Thomas: Frühe Spanische Zeugnisse zum Islam – 2. Teil

Johannes Thomas

Frühe Spanische Zeugnisse zum Islam –

2. Teil (ohne Fotos und Tabellen)

4. Biblisch geprägte Vorstellungen, islamische und versunkene christliche Traditionen in arabischen Geschichtserzählungen

 

Als älteste Erzählung der Eroberung von Nordafrika und Spanien gilt die des Ibn Abd al-Hakam1, die vor 870, dem Todesjahr al-Hakams, entstan­den sein muss. Al-Hakam ist als Ägypter nie in Spanien gewesen. Angeblich hatte er seine Informationen von arabischen Spanienreisenden. Allerdings sind seine Tradentenketten nicht historisch belegbar. Seine Aufnahme in die spanische Historiographie ist jedoch insoweit berechtigt, als sich bei ihm die Grundstruktur und viele Details auch der sehr viel späteren spanischen Ge­schichtserzählungen finden.

Wie alt das früheste Manuskript seines Berichtes ist, wurde bisher eben-sowe­nig erforscht wie das Alter der meisten übrigen arabischen Manu­skripte zu unserem Thema. Vieles ist nur durch die Kompilation von al-Maqqari, also vom Anfang des 17. Jahrhunderts bekannt2. Auch die Chro­nik des frühesten spanisch-arabischen Geschichtserzählers, al-Razi, der in der 1. Hälfte des 10. Jahrhunderts lebte, liegt nur dank späterer Übersetzun­gen, zunächst durch einen Hinweis auf die portugiesische Übersetzung von 1300 sowie dank noch späterer Kompilatoren vor.3 Allgemein wird daher die Sammlung traditioneller Erzählungen Ajbar Machmuâ als frühestes spa­nisch-arabisches Dokument zu Spaniens Geschichte nach 711 besonders hoch angesehen. Sie kann nicht vor Beginn des 11. Jahrhunderts kompiliert worden sein.4 Das für alle Editionen benutzte Manuskript stammt aller­dings erst aus dem 14. Jahrhundert. Gleichwohl gilt diese Textsammlung insbesondere wegen der besonders detailreichen Schilderung des ersten Jahrhunderts bei nahezu allen Arabisten als besonders glaubwürdig.5

Die Detailfreude als Argument für die Nähe zu den Ereignissen ist je­doch erstaunlich. Es lässt sich leicht feststellen, dass die Geschichtserzählun­gen häufig umso detailfreudiger werden, je später sie geschrieben wurden. Das wurde weiter oben bereits anhand von Chalmeta demonstriert. Auch im Vergleich zu al-Hakam ist die besondere Wertschätzung des Ajbar Mach­muâ nicht leicht nachzuvollziehen. Schließlich enthält sie alle orientali­schen Geschichten, die sich auch bei al-Hakam finden. Die bei Noth studierten Topoi sind hier sogar noch sehr viel ausführlicher aufgenom­men als bei al-Hakam. Die aus al-Hakam bekannten Erzählele­mente werden nun vor allem durch psychologisierende und andere Erläuterun­gen ausgeschmückt, aber nicht im Kern verändert.

Ähnliches gilt auch für die Geschichtserzählung des Ibn al-Kuttiya6, der als Sohn einer Gotin, wie sein Name sagt, vielfach besondere Glaubwürdig­keit genießt, oder auch für die dem 12. Jahrhundert zugerechnete Geschichtser­zählung Fatho-l-Andaluçi7.

 

4.1. Ibn Abd al-Hakam schreibt eine Geschichtserzählung mit biblischen Zügen.

Bei al-Hakam sind Hinweise auf eine Religionszugehörigkeit seltener als in den späteren Erzählungen. Es ist bei ihm auch nicht ausdrücklich die Rede von einem Heiligen Krieg und der Notwendigkeit, Ungläubige dem rechten Glauben zuzuführen. Nur ausnahmsweise wird erwähnt, dass die Eroberten den Islam angenommen hätten. Hauptthema ist die Beute und deren ge­rechte Verteilung. Vom Islam hat al-Hakam eine einigermaßen monolithi­sche Vorstellung. Die wenigen Hinweise auf Bewegungen der ‚Sufri‘ und der ‚Ibaditen‘ werden nicht durch eine Charakterisierung ihrer religiösen Prä­gung und ihres Verhältnisse zum Islam der Abbasiden präzisiert, der auch der Islam al-Hakams gewesen ist, vielleicht in Gestalt der malikitischen Rechtsauffassung. Deshalb kennt er etwa die Regeln für richtiges Beten und weiß, dass man nach einer Gebetsunterbrechung von vorne beginnen muss.8 Solche Hinweise auf Frömmigskeitsbekundungen sind allerdings selten im Vergleich zu den auf fast jeder Seite aufgeführten Diskussionen über die Beuteverteilung.

Die offiziellen Regeln islamischer Kriegsführung scheinen unserem Au­tor noch nicht wirklich geläufig gewesen zu sein. So werden die Angehöri­gen des Berberstamms der Luwata nicht vor die Wahl gestellt, entweder den Is­lam anzunehmen oder sich zu unterwerfen und Tribut zu zahlen oder aber, dritte Möglichkeit, den Kampf und damit den Tod zu akzeptieren. Sie müssen einfach Tribut zahlen und dazu ihre Söhne und Töchter verkaufen. Bei der gleich anschließenden Schilderung der Eroberung des nordafrikani­schen Sabrata, dessen Einwohner die Tore offen gelassen hatten, damit das Vieh aus der Stadt heraus spazieren konnte, stellt sich nicht einmal die Frage des Tributs. Es heißt schlicht „Sie ritten hinein und keiner entkam, und sie nahmen alles mit, was es gab“. 9 Auch bei der Eroberung von Yalula in Tripolitanien wird nur bemerkt, dass man die Stadt geplündert habe.10 Völlig ohne kritische Töne wird schließlich von dem erfolgreichen Eroberer Uqba ben Nafi berichtet, dass er die Anführer von Gegnern, mit denen er einen Vertrag über Tributzahlungen schloss, zusätzlich verstümmelte und das damit erklärte, dass er ihnen eine Lektion erteilen wolle.11

Gleichwohl ist unser Autor natürlich mit dem Koran vertraut. Abd el-Aziz, der Sohn Musas, soll die Tochter eines spanischen Königs geheiratet haben. Die wunderte sich, dass sich seine Untergebenen nicht, wie sie es von ih­rem Vater her gewohnt war, vor ihm tief verbeugten. Abd el-Aziz ließ daher vor seinem Audienzraum eine niedrige Tür einbauen, die jeden, der eintreten wollte, zwang, sich zu bücken. Daraufhin, vielleicht auch wegen des Gerüchts, er habe sich zum Christentum bekehrt, aber letzten Endes, weil „er es mit seinem Tun übertrieben hatte“, wird er ermordet. Er soll mit dem Schwert in der Moschee von Córdoba getötet worden sein, als gerade eine vom Weltengericht handelnde Koransure rezitiert wurde.12 Falsch ist sicher, aber im Sinne der islamischen Umdeutung der Geschichte plausibel, dass der Mordanschlag in einer Moschee stattfand, denn es gab noch gar keine Moscheen, sondern man nutzte die christliche Kirche San Vicente gemeinsam mit den Cordobeser Christen. Aber die werden wohl keine Prob­leme gehabt haben mit einem Koran, der noch apokalyptisch verstan­den wurde. Die ganze Geschichte der Ermordung hat apokalyptische Unter­töne. Die Erzählung vom Hochmut des Herrschers, der alle anderen zwingt, sich tief zu verbeugen, zielt auf seine mangelnde Demut, und Demut bzw. Hochmut ist ein zentrales Thema der muslimischen Apokalyptik13 ebenso wie der Prophezeihung des Jesaja. Da ist das Auftreten eines mit einem Schwert bewaffneten Richters beim Rezitieren einer Sure zum Weltgericht nur konsequent.

Für eine gewisse Nonchalance im Umgang mit dem Koran, eine Noncha­lance, die sich von einem mutazilitischen, auch vom Abbasiden-Kalifen al-Mamun geförderten Verständnis des Koran als geschaffenem Werk herleiten könnte, spricht die Geschichte von unterschlagener Beute: Die Betrüger hören auf dem Meer eine Stimme, die ruft „ersäufe sie“. Darauf­hin gehen sie tatsächlich unter, obwohl sie sich Korane umbinden.14 Deren Verwendung als präsumptive, doch de facto unwirksame Rettungs­ringe bei drohendem Schiffbruch verrät gewiss keine übertriebene Ehrfurcht die­sem heiligen Buch gegenüber, ganz abgesehen davon, dass heilige Korane nicht massenhaft auf den Schiffen der Beutediebe vorhanden gewesen sein können. Nun kennt die arabische Tradition durchaus das Hantieren mit Koranen aus den Erzählungen vom Kampf zwischen Ali und Mu’awiyâ. Danach werden von Mu’awiyâs Anhängern Korane an Lanzen gebunden. Auch das ist alles andere als historisch zuverlässig. Wie Noth nahegelegt hat, könnte das Siege verheißende Anbringen von Koranen an Lanzen einer persi­schen Wanderlegende entspringen.15 Da die von al-Hakam erzählte Geschichte in sich völlig unglaubwürdig ist, liegt es nahe, auch hier eine Nachwirkung dieser Wanderlegende zu vermuten.

