaus noch weitere mehr oder weniger umfangreiche Fragmente. Soweit sich das bisher übersehen lässt, ließe sich aus all diesen Fragmenten weit mehr als die Hälfte des heutigen Korantextes zusammenstellen.[63]

Die Datierung des vorliegenden Handschriftenmaterials ist schwierig. Ana­lysen mittels der C14-Methode sind für die Untersuchung von Manu­skripten, bei denen ohnehin nur das Alter des beschriebenen Materials untersucht werden kann, recht ungenau. Eine präzise Altersbestimmung – in diesem Fall kommt es wenigstens auf eine Genauigkeit von Jahrzehnten an – setzte eine ungefähre Kenntnis der Aufbewahrungsbedingungen und auch der klimatischen Einflüsse auf die Manuskripte voraus, so dass mög­liche Ergebnisse eine sehr große Bandbreite haben (was bei der Datierung etwa von Funden aus der Prähistorie, in der mit größeren Zeitspannen gerechnet wird, keine Probleme macht).

Eine Datierung mit Bezug auf die Text- und Schreibtraditionen ist eben­falls nicht leicht, solange nicht wenigstens ein Koranfragment, das dann zum Vergleich herangezogen werden könnte, zeitlich exakter bestimmt werden kann. Philologische Gesichtspunkte sprechen dafür, dass die meis­ten jetzt bekannten Handschriften schon einer zweiten oder dritten Genera­tion von Kopiervorgängen zugehören und somit erst der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts zuzurechnen sind. Demgegenüber behaupten manche, so z.B. der Leiter des Corpus-Coranicum-Projekts, Michael Marx, schon für das Jahr 660 mehr als die Hälfte des Korantextes durch alte Handschriften dokumentieren zu können – allerdings fehlen hier bisher alle Argumente oder gar Belege.

4.2.2 Zur Textgestalt der koranischen Fragmente

Im Folgenden soll nur kurz erwähnt werden, was schon lange bekannt ist, aber des besseren Verständnisses wegen auch hier nicht übergangen werden darf.[64] Die arabische Schrift ist erst im Zusammenhang mit der Koran­schreibung allmählich zu ihrer vollen Form entwickelt worden, sie hat „keine nennenswerte vorislamische Geschichte; kaum eine Handvoll kurzer, graffito-artiger Inschriften sind historisch bestimmbar“[65], und der Verweis auf die angeblich vorislamische arabische Dichtung geht ins Leere, weil sie eben nicht vorislamisch ist, zumindest nicht in der jetzt vorliegenden Form.

Der Koran ist in den ältesten Fragmenten in der sogn. ?i??z?-Schrift, etwas später auch in K?f? geschrieben. Für beide Varianten gilt, dass sie in einer unvollständigen Schreibweise (scriptio defectiva) geschrieben sind: ohne Vokalzeichen, aber auch – was gravierender ist – ohne oder mit nur ganz seltenen diakritischen Zeichen. Letztere – ein bis drei Punkte über oder unter einem Konsonantenzeichen – legen erst einen Konsonanten fest, weil im Arabischen oft mehrere Konsonanten mit dem gleichen Zeichen geschrieben werden.

Die arabische Schrift unterscheidet 28 Konsonanten, aber „nur sieben von ihnen sind eindeutig … In den ältesten Koranfragmenten machen die mehrdeutigen Buchstaben mehr als die Hälfte des Textes aus.“[66] Erst durch die diakritischen Punkte wird Eindeutigkeit erreicht. Ein einziges Konso­nan­tenzeichen kann zwei bis fünf verschiedene Konsonanten bezeichnen, wenn sie nicht durch diakritische Punkte festgelegt sind. So kann in den alten Handschriften nach Ibn Warraq z.B. nicht unterschieden werden „f and q; j and kh; s and d; r and z; s and sh; d and dah; t and z.“[67] Jeder kann sich leicht vorstellen, wie unterschiedlich eine solche defektive Schrift gelesen werden könnte, noch ganz abgesehen von der fehlenden Vokalisierung.

Mit anderen Worten: diese Texte sind nicht lesbar. Deswegen wird in der islamischen Tradition behauptet, dass die Leser damals den ganzen Korantext auswendig kannten und der geschriebene Text nur eine Spur (rasm) sei, gewissermaßen eine Stütze für die Rezitation des ohnehin Bekannten. Doch ist diese ungebrochene mündliche Rezitationstradition eine Wunschvorstellung. Die im Lauf der Zeit entstandenen unterschied­lichen Lesarten des Koran, also Varianten des Textes, sind nachweislich nicht auf unterschiedliche mündliche Überlieferungen, sondern auf ver­schie­dene Lesungen des immer gleichen, aber mehrdeutigen rasm zurück­zuführen; sie können „auf keinen Fall durch Fehler bei der mündlichen Weitergabe, sehr leicht aber durch verschiedene Interpretation defektiver Schreibung erklärt werden.“[68]

Erst im Lauf des 9. Jahrhunderts kam es zu einer immer vollkommeneren Festlegung des Textes durch Zufügung diakritischer Punkte und dann auch der Vokalzeichen. Wann genau erstmals diese scriptio plena abgeschlossen war, lässt sich z.Zt. noch nicht genau bestimmen.

Es liegt auf der Hand, dass bei der durch die Handschriften dokumentierten Ausgangslage die Pleneschreibung einen Interpretations­vorgang bedeutet. Die Interpreten aber waren jetzt muslimische Araber, so dass sie – abgesehen von den vielen sogn. dunklen Stellen, denen sie keinen rechten Sinn zuzulegen vermochten (der rasm musste natürlich bestehen bleiben) – im Ergebnis die Vorlagen zum einen arabisch, zum anderen muslimisch gelesen haben. In dieser letzten Variante, die bis heute den kanonischen Koran repräsentiert, ist dieser durch diese Interpretationen ein islamisches Buch, und so wird es auch in andere Sprachen übersetzt.

4.2.3 Zur Sprache des Koran

Es war lange Zeit unumstritten, dass der Koran nicht nur in arabischen Schriftzeichen geschrieben, sondern auch in arabischer Sprache abgefasst ist. Dass sich im Text auch zahlreiche Aramäismen finden, hat allerdings im frühen 20. Jahrhundert schon Alphonse Mingana festgestellt; auch Gerhard Endreß dachte in diese Richtung.[69]

Einen völligen Paradigmenwechsel in der Koranphilologie brachte die Publikation von Christoph Luxenberg zur syro-aramäschen Lesart des Koran aus dem Jahre 2000.[70] Er konnte nachweisen, dass viele Passagen des Koran nicht in arabischer Sprache verfasst sind, sondern mit arabischen Schriftzeichen geschriebene aramäische Wörter und Sätze bieten. Hierdurch wurde es erstmals möglich, die dunklen Stellen im Koran – etwa ein Viertel des Textumfangs – sinnvoll und zu ihren Kontexten passend zu übersetzen. Syro-aramäische Begriffe finden sich aber nicht nur an diesen dunklen Stellen, sondern auch quer durch die bisher für eindeutig arabisch gehal­tenen Texte. Auch Konjunktionen, Partikel und Syntax sind oft nur aus dem Aramäischen zu erklären. Der aramäische Sinn ergibt sich oft – aber nicht nur – durch eine andere Setzung diakritischer Punkte, was zeigt, dass die späteren Plene-Schreiber nur noch arabisch verstanden, nicht aber die ur­sprüng­liche Sprache des Koran. Möglich waren diese Fehllesungen durch die Nähe der beiden semitischen Sprachen, bei denen aber dennoch ein und derselbe Wortstamm in der je anderen Sprache unterschiedliche Bedeu­tungen angenommen haben konnte.

Der Koran ist offensichtlich also in einer arabisch-syro-aramäischen Misch­­sprache oder in einem Arabisch, das durch syrische Wendungen oder auch Begriffe angereichert war, abgefasst, die die Schreiber und Redaktoren des Textes noch kannten – sie war wohl (auch) ihre („deutliche“) Umgangs­sprache -, die aber nach der vollzogenen Arabisierung mehr und mehr verdrängt wurde und in Vergessenheit geriet. Durch diese neue Übertragungsmöglichkeit Luxenbergs erschließen sich viele sinnvolle Zu­sam­men­hänge, und es wird deutlich, dass sich im Koran sehr viel mehr christliches Material findet, als bisher schon angenommen: Reste einer alten syrischen Liturgie[71], Schilderungen des christlichen Paradieses, bisher nicht erkannte Schriftzitate, Hymnen, christologische Bekenntnisformeln usf.

Vor allem wird deutlich, dass die bisherigen Koranübersetzungen, die ihre Vorlage als rein arabisch verstanden, in vielen Aspekten zu revidieren sind. Dies gilt natürlich auch für muslimische Leser des Koran, sofern sie des Arabischen mächtig sind.

Angestoßen durch diese neuen Einsichten wurde darüber hinaus auch deutlicher als bisher wahrgenommen, dass auch eine Reihe von Vor­stellungen, Rastern und Begriffen aus der persischen religiösen Tradition ­- meist durch Vermittlung ihrer Rezeption im syrischen Sprachraum ­ – auch in den Koran eingegangen sind;[72] zudem sind Spuren buddhistischer Motive zu erkennen.[73]

4.2.3 Der syro-aramäisch geschriebene Koran („Urkoran“)

Christoph Luxenberg hat in einem neueren Aufsatz zu Relikten syro-aramäischer Buchstaben in frühen Koranhandschriften seine Erkenntnisse zur Koransprache und -schrift noch erweitert, erweitert in die Vergangen­heit hinein.[74] Diese Untersuchungen führt er in seinem Beitrag in diesem Sammelband weiter. Bei der Analyse früher Koranfragmente ist ihm auf­gefallen, dass eine Reihe von arabischen Buchstabenzeichen so geschrie­ben sind, dass sie syro-aramäischen Schriftzeichen zum Verwechseln ähn­lich sind, dort aber einen anderen Konsonanten bezeichnen. Liest man sie in ihrer syrischen Bedeutung, ergeben manche bisher als arabische Zeichen aufgefasste und dann recht seltsame Wörter einen plausiblen Sinn.

Diese empirischen Untersuchungen machen deutlich, dass die Nieder­schrift des Koran in arabischen Schriftzeichen nicht aus einer mündlichen Tradition schöpft, sondern eine syro-aramäische schriftliche Vorlage hatte; denn nur auf diese Weise sind die Verschreibungen zu erklären.

Luxenberg verweist auf die Tradition in syro-aramäisch-sprachigen Kirchen des Vorderen Orients, die sowohl in liturgischen Texten wie in ‚umfangreicher christlich-arabischer Literatur‘ auch zum Schreiben des Arabischen eine syro-aramäische Schrift benutzten, was dort Garschuni bzw. Karschuni genannt wird. „Dass der Urkoran in dieser Schrift abgefasst war, macht der Befund der vorläufigen Analyse deutlich.“[75] Das bedeutet, dass große Teile des Koran eine Vorlage in arabisch-syro-aramäischer Mischsprache (oder: in arabischer Sprache mit starken syro-aramäischen Bestandteilen) hatte, die zunächst einmal in einer Art Garschuni-Schrift, also mit syro-aramäischen Schriftzeichen geschrieben und anhand dieses Textes in das (defektive) arabische Schriftsystem übertragen wurde.

Wenn es so ist, reichen der Korantext oder wenigstens größere Teile davon (wie lange?) in die Zeit vor ?Abd al-Malik zurück. Vieles spricht dafür, dass er diese Texte aus seiner Heimat kannte. Möglich ist, dass er sie mitbrachte, ebenso aber auch, dass sie schon weiter im mesopotamischen Raum verbreitet waren.

Offensichtlich kommt ?Abd al-Malik bei der Herstellung des schließlich (defektiv) in arabischen Schriftzeichen geschriebenen Koran – nur von diesem gibt es noch alte Handschriften – eine wichtige Rolle zu.[76] Sein Arabisierungsprojekt und die Etablierung eines arabisch-christlichen Groß­reichs scheinen der „Sitz im Leben“ für die Erstellung des arabisch geschrie­benen Koran zu sein, in welchem Umfang auch immer dieser Koran zu seinen Lebzeiten schon vorlag.

4.3  Der Koran als vorislamische Schrift

Der Koran ist, wie ausgeführt, im 9. Jahrhundert zur kanonischen Schrift des Islam geworden, obwohl er selbst, vor seiner Plene-Schreibung, nicht muslimisch war. Interessant ist, dass neuerdings sogar Angelika Neuwirth, Berlin, erklärt, der Koran sei vor seiner Verwendung als „Gründungstext der islamischen Religion“ ursprünglich „ein noch-nicht-muslimischer Text“ gewesen, „der sich an spätantike Hörer wendet, die Antworten auf Fragen suchen, die sie  mit Juden und Christen teilen.“[77] Eine (mehr als verbale) Bekeh­rung? A. Neuwirth umgeht die Frage, ob die spätantiken Hörer Fragen haben, die sie mit Juden und Christen „teilen“, weil sie eben Christen waren, syrische, also sehr stark vom Alten Testament her geprägte Christen.

Diese Einsicht scheint unabweisbar zu sein, wenn man den Koran liest, wie er ist, ohne eine Vorweginterpretation vom späteren Traditionellen Bericht und dem durch ihn bewirkten Prozess der Uminterpretation bei der Plene-Schreibung her. Für sich betrachtet, bietet er für diese neue Verwen­dung als Gründungsdokument des Islam keine Stütze; wenn man den Koran vom Anfangsmythos des Islam her liest, wird ihm eine Deutung über­gestülpt, die in ihm keine Grundlage hat. Dies soll an einigen wenigen Gesichtspunkten verdeutlicht werden.