Die Omaiyaden oder Marwaniden werden in diesem Bericht nicht ge­rade positiv darstellt, was aus abbasidischer Sicht nur konsequent war, denn sonst hätte man keine Argumente für deren Ausrottung gehabt. Sie werden sogar lächerlich gemacht, so etwa in folgendem Beispiel. Ein Marwân wird in Begleitung eines Arabers für weitere Eroberungen ausgeschickt. Die Nacht verbringen sie in einem Kloster bei einem Mönch, der Marwân er­zählt, er werde Thronfolger und Herr über das Heilige Land werden, wenn er es wolle, sagt ihm aber gleich dazu, er fürchte, er sei nicht fähig, diese Aufgabe zu übernehmen. Marwân soll darauf mit Anzeichen der Unsicher­heit reagiert haben.16 Wie Robert Brunschvig unter Berufung auf Henri Lam­mens zu Recht betont, sind solche Prophezeihungen durch christliche Mönche in der Frühzeit des Islam durchaus geläufig.17 Geläufig waren sie offenbar auch al-Hakam, der auch ganz selbstverständlich vom „Heiligen Land“ spricht und damit natürlich Palästina, nicht etwa die arabische Halbin­sel meint.

Die negative Sicht auf die Marwaniden wird nicht mit pedantischer Konse­quenz durchgehalten. Von Abd al-Malik bn Marwân, der sich bei der Eroberung Afrikas nach allgemeiner Ansicht besonders hervorgetan hat, erzählt al-Hakam die Geschichte seiner zunächst erfolglosen Belagerung der Stadt Yalula. Als er aber dann mit seinen Leuten abgezogen sei, seien die Mauern der Stadt plötzlich eingestürzt, und seine Leute konnten sie nach Herzenslust plündern.18 Allerdings fällt dann doch wieder ein schlechtes Licht auf ihn. Er erweist sich bei der Beuteverteilung als übertrieben habgie­rig.19 Gleichwohl erinnert die Geschichte von den plötzlich einstürzenden Mauern unbedingt an das Alte Testament, wo bekanntlich erzählt wird, dass die Mauern von Jericho auf den bloßen Klang der Posaunen und das Kriegsge­schrei der Belagerer hin eingestürzt seien (Josua, 6,4). Und der Hin­weis auf Jericho ist alles andere als willkürlich, denn bei Josua geht es ebenso wie bei der Eroberung Nordafrikas um Landnahme. Geschichten aus dem Alten Testament sind aber überhaupt omnipräsent in dieser Erzählung, die damit beginnt, dass die Berber ursprünglich in Palästina gelebt hätten, bis ihr Anführer Goliath von David besiegt worden sei. Dann seien sie ausgewan­dert nach Nordafrika.20 Eine besondere Bedeutung hat natürlich auch Mose für die islamische Geschichte. Nicht umsonst kommt er sehr viel häufiger im Koran vor als alle anderen Propheten. Und das weiß natürlich auch al-Hakam. So lässt er z.B. das Pferd des erfolgreichen Eroberers Uqba ibn Nafi, der Gott um Hilfe bittet, als seine Leute kein Wasser finden, mit seinen Hufen einen Felsen frei schlagen, aus dem dann Wasser sprudelt21 – ähnlich wie bei Moses, als er mit seinem Stab gegen einen Felsen schlägt (Exodus 2, 17,6). Schon vor der Eroberung von Yalula war bereits wie beim Auszug der Israeliten aus Ägypten das Meer trocken gefallen. Amru bn al-As hatte einen Monat lang vergebens, d.h. in völliger Untätigkeit aushar­rend, die Stadt Tripoli belagert. Da machte sich jemand aus seinem Heer mit sieben Gefährten auf, um auf die Jagd zu gehen. Wegen großer Hitze suchten sie die Nähe des Meeres, stellten fest, dass das Wasser zwar noch bis an die Stadtmauern von Tripoli reichte, die Wasserstraßen, die in die Stadt hineinführten, aber trocken gefallen waren. So gelangten sie unbehelligt bis zur Kirche, wo sie „Allah Akbar“ riefen. Da blieb den dort lebenden Byzanti­nern, wie der Autor meint, nichts anderes übrig, als sich auf die Schiffe zu flüchten.22

Wie Mose führt Uqba dann seine Mannen an einen günstigen Siedlungs­platz (den aber nur Aron, nicht Mose erreicht), ein mit Bäumen und Kräu­tern bewachsenes Tal, wo das Land unter sie verteilt wird und sie den Militär­stützpunkt Kairouan gründen. Zuvor muss Uqba allerdings alle Schlan­gen und Skorpione, die dort hausen, durch dreimalige autoritative Aufforderung vertreiben. Diese Maßnahme zeigt 40 Jahre lang Wirkung.23 Geschichten mit Schlangen aber erzählt auch, ganz abgesehen vor der Rolle der Schlange als Verführerin im Paradies das Buch Exodus. Da ist einmal der in eine Schlange verwandelte Stab Arons, der die Schlangen der ägyptischen Zauberer verschlingt (7, 10-12). Dann errichtet Mose an dem Ort, wo die Israeliten unter Schlangen leiden, eine eherne Schlange auf, deren Anblick von Schlangenbissen heilt (21,4). Der neue Mose Uqba ben Nafi sorgt nach al-Hakam dafür, dass seine Leute erst gar nicht gebissen werden. Und diese Wohltat währet 40 Jahre, während die murrenden Israeliten dazu verdammt worden sind, für eben einen solchen Zeitraum von 40 Jahren „ihre Leiber in der Wüste aufzureiben“ (Numeri 14, 32.33). Man kann beim Thema ‚Schlange‘ dann auch an jene Geschichte einer Schlange denken, die sich auf den Mauern der Ruine der Kaaba zu sonnen pflegte und dann bei deren Wiederaufbau von einem Vogel davon getragen wurde.

Auch bei der Schilderung der Eroberung Spaniens denkt al-Hakam an das Alte Testament. So wird dem Gotenkönig nach dem Vorbild des Menete­kels aus dem Buch Daniel der Einfall der Araber prophezeit. Er öff­net einen Raum, den alle seine Vorgänger stets mit neuen Schlössern verschlos­sen hatten, und sieht darin Araber dargestellt sowie eine Inschrift, die besagt, dass in dem Augenblick, in dem er die Tür zu diesem Raum öffne, die Leute, die er darin abgebildet sehe, sein Land beträten.24 So las eben auch der Prophet Daniel eine Schrift an der Wand, die König Belsazar den baldigen Untergang verkündete (Daniel 5). Schließlich wird bei der Eroberung Spaniens sogar der besonders reichhaltig verzierte, goldene Tisch König Salomons gefunden.25 Das ist nun zwar nicht biblisch, knüpft aber an biblische Verhältnisse an, ähnlich wie in der byzantinischen Literatur. Der Historiograph und Anekdotensammler Prokop schreibt bereits in seinen Berichten über die Wandalen- und Gotenkriege über die gewaltigen Reich-tü­mer des Salomon-Schatzes.26

Der Prophet Mohammed kommt bei al-Hakam nur in einem Bericht vor, der auf einen frühen Mitstreiter des Propheten zurückgehen soll. Er wird nicht als Religionsstifter präsentiert, sondern allein als Krieger, Beute-ver­teiler und als Ratgeber. Ein von al-Hakam zitierter Rat an seinen Mitstreiter Uthman ist zumindest ungewöhnlich: „Man kann nur Opfer oder Mörder sein. Also sei Opfer.“27 Hier scheint Mohammed also in der Rolle Jesu gezeigt zu werden, der dazu auffordert, auch die andere Wange hinzuhalten. Dergleichen wird von niemandem sonst dem Propheten Moham­med angedichtet. Offenbar wusste man in Ägypten im 9. Jahrhun­dert noch nicht so genau Bescheid über die später als verbindlich darge­stellte Geschichte Mohammeds, oder al-Hakam hielt sie nicht für verbind­lich. Wahrscheinlich aber hatte das dem Propheten zugeschriebene Zitat ganz einfach die Aufgabe, einen politischen Mord zu legitimieren. Denn Mohammed selbst ist es, der hier einem seiner unmittelbaren Nachfolger, Uthman, empfiehlt, sich ermorden zu lassen. Das verweist auf eine den Omaiya­den wenig freundlich gesinnte Einstellung al-Hakams, denn Uthman gehörte dem Geschlecht der Omaiyaden an, die am hartnäckigsten und am längsten den Propheten bekämpft und sich gleichwohl unter Uthman der Macht im Staat und in den Provinzen bemächtigten hatten.28 Dass Uthman durch die mit den Medinensern verbündeten Ägypter ermor­det worden ist, wie in der Traditionsgeschichte erzählt, berichtet al-Hakam nicht. Er spricht nur einmal vom „unterdrückten Imam“, als er Mu’awiyas Erklärung für sein Festhalten an seinem Statthalter Maslama ben Mujallad mit dessen enger Verbindung zu Uthman und mit seiner Aufgabe als dessen Rä­cher begründet.29 Mu’awiya selbst wird jedoch nicht als jemand dargestellt, der solche Rachepläne unterstützen möchte. Er stärkt nämlich dem von Maslama abgesetzten Uqba ben Nafi den Rücken und gibt ihm den Oberbe­fehl über die nordafrikanischen Truppen zurück.30

Anders als auf die Omaiyaden fällt auf die Ansar und auf die Zubayr kein dunkler Schatten. Abd Allah ben al-Zubayr wird wegen seiner Rede­kunst etwa mit seinem Verwandten mütterlicherseits Abu Bakr verglichen.31

Über die Berberaufstände berichtet al-Hakam, ohne deren religiösen Hinter­grund zu erläutern. Man erfährt, dass sich Maysara an die Spitze der Berber gestellt, das Amt des Kalifen beansprucht und es zugesprochen bekom­men habe. Er erobert Tanger, aber er hält nicht, was er vor seiner Wahl den Berbern versprochen hat, und wird deshalb umgebracht. Dann wenden sich die Berber in Tripolitanien, von denen gesagt wird, sie seien „Sufri“, gegen Kultums Kriegskommissar Maslama, einen Quraisch, und besiegen ihn. Kultums Truppen und die syrische Kavallerie unter Balch wer­den wenig später von nackten Berbern, die „Sufri“ gewesen seien, über­rannt, ihre Truppen vollständig vernichtet.32 Erst durch die Vereinigung von Truppen aus Kairouan und Tripolitanien konnten die „Sufri“-Berber geschlagen werden.33 Damit kehrte jedoch keineswegs Ruhe ein. Denn nun erhob sich in Tripolitanien mit den Ibadi ein anderer Zweig der religiösen Revolutionäre, konnte jedoch noch einmal niedergeschlagen werden. Damit en­det al-Hakams Geschichte. Wie man weiß, werden die von ihm nicht nä­her erläuterten Auseinandersetzungen Nordafrika auch in den nächsten Jahrzehnten bewegen.

Offenbar sieht al-Hakam in den Sufri und den Ibaditen keine Muslime. Sonst würden sie nicht wie Ungläubige behandelt, d.h. ermordet oder zur Tributzahlung gezwungen. Ihre Zuordnung zur „ersten islamischen Sekte“ der Kharidjiten ist offenbar unserem Autor noch nicht geläufig. Er weiß noch, dass die Berber Christen sind.

 

4.1.1. Christliche Ibaditen in Nordafrika und Spanien

Die Kämpfe mit den Berbern werfen natürlich auch ein besonderes Licht auf die Verhältnisse in Spanien. Denn es waren ja hauptsächlich Berber, die zunächst als Eroberer aufgetreten sind. Bei al-Hakam werden die nordafrikani­schen Berberstämme ohne nähere Erläuterung zuweilen als „sufri“ oder als „ibadi“ bezeichnet.34 Von einigen Stämmen wie den Barani und Butr heißt es, sie seien Christen geblieben.35 Meist wird jedoch die Religi­onszugehörigkeit berberischer Stämme erst gar nicht erwähnt, viel­leicht, um das in Nordafrika immer noch sehr starke christliche Element nicht allzu deutlich hervorzuheben. Denn dass es zunächst christliche Ber­ber waren, die sich den omaiyadischen Eroberungszügen entgegen stellten, ist ganz unstrittig.

Nach der traditionellen Erzählung der Geschichte kamen ibaditische Missio­nare aus Basra erst 757 nach Afrika. Dass sie dort gleich alle Berber islamisch missioniert hätten, kann schon deshalb ausgeschlossen werden, weil die Sprache der Berber das Lateinische, nicht das Arabische war.36 Sie scheinen es im Übrigen weniger darauf abgesehen zu haben, die christlichen Berber zum Islam zu bekehren, als sich mit ihnen gegen die Omaiyaden zu verbünden.

Unbeschadet der für 759 angesetzten offiziellen Ankunft von Ibad-Missiona­ren setzen nordafrikanische Autoren das erste Auftreten von Ibadi­ten in Nordafrika jedoch spätestens auf das Jahr 719 an.37 Das wären dann also Ibaditen ‚avant la lettre‘ gewesen.

Wahrscheinlich sind sie aber noch sehr viel früher nach Afrika gekom­men, nämlich als Hilfstruppen der Perser zu Beginn des 7. Jahrhunderts. Die Ibad kommen aus Mesopotamien, genauer, aus dem christlichen ara­bisch-persischen Teilkönigreich Hira. Dort sind sie schon 200 Jahre vor dem Propheten belegt. Einzelne Stämme wie die Tamîm galten als vollstän­dig christianisiert.38 Vielleicht war ‚Tamîm‘ auch einfach die Bezeichnung für christianisierte Araber.39 Die christlichen Ibaditen haben sich nun, so wird in der islamwissenschaftlichen Literatur vermutet, unter dem Islam mit einer moderaten islamischen Sekte, der ‚Ibadiya‘, verbunden, deren Mit-glie­der hauptsächlich den arabischen Stämmen der Azd und Tamim ange-hörten, die zuvor Christen gewesen waren.40 Das klingt wundersam. Sie sollen nicht mehr Christen gewesen sein, sich aber weiterhin genau so genannt haben wie ihre christlichen Brüder und Schwester aus Hira? Dass es sich einmal um christliche Ibaditen aus Hira vom Stamm der Azd und Ta­mim, dann aber um nicht-christliche Ibaditen aus den gleichen Stämmen handeln soll, ist wohl eher dem üblichen Respekt vor der islamischen Traditions­erzählung geschuldet.

Elizabeth Savage beschreibt weitere Gemeinsamkeiten der angeblich reli­giös verschiedenen Gruppen. Sie berichtet, dass beide, Ibaditen und Hiren­ser, vor allem als Fernhandelskaufleute sehr erfolgreich gewesen sind. Als solche betätigten sich die Ibaditen auch in Nordafrika. Dort wohnten sie an den gleichen Orten wie die Christen, und wenn sie eine Stadt verließen, so etwa Tahart, um in eine andere Stadt zu ziehen, zogen die Christen mit. Savage überschreibt das Kapitel, das von diesen Verbindungen handelt, denn auch konsequent mit „Christian ‚Ibadis‘: Equality of the Divine Truths“.41 Wie sehr sie damit im Recht ist, bezeugen spätere berberische Historiker, die berichten, die Berber seien so ungebildet gewesen, dass sie ihren Anführern geglaubt hätten, wenn sie versprachen, Jesus selbst werde in der Schlacht an ihrer Seite kämpfen.42 Solcher Nähe zu christlichen Vorstel­lungen entspricht auch die Aussage einer arabischen Moscheein­schrift in Sharwas/Djabal Nafousa aus dem frühen 10. Jahrhundert. Sie zi­tiert die Sure „al Baqara“ (2), Vers 136, die die Gleichwertigkeit der Offenba­rung an alle Propheten, einschließlich Jesus, betont:

„Wir glauben an Gott und das, was uns herab gesendet wurde, und das, was zu Abraham herab gesendet wurde und zu Ismael und zu Isaac und Jakob und zu den Stämmen, und was übergeben wurde an Mo­ses und an Jesus, und was den Propheten von ihrem Herrn überge­ben wurde; wir machen keinen Unterschied zwischen ihnen, und wir sind Gott ergeben.“43

Das Koranzitat deckt sich mit dem heute offiziell geltenden Korantext, au­ßer der Erweiterung um die Figur Jesu. Diese Erweiterung ist aber gewiss nicht einer Sondersituation in Sharwas geschuldet. Da der Koran ursprüng­lich eine Sammlung vieler verstreuter Texte darstellte, die sich auf biblische Vorlagen bezogen,44 sind Varianten mit der Nennung Jesu nichts Unge-wöhnli­ches. Ungewöhnlich ist deshalb auch nicht, dass die Moscheen in den Dörfern der Djabal Nafousa in Libyen, einem Kernland der Ibaditen, nicht nach Mekka ausgerichtet sind.45 Die Mezquita von Córdoba ist es übrigens auch nicht.

In der berberischen Literatur erscheinen die Ibaditen naturgemäß als musli­mische Sekte, denn der früheste Bericht stammt vom Ende des 9. Jahrhun­derts und ist von einem Sunniten geschrieben.46

Al-Hakams Zurückhaltung bei den Zuweisungen von Personen und Stäm­men zu bestimmten Religionen ist von daher nur zu gut verständlich. So erwähnt er anlässlich der Niederwerfung der berberischen Luwata mit keinem Wort, dass sie Ibaditen waren.47 Erst recht erwähnt er nicht, dass offenbar auch auf arabischer Seite Angehörige ibaditisch geprägter Stämme kämpften. Man kann dies etwa bei der Schilderung von Feldzügen ibn Sa’ds dem Hinweis darauf entnehmen, dass Leute von den Azd daran beteiligt waren.48 Unter Abd al-Malik ibn Marwân kämpfte (ohne erläuternden Kom­mentar des Autors) ein Angehöriger der Luwata (Hilal b. Tarwan al-Luwati).49 Später ist auch von einem Stammesangehörigen der (christlich-ibaditischen) Tamîm im Dienste der Araber die Rede (Sulayman b. Wala al-Tamîmi).50 Bei den ‚Afariqa‘ wird unterschlagen, dass es sich um romani­sierte Christen handelt, indem ihnen eine Abstammung von einem Farig b. Bayzar zugeschrieben wird, der ihr Territorium erobert habe, ein beliebtes Verfahren zur Kaschierung von Verhältnissen, die man nicht aufdecken möchte.51 Ähnliches gilt für die ‚Ayam‘, von denen nur berichtet wird, sie seien versklavt worden.52 Der Terminus wird in der berberischen Literatur verwendet, um die in Tahart lebenden Christen zu bezeichnen. Als persi­scher Terminus verweist er auf deren Herkunft.53 Elizabeth Savage hat für diese Verbindung mit dem Iran keine Erklärung. Sie wird aber unmittelbar einleuchtend, wenn man mit Volker Popp annimmt, dass die christlich-arabi­schen Hilfstruppen der Perser aus Hira bei der Eroberung Ägyptens 618 beteiligt gewesen sind und ihr Form von Christentum dann in ganz Nordafrika verbreitet haben. Dabei bekamen sie aller Wahrscheinlichkeit nach Nachschub aus dem Osten, als die Abbasiden Ende 8., Anfang 9. Jahrhun­dert energisch ihre Religionsvorstellungen durchzusetzen suchten. Für eine Verbindung zu Persien spricht nicht zuletzt auch der Name der angeblich unter den Omaiyaden erfolgten Neugründung eines arabischen Stützpunktes in Tunesien, Kairoun. Kairouan kommt von dem mittelpersi­schen „kârbân“ für eine Gruppe von Unternehmern. Dazu gehört auch der Begriff „kârwân“, die Karawane.54