4.3.1 Zur Theologie des Koran

Dem  Koran geht es offensichtlich theologisch darum, zentrale Aussagen einer „vornizenischen“ Sonderform des syrisch-persisch inkulturierten Chris­­­ten­­tums[78] einzuschärfen. Dazu gehören ein unitarischer Mono­theis­mus (gegen eine Binitäts-, an wenigen Stellen gegen eine Trinitätslehre)[79], eine heilsgeschichtliche Christologie (Jesus ist Messias, Prophet, Gesandter usf. gegen eine „physische“ Gottessohnschaft bzw. eine Zwei-Naturen-Lehre), der Schöpfungsglauben, die Eschatologie, die Bewährungsethik. Zur Begründung dieser Aussagen beruft er sich auf Thora und Evangelium, die richtig auszulegen er für sich beansprucht.

Diese Thesen werden oft – nicht immer – polemisch und in sektiererisch insistierendem Ton vorgetragen und richten sich wohl zunächst vor allem gegen die Entwicklung in der großsyrischen Kirche seit dem Konzil von Seleukia-Ktesiphon im Jahre 410 mit ihrer Anerkennung des Konzils von Nizäa (Lehre vom gleichwesentlichen Sohn Gottes und somit eine Binitätslehre), später auch weiterer „griechischer“ Konzilien.

Obwohl dieser Prozess durch das Weiterwirken des syrischen Denkens abgemildert und mit den Mitteln der „antiochenischen Theologie“ des 4. und 5. Jahrhunderts, vor allem mit Bezug auf die Schriften des Theodor von Mopsuestia (gest. 428) „bewältigt“ wurde, betraf die dadurch entstehende „Hellenisierung“ der syrischen Kirche zentrale Aussagen der koranischen Bewegung. Gelegentlich scheint allerdings auch die Theologie der griechi­schen Reichskirche oder der Monophysitismus der Ghassaniden angespro­chen zu sein.

Für sich betrachtet – und nicht von den späteren Anfangsmythen her – erscheint der Koran als ein Dokument, das die Auffassungen einer christ­lichen Sondergruppe wiedergibt. Diese ist natürlich auch von vielen weiteren Einflüssen geprägt, deren Spuren sich im Koran finden.

4.3.2 Die Rolle Jesu

Dies wird besonders deutlich in der Rolle des Messias Jesus, wie in der syrischen Theologie „Sohn der Maria“ genannt, im Koran. Auch in diesem für alles Christentum konstitutiven Aspekt, der Mittelpunktstellung Jesu Christi, bleibt der Koran durchweg in den christlichen Rahmenbe­dingungen. Zwar sieht der Koran ein Prophetentum von Adam und anderen her – durchaus in der Linie syrischer und syrisch-persischer Theologie -, Jesus aber ist der Prophet, Gesandte, Knecht Gottes, der zu Lobende, der Messias; er ist gestorben und auferstanden, er wird wiederkommen.

Im Koran hat der mit „du“ angeredete Namenlose oder auch Prophet wichtige Aufgaben, vor allem die Verkündigung eines schriftgemäßen Glaubens. Der Begriff mu?ammad wird nur viermal gebraucht. An drei Stellen ist mu?ammad mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht der Name eines arabischen Propheten, sondern ein Prädikat Jesu.[80] Nur einmal, in Sure 33,40, scheint der arabische Prophet Mohammed gemeint zu sein – so habe auch ich es bisher gesehen, weil unmittelbar vorher in den Vv. 37-39 von der Heirat mit der Frau seines Nennsohnes berichtet wird.[81] Wenn es sich so verhält, dann wäre in Sure 33,40 der Durchbruch zu einer neuen Religion zu sehen:

„Mohammed ist nicht der Vater von (irgend)einem eurer Männer (…). Er ist vielmehr der Gesandte Gottes und das Siegel der Propheten. …“

„Siegel der Propheten“ ist (spätestens) seit Tertullian (gest. nach 220) ein Titel Jesu[82], im Manichäismus eine Bezeichnung für Mani.[83] Der Titel besagt, dass in Jesus bzw. Mani oder Mohammed die Prophetie ihren Höhepunkt und Abschluss gefunden hat.

In diesem Fall wäre Sure 33,40 insofern eine Ausnahme, als der ansonsten nicht vorkommende Mohammed bei seiner ersten Erwähnung und in einem einzigen kleinen Satz eine Jesus überbietende Rolle zugewiesen würde. Vieles spricht also auch dafür, diese Passage für eine spätere Interpolation zu halten, die ja die Entstehung einer neuen Religion voraussetzte. Möglich wäre aber auch, dass Vers 40, vielleicht auch die nachfolgenden Vv. 41-43, Einzellogien waren, die bei der Sammlung des Koran mehr zufällig an diese Stelle geraten sind. Dann müssten sie auf Jesus bezogen werden, der auch sonst im Koran der ras?l all?h ist, und sie fügten sich dann zu den sonstigen Aussagen zur Bedeutung Jesu.

4.3.3 Der Koran als Schrifterklärung

Der Koran versteht sich als Kommentar, Bekräftigung und Auslegung der Schrift, also, wie er gelegentlich auch sagt, von Thora und Evangelium, somit – wenn man diese Sprachregelung akzeptieren will – als deutero­kanonisch. Sowohl seine Gesamtbezeichnung als Koran wie die „Rahmen­begriffe“ Sure und ?ya (Vers) oder die vielen Suren vorangestellten „geheim­nis­vollen Buchstaben“ verweisen auf seine Nähe zur syrisch-christlichen Tradition und ihren Umgang und liturgischen Gebrauch heiliger Schriften.[84]

Explizit führt der Koran an einer Reihe von Stellen aus, dass er „nur“ die Schrift bestätigen und richtig auslegen will. Sure 5,68 fordert:

„Sag: Ihr Leute der Schrift! Ihr entbehrt (…) der Grundlage, solange ihr nicht die Thora und das Evangelium, und was (…) von eurem Herrn (…) zu euch herabgesandt worden ist, haltet.“[85]

Ähnliche Forderungen werden auch an anderen Stellen erhoben (vgl. z.B. S. 4,47; 4,136; 5,66; 9,111 usf.). Alle diese Aussagen finden sich den sogenann­ten medinischen Suren[86]; wahrscheinlich spiegeln sich in einer späteren Phase der koranischen Tradition schon eher theologische Diskussionen, die solche Sätze hervorgerufen haben.

In dieser späteren koranischen Entwicklung wird auch zunehmend der Koran selbst als wichtiges Buch genannt, das die richtige Schrifterklärung bietet. Sure 3, 3.4 heißt es:

„3 Er hat die Schrift mit der Wahrheit auf dich herabgesandt als Bestätigung dessen, was (…) vor dir da war. Er hat auch die Thora und das Evangelium herabgesandt, 4 (…) früher als Rechtleitung für die Menschen.“

Hier ist mit „Schrift“ wohl der Koran gemeint; er soll das, was in Thora und Evangelium steht, bestätigen (ähnlich S. 2,89; 4,136; 5,46.48).

Wenn der Koran, wie in Sure 3,3, „Schrift“ genannt wird, rückt er damit in die Nähe von Thora und Evangelium, wenn er diese auch „nur“ bestäti­gen soll. Auch Sure 15,1 parallelisiert „die Verse (…) der Schrift und eines deut­lichen Koran“, ebenso Sure 9,111, wo Thora, Evangelium und Koran nebeneinander genannt werden. Dies bedeutet, dass die richtige Schrift­erklärung im Koran, nachdem er vielleicht schon in größeren Teilen vorlag, selbst einen Zuwachs an Schriftcharakter und Kanonizität gewann.

Die große Bedeutung eines richtigen Schriftverständnisses erklärt z.B. Sure 3,19.20:

„Als (…) Religion gilt bei Gott der Islam. Und diejenigen, die die Schrift erhalten haben, wurden – in gegenseitiger Auflehnung – erst uneins, nachdem das Wissen zu ihnen gekommen war … 20 Und wenn sie (…) mit dir (…) streiten, dann sag: … Wollt ihr jetzt den Islam annehmen?“

Passagen wie diese werden meist als Hinweis auf eine neue Religion, den Islam, verstanden. D?n aber kann nicht, wie schon ausgeführt, mit „Religion“ übersetzt werden, und isl?m bedeutet „Übereinstimmung mit der Schrift“. Hier wird – wohl Christen – vorgeworfen, in Streit über den Inhalt der Schrift geraten zu sein (was ja auch der Realität entspricht), sobald „das Wissen“ zu ihnen kam, also die Offenbarung als Wissen. Offensichtlich haben sich manche dieser Interpretationen von der Schrift entfernt (wie der Koran z.B. in Bezug auf die Gottessohnschaft Jesu oder auf die Trinität aussagt). Als „rechte Glaubenshaltung“, „das Rechte, Wahre“ (d?n) wird die Übereinstimmung mit der Schrift (isl?m) eingefordert. Die koranische Bewegung war überzeugt, selbst schriftgemäß zu sein – gegenüber anderen Schriftbesitzern – und dies im Koran zu dokumentieren. Und zwar in deutlicher „arabischer“ Sprache (S. 16,103; vgl. 15,1), wie schon vorher die syrische Bibelübersetzung als „die einfache“ (Peschitta) bezeichnet wurde.

Diese Bezogenheit des Koran auf die Schrift wurde später, nach Etablierung des Islam und des Koran als „Gründungsdokument“, außer Acht gelassen; die These von seiner „Unnachahmlichkeit“ hat verhindert, seine von ihm selbst angegebene Funktion als richtige Schrifterklärung wahrzunehmen.

Schon lange ist bekannt, und es gibt hierzu detaillierte Untersuchungen, dass sich im Koran viel alt- und neutestamentliches sowie biblisch-apokryhes Material findet. Wichtig aber sind neuere Untersuchungen, die an Korantexte wirklich einmal mit exakteren exegetischen Methoden heran­gehen, was die Islamwissenschaft bisher versäumt hat, und die tiefe Verwoben­heit mit dieser Tradition aufzeigen.

Nur ein kleiner Hinweis auf einige Beispiele: So analysiert Bertram Schmitz die Sure 2 „al-Baqara – die Kuh“.[87] Der Verfasser denkt gänzlich vom Traditionellen Bericht her und meint, dass „diese Sure … auch einen Einblick in den Entstehungsprozess des Islams als eigenständige Religion“ gebe und „am Ende dieser Sure eine neue, absolute Religion vorliege“.[88] Aber er erklärt auch, dass dem Koran „die Vorstellungswelt der biblischen Religionen im Übergang vom 6. zum 7. Jahrhundert“ zugrunde liege, „d.h. die Begriffe sind gemäß dem talmudischen Judentum bzw. dem damaligen Christentum vorauszusetzen.“[89]

In der Einzelexegese zeigt er dann aber auf, dass so gut wie jeder Vers der Sure 2 biblische Bezüge und Assoziationen hat und sich ihrer bedient; schon auf den ersten Seiten verweist er auf die Bücher Genesis, Exodus, die Psalmen, Jesaja, Maleachi, Ijob, auf das Matthäus- und das Johannes­evangelium, auf die Apostelgeschichte, den Römerbrief – diese alle werden schon in den ersten Versen der Sure 2 benutzt. Und bei den weiteren Versen der Sure 2 geht es so fort. Bertram Schmitz weist nach, dass diese Sure gänzlich biblische Rede heranzieht und sich mit ihr auseinander setzt. Er begründet seine einleitende These jedenfalls nicht in der Einzelexegese, die etwas ganz anderes nahe legt.

Exegetisch noch differenzierter sind die Arbeiten von Frank van der Velden, obwohl auch er von der Mohammed’schen Herkunft des Koran ausgeht. In einem Aufsatz untersucht er „Stufen der Textentwicklung von Sure 3,33-64″ unter dem Titel „Konvergenztexte syrischer und arabischer Christologie.“[90] Auch er weist auf die Fülle der biblischen Bezüge hin und folgert:

„Insbesondere die fachlich-versierte Zusammenfügung der neu- und alttestamentlichen Bezüge zu einem Ganzen im Sinne der Verkündigung des Messiasanspruchs Jesu Christi ist außerhalb der Verfasserschaft durch christliche Theologen schwer vorstellbar.“[91]

Für die von ihm untersuchten Texte weicht er also von seiner Voraus­setzung einer Verfasserschaft Mohammeds ab. Oder er schreibt:

„Die Verfasser verfügten über intime Kenntnisse einer messia­nischen Christo­logie, die sich am lukanischen Doppelwerk und zahlreichen alttestament­lichen Bezügen festmacht. Weiterhin war ihnen die syrische Väterexegese (Ephrem) methodisch (heilsge­schicht­liche Typologien und midraschartiger Predigtstil, Textprag­ma­tik einer Homilie) und textlich (kanonische Texte und Apokryphen) vertraut.“[92]

Zu ähnlichen Schlüssen kommt F. van der Velden in einem anderen Beitrag „Kontexte im Konvergenzstrang – die Bedeutung textkritischer Varianten und christlicher Bezugstexte für die Redaktion von Sure 61 und Sure 5,110-119″, der m.W. noch nicht veröffentlicht ist.

Diese Beispiele mögen genügen. Deutlich wird: Je präziser und detail­reicher eine Koranexegese vorgeht, umso klarer tritt die tief reichende Prägung des Koran durch die Bibel und ihre Apokryphen sowie die ost­syrische Theologie hervor. Was der Koran zum Programm erhebt, nämlich Thora und Evangelium zu bestätigen und richtig auszulegen, führt er im Text im Einzelnen durch. Dies bedeutet natürlich auch umgekehrt: Ohne die Bibel und die ostsyrische Tradition ist der Koran nicht zu verstehen. Man sollte sich an das von ihm in Sure 5,68 formulierte Programm halten: „Ihr entbehrt (…) der Grundlage, solange ihr nicht die Thora und das Evangelium, und was (…) von eurem Herrn (…) zu euch herabgesandt worden ist, haltet“ (in diesem Zusammenhang besser: „beachtet“).