Die Eroberung von Yarmak wird erzählt55 ohne Hinweis darauf, dass es dort einen christlichen König gab.56 Auch von der zunächst überaus erfolgrei­chen christlichen Anführerin der berberischen Rebellen, al-Ka­hina,57 heißt es nur, sie sei eine Hellseherin gewesen.58 Die religiöse Orien-tie­rung der Berber erhellt nun auch die Rolle eines Tariq al Ziyad als Statt­halter in Tanger und Eroberer Spaniens. Wenn er Berber angeführt hat, dann waren das christliche oder ibaditische Berber, die den erobernden Omaiya­den feindlich gesinnt waren. Tanger soll nach seiner Eroberung zwar einen omaiyadischen Statthalter bekommen haben, aber die Bewohner der Stadt waren weiterhin revolutionär gesinnte Sufris und Ibaditen, die 740 ei­nen erfolgreichen Aufstand anzettelten, den Statthalter umbrachten und weitere Eroberungen einleiteten.59 Daraus kann man nur schließen, dass die Berber, die in Spanien einfielen, keine Muslime im Sinne der Sunna, sondern Sufris und Ibaditen gewesen sind. Gleiches gilt dann auch für die Truppen des arabischen Eroberers Musa, von dem es heißt, er habe einige arabische Persönlichkeiten bei sich gehabt, ansonsten aber Anführer von Berbern und deren Klienten.60 Zwischen ihnen und den in Spanien leben­den Christen musste es folglich nicht zu religiös motivierten Konflikten kommen.

 

4.2. Ajbar Machmuâ: Epigonale Geschichtsschreibung und verdeckte Erinnerungen an christliche Traditionen

Die Erzählung der Eroberung Spaniens in der anfangs des 11. Jahrhunderts kompilierten Textsammlung Ajbar Machmuâ verrät ein geistiges Klima, das christlich-jüdische Verbindungen mit der islamischen Tradition nicht mehr thematisiert.61 Dabei ist die Bedeutung des Terminus „Muslim“ nicht ganz eindeutig. Ist zunächst bei dem von Tariq befehligten und vor allem aus Berbern und Freigelassenen bestehenden Heer pauschal von „Muslimen“ die Rede, obwohl die Berber zunächst weder arabisiert noch islamisiert wa­ren,62 wird später, bei der Schilderung der Rebellion der Berber gegen die Araber, der Terminus „Muslim“ allein auf die Araber bezogen.63 Der Autor oder Kompilator wird vielleicht gewusst haben, dass sich die Berber gegen den offiziellen Islam der Kalifen gestellt hatten. Allerdings sind solche Kon­flikte nicht sein Thema. Er schreibt allein aus der Sicht der herrschenden Araber, die neben sich keine Konkurrenten um Macht und abweichende religiöse Positionen anerkennen können.

Schon vor der Ankunft der Muslime sind laut Ajbar Machmuâ Städte wie Málaga von Christen und Juden verlassen worden, die christlichen Einwoh­ner von Rayya sind in die höchsten Berge, die von Córdoba nach Galizien und die von Sevilla nach Beja geflohen.64 Das ist zwar im höchsten Maße unwahrscheinlich, aber es macht plausibel, dass späterhin von Bürgerkrie­gen fast nur zwischen Arabern die Rede ist.

Auf eine inzwischen versunkene Erinnerung an eine christliche Ver-gangen­heit, von der al-Hakam immerhin noch eine Ahnung hatte, ver­weist nur noch die besonders positive Konnotation der Lahmiden, deren christ-liche Traditionen den Chronisten aber nicht mehr bekannt zu sein scheinen.

Ebensowenig ist dem Autor die Verbindung zwischen Omaiyaden und Christen geläufig, wie seine Schilderung der Herkunft der spanischen Omai-ya­den belegt. Er berichtet ausführlich und mit vielen romanesken De­tails von der erfolgreichen Flucht des ersten Omaiyaden-Emirs von Córdoba, „Abd er-Rahman ben Muawiya ben Hixem“. Er war einer der weni­gen Übriggebliebenen dieses Geschlechts, das von den Abbasiden weitge­hend ausgelöscht wurde. Immerhin erfahren wir u.a. über ihn, dass er mit seiner Familie im Anna-Kloster in Kinnasrin gewohnt habe, einer eher christlich anmutenden Unterbringung. Dann tritt er selbst als Ich-Erzähler auf: „Beim Tode meines Vaters…brachte man mich mit meinen Brüdern nach Rusafa, wo mein Großvater sich aufhielt….“ Dort habe man auf seinem Ge­sicht und an seinem Hals die besonderen Zeichen entdeckt, die ihn als den ange-kündigten Hoffnungsträger seines Geschlechts auswiesen. Von da an habe sich sein Großvater bis zu seinem Tod ständig um ihn geküm­mert.65

Die besonderen Zeichen an Gesicht und Hals erinnern an die Zeichen, die ein christlicher Mönch auch an Mohammed entdeckt haben soll. Wie dem auch sei, der Großvater des geflohenen Omaiyaden war niemand ande­res als der Omaiyaden-Herrscher al-Hisham (724-743), ein Bruders al-Wa­lids, unter dem Spanien erobert wurde. Weshalb al-Hisham aber gerade Rusafa als Residenz auserkoren hatte, ist einigermaßen rätselhaft, jedenfalls dann, wenn man der EI Glauben schenkt. So soll Rusafa bei seinem Amtsan­tritt in Trümmern gelegen haben, bis al-Hisham es wieder aufbaute und den Glanz persischer Höfe dort verbreitete. Als Argument dafür, über­haupt dorthin zu ziehen, wird angeführt, er sei vor den Mücken in den Sümp­fen am Euphrat geflohen – gerade so, als habe man sich in Mesopota­mien vor Mücken nur nach Rusafa flüchten können. An anderer Stelle im gleichen Artikel wird jedoch berichtet, Rusafa sei ein wichtiger Wallfahrts­ort gewesen, denn es seien dort die Gebeine des Hl. Sergios verehrt worden, eines „Arabers“, der im 4. Jahrhundert den Märtyrertod erlitten habe, wes­halb der Ort unter den Byzantinern auch „Sergiopolis“ geheißen habe. Dort seien allein im 6. Jahrhundert innerhalb der eindrucksvollen Stadtmauern vier Kirchen errichtet worden, u.a. die Basilika vom Hl. Kreuz, die Kreuzesreli­quien beherbergt habe. Die Bautätigkeit an diesem Pilgerort sei im übrigen bis ins 12. Jahrhundert hinein kontinuierlich fortgesetzt wor­den.66

Die seltsamen Erklärungen der EI zur Wahl Rusafas als Regierungssitz al-Hishams resultieren offenbar daraus, dass der Omaiyaden-Herrscher gemäß islamischer Traditionsliteratur ein muslimischer Kalif sein musste und man von daher keine Erklärung dafür hatte, dass er sich an einem wichti­gen christlichen Wallfahrtsort niederlassen wollte. Dabei liegt die Erklä­rung, selbst nach den Erläuterungen in der EI, auf der Hand: So wie zuvor schon Mu’awiya sich für Damaskus entschieden hatte, damit er sich als Hüter der heiligen Stätten Johannes des Täufers legitimieren konnte, eine Tradition, die al-Hishams Bruder al-Walid mit der Erweiterung des dortigen Heiligtums, heute Omaiyaden-Moschee genannt, fortführte, so übernahm al-Hisham den Schutz des anderen „religiösen Kraftzentrums Syriens und Mesopotamiens“, der Grabstätte des syrischen Kirchenheiligen Sergios.67 Schließlich griff er auch bei der Neubesetzung des Bischofsstuhls von Antiochia ein und sorgte dafür, dass sein Freund Stephanos, ein einfa­cher Mönch, wie es heißt, dort neuer Metropolit wurde.68 Wenn er auch ein Anhänger des Islam war, so war dies doch ein Islam, der sich den christli­chen Traditionen Syriens und Persiens eng verbunden fühlte.

Wenn aber Abd er-Rahman durch seinen Großvater al-Hisham und durch Rusafa geprägt war, dann muss er mit Erinnerungen an eine mit ei­nem christlichen Heiligenkult (Sergios) verbundene Kindheit und Jugend nach Spanien gekommen sein. So legte er denn auch in Erinnerung an Ru­safa/Sergiopolis ein neues Rusafa mit prachvollen Gärten an, prägte Mün­zen in der Tradition der Omaiyaden und erbaute ein großes Heiligtum, ge­nannt die Mezquita von Córdoba. Es handelt sich um ein monumentales Gebäude, das in seiner Anlage keine Übereinstimmung mit byzantinischen Kirchen und ähnlich gebauten Moscheen aufweist, sondern Bauprinzipien von „Omaiyaden-Moscheen“ wie der in Damaskus, aber auch von frühchristli­chen nordafrikanischen Kirchen69 aufgreift und sie bereichert um persische, westgotische und römisch-hispanische Elemente. Die allge­meine Verwunderung darüber, dass die „Mezquita“ nicht nach Mekka aus-ge­richtet ist, muss man angesichts der Verbindung der Omaiyaden mit dem Johannes-Heiligtum in Damaskus und dem Sergios-Wallfahrtsort Ru­safa nicht unbedingt teilen. Von dieser Omaiyaden-Tradition aber scheint der Schreiber des entsprechenden Berichts in Ajbar Machmuâ nichts mehr gewusst zu haben.

 

4.2.1. Lakhmiden in Spanien

Dennoch ist ihm das Wissen um die Bedeutung der Lakhmiden aus al-Hira geläufig. So wählen die „Muslime Spaniens“ laut Ajbar Machmuâ nach der Ermorderung von Abd el-Aziz, des Sohns von Musa ben Nusayr, „Ebn Ha­bib Al-Lahmi“ als Statthalter und Vorbeter.70 Und von „Abd er-Rahman ben Alkama Al-Lahmi“, dem Gouverneur von Narbonne, heißt es, man „habe ihn für den besten Ritter Spaniens gehalten“.71 Überhaupt spielen die Lakhmiden in dieser Sammlung von Berichten eine in der Regel sehr posi­tive Rolle.72 Laut EI war auch Musa bn Nusayr ein Lakhmide.

Die allgemein positive Bewertung der Lakhmiden wird auch in der EI er­wähnt, nach der „Lakhmi“ im Laufe des 1. Jahrhunderts Hidschra zu einem Ehrentitel geworden sei, nachdem es diesen Stamm gar nicht mehr gegeben habe.73 Eine Erklärung für das Auftauchen des Stammesnamens in sehr viel späteren Texten oder auch für die Bedeutungsentwicklung des Stammesna­mens zu einem bloßen Ehrentitel liefert die EI nicht, obwohl die Aus-führun­gen im gleichen Nachschlagewerk zu den Lakhmiden hinrei­chende Gründe benennen. Es heißt darin nämlich, dass sie bereits seit dem 4. Jahrhundert kriegerische Großtaten vollbracht hätten, bis ihre Herrschaft durch den Sassanidenkönig Chosrau II., beendet worden sei. Ferner wird erwähnt, dass schon der zweite Lakhmiden-König sich zum Christentum bekehrt habe. Hira war damals das Zentrum einer nicht-byzantinisch gepräg­ten arabischen Christenheit, und zwar über alle Stammesgrenzen hinweg.

Die arabischen Christen in Hira bekannten sich zum ostsyrischen Christen­tum. Es war dieses Christentum, das sie nach Ägypten und Nordaf­rika, später dann auch nach Spanien mitbrachten. Es war ein vornizäni­sches Christentum ohne eine Trinitätslehre, ein Christentum also, wie es die Inschrift innen im Felsendom vermittelt und den verschiedenen hetero-doxen spanisch-christlichen Bewegungen vom Arianismus bis zu den Gnostikern nicht fremd war, wie weiter unten gezeigt wird. Die christlichen Traditionen der Araber aber entsprachen nicht mehr dem von den Abbasi­den gewünschten Geschichtsbild. So blieben im Ajbar Machmuâ nur noch die Namen übrig, nicht die mit ihnen verbunden Inhalte.

Die christlich-arabisch-iranischen Traditionen waren in Spanien jedoch auch zu dieser Zeit noch keineswegs untergegangen. Noch im 11. Jahrhun­dert herrschen maurische Ibaditen, die sich nach dem Begründer der Dynas­tie, Abad, Abadiden/Abbaditen nennen und sich von den Lakhmiden in al-Hira herleiteten, über Sevilla. Abad, der zuvor Großkadi und Statthal­ter gewesen war, hatte sich nach dem Zusammenbruch des Cordobeser Omaiya­den-Kalifats 1031 unabhängig gemacht und zum König erklärt.74

Noch häufiger als in Ajbar Machmuâ werden muslimisch-fromme For­meln bei Ibn al-Kuttiya verwendet. Christen sind hier regelmäßig „Ungläu­bige“, gegen die es zu kämpfen gilt. Vom „Volk des Buches“, an das sich Abd al-Malik im Felsendom richtet und das ja eindeutig die Christen meint75, hat al-Kuttiya offenbar nichts gehört.

Vor der Schlacht fordert Tariq seine Truppen auf, für die Religion und Gott zu kämpfen. Sie sollten auf den Allmächtigen hoffen und könnten die Krone des Märtyrertums erlangen.76

In Fatho-L-Andaluçi geht es ebenfalls um den heiligen Krieg gegen die Christen in Spanien und an den Küsten des Maghreb. Auch die Berber bedürf­ten noch der religiösen Unterweisung, denn sie hätten nur zum Teil vom Propheten Mohammed gehört.77 Dem Heerführer Tariq erscheint im Traum der Prophet. Er sagt ihm den günstigen Ausgang der Schlacht voraus und fordert ihn auf, die Muslime gütig zu behandeln und die mit den Po­lytheisten geschlossenen Verträge zu achten.

Das klingt zwar freundlich in der Theorie, in der Praxis aber konnte die Forderung nach Einhaltung der Verträge, wie der gleiche Bericht anschlie­ßend zeigt, auch zu Krieg und blutiger Unterwerfung führen: Nach dem Sieg über den Gotenkönig hat sich, wie der Autor vorausgreifend erwähnt, der Islam über Spanien hinaus auf Gallien und Frankreich ausgedehnt. Man habe alle zur Tributzahlung gezwungen und dann, als die Bevölkerung nicht mehr imstande war, die geforderten Steuern zu entrichten, d.h. die Verträge zu respektieren, sie mit Krieg überzogen.78

Wie in der Sammlung Ajbar Machmuâ so überlassen auch hier die ‚Po­lytheisten‘ das Land ganz den Arabern. Sie fliehen in schwer zugängliche Berge.79

Ein massiver Einfluss der Rechtsschulen, die den Dschihad speziell ge­gen Christen postulieren, ist in den Geschichtserzählungen also erst seit dem 11. Jahrhundert zu beobachten. Auch diese Beobachtung stützt die Vermutung eines erst relativ späten Selbstverständnisses des Islam als einer christenfeindlichen Religion.

 

4.3. Ibaditen und andere „islamische“ Bewegungen

In al-Muqqadasîs vom Ende des 10. Jahrhunderts datierender Beschreibung des islamischen Westens, der von Ägypten bis Spanien reicht, wird mitge­teilt, in Spanien habe es nur die Malik-Rechtsschule gegeben. Anhänger anderer Schulen würden vertrieben, Angehörige von Sekten wie der Mutazili­ten oder der Schiiten aber würden sogar umgebracht.80 Ansonsten stellt der Autor jedoch fest, dass es im Westen auch andere Rechtsschulen gab, so etwa die der Fatimiden. Diese nun befolgten angeblich Gebetsprakti­ken, die man von den Schiiten kenne. Im Übrigen stimmten sie hinsichtlich der meisten Rechtsprinzipien mit den Mutaziliten überein, während ihre eigentliche Lehre die der Ismailiten sei. Diese Lehre werde nicht nach außen er­läutert, so dass man sie nicht kennen könne. Sie gleiche jedenfalls der der Karmaten. Auch wisse man, dass sie den Koran allegorisch auslegten. An­ders als die Abbasiden, welche die schwarze Kleidung eingeführt hätten, seien die Fatimiden zur weißen Kleidung der Omaiyaden zurück gekehrt.81 Das klingt logisch. Weiß ist die Farbe der Gewänder derer, die auf die Parou­sie warten, schwarz die der abbasidischen Apokalyptiker.

Al-Muqqadasîs Behauptung einer ausschließlichen Geltung der maleki-ti­schen Rechtslehre in Spanien muss jedoch relativiert werden. Wie oben erwähnt, herrschten im 11. Jahrhundert noch Ibad über Sevilla. Die konnten nicht plötzlich vom Himmel gefallen sein. Wenn bereits im 10. Jahrhundert nur noch die Malik-Schule existiert hätte, hätten die Almoravi­den auch nicht Ende 11./Anfang 12. Jahrhundert große Anstrengungen ma­chen müssen, um dieser Schule zum Durchbruch zu verhelfen. Auch das gelang nur für eine gewisse Zeit. Denn sie riefen damit Ibn Tûmart und des­sen Anhänger, die Almohaden, also die, die sich zum Eingottglauben bekann­ten, auf den Plan, die dann das Erbe der Almoraviden antraten.82

Die hier im Zusammenhang mit den Fatimiden erwähnten Mutaziliten hatte es, jedenfalls noch im 9. und 10. Jahrhundert, auch in Spanien gege­ben. So heißt es von dem Philosophen El Xahid (781-869) aus der mutaziliti­schen Cordobeser Schule des Abenmasarra, er habe gelehrt, dass es genüge, an einen unkörperlichen, physisch unsichtbaren Gott zu glauben, der unfähig sei, Unrecht zu tun und die Sünden der Menschen zu lieben, um schon ein Muslim zu sein. Streitpunkte wie die Existenz des Propheten Mohammed und die von diesem vorgeschriebenen religiösen Praktiken seien von lediglich sekundärer Bedeutung.83

Eine ähnliche Auffassung, die durchaus dazu geeignet war, den Islam der neuen Herren zumindest in dieser wenig orthodoxen Form für die christli­che und jüdische Bevölkerung akzeptabel erscheinen zu lassen, wird auch den Kharidjiten zugeschrieben. Für sie soll es ausreichend gewesen sein, den Eingottglauben des Glaubensbekenntnisses zu bekennen, um als gleichwertiger Muslim angesehen zu werden. Dass Mohammed der Prophet sei, müsse man nicht bekennen. Er sei halt nur als Prophet der Araber anzuneh­men.84 Diese Offenheit hatte erhebliche praktische Konsequenzen: So grausam die Kharidjiten gegen andere Muslime wüten konnten, so offen und friedfertig waren sie gegenüber Andersgläubigen. Nachdem wir wissen, dass die Ibad zu den Kharidjiten gerechnet werden, die Ibad aber christli­cher Herkunft sind, ist das nicht verwunderlich. Als muslimische Sekte konn­ten sie wenigstens pro forma dem Islam wieder zugerechnet werden, nachdem sie der Herkunft nach eindeutig für frühe syrisch-persisch-christli­che Traditionen stehen.