Der Koran besitzt also einen strengen Bezug auf Altes und Neues Testament sowie weiteres biblisches Material, das er offensichtlich auch, wie z.B. die „ersten Blätter der Offenbarung“ oder das Jakobus- oder Thomas­evangelium, als „herabgesandt“ ansah; in der syrischen Christenheit waren offensichtlich die Kanongrenzen nicht so definitiv festgelegt wie in der byzantinischen und lateinischen Kirche, die beide sehr feste Amtsstrukturen kannten. Aber es wird deutlich, dass die koranische Schriftauslegung – für die eigene Gruppe – immer wichtiger wurde und schon, selbst innerhalb des Koran, in ihrem Rang in Parallele zu Thora und Evangelium angesiedelt wurde.

Es war schon immer eine Gefahr für das Christentum und auch für theo­logisch oder konfessionell stark geprägte Bewegungen in ihm, mit der rechten Interpretation, die man zu haben glaubte, die kanonische Geltung der Schrift zu überlagern: Die Glaubensbekenntnisse von Nizäa (325) oder des Ersten Konzils von Konstantinopel (381) konnten leicht zur primären Richtschnur, dann auch der Schriftinterpretation, werden, in ähnlicher Weise z.B. die protestantischen Bekenntnisschriften oder die Beschlüsse des Konzils von Trient. Solange diese faktische Überordnung aber nicht formalisiert wird, bleibt es – wenigstens prinzipiell – bei der christlich-gemeinsamen Basis. Im Koran selbst wird der Schritt zur Formalisierung der eigenen Superiorität nicht gegangen, insofern bleibt er in der Spielbreite christlicher Möglichkeiten. Aber er bietet mit der zunehmenden Nebeneinanderordnung von Thora, Evangelium und Koran die Möglichkeit, unter neuen Bedingungen, wie sie sich gegen Ende des 8. Jahrhunderts allmählich bildeten, die Linien weiter auszuziehen.

4.3.4 Eine neue Religion?

Dass im Koran von einer neuen Religion, dem Islam, die Rede sei, wird immer wieder behauptet und dafür eine Reihe von Zitaten angeführt. Dabei ist aber zu beachten, dass d?n eben nicht „Religion“ (im heutigen Sinn) meint, sondern „das Rechte, Wahre“, je nach Kontext in Bezug auf die Glaubensauffassung, die Gesinnung, den Weg, die religiöse Gemeinschaft und ihre Ordnung usf. bedeuten kann.

In Summe lässt sich unter Berücksichtigung aller Stellen, die hier nicht im Einzelnen diskutiert werden können (z.B. S. 5,3; 9,33; 10, 106; 48,28; 61,9 usf.), resümieren, dass die Koranleute eben von der Richtigkeit und Vorzüg­lichkeit und Schriftgemäßheit (isl?m, vgl. z.B. S. 3, 19.85) ihrer Bewegung, ihres Glaubens und ihrer Gemeinschaft überzeugt waren. Wenn sie ihr Konzept anderen Varianten von Christentum, den Juden oder sonstigen religiösen Bewegungen als den wahren d?n entgegensetzten, ist damit durchgängig nicht mehr gesagt als konfessionalistische Katholiken, Luthe­raner, Reformierte oder sonstige christliche Freikirchen und Sekten von sich im Unterschied zu den anderen behaupten.

Ein Problem scheint auch zu sein, dass Koranübersetzungen in euro­päische Sprachen von den Vorstellungen bestimmt sind, die die Übersetzer auf Grund ihrer eigenen Geschichte mitbringen (z.B. auch d?n als „Religion“); zudem arbeiten sie mit Rückgriff auf die Erklärungen a?-?abar?s, die zu einer Zeit entstanden sind, als der Islam nun wirklich eine neue Religion im heutigen Sinn geworden war. Deswegen kommt oft das, was der Korantext ursprünglich aussagt, nicht zum Tragen.

Ein Beispiel soll Sure 109 sein, von R. Paret folgendermaßen übersetzt:

„1 Sag: Ihr Ungläubigen! 2 Ich verehre nicht, was ihr verehrt (w. Ich diene nicht dem, dem ihr dient; dem entsprechend in den folgenden Versen), 3 und ihr verehrt nicht, was ich verehre. 4 Und ich verehre nicht, was ihr (bisher immer) verehrt habt, 5 und ihr verehrt nicht, was ich verehre. 6 ihr habt eure Religion, und ich die meine.“

Das klingt nach einem klaren Bekenntnis zu einer eigenen, vom Christentum getrennten Religion, und das in einer frühen „mekkanischen“ Sure!

Gerd-R. Puin hat in einem Vortrag an der Universität Notre Dame, USA, über das Alif in der Koranschreibung festgestellt – was hier nur verkürzt wiedergegeben werden kann:[93] In vielen semitischen Sprachen sind die beiden Partikel für die Verneinung (l?) und die positive Bekräftigung (la-) in ihrer schriftlichen Wiedergabe nicht zu unterscheiden und müssen aus dem Kontext erschlossen werden. Im Arabischen wird diese Unter­scheidung grundsätzlich gemacht, doch kennt der Koran auch eine ortho­epische Schreibung, bei der die Bekräftigungspartikel vor einem folgenden Wort gelängt (also mit Alif geschrieben) wird, wenn dieses mit einem Hiatus (Öffnung der Glottis) beginnt. In Sure 109 ist dies stets der Fall, so dass mit gleichem Recht sowohl die Verneinung („Ich diene nicht …“) als auch die Bekräftigung („Ich diene doch …“) verstanden werden kann – ganz nach dem, was man als den Kontext der Passage ansieht.

Positiv gelesen lautet die Sure demnach:

„Ich diene ja doch eben dem, dem ihr dient, und ihr dient doch dem, dem (auch) ich diene. Und ich diene dem, dem (auch) ihr (bisher immer) gedient habt …“

So übertragen, besagt Sure 109 genau das Gegenteil von dem, was bisher aus ihr herausgelesen wurde: Betont wird die grundsätzliche Gemeinsamkeit des Kultes. Vers 6 fügt dann hinzu: „Ihr habt (aber) euren d?n, und ich den meinen.“ D?n aber heißt in diesem Fall soviel wie „Weg“, „Glaubens­richtung“ o.ä.  Der Sprecher betont also neben der grundsätzlichen Gemein­samkeit oder sogar der Identität das Recht auf einen besonderen Weg der eigenen Gruppe – so etwa im Sinne einer heutigen christlichen Konfession, die ihre eigene Ausrichtung besitzt[94].

Zu Gunsten einer solchen Interpretation lassen sich, so Puin, noch andere Verse des Koran deuten, die von Muslimen bisher nur ganz vereinzelt (z.B. von Muhammad Asad) im Sinne einer interreligiösen Toleranz herangezogen wurden (im Folgenden immer in der Übersetzung von Rudi Paret). Sure 5,48:

„… Für jeden von euch (die ihr verschiedenen Bekenntnissen angehört) haben wir ein (eigenes) Brauchtum (?) und einen (eigenen) Weg bestimmt. Und wenn Allah gewollt hätte, hätte Er euch zu einer einzigen Gemeinschaft gemacht. Aber er (teilte euch in verschiedene Gemeinschaften auf und) wollte euch (so) in dem was er euch (d.h. jeder Gruppe von euch) (von der Offenbarung) gegeben hat, auf die Probe stellen. Wetteifert nun nach den guten Dingen! Zu Gott werdet ihr (dereinst) allesamt zurückkehren. Und dann wird er euch Kunde geben über das, worüber ihr (im Diesseits) uneins waret.“

Oder: Sure 2,148:

„Jeder hat eine Richtung, auf die er eingestellt ist (je nachdem, ob er Jude, Christ oder Muslim ist). Wetteifert nun nach den guten Dingen! Wo immer ihr sein werdet (wenn das Ende über euch kommt), Gott wird euch (am jüngsten Tag) allesamt beibringen. Er hat zu allem die Macht.“

Oder: Sure 21,92-94:

„(92) ‚… Dies ist eure Gemeinschaft. Es ist eine einzige Gemein­schaft. Und ich bin euer Herr. Dienet mir!‘ (Angesprochen sind vermutlich die Zeitgenossen Jesu) (93) Aber sie fielen in verschie­dene Gruppen auseinander (w. sie zerteilten sich in ihrer Angelegen­heit untereinander). (Doch) alle kehren (dereinst) zu uns zurück. (94) Und wenn einer handelt, wie es recht ist, und dabei gläubig ist, wird er mit seinem Eifer (dereinst bei Gott) nicht Undank ernten. Wir schreiben ihm (alles) gut.“

Oder: Sure 23,52-61:

„’… Und dies ist eure Gemeinschaft. Es ist eine einzige Gemein­schaft. Und ich bin euer Herr. Mich allein sollt ihr fürchten.‘ (53) Und sie fielen in verschiedene Gruppen auseinander mit (verschie­denen) Büchern, wobei jede Gruppe sich (nunmehr in kurzsichtiger Weise) über das freut, was sie (als eigene Lehrmeinung) bei sich hat. (54) Lass sie (d.h. die Ungläubigen) (nur machen! Sie mögen) noch eine Zeitlang in ihrem Abgrund (der Verblendung und Selbst­gefällig­keit verharren!) (55) … (61) die sind es, die (im Streben) nach den guten Dingen wetteifern und (den anderen) darin zuvor­kommen. …“

Sehr polemisch ist dagegen Sure 19, 104-106, formuliert, die sich aber anscheinend gegen Polytheisten wendet und für unsere Fragestellung beiseite gelassen werden kann. Solange aber die Rolle Jesu und der Bezug zu Altem und Neuem Testament bleiben, bewegen sich alle Gruppen innerhalb der Spielbreite des Christlichen. Immerhin finden sich im Koran noch weitere recht versöhnliche Aussagen zu anderen Schriftbesitzern, also zu Juden, Christen, Sabiern (vgl. z.B. S. 2,62; 3,113.199; 5,69; 22,17) und auch speziell zu den (anderen) Christen (z.B. S. 57,27).

Anzumerken ist allerdings, dass sich im Koran eine Reihe von Aussagen recht unversöhnlicher und auch grausamer Art finden, die nicht einfach in den Rahmen des Christentums passen. Diese Passagen müssen erst noch genauer daraufhin untersucht werden, ob ihre traditionelle Lesung wirklich zutreffend ist. Ebenso müsste über die Möglichkeit nachgedacht werden, ob solche Passagen nicht später im Verlauf der Kopiervorgänge aus anderen Traditionen in den Koran eingeflossen sind. Jedenfalls scheinen sie die grundlegend christliche Struktur des Koran nicht aufheben zu können.

4.4  Literarische und religionsgeschichtliche Quellen des Koran

Die quantitativ recht umfangreiche Wiedergabe biblischer Erzählungen sowie die sprachliche und theologische Anlehnung oder Interpretation biblischer Texte und biblischer Apokryphen ist bekannt und nicht mehr umstritten. Wie ausgeführt, zeigen neuere exegetische Untersuchungen aber detailliert, wie tief reichend koranische Aussagen mit den biblischen Texten verwoben sind. Aber es gibt auch auf diesem Gebiet noch neue Ent­deckungen, wie z.B. die Identifizierung der „ersten (Buch)Blätter, die (Buch)Blätter Abrahams und Mose“ im Koran (S. 87,18.19) als das „Testament Abrahams“, die „Apokalypse Abrahams“ und das „Testament des Mose“ durch Geneviève Gobillot.[95].

G. Gobillot konnte weitere literarische Einflüsse der spätantiken Literatur auf koranische Texte und Gedankengänge aufzeigen: Das neuplatonisch-gnostische Corpus Hermeticum und der Neuplatoniker Porphyrios (gest. um 305) waren den Schreibern des Koran bekannt und wurden verwendet[96], zudem die Institutiones des Laktanz (gest. nach 317)[97], Lehrer des Konstantinsohnes Crispus; in dem vorliegenden Sammelband weist sie die Nutzung der Pseudo-Klementinen und, in einem Beitrag, der im kommenden Jahr veröffentlicht wird, des Alexanderromans[98], des Akhikar und weiterer Beispiele nach.[99] Volker Popp hat Bezüge zu Tertullian aufgezeigt.[100] Da diese Art der Untersuchungen erst in jüngster Zeit ernsthaft begonnen wurde, werden wohl in Zukunft noch weitere literarische Quellen festgestellt werden.

Darüber hinaus lassen sich im Koran sehr viele Bezüge zu den damaligen religiösen, vor allem gnostischen Richtungen feststellen. Diese betreffen eine Fülle von Material und Motiven, wie sie damals seit Jahr­hunderten im Vorderen und Mittleren Orient verbreitet waren, die hier nicht alle genannt werden können. Dabei ist aber auffällig, dass diese Über­nahmen zwar in einigen Fällen zu Veränderungen der aus der biblischen Tradi­tion stammenden Raster führten – so z.B. für die Vorstellung des Propheten[101] oder zu Varianten der biblischen Schöpfungserzählungen.[102] Aber in den meisten Fällen führt die Rezeption von Bildvorstellungen oder Topoi nicht dazu, die Theologie des Koran grundsätzlich zu verändern, etwa bei der Verwendung von gnostischen Motiven hin zu einem dualis­tischen Denken (die eigentliche und gute Realität ist das Geistige, das Materielle ist minderwertig und böse). Meist werden die Bildvorstellungen oder Motive mehr positivistisch ins Spiel gebracht, ohne – wenn man so will – stärkere theologische „Nebenwirkungen“.

Der Grund hierfür ist wohl in dem Umstand zu sehen, dass z.Zt. der Entstehung der koranischen Sprüche die gnostischen Richtungen nicht mehr, wie etwa noch vom 2. bis zum 4., ein wenig auch noch im 5. Jahr­hundert, eine ernsthafte Bedrohung für das Christentum waren. Dieses hatte vielmehr die Gnosis prinzipiell „überwunden“ bzw. in sich aufgesogen und konnte zur (christlichen) Tagesordnung übergehen. Der Preis hierfür war allerdings, dass nicht wenige gnostische Raster, Motive und Bildvor­stellungen – von ihrem ursprünglichen tief reichenden Dualismus befreit – in den christlichen Gemeinden und ihrer Theologie weiterlebten. Es scheint so, dass der Koran in dieser Situation entstanden ist, in der eine ideo­logische Auseinandersetzung mit der Gnosis nicht mehr notwendig war. Hierzu einige Beispiele:

– Wenn z.B. in Sure 4,157, ein doketisches Motiv aufgegriffen wird (zu Tod und Kreuzigung: „es erschien ihnen ähnlich“), weil es so schön erklären konnte, dass Jesus ja in Wirklichkeit zu Gott erhöht wurde und lebt und sein Tod und seine Kreuzigung nicht die letzten Aussagen über ihn sind, so werden doch keine der mit dem Doketismus verbundenen dualistischen Raster aufgegriffen.[103]

– So scheint es auch zu sein bei der koranischen Aussage, dass Gott nach der Erschaffung des Menschen die Engel aufforderte, vor Adam niederzufallen, was einer, Iblis, verweigerte (S. 38,71-78). Dieses Motiv mag vielfach im Orient verbreitet gewesen sein. Möglicherweise ist es aus ähnlichen Erzählungen in der rechten Ginza der Mandäer übernommen worden. Dort heißt es: „Adam und Eva wurden gebildet. … Die Engel des Feuers kamen und wurden vor Adam dienstbar; sie kamen und fielen vor ihm nieder und veränderten seine Worte nicht.“[104] Weiterhin: „Der hohe Lichtkönig sprach: ‚Von den Engeln des Feuers sollen einige vor Adam Dienst tun; sie sollen kommen und sich vor ihm nieder­werfen und sollen seine Rede nicht verändern.‘ Einer ist es, der Böse, aus dem die Bosheit gebildet wurde, der vom Wort seines Herrn abwich, und sein Herr fesselte ihn mit einer Fessel.“[105] Sollte dieses Bildmotiv aus der mandäischen Ginza in den Koran aufgenommen worden sein – immerhin erklärt Iblis seine Ableh­nung der Verehrung Adams damit, dass er selbst „aus Feuer“ geschaffen ist (S. 38,76) -, so führt dies aber nicht zur Annahme der dort verbreiteten dualistischen Kämpfe und Raster im Zusammenhang mit der Schöpfung.

– Ähnliches gilt für Sure 5 „Der Tisch“, die in den Vv. 112-115 von einem rätselhaften Tisch spricht, den Jesus sogar in einem Gebet vom Himmel herab zu senden bittet. Nach Jan M.F. Van Reeth handelt es sich um ein Motiv aus dem manichäischen Bema-Fest, auch im Koran mit eucharistischen und eschatologischen An­klängen wiedergegeben[106], und auch sonstwo finden sich Anklänge aus Manichäismus oder allgemeiner: aus der Gnosis, ohne dass der Dualismus Auswirkungen zeigt.

– In Sure 53, 1-18 werden drei Visionen geschildert, in denen sich Gott bzw. ein machtvoller Gesandter „eurem Landsmann“ (S. 53,2) oder dem „Knecht“ (Gottes, S. 53,10) zeigt, in der ersten und dritten Vision oben „am Horizont“ (S. 53,5.23), in der zweiten „beim Zizyphusbaum“ (S.53,13.16). Christoph Luxenberg hält die Lesung „Zizyphusbaum“ für falsch und schlägt die Bedeutung „Vorhang“ vor.[107]

Der „Vorhang“ aber ist ein Motiv aus gnostischen Traditionen, das die Scheide zwischen dieser und der göttlichen Welt symbolisiert. In der mandäischen Rechten Ginza wird der Vorhang zweimal erwähnt:

(1) (Vorher schafft der Demiurg Ptahil, eine Emanation aus dem guten Gott, der sich aber freventlich der Welt der Finsternis zuwendet, die Welt [eine Mischung aus geistiger und materieller Welt, gut und böse]) „Es entstand Trockenes, / und eine Verdichtung verdichtete sich und fiel ins Wasser. / Ein Vorhang erhob sich / stieg auf und stellte sich am Herzen des Himmels auf. / …“[108]

(2) „Als Ptahil dies sagte, / wurde ihm das Haus weggenommen. / Weggenommen wurde ihm das Haus / und man setzte ihn in eine große Fessel. / Man fesselte ihn mit einer Fessel, / bis daß der Tibil vergeht. / Denn er veränderte die Rede seiner Väter / und hielt nicht an der Rede seiner Väter fest. / Er tat, was sein Vater ihm nicht befohlen, / deshalb setzte man ihn in schwere Bande. / Ein Vorhang fiel herab / zwischen ihn und seinen Vater Abathur . …/ Man (oder: Es, das Leben) sandte Hibil-Ziwa, / um diese Welt in Ordnung zu bringen, / die Werke in Ordnung zu bringen, / die Ptahil hervorgerufen und nicht zu Ende geführt hatte. …“[109]

Versteht man in S. 53,13.16 „Vorhang“, fügt sich diese Vorstellung zu den beiden anderen Aussagen vom „Horizont“. Wenn das Bild aus der Gnosis übernommen ist, scheinen doch die damit symbolisierten dualistischen Implikationen im Koran keine Rolle zu spielen.[110]

Offensichtlich spricht der Koran Hörer an, die in diesen lebendigen Traditionen standen. Er greift ihre Vorstellungen auf und entfaltet auf diesem Hintergrund das, was zu sagen er sich verpflichtet sieht; er reagiert auf aktiv vertretene Positionen. Ihn ohne Rekurs auf diese Vorgaben auslegen und verstehen zu können, ist unmöglich. Wenn diese Mühsal des religions- und literaturgeschichtlichen Nachforschens nicht geleistet wird, wird der Koran zur bloßen Projektionsfläche eigener Vorstellungen – seien sie muslimischer oder westlich-„wissenschaftlicher“ Art. Er selbst versinkt dann im Dunkel – das Gegenteil seiner postulierten kanonischen Geltung.

4.5  Das „Emergenzterrain“ (Geneviève Gobillot) des Koran

4.5.1 Die Hinweise auf Merw

Erst auf dem Hintergrund von Sprache und Theologie des Koran sowie seiner literarischen und religionsgeschichtlichen Bezüge kann darüber dis­ku­tiert werden, wo und wann er entstanden ist; denn man muss bedenken, „dass jeder heilige Text, unbeschadet seiner universellen Botschaft, durch sein Ursprungsmilieu bestimmt ist“.[111] Dieses müsste sich dann auch anhand des Textes erschließen lassen.

Dieses kulturell, räumlich und zeitlich, wenigstens prinzipiell, umgrenz­bare Feld, in dem der Koran entstanden sein kann, nennt G. Gobillot das „Ermergenzterrain des Korantextes.“[112] Sie fragt: „Ist es möglich, ein Milieu zu umgrenzen, innerhalb dessen die Gesamtheit der Referenzen (d.h. der von ihr festgestellten literarischen Bezüge, Verf.) in Umlauf gewesen sein könnte …?“[113]

Diese Frage ist, negativ, mit Sicherheit zu beantworten: Die koranischen Sprüche können nicht auf der Arabischen Halbinsel, genauer: in Mekka und Medina, entstanden sein. Dagegen sprechen so gut wie alle Eigentümlich­keiten der Texte, gänzlich eindeutig aber die zahlreichen literarischen und religionsgeschichtlichen Hintergründe. Wie soll in einer Stadt wie Mekka, selbst wenn sie – was nicht zutrifft – so prächtig gesehen wird, wie der Traditionelle Bericht sie schildert, diese Fülle von Literatur dort verbreitet gewesen sein? Wie soll diese dort so bekannt gewesen sein, wie der Koran es bei seinen Hörern voraussetzt, indem er auf ihre Vorstellungen antwortet? Wie soll ein Prophet, der angeblich des Schreibens unkundig war, alle diese vielfältigen Traditionen gekannt und mit ihnen umgehen gekonnt haben? Wie soll ein Prophet bei seinen umtriebigen Beschäftigungen in Medina und der dortigen relativ undifferenzierten Kultur die Möglichkeiten besessen und auch einen Anlass dafür gesehen haben, solche Sprüche zu formulieren und mit ihnen rezipiert zu werden? Was ihn und die Leute dort möglicherweise interessiert hätte, kann man in der S?ra nachlesen.

Scheiden also Arabien und ein dort lebender Prophet aus, ist dennoch eine positive Antwort auf die Frage nach dem Emergenzterrain nur tastend und unter Vorbehalten zu geben. Mit Gewissheit lässt sich zwar die These vertreten, dass der Koran im ostsyrischen Raum seine Ursprünge hat. Hierfür sprechen die ostsyrische „dialektale“ Prägung der Koransprache, wie Christoph Luxenberg aufgezeigt hat, sowie die Theologie des Koran und die zahlreichen Begriffe, Motive und Raster aus der persischen Tradition.

Für diese Groblokalisierung sprechen viele weitere Einzelheiten, von der Erwähnung von Pflanzen, Früchten und Gärten bis hin zu der durch­gängi­gen Bezeichnung der Christen als na??r? im Koran (Nazarener, Naso­räer?[114]). In einer Inschrift des zoroastrischen Priesters Kartir (letztes Viertel des 3. Jahrhunderts n.Chr.) wird „unter den damals im westiranischen Bereich ansässigen Christen … zwischen griechisch-sprechenden (krestyane) und syrisch-sprechenden (nasraye) Gemeinden“ unterschieden.[115] Diese (Selbst-?) Bezeichnung der syrischen Christen als nasraye, im Koran na??r?, im Unterschied zu den griechischen Christen (krestyane, von griechisch christianoi), scheint im Umfeld des Koran die vorherrschende Namens­gebung gewesen zu sein. Griechisch und syrisch sprechenden Gemeinden wurde auf der Synode von 410 in Seleukia-Ktesiphon zu einer großen ost­syrischen Kirche vereinigt, so dass es z.Zt. der Entstehung des Koran, vor allem im Osten, wohl vorwiegend das Christentum der na??r? gab.

Aber dieser Raum „Ostiran“ ist recht groß. Er reicht bis in die östlichen Regionen des Perserreichs, von der Persis im Süden bis in Gebiete des heuti­gen Afghanistan und Turkmenistan im Norden (und nach Indien sowie, über die Seidenstraße, nach China hinein). Weil es in der Sassanidenzeit immer wieder Deportationen westsyrischer und mesopotamisch-syrischer Bevölkerung in den Osten gegeben hatte[116] – „Zehn- oder Hunderttausende von Christen aus Syrien, Kilikien und Kappadokien (allein, Verf.) unter Sâbur I.“[117] -, die, soweit sie christlich war, eine vornizenische Theologie[118] vertrat, war diese Grundlage des koranischen Denkens in einer Reihe von Gebieten verbreitet. Dies wird auch deutlich in ostiranischen Münzprä­gungen mit dem ?abd-all?h-Titel für Jesus, im Gegensatz zu seiner Bezeichnung als Gottessohn, seit dem Jahr 41 nach den Arabern (663 n.Chr.).[119] Lässt sich hier eine spezifischere regionale Zuordnung ausmachen?

Betrachtet man über die vornizenische Theologie hinaus im Koran die Fülle der literarischen Verweise und das offenkundige Nebeneinander ver­schie­denster religiöser Richtungen, kommen auf keinen Fall dünn besiedelte oder nomadisch genutzte Landstriche, sondern nur dynamische Ballungs­räume in Frage. Welcher dicht besiedelte Raum könnte die Heimat für die koranischen Anfänge sein, zu deren erkennbaren Spezifika neben dem vornizenischen Konzept die Bezeichnung Jesu (auch) als mu?ammad gehörte? Dieser Hoheitstitel Jesu ist ansonsten im Christentum eher selten, vom Sanctus der Messe einmal abgesehen[120], verwendet worden. Zwar kennt der Koran ein breiteres Spektrum an Hoheitstiteln Jesu, aber immer­hin wird mu?ammad viermal erwähnt. Die Frage nach der Herkunft des Koran lässt sich nicht durch Spekulation entscheiden, sondern nur durch Spuren, die noch irgendwie nachweisbar sind. Was aber haben wir an solchen tatsächlichen Hinweisen, die eine konkretere Annäherung möglich machen?