Ähnliches gilt auch für das, was man im Islam und in der Islamwissen­schaft die „islamische Gnosis“ nennt. Damit meint der unübertroffene Ken­ner dieser Richtung, Heinz Halm, jene „mythologische“ Gnosis, die durch einen „der koranischen Überlieferung fremden kosmogonisch-soteriologi­schen Mythos gnostischen Typs gekennzeichnet“ ist. Halm rechnet dazu die ex­treme Schia, d.h. die Nusairier und die Alawiten, sodann auch die Karma­ten und die Ismailiten,85 also schiitische Richtungen und Bewegungen, die in verschiedener Ausprägung in Nordafrika, aber auch in Spanien präsent und lebendig gewesen sind, wenn sie auch während der Zeit der almoravidi­schen Fixierung auf die malekitische Rechtsschule mehr im Verborgenen blühen mussten.

Wie Halm schreibt, ist diese Gnosis der „koranischen Offenbarung“ fremd. Aber sie hat überhaupt wenige als solche identifizierbare islamische Züge. Die von Halm aufgelisteten Charakteristika wie die Entstehung des Kosmos aus einem „Akt rebellischer Überheblichkeit…oder schuldhaften Vergessens…oft auch die Erschaffung des Kosmos durch einen subalternen Demiurgen“, „die Fremdheit des menschlichen Subjekts in der Welt“, die Seelenwanderung durch „körperliche Hüllen“, die Erlösung durch Erkennt­nis, Gnosis und die „Heimkehr zum Ursprung“ verweisen auf neuplato­nisch-gnostisch-jüdisch-iranische Traditionen. Man müsste ergänzen, dass diese Gnostiker sich zur Willensfreiheit bekannten, also auch zur Freiheit gegenüber Traditionen und es deshalb nur konsequent war, wenn sie das Recht auf eine allegorische Neudeutung des Korans beanspruchten. Der galt eben nicht als ewig, sondern als ein zeitlicher Text. Das alles sind Vorstellun­gen, die nichts mit dem Traditionalismus der Abbasiden, mit griechisch-persischem Denken aber viel zu tun haben. Dessen Anhänger aber waren seit der Spätantike Christen. Sie wurden von Vertretern der Ortho­doxie als christliche Häretiker angesehen. Zu den Zeiten einer ihnen wenig wohl gesonnenen islamischen Herrschaft traten Gnostiker dann als islamische Sekte auf.

Man kann daher mit guten Gründen wie Asín Palacios von einem christ­lich-islamischen Synkretismus sprechen.86

Das ist auch deshalb ohne weiteres nachvollziehbar, als es im Christen­tum der frühen Jahrhunderte unterschiedlichste Ausprägungen dieser neuen Religion gegeben hat.87 Die frühen Christen waren Juden. Viele, die im hellenistischen Kulturraum sich für die neue Religion interessierten, waren durch die Traditionen der griechischen Philosophie geprägt und durch die im iranischen Zoroastrismus vorgegebenen dualistischen Vor-stellun­gen.

Es ist also nur natürlich, dass auch der frühe Islam jüdisch, zoroastrich, ma­nichäisch, christlich-gnostisch und auch durch die griechische Philoso­phie geprägt war.88

Abd al-Maliks eschatologische Vorstellungen, die zum Bau des Felsen­doms führen und zum Ausbau der Pilgerstraße von Damaskus dorthin, sind durch die jüdischen Endzeitvorstellungen des Jesaja beeinflusst. Zugleich verweist die Konstruktion im Innern des Felsendoms mit den vier Pfeilern auf architektonische Vorbilder in den zoroastrischen Feuertempeln. Die Inschrift in seinem Innern schließlich formuliert ausschließlich ein ganz und gar christologisches Programm, das gegen die Dreifaltigkeitslehre von Byzanz den Islam als Verständigung über den Glauben an Jesus als Sohn der Ma­ria, als Knecht und Gesandten Gottes, von seinem Wort und seinem Geist, aber nicht als Gottes Sohn verkündet.89

Zugleich wurden die Omaiyaden von den Kharidjiten bekämpft, die ein anderes, ein revolutionäres religiöses Programm vertraten, das, wie die Ge­schichte Nordafrikas (und Spaniens) belegt, ebenfalls christliche Züge trägt. Die kurze Betrachtung zu den Ausführungen von al-Muqqadasi zu den religi­onspolitischen Verhältnissen in Spanien und Nordafrika, insbesondere zu den Fatimiden, verweist darüber hinaus auf verwandtschaftliche Bezie-hun­gen zwischen weiteren „Sekten“ mit engen Verbindungen zur Schia, etwa den Mutaziliten, den Ibaditen, dem Sufitum. Ein „fatimí“ soll bereits dem ersten Omaiyaden-Emir in Córdoba, Abd er-Rahman I, zehn Jahre lang Ärger bereitet haben. Danach kam es zu einer ibaditischen Re­volte in Algeciras gegen seinen Nachfolger.90

Noch in der 2. Hälfte des 9. und der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts wirkt in der Nähe von Córdoba der bereits erwähnte Abenmasarra als Begrün­der und Leiter einer mutazilitischen Bewegung. Schon sein Vater, der sich wie alle Ibad aus Hira „Abdalla“ nannte, wagte seine Lehre nur im Verborgenen und im kleinsten Kreis zu verkünden. Abenmassara selbst zog von Córdoba fort in eine klosterähnlich lebende Gemeinschaft in unzu-gängli­chen Bergregionen.91 Im Gewand muslimischer „Sekten“ wie der der Ibad und der Mutazaliten, die als fromme Asketen und Eremiten zunächst nicht leicht angreifbar schienen, drangen griechische Philosophie und Wissenschaft nach Spanien vor. Die Mutaziliten zitieren aus dem Ko­ran, stützen sich aber mehr noch auf Altes und Neues Testament und spie­geln in ihren Lebensregeln die Ideale des östlichen Mönchtums wider. Ihre Lehren finden Eingang sogar in die mondäne Literatur. Im bekanntesten arabisch-spanischen Buch des 9. Jahrhunderts, einer Anleitung zur Literatur von Benabderrábihi, ist ihnen ein Kapitel gewidmet. Er zitiert insbesondere aus Büchern, die er Jesus zuschreibt, sowie aus solchen der Beni Israel. Die spanisch-muslimisch-christlichen Asketen predigen danach die Verachtung der Welt, die Gottesfurcht und die Hoffnung auf sein Erbarmen. Sie empfeh­len die Meditation über den Tod, betonen die Notwendigkeit der Reue und das Verdienst der tränenreichen Zerknirschung. Auch raten sie dazu, vor dem Leben am Hof in die Einsamkeit zu fliehen, das Interesse an weltlichen Ehren und geistige Eitelkeit abzutöten, sie geißeln das Anhäufen von Reichtümern für die Erben als töricht und fordern, fröhlich die Prüfun­gen auf sich zu nehmen, die Gott einem schickt. Insgesamt gehe es darum, die vollkommene Übereinstimmung der Seele mit dem Willen Gottes zu suchen, um so zu einer übernatürlichen Vollkommenheit zu gelangen.92

Die Mutaziliten pflegen aber nicht nur solche mönchisch-asketische Tugenden, sie tendieren überdies hin zu einer Universalreligion des Rationalis­mus jenseits aller einzelnen Religionen.93 Die Welt ist ihrer Auffas­sung nach nicht von Gott, sondern von seinem Logos geschaffen, und an ihrem Ende wird der Logos als Jesus, Sohn der Maria, kommen um zu richten. Die Vorstellung vom Weltgericht beinhaltet jedoch keine Zerstö­rung der Welt. Sie gilt den Masarra-Anhänger als unzerstörbar.94 Diese Vorstellung ist ebenso plotinischer Herkunft wie die pantheistischen Tenden­zen und das Ziel einer mystischen Vereinigung mit Gott.95 Der Mensch ist entgegen der islamischen Prädestinationslehre ganz und gar frei in seinen Entscheidungen, und deshalb ist er auch ganz und gar für seine Taten verantwortlich. Gleichwohl muss er für eventuelles Fehlverhalten nicht mit Höllenstrafen rechnen.96 Damit gerät man zwar in einen Gegen­satz zum Koran, aber der Koran ist nicht ewig und deshalb für freies, allegorisie­rendes Interpretieren offen.97

Mit solchen Lehren setzte sich Abenmasarra dem Zorn der Richter aus, die der abbasidischen Traditionsgeschichte verpflichtet waren und schon unter Abd er-Rahman II an Einfluss in Córdoba gewonnen hatten. Abenma­sarra ging deshalb zeitweilig in den Osten des arabischen Reiches.