Zunächst einmal ist festzustellen, dass die koranische Bewegung und auch das Spezifikum der mu?ammad-Christologie in einem Zusammen­hang mit ?Abd al-Malik zu sehen ist; dies bezeugen seine Münzprägungen, die Inschrift im Felsendom in Jerusalem und die Anfänge der Schreibung koranischer Texte in arabischer Schrift. ?Abd al-Malik aber ist nach dem Zeugnis einer Münze aus dem Jahre 75 (696 n.Chr.) ein Marw-?n[121], was nicht, wie es in der späteren islamischen Tradition im Sinne eines ethnologischen und genealogischen Denkens verstanden wurde, bedeutet, dass er ein Marw?nide war, also der Sippe eines Marw?n zugehört, passenderweise mit mekkanischer Abstammung. Sondern er war einer der Leute aus Merw (Marw, Merv, Marv), im heutigen Südturkmenistan gele­gen; denn die Endung –?n ist persisch zu verstehen und bedeutet „Leute von …“, oder „aus …“.[122]

Eine weitere Beobachtung, die auf nachprüfbaren Zeugnissen beruht, kommt hinzu: Im Zusammenhang mit der koranischen Bewegung sind Prägungen mit dem Motto MHMT arabisch: mu?ammad) belegt aus den Jahren 38, 40 und 52 nach den Arabern; die Prägestätten liegen in zeitlicher Abfolge „an Straßen von Khûzistân nach Chorasan“[123], ein Beleg für „die Wanderung von ?Abd al-Maliks Bewegung von Ost nach West“[124], in deren Verlauf diese Münzen geprägt wurden. ?Abd al-Malik, dessen Herrschaft endgültig im Jahr 60 nach den Arabern begonnen hatte, ließ im Jahre 66 nach den Arabern (687 n.Chr.) in Bischapur eine Münze prägen, die diesen MHMT erstmals als ras?l all?h (Gesandter/Apostel Gottes) bezeichnet.[125] Die christliche Ikonographie auf den Münzen sowie die Inschrift im Felsendom sagen aus, wer dieser mu?ammad, der Gesandte Gottes, war: Der Knecht Gottes und Messias Jesus, Sohn der Maria (so die Inschrift im Felsendom).[126] Eine dritte Spur, die auf Merw hinweist, findet sich wohl, wie oben ausgeführt, im Koran in Sure 2,158.

Diese spärlichen Zeugnisse sind bisher die einzigen überprüfbaren Hinweise auf die genauere geographische Herkunft der mu?ammad-Bewe­gung. Demnach wären ihre Anfänge im Gebiet von Merw, also in der Margiana (griechischer Name der persischen Provinz von Margush, von altiranisch Margu, „Grasland“, ein von Bergen umgrenztes Gebiet mit der Hauptstadt Merw im heutigen Süd-Turkmenistan) zu suchen. Zu fragen ist also, ob in diesem Raum zum einen ein urbanes Ballungszentrum war, in dem die Vielfalt der im Koran dokumentierten spätantiken Literatur und religiösen Richtungen verbreitet gewesen sein kann. Zur Beantwortung dieser Frage muss auch das der Margiana unmittelbar benachbarte Baktrien (griechische Bezeichnung für die Provinz um das heutige Bal? (Balch, Balkh) in Nordost-Afghanistan) mit einbezogen werden, mit dem die Margiana über lange Epochen in der Geschichte eine Verwaltungseinheit bildete. Hierzu sind einige Vorbemerkungen zur geschichtlichen und kulturellen Entwicklung in diesem Raum nötig.

4.5.2 Merw, Margiana und Baktrien

Seit den 1970er Jahren wurde durch Ausgrabungen, immer wieder durch politische und militärische Umwälzungen unterbrochen und behindert, in diesem Großraum eine bisher unbekannte bronzezeitliche Hochkultur entdeckt, die weite Gebiete in dem heutigen Turkmenistan, in Nord-Afghanistan, im südlichen Usbekistan und im westlichen Tadschikistan umfasste. Weil viele ihrer Städte an Oasen erbaut waren, die an Flussläufen oder in Flussdeltas lagen, wird sie als „Oasenkultur“ bezeichnet; andere Benennungen sind „Oxus-Kultur“, „Murghabo-baktrische Kultur“ oder – im angelsächsischen Raum – „Bactria-Margiana-Archaeological Complex“.

Vom späteren 3. Jahrtausend bis etwa 1.700 v.Chr. war sie eine blühende Hochkultur, durchaus den partiell zeitgleichen anderen Hochkulturen in Mesopotamien, Ägypten oder am Indus vergleichbar. Auf Grund des Wasserreichtums war die Region intensiv landwirtschaftlich genutzt und dicht besiedelt und betrieb schon Handel über die Seidenstraße. Ob sie schon eine Schrift geschaffen hatte oder ihre Zeichen als Piktogramme aufzufassen sind, ist noch umstritten.

Über die mehr als tausend Jahre nach ihrem Untergang  gibt es bisher nur sporadische Erkenntnisse. Aber es scheint so zu sein, dass ihre Auswirkungen in der Folgezeit nicht gänzlich verloren gingen.

Um 538 v.Chr. wurden Margiana und Baktrien vom persischen Groß­könig Kyros II. erobert und zu einer persischen Provinz gemacht, die einen hohen Grad an Urbanisierung besaß (das „Reich der tausend Städte“). Die erste inschriftliche Erwähnung des Landes Margush findet sich in der Behistun-Inschrift des Achämenidenkönigs Darius I. (gest. 486 v.Chr.). In dieser Zeit wurde in Merw eine gewaltige Zitadelle gebaut.

Im Jahre 328 v.Chr. eroberte Alexander der Große diese Gebiete und behielt die gemeinsame Verwaltung von Baktrien und Margiana bei. Er gründete auch Merw, das seit der Jungsteinzeit besiedelt und schon unter den Achämeniden ein Zentrum war, „neu“ – bzw. baute es als griechische Polis aus – und nannte es Alexandreia margiane.

Nach dem Tod Alexanders kam es zu Aufständen, bei deren Niederwerfung Merw zerstört wurde. Im Jahre 301 v. Chr. etablierte sich die seleukidische Herrschaft über die Margiana und Baktrien, wiederum verblieben die beiden Gebiete in einer Verwaltungseinheit. Merw wurde wiederaufgebaut (unter dem Namen Antiochia Margiana). Weil die Verwaltung dieser vom Zentrum des Seleukidenreichs weit entfernten Gebiete schwierig war, konnte sich in der Mitte des 3. Jahrhunderts v.Chr. der Statthalter Diodotos selbständig machen; er begründete das für längere Zeit bestehende graeco-baktrische Reich, das ganz Khorasan umfasste und zeitweise nach Indien hineinreichte. Um 160 v.Chr. trennen sich die indischen Territorien („indo-griechisches Reich“) vom griechisch-baktrischen Reich.

Beide Reiche wurden immer wieder von Parthern und Chinesen bedrängt und zeitweise auch abhängig. Schon sehr früh gab es eine Ver­brei­tung des Christentums, angeblich durch den Apostel Thomas. Um 200 n.Chr. gelangte die Dynastie der Kushanas, wohl Skythen, die sich Tocharer nann­­ten, also Indogermanen, an die Macht. Diese assimilierten sich sprachlich und kulturell an die Bevölkerung und konnten sich bis ins 5. Jahrhundert n.Chr. behaupten.

Damals war dieses Reich sehr mächtig und kulturell sehr hoch ent­wickelt. Khorasan wurde zu einem Brennpunkt von Wissenschaft und, durch das Einsickern des Buddhismus über die Seiden­straße, auch der buddhis­tisch-hinduistischen Theologie. Aus dieser Zeit stammen auch die beein­druckenden Buddha­statuen im afghanischen Bamya-Tal, die von den Taliban zerstört wurden. Der buddhistische Pilger Hiuen-Tsiang (Xuán Zàng??; 602- 664 n.Chr.), der im Jahre 632 n.Chr. in diese Region kam, schildert voller Begeisterung die Zeugnisse der buddhistischen Kultur und Religion. Die Münzprägungen zeigen, dass sich unter den Kushan „die Götterwelt der Griechen, Römer, Vorder- und Zentralasiens und Indiens unter Einbezug des Buddhismus auf einzigartige Weise“ verbanden.[127] Und diese Mischung ist keineswegs beliebig oder bloß spielerisch-ästhetisch, sondern dient der „religiösen Legitimation der Herrschaft.“ „Gerade die Münzprägung wurde als Mittel eingesetzt, um Herrschaftsansprüche nach Innen, aber auch überregional zu legitimieren.“[128] Merw allerdings gehörte schon seit dem Beginn des 3. Jahrhunderts n.Chr. zum Sassanidenreich. In dieser Zeit erlebte es eine große Blüte; der Austausch mit dem benachbarten Baktrien dürfte weiterhin sehr intensiv gewesen sein.

Im 5. Jahrhundert n.Chr. wurde das Reich der Kushanas zunehmend von den Sassaniden und den Hephtaliten bedrängt; letztere, auch „weiße Hunnen“ genannt, sind eine Sammelbezeichnung für indogermanisch gepräg­te nomadische Stämme. Schließlich konnten die Hephtaliten die Herrschaft übernehmen, wurden aber bald vom sassanidischen König Chosrau I., in Kooperation mit türkischen Stämmen, besiegt; der Westen (Baktrien) wurde persisch, der Osten (Transoxanien) türkische Provinz.

Nach den Siegen des byzantinischen Kaisers Heraklius im Westen ab 622 konnte sich die sassanidische Dynastie nur noch etwa zwei Jahrzehnte behaupten; der letzte Sassanidenkönig Yazdegerd III. wurde, gemäß dem Traditionellen Bericht, im Jahre 651 in Merw ermordet. Jetzt übernahmen schon seit längerem ortsansässige Araberstämme die Macht. Eine „islamische Invasion“ hat es nicht gegeben.

Merw ist vielfach in der Geschichte zerstört und neu erbaut worden. Im Unterschied zu anderen Städten, die immer wieder auf den Ruinen ihrer Vorgängerstädte erbaut wurden, wurden die neuen Siedlungen in Merw neben den Ruinen der früheren Bebauungsphasen errichtet, so dass sie, zusammengenommen, ein für antike Städte riesiges Areal umfassen (die Angaben schwanken zwischen 70 und 120 Quadratkilometern). Der Grund für diese Vorgehensweise war wohl die Wanderung des Deltas des Flusses Murgab, dessen Wasser benötigt wurde. Von der UNESCO wurden die Ruinen von Merw als Weltkulturerbe anerkannt.]

Auch unter arabischer Herrschaft blieb die Großstadt Merw ein wichti­ges kulturelles und auch christliches Zentrum. Wilhelm Baum, der die islamische Historiographie seltsamerweise nicht in Frage stellt, schreibt:

„Noch lange nach der islamischen Eroberung waren die Christen in Ägypten, Palästina, Syrien und Mesopotamien gegenüber den Musli­men in der Mehrheit. Gundeshapûr, Nisibis und Merv blieben die geistigen Zentren der Kirche des Ostens. Hier wurden Schreiber, Lehrer, Übersetzer und Beamte ausgebildet.“[129]

Von Merw aus missionierten Christen über die Seidenstraße auch noch im 7. und 8. Jahrhundert nach China hinein.[130]

Seit der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts ging von Merw auch die spätere abbasidische Bewegung aus, die ebenfalls noch von christlichen Motiven geleitet war. Der Kalif al-Ma?m?n (813-833) regierte, vor seinem Umzug nach Bagdad, eine Zeit lang von Merw aus. Wann auch hier der Islam als neue Religion aufgefasst wurde, ist ungewiss. Im Grunde ist die Regierungs­zeit al-Ma?muns hierfür anzunehmen; aber zu seiner Zeit wurden in Merw noch zwei christliche und ein buddhistisches Kloster neu gegründet. Merw war eine der größten antiken Städte; als es im Jahre 1221 von den Mongolen zerstört wurde, sollen bis zu einer Million Menschen (manche sicher auch Flüchtlinge) getötet worden sein.

4.5.1 Merw als Heimat der koranischen Bewegung

Die noch greifbaren Hinweise sprechen dafür, dass in der großen Stadt Merw, Zentrum der Margiana und benachbart zu Baktrien – über lange Epochen alle in einer Verwaltungseinheit verbunden -, die Ursprünge der koranischen Sprüche zu suchen sind. In dieser Region kamen viele Einflüsse zusammen: Neben hellenistischen Vorstellungen waren die syrische Sprache und Kultur sehr stark vertreten; im Christentum war die Kirchen- und Liturgiesprache das Ostsyrische, bald aber kam es auch zu mittelpersischen Übersetzungen biblischer Bücher und liturgischer Texte. Daneben war weiterhin der Zoroastrismus verbreitet; noch recht spät soll der Zand, eine kommentierende Zusammenfassung der zoroastrischen Traditionen, hier zusammengestellt worden sein. Auch scheint der Manichäismus hier viele Anhänger gefunden zu haben. Sehr stark war auch der Einfluss des Buddhismus, der über die Seidenstraße gekommen war, in diesem Raum, von woher sich auch dessen Einflüsse auf den Koran und den frühen Islam, wie sie von Markus Groß festgestellt wurden, erklären lassen.[131]

Wenn auch eine Missionstätigkeit des Apostels Thomas in den Bereich der Legende gehört, war doch das Christentum hier sehr früh vertreten. Spätere Legenden in sogdischer Sprache – wahrscheinlich war Samarkand ein Zentrum der sogdischen Christen – berichten „über die Missionierung der Stadt Merw durch Bischof Bar Shabba“ irgendwann in früher sassanidischer Zeit.[132]

Die koranische Theologie und Christologie legen nahe, dass hier ein vor­nizenisches syrisches Christentum mit sehr starker Betonung des Alten Testaments und im Besitz des Diatessarons viele Anhänger hatte. Diese war wohl zunächst in Gruppen im Reich Arabiya in Mesopotamien so vertreten worden, die dann im Gefolge von Deportationen unter den Sassaniden (z.B Mitte des 3 Jahrhunderts n.Chr. aus Hattra, der Hauptstadt von Arabiya) in diese Region verpflanzt worden waren.

Die Mehrheit der Christen dieses Raums aber gehörte z.Zt. der Entstehung des Koran wohl der großen ostsyrischen (fälschlich „nestoria­nisch“ genannen) Kirche an; seit 553 n.Chr. war Merw Bischofssitz und dem Katholikos in der sassanidischen Hauptstadt Seleukia-Ktesiphon verbun­den. Man kann vielleicht annehmen, dass vor Errichtung eines Bischofs­sitzes das syrische Christentum in Merw noch weithin in einer vor-hierarchischen Verfassung war, wohl stark vom Mönchtum geprägt. Hat die Errichtung einer kirchlichen Hierarchie – und damit verbunden der Theo­logie der syrischen Großkirche – in der Mitte des 6. Jahrhunderts überhaupt erst dazu geführt, dass die „Altgläubigen“ diese Entwicklung ablehnten und sich separierten? Dies wäre gut möglich, lässt sich aber bisher nicht nachweisen.

Die Eigenart der koranischen Bewegung ergibt sich der Sache nach aus der Selbstabgrenzung gegenüber der großen ostsyrischen Kirche, deren neuere Entwicklungen, die sich seit dem Jahre 410, seit der Anerkennung des Symbols von Nizäa und bald noch weiterer Beschlüsse von Konzilien im Römischen Reich, ergeben hatten. Zwar führte die damit begonnene Helle­ni­sierung nicht zur völligen Transformation des ostsyrischen Christentums; die syrischen Denkraster und Motivationen blieben bestehen, und die Spannungen zwischen hellenistischem und syrischem Denken wurden durch den Rückgriff auf Theologen der westsyrischen „antiochenischen Schule“ (Diodor von Tarsus, Theodor von Mopsuestia, Nestorius) bewältigt, die auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur Kirche des Kaisers schon im 4. und 5. Jahrhundert Modelle entwickelt hatten, wie Syrer mit der hellenistischen Theologie umgehen konnten. Aber selbst diese gemäßigte Hellenisierung fand den erbitterten Widerstand der (späteren) Koranleute.

Diese Gruppen, die eine vornizenische Theologie beibehielten, waren gegenüber den übrigen ostsyrischen Christen, den na??r?, in der Minder­heit. Vielleicht erklärt sich von hierher der leidenschaftliche, polemische, auch sektiererische Ton der Auseinandersetzungen. Es sieht so aus, als seien diese Gruppen auch stärker noch als die Christen in der großen ostsyrischen Kirche persisch inkulturiert gewesen; in ihre Vorstellungen und ihr Voka­bular sind zahlreiche Raster und Motive der persischen religiösen Traditio­nen eingegangen, so dass sich eine persische Interpretation christlicher Vorstellungen ergab.

Ebenso muss die enge Nachbarschaft zu einer Reihe von gnostischen Richtungen, wie sie vor allem in Großstädten Fuß fassen konnten, und insbesondere zum Manichäismus bedacht werden. Zwar haben sich die Koranprediger nicht ideologisch mit ihnen auseinander gesetzt oder aus­einander setzen müssen,  weil die große Zeit der Gnosis, in der sie eine reale Bedrohung des Christentums war, offensichtlich schon der Vergangenheit angehörte; dennoch aber waren doch manche ihrer Bilder und Vor­stellungen noch weit verbreitet und wurden so auch in die koranischen Stoffe übernommen.

Ihre eigene Lage in der Fremde, im Exil, haben diese Christen, laut Koran, mit alttestamentlichen Bildern zu bewältigen versucht: die ägypti­schen Pharaonen der Bibel erscheinen im Koran wie sassanidische Groß­könige, zu denen man in zumindest innerem Konflikt stand.[133] Dies zeigt auch, dass die Anfänge der koranischen Sprüche in der noch intakten  Sassani­den­zeit zu suchen sind; der Koran hat eine lange Geschichte. Auch die starke Sehnsucht nach einer Hidschra, dem jüdischen Exodus vergleichbar und verbunden mit eschatologischen und apokalyptischen Motiven, verweist auf ihre Herkunft aus der Gruppe der Deportierten. Jedenfalls scheint der Zug ?Abd al-Maliks nach Westen, nach Palästina und Jerusalem von solchen Vorstellungen beflügelt gewesen zu sein.

Vor allem aber bietet der Raum Merw, Margiana und Baktrien die Voraus­setzungen für die Verwendung spätantiker Literatur im Koran. In Baktrien, lange Jahrhunderte ein hellenistisches Reich, dürfte auch nach der Ein­gliederung ins Sassanidenreich im 5. Jahrhundert die griechische literarische Tradition weiter gepflegt worden sein. Jedenfalls lässt sich keine andere Kulturregion entdecken, die vergleichbare Bedingungen, wie sie zur Erklä­rung der Quellennutzung des Koran gefordert werden müssen, bieten könnte. Auffällig ist auch, dass der Zustrom neuerer spätantiker Literatur bald, mit der Integration der Region ins Sassanidenreich aufhörte oder erschwert war oder nur noch wenige erreichte; die „jüngste“ im Koran noch verwendete spätantike Literatur (Porphyrios und Laktanz) stammt aus dem frühen 4. Jahrhundert.

Warum die Koranleute sich gerade z.Zt. ?Abd al-Maliks auf den Weg nach Palästina aufmachten, ist nicht leicht zu bestimmen. Vielleicht war der Anlass eine neuerliche Bedrohung dieser Region durch die Hephtaliten, die „weißen Hunnen“, die ja immerhin vorher schon nach Westen vorgestoßen waren und Maavia Mesopotamien entrissen hatten. Später konnte ?Abd al-Malik sie wieder zurückdrängen.[134]

Wie Christoph Luxenberg aufgezeigt hat, liegt dem seit ?Abd al-Malik in arabischen Konsonantenzeichen (defektiv) aufgeschriebenen Koran eine syrisch geschriebene Vorlage zu Grunde. Aber auch die Sprache dieser Vor­lage war arabisch bzw. eine arabisch-aramäische Mischsprache bzw. eine Arabisch mit stark syro-aramäischen Komponenten. Dies deutet darauf hin, dass schon die Gruppen, die weit im Osten den Koran oder große Teile von ihm hervorgebracht haben, sich dieser Sprache in einem syrischen kultu­rellen Umfeld bedient haben. Vermutlich gehörten schon die Vorfahren dieser „Araber“ zu den Deportierten; möglich ist aber auch, dass sie erst in Merw und Umgebung missioniert wurden. Sicher waren sie durch die Verwendung dieser (für sie) „deutlichen“, also arabischen Sprache gegen­über den Gemeinden der großen syrischen Kirche in einer Sonderrolle und sahen es als Notwendigkeit an, die Thora und das Evangelium mit ihren eigenenen sprachlichen und theologischen Mitteln sowie mittels Verwen­dung der im Umfeld bekannten literarischen und religionsgeschichtlichen Bezüge zu erklären.

Die Sprüche des Koran und ihre Sammlung hatten wohl eine vergleich­bare Funktion wie der babylonische Talmud in der jüdischen Religion oder der – möglicherweise auch in Merw entstandene – Zand in der Zarathustra-Religion. Wahrscheinlich wurden diese Kommentare zunächst mündlich von Predigern vorgetragen, bald aber (in syrischer Schrift) aufgeschrieben und gesammelt.  Viele Passagen aber – wie z.B. die oben kurz skizzierten von Bertram Schmitz und Frank Van der Felde untersuchten Stellen – sind zu detailliert und elaboriert komponiert, als dass sie als Produkt mündlicher Verkündigung aufgefasst werden könnten. Nicht nur die verschiedenen Redaktionen im Koran, sondern auch eine Reihe von Texten sind aus literarischer Tätigkeit hervorgegangen. Vielleicht hat man sich auf diese Weise den „Sitz-im-Leben“ für die Entstehung dieses Materials und seiner eigentümlichen Form zu denken.

Hintergrund dieser Textproduktion war offensichtlich eine vornizenisch-ostsyrisch-persische Interpretation des Christentums mit stark apokalyp­ti­scher Grundstimmung. Die koranischen Sprüche sollten in dieser – in ihrer Um­gebung bedrohten – Situation sich des eigenen d?n, des eigenen richti­gen Wegs, versichern und ihre Übereinstimmung mit der Schrift, isl?m, darlegen und einschärfen; alle „Neuerungen“ werden zurückgewiesen.

Ein „Sitz-im-Leben“ in Mekka und Medina hätte dagegen keinerlei Stütze in den „Realien“ des Koran und frühen Islam; er ist ein Konstrukt des spä­teren islamischen Anfangsmythos. Ein in Mekka und Medina entstandener Koran sähe gänzlich anders aus.

5.  Resümee

Diese Hypothesen zur Vorgeschichte und frühen Geschichte des Islam erge­ben sich aus der Kooperation und aus den Diskussionen von Forschern unter­schiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen in Inârah und in der von ihnen praktizierten Berücksichtigung der historisch-kritischen Methoden und einer umfassenderen Koranphilologie und -exegese. Viele Fragen sind noch offen oder müssen noch genauer untersucht werden, manches wird sich auch auf Grund fehlenden Quellenmaterials nicht restlos klären lassen.

Die bisher bekannten historisch belegbaren Hinweise scheinen diese Auffassungen über den Gang der Entwicklung nahe zu legen oder sogar unausweichlich zu machen. Die Entstehung des Koran kann auf diese Weise in einem Umfeld lokalisiert werden, das seine sprachlichen, literarischen und theologischen Eigentümlichkeiten historisch plausibel macht. Auch der Verlauf der weiteren Geschichte der koranischen Bewegung bis zu ihrem Umschlagen in eine neue Religion kann so erfasst werden, wie sie dem Zeugnis der einzig erhaltenene „Dokumente“, also von Münzen und Inschriften und der zeitgenössischen christlichen Literatur, entspricht.

Der sich ab etwa 800 n.Chr. vom Christentum ablösende und als eigene Religion bildende Islam, der allerdings noch nicht seine heute bekannte Gestalt hatte, basiert auf dieser Vorgeschichte und machte den „vor­islamischen“ Koran zu seinem Gründungsdokument. Dessen defektive arabische Schreibung und die Nähe des Arabischen zum Syrischen machte mittels der Plene-Schreibung eine interpretatio arabica et islamica des bei­be­haltenen rasm möglich und eröffnete zugleich einen Weg zu der Argu­mentation, diese neue Schreibung sei nichts anderes als eine Verdeutlichung des vorliegenden älteren Textes (wenn überhaupt einmal auf diese Weise gefragt wurde).

Vorgeschichte und Geschichte des frühen Islam erweisen sich durch diese Untersuchungen als sehr komplexe und komplizierte Zusammen­hänge. Durch ihre Nichtbeachtung im Traditionellen Bericht können zwar sehr viel einfachere und glattere Erklärungen vorgelegt werden; diese stoßen sich allerdings an so gut wie allen „Realien“ und machen ein wissen­schaftlich verantwortetes Verstehen unmöglich.

Die Methoden der Historischen Vernunft  sind universell gültig und können nicht auf Dauer Exklaven bestehen lassen, die sie von ihren Unter­suchungen ausklammern. Ihre Anwendung auch auf die Geschichte der Weltreligion Islam muss sich nicht rechtfertigen, sie ist wissenschaftlich gefordert und mittlerweile auch überfällig. Wieweit sie auch ein Dienst an der Zukunft des Islam selbst werden kann, hängt davon ab, ob das, was in Europa „Aufklärung“ genannt wird, der Sache nach (natürlich nicht in gleichen Ausprägungen) auch innerhalb islamischer Bevölkerungen, vielleicht beginnend im sogn. Euro-Islam, rezipiert wird. Anders scheinen eine weltweite Kommunikation und ein gegenseitiges Verstehen, Basis auch von friedlichen Beziehungen in einer globalen Welt, sehr schwierig denkbar zu sein.

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[1] Verf., Weltreligion Islam. Eine Einführung. Mit einem Beitrag von Ulrike                Stölting, 381 S., Matthias-Grünewald-Verlag: Mainz und Edition Exodus: Luzern       2000.

[2] Karl-Heinz Ohlig / Gerd-Rüdiger Puin (Hg.), Die dunklen Anfänge. Neue For-         schungen zur Entstehung und zur frühen Geschichte des Islam, Verlag Hans            Schiler: Berlin 2005;  Karl-     Heinz Ohlig (Hg.), Der frühe Islam. Eine historisch-           kri­ti­sche Re­konstruktion anhand zeitgenössischer Quellen, Hans Schiler Verlag:­     Berlin 2007; Markus Groß / Karl-Heinz Ohlig (Hg.), Schlaglichter. Die beiden                ers­ten islamischen Jahrhunderte (Inârah. Schriften zur       frühen Islamgeschichte          und zum Koran, Bd. 3), Verlag Hans Schiler: Berlin 2008.

[3] Vgl. vom Verf., Vom muhammad Jesus zum Propheten der Araber. Die     Histori­sierung eines christologischen Prädikats, in: K.-H. Ohlig (Hg.),  Der frühe       Islam, a.a.O., 355-361.

[4] Vgl. die Chronik aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts: Add.(itamenta)              IV.V: Continuatio Byzantina Arabica a. DCCXLI, zu: Isidori iunioris episcopi      Hispalensis historia Gothorum Wandalorum Sueborum ad a. DCXXIV, in:       Monumenta Germaniae historica, tomus XI: Chronicorum minorum saec. IV,          V, VI, VII, Vol. II: Chronica minora, edidit Theodorus Mommsen, Berlin 1844.              Zu Mekka heißt es dort, dass Habdemale gegen Habdella zu Felde zieht.           Letzteren habe auch schon sein Vater vielfach bekämpft, zuletzt „apud Maccam,              Abrahae, ut ipsi putant, domum, quae inter Ur Chaldaeorum et Carras        Mesopotamiae urbem in heremo adiacet“ („bei Mekka, Abrahams Haus, wie sie               [die Araber] glauben, das zwischen Ur in Chaldäa und Carras, einer Stadt                Mesopotamiens, in der Einöde [Steppe, Wüste] liegt“).