Auch unter dem zunächst sehr liberalen und wissenschaftlich interes-sier­ten Hakam II. kam es gegen Ende seines Regimes zu einer Auswei­tung des Einflusses von traditionsorientierten Schriftgelehrten und Richtern, weshalb die Mutaziliten nur als Geheimgesellschaften oder durch Flucht in den Orient oder nach Sizilien überlebten.98

Der Zusammenbruch der Omaiyadenherrschaft in Spanien und das Ausei­nanderfallen in Taifas begünstigte dann das Aufblühen aller heterodo­xen Bewegungen. In Sevilla herrschten bis zum Einfall der Almoraviden die schon erwähnten Ibaditen, in Toledo und Zaragoza wurden die rationalis­tisch-wissenschaftlichen Tendenzen des Mutazilismus fruchtbar, und in Córdoba, Sevilla, besonders aber in Almeria verbreiteten sich die mysti­schen Vorstellungen Abenmasarras. Die mystische Konzeption der Sufi-Schule Abenarabis baute ganz auf der Lehre von Abenmasarra auf.99 Die Herkunft der ältesten Sufi-Meister aus dem mit Klöstern besonders reich gesegneten Teil Chorasans, dem heutigen südlichen Turkmenistan, erklärt, weshalb in deren Schriften vor allem auf Jesus und Johannes den Täufer Bezug genommen wird.100

Nach dem Intermezzo der Almoraviden tritt der bereits erwähnte Ibn Tûmart als „Mahdi“ der Eingottgläubigen, der Almohaden, auf den Plan. Seine Lehren sind auch nicht einfach nur „islamisch“. Die in unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Nähe zu den Almohaden lebenden Christen in Toledo ziehen einen deutlichen Trennungsstrich zwischen einem Ibn Tûmart und den Lehren Mohammeds. Der Metropolit von Toledo, Rodrigo Ji­ménez de Rada, beauftragt zu Beginn des 13. Jahrhunderts einen seiner Domherren, Petrus von Toledo, mit der Übersetzung des Koran und der Schriften Ibn Tûmarts ins Lateinische. In seinem Vorwort zu einer Überset­zung von Ibn Tûmarts rational statt traditionalistisch begründetem Beweis der Einheit Gottes, schreibt der Übersetzer, Ibn Tûmarts kluge und über-zeu­gende Argumente hätten bei allen klugen Leuten mehr Gewicht als der wirre Worte schreibende, in seinen Vorschriften unehrenhafte und ge­gen das Neue Gesetz Christi sich wendende Mohammed. Als Schüler al-Ghazzalis und als Philosoph habe er gegen die Gesetzeslehrer gekämpft.101

Auch bei anderen Christen wurde Ibn Tûmart offenbar als jemand gese­hen, der den eigenen Überzeugungen nicht feindlich gegenüber stand. So soll er bei seiner Reise nach Tripolis und Mahdiya vom dortigen Sultan, Yahyâ bn Tamîm, also einem christlichen Araber, freundlich empfangen worden sein.102

In solchen Übereinstimmungen ebenso wie im Konflikt mit den auf Ver­rechtlichung von Glauben und Politik setzenden Almoraviden manifes­tiert sich die von Volker Popp in diesem Band geschilderte Opposition von christlichen und islamisch-heterodoxen Anhängern des Logos gegenüber der Etablierung eines Mohammed als Träger des Nomos.

 

 

 

5. Die lateinischen Quellen

 

Angesichts der Widersprüche zwischen einzelnen arabischen Erzählungen und ihrer großen zeitlichen Distanz zu den Ereignissen sind einige Histori­ker zu einer vor der Entdeckung der arabischen Zeugnisse selbstverständli­chen Privilegierung früher lateinischer Chroniken zurückgekehrt. Dietrich Claude etwa hält dies schon deshalb für sinnvoll, weil arabische Quellen nicht nur wegen des zeitlichen Abstand wenig glaubwürdig seien, sondern vor allem auch deshalb, weil sie aus der Perspektive der Sieger geschrieben wurden. Historisch verlässlicher sind für ihn daher die lateinischen Chroni­ken von 741 und 754. Besonders letztere gilt ihm als Maßstab für die Beurtei­lung der arabischen ebenso wie der späteren lateinischen Chroniken und Kompilationen.103

Ebenso meint auch Roger Collins, man müsse den arabischen Texten mit Skepsis begegnen und dürfe ihnen nur dann Gewicht beimessen, wenn sie mit dem einzigen Text übereinstimmen, der als ein mit den von ihm geschilderten Ereignissen zeitgleicher Text anzusehen sei.104

Die bei Mommsen als „Continuatio hispana a. DCCLIV.“ parallel neben der „Chronik 741″ abgedruckte Schilderung der Ereignisse im byzantinisch-arabischen, vor allem aber im spanischen Raum105 gilt allgemein als wich­tigste Informationsquelle zur Geschichte der iberischen Halbinsel in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts.106 Inzwischen hat Carmen Cardelle de Hartmann stringent nachgewiesen107, dass der bisher für die älteste Textfas­sung gehaltene Text frühestens zu Beginn des 12. Jahrhunderts geschrieben worden ist. Zuvor, im 11. Jahrhundert, wurde er in einem Kloster in Coimbra abgeschrieben. Eine frühere Existenz des Textes wird nur durch Bruchstücke eines Manuskripts belegt, von dem 4 Seiten in Madrid, 2 wei­tere Blätter in London vorliegen. Ansonsten gibt es für die Überliefe-rungsge­schichte bis zum 11. Jahrhundert lediglich das Argument, dass al-Razi sich in der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts auf ihn gestützt habe. Der früheste Hinweis auf al-Razis Text findet sich aber, wie bereits erwähnt, erst im Jahre 1300 dank einer portugiesischen Übersetzung. Ferner wurde die mozarabische Chronik vom anonymen Autor der „Historia Pseudo-Isidori­ana“ im 12. Jahrhundert zugrunde gelegt.

Mit der etwa von Collins unterstellten Zeitgenossenschaft der mozarabi­schen Chronik ist es demnach nicht allzu weit her. Zumindest konnten wäh­rend des gewaltigen Zeitraums bis zum 9./10. bzw. 12. Jahrhundert Ände­rungen und Ergänzungen aller Art in den Text eingebracht werden.

 

5.1. Syrisch-byzantinisch-arabische Einflüsse oder: Mekka liegt in Mesopotamien

César E. Dubler verdanken wir eine Analyse der Chronik von 741, die sie nicht allein in die Kontinuität byzantinischer Einflüsse auf spanischem Bo­den stellt, sondern vor allem durch eine überaus detailreiche Synopse der in den beiden lateinischen Chroniken vermeldeten Ereignisse die Überein-stim­mungen bzw. Unterschiede zwischen beiden Werken klar heraus­stellt. Die Synopse beinhaltet zugleich Hinweise auf entsprechende Passus in byzantinischen Chroniken.108

Die auffallendsten Übereinstimmungen mit byzantinischen Chroniken erge­ben sich nach Dubler mit der Weltchronik von Theophanes Homologe­tes (760-817) und der „Chronologia brevis“ von Nikephoros I., Patriarch von Konstantinopel (750-828). Dubler führt diese Übereinstimmungen dar­auf zurück, dass alle Autoren die gleichen Quellen benutzt hätten, die aller­dings unbekannt sind. Es handelt sich bei den Quellentexten, die für die Geschichte der Araber zugrunde gelegt werden, jedoch, anders als Dubler meint, keineswegs allein um Texte aus Byzanz. Wie Hans Jansen nachgewie­sen hat, benutzt etwa Theophanes auch arabisch-islamische Quellen.109 Mögli­cherweise haben die Chronisten der beiden lateinischen Chroniken, die auf weitgehend übereinstimmenden, allerdings nicht vollkommen identi­schen Vorlagen zu gründen scheinen, bereits ins Lateinische über­setzte Vorarbeiten nutzen können. Wie dem auch sei, feststeht, dass diese Chroniken eine Kenntnis von den Ereignissen im byzantinischen Kaiser­reich und der Ausbreitung der Araber offenbaren, die zusammen mit dem Wissen über die spanische Geschichte belegt, dass es einen relativ intensiven In­formationsaustausch zwischen Spanien und dem Orient gegeben hat. Spekula­tionen über die Herkunft der Chronisten will ich nicht nachgehen, da es sich eben um bloße Spekulationen handelt.