[5] Vgl. bei Verf., Vom muhammad Jesus zum Propheten der Araber, a.a.O. 309.

[6] So z.B. in der Samarkander Handschrift, in der das Wort mit einem syrischen           ?Ain beginnt, das leicht mit dem Zeichen für „b“ verwechselt werden kann.

[7] Vgl. hierzu Gerd-R. Puin, Leuke Kome / Layka, die Arser / Ashab al-Rass und            andere vorislamische Namen im Koran, in: Ders. / K.-H. Ohlig (Hg.), Die               dunklen Anfange, a.a.O. 317-340.

[8] Vgl. hierzu Markus Groß, Buddhistische Einflüsse im frühen Islam, in: M. Groß       / K.-H. Ohlig (Hg), Schlaglichter, a.a.O. 269: „Wieso hat der Prophet in einer     trockenen Gegend wie der von Mekka, wo wahrscheinlich kein Exemplar der Spezies Schwein eine Woche überleben könnte, nun den Mekkanern             ausgerech-               net Schweinefleisch verboten?“.

[9] Für Leser außerhalb der europäischen Märchentraditionen: Im „Märchen“ von          des           Kaisers neuen Kleidern erzählt Hans Christian Andersen von einem Kaiser, der „ungeheuer viel“ auf neue Kleider Wert legte. Diese Eitelkeit machten sich                zwei Betrüger zunutze, die behaupteten, ungewöhnlich schöne und kostbare      Stoffe weben und zu Kleidern nähen zu können. Allerdings sollten diese Kleider             „die wunderbare Eigenschaft besitzen, dass sie für jeden Menschen unsichtbar                 sind, der nicht für sein Amt tauge oder der unverzeihlich dumm sei.“ Dies wollte             natürlich niemand sein, und so bewunderten die Ratgeber des Kaisers, dieser    selbst und bei einem Fest das ganze Volk seine prächtigen Kleider, obwohl er   keine anhatte und sie nichts sahen. Nur ein kleines Kind in seiner Unschuld rief:       „Aber er hat ja gar nichts an!“ Dies „rief zuletzt das ganze Volk.“

[10] Verf., Religion in der Geschichte der Menschheit. Die Entwicklung des      religiösen Bewusstseins, Darmstadt 1. Aufl. 2002.,11; vgl. hierzu meinen Beitrag    „Religion“ im 3. Bd. des „Lexikon Alte Kulturen“,  hrsg. und bearb. von H.      Brunner, K. Flessel, F. Hiller u. Meyers Lexi­konredaktion, Mannheim, Wien,                 Zürich 1993, 250.251.

[11] Vgl. zur persischen Herkunft des Begriffs (daena) Geo Widengren, Die      Religionen Irans (Die Religionen der Menschheit, hg. von Christel Matthias       Schröder, Bd. 14), Stuttgart 1965, 95: „die mazdayanische Daena“ (Y. 35:1).             „Hier tritt zum erstenmal dieser Begriff auf, der in der Folgezeit eine so     bedeutende Rolle spielt, daß er als Inbegriff der zoroastrischen Gemeinde und ihrer Glaubensvorstellungen gelten kann.“

[12] Vgl. hierzu Christoph Luxenberg, Neudeutung der Inschrift im Felsendom zu            Jerusalem, in: K.-H. Ohlig / Gerd-R. Puin (Hg.), Die dunklen Anfänge,  a.a.O.                     138, A. 26.

[13] Vgl. hierzu Christoph Luxenberg, ebd. 138.139.

[14] Jan M.F. Van Reeth, Le coran et ses scribes, in: Acta Orientalia Belgica (hrsg. von     C. Cannuyer), XIX: Les scribes et la transmission du savoir (volume édité par C.             Cannuyer), Bruxelles 2006, 67-81.

[15] Vgl. hierzu Volker Popp, Die frühe Islamgeschichte nach handschriftlichen und         numismatischen Zeugnissen, in K.-H. Ohlig / G.-R. Puin (Hg.), Die dunklen           Anfänge, a.a.O. 16-123; ders., Von Ugarit nach Samarra. Eine archäologische Reise auf den Spuren Ernst Herzfelds, in: K.-H. Ohlig (Hg.), Der frühe Islam,          a.a.O. 13-222.

[16] Vgl. hierzu den Beitrag von Volker Popp in diesem Sammelband.

[17] Vgl. hierzu Volker Popp, Biblische Strukturen der islamischen Geschichts-­  darstellung, in: M. Groß / K.-H. Ohlig, Schlaglichter, a.a.O. 35-92.

[18] Gregor Schoeler / Andreas Görke, Die ältesten Berichte über das Leben      Muhammads. Das Korpus Urwa Ibn az-Zubair, The Darwin-Press, Princeton       (2009?).

[19] So Gregor Schoeler in einem Interview in dem Kulturmagazin der Basler   Zeitung vom 25.05.09, S. 5.

[20] Josef van Ess, Theologie und Gesellschaft im 2. und 3. Jahrhundert Hidschra.            Eine Geschichte des religiösen Denkens im frühen Islam, Bd. 1, Berlin u. New         York 1991, Vorwort VIII; 12-16.

[21] Vgl. hierzu vom Verf., Hinweise auf eine neue Religion in der christlichen                 Literatur „unter islamischer Herrschaft“?, in: M. Groß / K.-H. Ohlig (Hg.),      Schlaglichter, a.a.O. 223-325.

[22] ‚Iso’yaw patriarchae III., Liber epistularum, hrsg. und ins Lateinische übers. von         R. Duval (Corpus Scriptorum christianorum orientalium, Vol. 12, Scriptores Syri        II, tomus 12), Löwen 1904, 172.182.

[23] Sebastian Brock, VIII Syriac Views of Emergent Islam, in: Ders., Syriac      Perspectives on Late Antiquity, London 1984, 21; ebenso Yehuda D. Nevo /       Judith Koren, Crossroads to Islam. The Origins of the Arab Religion and the              Arab State, New York 2003, 212.

[24] Vgl. hierzu vom Verf., Religion in der Geschichte der Menschheit, a.a.O. 157-           163.

[25] Unter „Hochreligionen“ werden alle seit dem 3. vorchristlichen Jahrtausend in          sogn. Hochkulturen gebildeten polytheistischen Religionen verstanden.

[26] Hans Jansen, Mohammed. Eine Biographie, aus dem Niederländischen übersetzt       von Marlene Müller-Haas, München 2008.

[27] So z.B. Alexandr L. Khosroyev, Manichäismus: eine Art persisches Christentum?       Der Definitionsversuch eines Phänomens, in: Inkulturation des Christentums im    Sasanidenreich, hg. von Arafa Mustafa und Jürgen Tubach, in Verbindung mit               G. Sophia Vaskalomidze, Wiesbaden 2007, 43-53.

[28] In der syrischen Theologie, die eine „Bewährungschristologie“ kennt (vgl. vom         Verf., Das syrische und arabische Christentum und der Islam, in: K.-H.       Ohlig/G.-R. Puin (Hg.), Die dunklen Anfänge, a.a.O. 366-404), gemäß der Jesus            unser „Heil“ vermittelt, weil er Gott gehorsam war bis zum Tod und dadurch            der exemplarische Mensch ist, ist dem Christentum die Nachfolge Jesu auferlegt.             Auch der Christ muss sich, in dieser Nachfolge, „bewähren“, um vor Gottes                Gericht bestehen zu können. Diese Ethik konnte, zumindest in ihrer verein­     fachten populären Form, leicht in die Nähe einer Lohn-Leistungs-Ethik geraten:       das Bestehen im Gericht ist dann Folge unseres Tuns.

[29] So (z.B.) Albert Hourani, Die Geschichte der arabischen Völker (Originaltitel:           „A History of the Arab Peoples“, London 1991; übers. von M. Ohl und H.    Sartorius), Frankfurt a.M. 1992, zweite Auflage 1996, 65.

[30] Vgl. hierzu und dem Folgenden Johannes Thomas, Frühe spanische Zeugnisse           zum Islam. Vorschläge für eine differenzierte Betrachtung der Konflikte und         religiösen Gemeinsamkeiten zwischen dem Osten und dem Westen des           Arabischen Reiches, in: M.Groß / K.-H. Ohlig (Hg.), Schlaglichter, a.a.O. 93-186.

[31] Vgl. Verf., Fundamentalchristologie. Im Spannungsfeld von Christentum und          Kultur, München 1986, 337-339.

[32] Die arabische Herrschaft in Nordafrika schon vor der zweiten Hälfte des 8.                Jahrhunderts hat offensichtlich die Besitzverhältnisse des südspanischen Adels               in Afrika nicht verändert.

[33] Vgl. hierzu vom Verf., Vom muhammad Jesus zum Propheten der Araber, a.a.O.      327-376.

[34] Vgl. Chr. Luxenberg, Neudeutung der arabischen Inschrift im Felsendom zu             Jerusalem, a.a.O. 124-147.

[35] Vgl. hierzu V. Popp, Die frühe Islamgeschichte nach inschriftlichen und     numis­­matischen Zeugnisssen, a.a.O. 16-123.

[36] Vgl. hierzu vom Verf., Hinweise auf eine neue Religion in der christlichen                 Literatur …, a.a.O. 298-306.

[37] ebd., S. 265.

[38] Vgl. den Beitrag von Volker Popp in diesem Sammelband.

[39] Vgl. hierzu Verf., Die Diskussion um das Kreuz. Reflexionen zur Debatte um            den Kulturpreis des Landes Hessen, in: imprimatur 42, 2009, 233-236.

[40] Friedrich Schwally, Neubearbeitung der „Geschichte des Qorans“ von Theodor          Nöldeke, Leipzig 1919,  209.

[41] Vgl. Volker Popp, Biblische Strukturen der islamischen Geschichtsschreibung,           a.a.O. 35-92.

[42] C.H. Becker, Grundsätzliches zur Leben-Mohammed-Forschung, in: ders.,                 Islamstudien. Vom Werden und Wesen der islamischen Welt, Bd. 1, Leipzig                1924, 520 f.

[43] Ignaz Goldziher, Vorlesungen über den Islam (1910/1925), Nachdruck      Darmstadt 1963, 73.

[44] Albrecht Noth, Quellenkritische Studien zu Themen, Formen und Tendenzen          frühislamischer Geschichtsüberlieferung, Teil I: Themen und Formen, Selbst­       verlag des Orientalischen Instituts der Universität Bonn, Bonn 1973.

[45] M. Stausberg, Die Religion Zarathushtras, a.a.O. 76.

[46] Michael Stausberg, Die Religion Zarathushtras. Geschichte – Gegenwart – Rituale, Bd. 1, Stuttgart 2002, 41.

[47] M. Stausberg, ebd. 45.

[48] M. Stausberg, ebd. 43.

[49] Vgl. V. Popp, Inschriftliche und numismatische Zeugnisse, a.a.O. 75.76.

[50] Vgl. zu Letzterem Johannes Thomas, Frühe spanische Zeugnisse zum Islam,               a.a.O. 93-186.

[51] Vgl. hierzu Verf., Die Welt ist Gottes Schöpfung. Kosmos und Mensch in                 Religion, Philosophie und Naturwissenschaften, Mainz 1984.

[52] Blutig geht es nur im ägyptischen Apophismythos zu, der die Mühsal der   Erhaltung der kosmischen Ordnung schildert.

[53] G. Widengren, Die Religionen Irans, a.a.O. 355.

[54] Vgl. zum neutestamentlichen Kanon vom Verf., Woher nimmt die Bibel ihre           Autorität? Zum Verhältnis von Schriftkanon, Kirche und Jesus, Düsseldorf 1970,    und: Die theologische Begründung des neutestamentlichen Kanons in der alten              Kirche (Kommentare und Beiträge zum Alten und Neuen Testament),         Düsseldorf 1972.

[55] Tertullian, Adversus Praxean 20,2: instrumentum utriusque testamenti; de                resurectione mortuorum 39,1: … veteris testamenti …  et novi …; vgl. Adversus          Marcionem IV 1,1.

[56] Vgl. M. Stausberg, Die Religion Zarathushtras,  a.a.O. 78-83.

[57] Vgl. M. Stausberg, Die Religion Zarathushtras,  a.a.O. 78.

[58] Vgl. Die Gnosis (II). Koptische und mandäische Quellen. Eingeleitet, übersetzt         und erläutert von Martin Krause und Kurt Rudolph, hg. von Werner Forster       (überarbeiteter Nachddruck von 1971), Düsseldorf u. Zürich 1995, 175-180.

[59] Vgl. hierzu z.B. Die Gnosis (III). Der Manichäismus. Unter Mitwirkung von Jes       Peter Asmussen eingeleitet, übersetzt und erläutert von Alexander Böhlig     (überarbeiteter Nachdruck von 1980), Düsseldort und Zürich 1995, 44-54; hier                auch eine Auflistung und Charakterisierung dieser Schriften.

[60] Die Gnosis III, ebd. 44.

[61] Vgl. hierzu z.B. Antonio Panaio, The Pazand version of the Our Father, in:               Inkulturation des Christentums im Sasanidenreich, a.a.O. 73-90; vgl. auch                 Manfred Hutter, 2. Iranische Literatur, in: Wilhelm Baum / Dietmar W.          Winkler, Die Apostolische Kirche des Ostens. Geschichte der sogenannten    Nestorianer (Einführungen in das Orientalische Christentum, Bd. 1), Klagenfurt             2000, 144-148.

[62] M. Stausberg, Die Religion Zarathushtras,  a.a.O. 78.

[63] Eine kritische Edition dieser Texte mit einer Dokumentation der Textvarianten        und damit auch möglicherweise einem Einblick in die Anfänge der Text­        geschichte gibt es bisher nicht. Zwei Anträge auf Zuschüsse zu einer solchen     Edition wurden, auf Anraten der islamwissenschaftlichen Gutachter, von der                 Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) abgelehnt; in Angriff genommen,                bisher ohne Fördermittel, ist eine sukzessive digitale Publikation. Das Konzept       eines auf 18 Jahre berechneten Projekts, des Corpus Coranicum, wird dagegen                 ge­fördert, obwohl es nicht erwarten lässt, dass es wissenschaftlich zu                nennens­  werten Ergebnissen führen wird.

[64] Vgl. hierzu  vom Verf., Weltreligion Islam, a.a.O. 60-67.

[65] Hans-Caspar Graf von Bothmer, Die Anfänge der Koranschreibung.          Kodikologische und kunsthistorische Beobachtungen an den Koranfragmenten in Sanaa, in: H.-C. Graf von Bothmer, Karl-Heinz Ohlig, Gerd-Rüdiger Puin, Neue Wege der Koranforschung, in: magazin forschung (Universität des      Saarlandes) 1, 2000, 41.

[66] Gerd-Rüdiger Puin, Über die Bedeutung der ältesten Koranfragmente aus Sanaa       (Jemen) für die Orthographiegeschichte des Korans, in: ebd. 39.

[67] Ibn Warraq (Hg), The Origins of the Koran. Classic Essays on Islam’s Holy               Book, Amherst, New York 1998, 15.

[68] Markus Groß, Neue Wege der Koranforschung aus vergleichender sprach- und         kulturwissenschaftlicher Sicht, in: K.-H. Ohlig (Hg.), Der frühe Islam, a.a.O. 491.

[69] Gerhard Endreß, Die wissenschaftliche Literatur, in: Wolfdietrich Fischer u.               Helmut Gäthje (Hg.), Grundriß der arabischen Philologie, Bd. 3       (Supplementband), Wiesbaden 1992, 3-23.

[70] Christoph Luxenberg, Die syro-aramäische Lesart des Koran. Ein Beitrag zur              Entschlüsselung der Koransprache, Berlin 1. Aufl. 2000, dritte Aufl. 2007.

[71] Vgl. hierzu Christoph Luxenberg, Die syrische Liturgie und die    „geheimnisvollen Buchstaben“ im Koran – eine liturgievergleichende Studie, in:       M. Groß, K.-H. Ohlig (Hg.), Schlaglichter, a.a.O. 411-456; Jan M..F. Van Reeth,      Eucharistie im Koran, in: ebd. 457-460.

[72] Schon früh hat Ignaz Goldziher darauf verwiesen, vgl. die Übersetzung seines           Beitrags „Islam und Parsismus (Islamisme et Parsisme)“, in: K.-H. Ohlig (Hg.),            Der frühe Islam, a.a.O. 415-439; vgl. Volker Popp, Der Einfluss persischer        religiöser Raster auf Vorstellungen im Koran, in: ebd. 441-455.

[73] Markus Groß, Buddhistische Einflüsse im frühen Islam?, a.a.O.  220-274.

[74] Christoph Luxenberg, Relikte syro-aramäischer Buchstaben in frühen         Korankodizes im ?ig?z?- und k?f?-Duktus, in: K.-H. Ohlig (Hg.), Der frühe       Islam, a.a.O. 377-414.

[75] Chr. Luxenberg, Relikte syro-aramäischer Buchstaben, ebd. 413.

[76] Vgl. hierzu Alfred-Louis de Prémare, ‚Abd al-Malik b. Marwan et le Processus de       Constitution du Coran, in: K.-H. Ohlig / G.-R. Puin (Hg.), Die dunklen Anfänge, a.a.O. 179-210.

[77] Angelika Neuwirth in einem Vortrag an der Universität Bamberg               (http://www.uni-bamberg.de/dogmatik/die_macht_des_einen_s_monotheismus         _monismus_und_gewalt/).

[78] Zur Prägung dieses ostsyrischen Christentums vgl. Verf., Das syrische und                 arabische Christentum und der Koran, a.a.O.

[79] Vgl. Verf., Allah und der christliche Gott. Historisch-theologische und        inhaltliche Eigentümlichkeiten, in: Reinhard Göllner (Hg.), Das Ringen um       Gott. Gottesbilder im Spannungsfeld von subjektivem Glauben und religiöser          Tradition (Theologie im Kontakt, hrsg. im Auftrag der Katholisch-Theo­        logischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum von Reinhard Göllner,           Bd.          15), Berlin 2008, 95-116

[80] Vgl. vom Verf., Vom muhammad Jesus zum Propheten der Araber, a.a.O. 355-         361. Eine Studie zu den von der persischen Tradition geprägten       Eigentümlichkeiten wird folgen.

[81] Verf., ebd. 358-360.

[82] Tertullian, Adversus Iudaeos 8,12.

[83] Allerdings ist diese Bezeichnung erst 500 Jahre nach Mani „bisher nur in    arabischer Tradition bezeugt“ (so Carsten Colpe, Jesus und die Besiegelung der           Prophetie, in: Berliner Theologische Zeitschruft 4, 1987, Heft 1, 14.

[84] Vgl. hierzu Chr. Luxenberg, Die syrische Liturgie und die „geheimnisvollen                               Buchstaben“ im Koran, a.a.O.

[85] Obwohl die Übersetzung von Rudi Paret gelegentlich sehr problematisch ist,             wird sie hier weiterhin benutzt.

[86] Die Unterscheidung zwischen mekkanischen und medinischen Suren geht von         der Annahme aus, sie stammten von Mohammed in seiner früheren (Mekka)   oder späteren Verkündigungsphase (Medina). Obwohl diese Benennung          unhis­       to­risch ist, wird sie der Einfachheit halber beibehalten, weil die beiden Suren­        arten (wobei sich natürlich in medinischen Suren auch Versgruppen der           mekka­nischen Prägung finden) sich tatsächlich in vielen Gesichtspunkten   unterscheiden.

[87] Bertram Schmitz, Der Koran: Sure 2 „Die Kuh“. Ein religionshistorischer   Kommentar, Stuttgart 2009.

[88] B. Schmitz, Der Koran, ebd. 9.

[89] B. Schmitz, Der Koran, ebd. 21.

[90] Frank van der Velden, Konvergenztexte syrischer und arabischer Christologie:          Stufen der Textentwicklung von Sure 3,33-64, in: Oriens Christianus (Hefte für            die Kunde des christlichen Orients) 91, 2007, 164-203.

[91] F. van der Velden, Konvergenztexte, ebd. 192.

[92] F. van der Velden, Konvergenztexte, ebd. 194.

[93] Gerd-R. Puin, Vowel letters and ortho-epic writing in the Qur’ân, wird in Kürze       in den Akten des Symposiums The Qur’an in Its Historical Context, ed. by       Gabriel Said Reynolds, London, New York: Routledge veröffentlicht. Dort       können die detaillierten philologischen und koranorthographischen Argumente      nachgelesen werden.

[94] Zu einem eventuellen buddhistischen Paralleltext zu Sure 109     siehe den Bei­trag    von Markus Groß „Frühislam und Buddhismus. Neue Indizien“ im selben      Sammelband.

[95] Geneviève Gobillot, Grundlinien der Theologie des Koran. Grundlagen und             Orientierungen, in: M. Groß / K.-H. Ohlig (Hg.), Schlaglichter, a.a.O. 320-369.

[96] Geneviève Gobillot, La démonstration de l’existence de Dieu comme élément du     caractère sacré d’un texte. De l’hellénisme tardif au Coran, in:  Al-Kitab. La                 sacralité du texte dans le monde de l’Islam, hg. von D. De Smet, G. de Callatay u.           J.M.F. Van Reeth (Acta Orientalia Belgica, subsidia III), Brüssel 2004, 103-142.

[97] G. Gobillot, Grundlinien der Theologie des Koran, a.a.O.; vgl. hierzu auch V.            Popp, Biblische Strukturen der islamischen Geschichtsdarstellung, a.a.O. 2.43.

[98] Vgl. hierzu auch V. Popp, Von Ugarit nach Samarra. a.a.O. 31-41.

[99] Der Beitrag wird vermutlich heißen: „Les «légendes des anciens» dans le Coran         (Roman d’Alexandre, Histoire d’Akhikar et autres exemples).“

[100] V. Popp, Biblische Strukturen in der islamischen Geschichtsdarstellung, a.a.O.                 41.

[101] Vgl. hierzu Jan M.F. Van Reeth, Die Vereinigung des Propheten mit seinem                                                   Gott, in: M. Groß / K.-H. Ohlig, Schlaglichter, a.a.O. 370-383.

[102] Vgl. hierzu Geneviève Gobillot, La démonstration de l’existence de Dieu comme                            élément du caractère sacré d’un texte, a.a.O. 103-142.

[103] Vgl. Verf., Die Diskussion um das Kreuz. Reflexionen zur Debatte um den                                                                     Kulturpreis des Landes Hessen, a.a.O.

[104] Rechte Ginza, Rezension B, 34,5, in: Die Gnosis. Koptische und mandäische                                                   Quellen, a.a.O. 248; dort auch nähere Quellenangaben.

[105] Ebd. Rez. B, 34,8, in: ebd.

[106] Jan M.F. Van Reeth, Eucharistie im Koran, a.a.O. 459.460; vgl. auch Chr.                                                                                       Luxenberg, Die syro-aramäische Lesart des Koran, a.a.O. 332.333.

[107] Vgl. bei Verf., Vom muhammad Jesus zum Propheten der Araber, a.a.O.                                                                                         S. 365-366.

[108] GR III, 97,2, zitiert nach: Die Gnosis II. Koptische und mandäische Quellen,                                                  a.a.O. 237; dort weitere Quellenbelege.

[109] GR III, 15,13 (oder 340,4; Angabe ist ungenau), zitiert nach: ebd. 243.

[110] Vgl. hierzu auch V. Popp, Der „Vorhang der Ewigkeit“ (sidrat al-muntaha),                                                    ein Element des gnostischen Weltbilds im Koran (Sure 53:14), in:                                                                                                                                  imprimatur 42, 2009, 147-151.

[111] G. Gobillot, Grundlinien der Theologie des Koran, a.a.O. 327.

[112] G. Gobillot, ebd. 326.

[113] G. Gobillot, ebd.

[114] Vgl. hierzu z.B. Joachim Gnilka, Die Nazarener und der Koran. Eine Spuren­-                                                  suche, Freiburg i. B. 2007.

[115] Dietmar W. Winkler, (Kap.) VI. Sprache und Literatur der Kirche des Ostens,                                 in: W. Baum / D.W. Winkler, Die Apostolische Kirche des Ostens, a.a.O. 144.

[116] Vgl. hierzu Erich Kettenhofen, Deportations II. In the Parthian and Sasanian                                                 Periods, in: Encylopaedia Iranica (ed. by Eshan Yarstater), Volume VII, Fascicle                            3, Costa Mesa (California/USA) 1994, 298-308.

[117] M. Stausberg, Die Religion Zarathushtras, a.a.O. 237.

[118] Vgl. hierzu Verf., Das syrische und arabische Christentum und der Koran,                                                                       a.a.O.

[119] Vgl. hierzu V. Popp, Die frühe Islamgeschichte nach inschriftlichen und                                                                                         numismatischen Zeugnissen, a.a.O. 71.

[120] Vgl. hierzu Verf., Das „Sanctus“ der Messe (des Abendmahls) und                                                                    „Mohammed“. Spuren gemeinsamer Theologie, in: imprimatur 40, 2007, 73-                              75.

[121] Vgl. V. Popp, Von Ugarit nach Samarra, a.a.. 71.72.

[122] Vgl. hierzu V. Popp, Von Ugarit nach Samarra, a.a.O. 69-72.

[123] V. Popp, ebd. 79.

[124] V. Popp, ebd. 81.

[125] V. Popp, ebd. 83.

[126] Vgl. Chr. Luxenberg, Neudeutung der arabischen Inschrift im Felsendom zu                                                   Jerusalem, a.a.O. 124-147.

[127] Peter Wick, Hellenistische Münzen aus dem Osten. Spiegel religiöser Dynami­ –                                              ken im kulturellen Austausch zwischen Ost und West, in: Begleitheft zur Aus-­                                 stel­lung der Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum vom 16.10.2008                               – 18.01.2009, Druck Universität Bochum 2008, 19.

[128] P. Wick, ebd. 5.

[129] Wilhelm Baum, II. Zeitalter der Araber (650-1258), in: W. Baum / D.                                                                                                            Winkler, Die Apostolische Kirche des Ostens, a.a.O. 43.

[130] W. Baum, ebd. 47-51.

[131] Markus Groß, Buddhistische Einflüsse im frühen Islam?. a.a.O.

[132] Manfred Hutter, 2. Iranische Literatur, in: W. Baum / D. Winkler, Die                                                                                                 Apostolische Kirche des Ostens, a.a.O. 147.

[133] Vgl. hierzu V. Popp, Von Ugarit nach Samarra, a.a.O. 39-41.

[134] Vgl. hierzu V. Popp, Biblische Stukturen der islamischen Geschichts-                                                                                                     darstellung, a.a.O. 87-92.