Dubler hält die Informationen über die arabische Geschichte in der Chro­nik 741 für das Ergebnis mündlicher Überlieferung, wofür auch die an den mündlichen Sprachgebrauch der Araber angelehnte Schreibweise arabi­scher Namen spreche. Hier unterliegt er allerdings einem Irrtum. Die Schrei­bung „Mahmat“ oder „Ma(h)met110“ entspricht nicht arabischer Ausspra­che, sondern der aramäischen Schreibung „MHMT“. Auf den glei­chen Sprachraum verweist in der Chronik von 754 die Schreibung Ma(a)via111 für Mu’awiyâ, ebenso die Funktionsbezeichnung al-Walids mit „omnia prospere gerens“. In der Literatur zur Chronik von 754 wird die Übersetzung der Bezeichnung „Amir almuminin“ mit „omnia prospere ge­rens“ (Ulit Amir Almuminin, quod idioma regni in lingua eorum resonat omnia prospere gerens“) als spätere Interpolation durch jemanden, der keine Ahnung mehr vom Arabischen gehabt habe, gewertet. Es müsse natür­lich so etwas wie „Commander of the Faithful“112 bzw. „Príncipe de los creyentes“ heißen.113

Autor und/oder Kopist beweisen hier jedoch keine Unkenntnis des Arabi­schen. Vielmehr knüpfen sie an ein Verständnis dieses Titels im Sinne seiner früheren Verwendung im Mittelpersisch-Aramäischen als „Vorstand der Schutzgewährer“ oder auch „Vorbeter“ an. Der Begriff ist ein „mixtum compositum“ aus arabisch „Amir“ und einer Tätigkeitsbeschreibung in Pah­levi, der Sprache der persischen Vorgängerdynastie. Die Schreibung auf einer Münze zeigt die Verbindung eines aramäischen Ideogramms mit einer mittelpersischen Infinitivendung.114

Auf eben diesen syrisch-persischen Sprach-und Kulturraum verweist auch der Bericht über die Vernichtung eines „Maroan“, der im Auftrag von Abdella Alescemi durch ein gewaltiges Heer von Persern verfolgt und schließ­lich am Nil getötet worden sei. Es heißt hier, diese Perser seien Anbe­ter der Sonne und von „pullata demonia“ gewesen.115 „Pullata“ ist als lateini­scher Ausdruck nicht nachweisbar. Er klingt an an ein nicht mehr verstandenes „Put Perest“ von persisch BUDDH für Buddha. Es wurden halt Buddha-Bilder und -Statuen verehrt. Der Vorwurf der Verehrung sol­cher Bilder wurde dann verallgemeinernd auf alle Bilderverehrer übertra­gen. Die Sonnenanbeter aber sind zweifellos Zoroastrier. Die Vertreibung und Ermordung des letzten Omaiyaden den Persern anzulasten und dazu noch solchen, die als ungläubig zu gelten hatten, ist alles andere als unplausi­bel. Perser im Heeresdienst auch nach-omaiyadischer Herrscher stellen nicht nur keine Ausnahme dar, sie sind der Normalfall, wie schon Wellhausen nach seiner Tabari-Lektüre wusste: „Im Heer des Abu Muslim sprachen auch die Araber vorwiegend persisch“. Sie waren, vor allem in der wichtigen Provinz Khorasan, so weit iranisiert, dass sie sogar die Feste der Iraner mitfeierten. Die Araber hatten sich dort in jeder Hinsicht akklimati­siert.116 Dass der Chronist mit dem Hinweis auf Götzen verehrende Perser die Abbasiden in ein schlechtes Licht habe rücken wollen, ist demnach eine Vermutung, die jeglicher Grundlage entbehrt.117 Volker Popp hält die Ge­schichte der Verfolgung „Maroans“ im Übrigen mit guten Gründen für die Wiederaufnahme einer persischen Legende.118

Diejenigen, die Informationen über die Ereignisse in Syrien und weiter öst­lich auf spanischem Boden verbreiteten, hatten offenbar einen syrisch-iranischen Hintergrund.

Das schließt natürlich nicht aus, dass der anachronistische Bericht über eine muslimische Eroberung Syriens und Mesopotamiens zu Lebzeiten Mo­hammeds sich, wie Dubler meint, mündlicher arabischer Überlieferung verdankt, denn die Araber Syriens lebten ja in diesem syro-aramäischen Kulturraum.119 Dann aber stellt Dubler die höchst verwunderliche These auf, der Autor der lateinischen Chronik sei wohl vor kurzem zum Islam übergetreten, denn er habe überaus positiv über den Propheten Mohammed und überhaupt über die Muslime geschrieben, und das ganz im Gegensatz zur Chronik 754.120

Die erste positive Qualifizierung Mohammeds erfolgt im Kontext des schon erwähnten anachronistischen Eroberungsberichts, wo es von „Mah­met“ heißt: „de tribu illius gentis nobilissima natus prudens admodum vir et aliquantorum futurorum provisor gestorum.“121 Mohammed stammt da-nach also aus dem vornehmsten Stamm der Araber, ist ein sehr kluger und umsichtiger Mann, der bedeutende zukünftige Geschehnisse vorherse­hen kann.

Um dergleichen ausführen zu können, muss der Autor natürlich kein frisch bekehrter Muslim sein. Wenn sein Eroberungsbericht mündlicher syrischer, iranischer oder arabischer Überlieferung folgt, so mag das auch für diese Charakterisierung des Propheten gelten. In der Biographie Moham­meds bei Ibn Ishaq wird er an sehr vielen Stellen wegen seiner Hellsehe­rei gepriesen.122 Wenige Sätze später wird nun noch nachdrückli­cher die Verehrung Mohammeds als Prophet und Apostel bei den Saraze­nen hervorgehoben, die ihn in allen Gottesdiensten und Schriften als sol­chen bekräftigen.123

Einen Hinweis darauf, dass neben den Sarazenen auch der Autor der Chro­nik sich dieser Verehrung Mohammeds angeschlossen hätte, enthält der zitierte Passus nicht.

 

Ähnliche Feststellungen lassen sich auch für die Chronik von 754 tref­fen, in der allerdings nicht auf den Propheten als Hellseher abgehoben wird. Auch wird nicht seine Verehrung in den Vordergrund gestellt, sondern er er-scheint eher als Anführer von Räuberbanden. Der Chronist nennt ihn jedoch immerhin „ihren Propheten“ („propheta eorum Mammet“).124 „Mam­met“ ist auch hier der fiktive Held imaginärer Eroberungen, wobei seine Verdienste nun jedoch insofern eingeschränkt werden, als er nicht den of­fenen Angriff, sondern heimliche Einfälle bevorzugt habe. Er habe die Nachbarprovinzen mit List und Täuschung überfallen und verwüstet („non tantum publicis irruptionibus quantum clanculis incursionibus perseve­rando vicinas provincias vastant. sicque quoquo modo, arte fraude…“).125

In dieser Schilderung liegt nun keine islamkritische Herabwürdigung des Propheten, sondern die Chronik erzählt nur, was auch in der „Sîra“ steht. Auch hier ist häufig von „Razzien“ im Sinne von Raubzügen die Rede.126 Ebenso an arabisch-islamische Quellen lässt die Beschränkung der Regierungszeit Mohammeds auf 10 Jahre denken. Die 10 scheint eine beson­dere symbolische Bedeutung gehabt zu haben, denn in der „sira“ wer­den Mohammed 10 Jahre Herrschaft zugeschrieben, und auch bei der Erzäh­lung von Ali spielt diese Zahl eine Rolle.127 Das klingt also alles nach arabisch-islamischer Tradition, auch wenn diese nicht direkt, sondern über griechische Texte vermittelt worden ist. Denn dass der Chronist syrische Quellen genutzt hat, die ursprünglich wohl in griechischer Sprache verfasst gewesen sind, hat schon Theodor Nöldeke in seinem „Epimetrum“ zur Aus­gabe von Mommsen nahegelegt. Dafür beruft er sich nicht allein auf die hier er­wähnte, aber über Damaskus hinaus kaum bekannte (allerdings auch durch Münzen nicht belegte und womöglich erfundene) halbjährige Herr­schaft eines Mavia II, sondern auch auf lateinische Ausdrücke, die nur von einer griechischen Vorlage her verständlich seien.128 Daraus ist wohl zu schlie­ßen, dass eine lateinische Übersetzung eines in griechischer Sprache verfassten syrischen Berichts zirkuliert hat. Denn eine verbreitete Kenntnis des Griechischen, die der schon erwähnte Dubler für das damalige Spanien angenommen hat, ist höchst unwahrscheinlich. Selbst Isidor von Sevilla verfügte nur über eher rudimentäre Kenntnisse des Griechischen.129

Wenn aber so viel an arabisch-syrisch-persischer Information nach Spa­nien gelangt ist, wie ist dann zu erklären, dass zwar von einer fiktiven Erobe­rung durch Mohammed, aber von einer neuen Religion, dem Koran, von Ali, von einer Hidschra usw. nirgends die Rede ist und die Autoren beider Chroniken Mekka in Mesopotamien ansiedeln? Entspricht solche Unkenntnis des Propheten und seiner Taten vielleicht auch einer syrisch-arabisch-iranischen Tradition?

Die Schilderung des Feldzugs von Abd al-Malik gegen den iranischen Wi­dersacher „seines Vaters Maroan, Abd Allah aus der Familie Zubayr“, besagt, dass er ihn „letztlich bei Mekka/„Macca“ gestellt habe: „…ad ulti­mum apud Maccam, Abrahae, ut ipsi putant, domum, que inter Ur Chaldeo­rum et Carras Mesopotamiae urbem in heremo adiacet…“130 Der hier mit „Macca“ bezeichnete Ort, den die Sarrazenen für die Heimat Abra­hams gehalten haben sollen, liegt nördlich von Bagdad, also nicht in der Wüste der arabischen Halbinsel, sondern eben dort, wo man in der Tat im­mer schon die Heimat Abrahams gesehen hat und wo der Nachfolger des ersten Abbasiden-Kalifen, al-Mu’tasim-billâh, eine neue Residenzstadt, Sâmarrâ, errichtete.

Davon hat der Schreiber der Chronik natürlich noch nichts geahnt. Seine späteren Kopisten konnten allerdings von einem ersten Versuch al-Mamuns erfahren haben, Mekka (etwa über eine Münzprägung Anfang des 9. Jahrhunderts) in einen Zusammenhang mit dem koranischen „Bakka“ zu bringen.131

Im Übrigen folgt die Auflistung der Kalifen der traditionellen arabischen Erzählung.

Erwartungsgemäß gibt es keine eindeutige Parteinahme für die Omaiya­den in der Chronik von 754, obwohl sie höchstwahrscheinlich zur Zeit eines spanischen Omaiyaden-Emirs oder Kalifen geschrieben bzw. kompiliert worden ist. Aber wie schon in der Geschichtserzählung von al-Hakam, so hat sich auch hier zumindest tendenziell eine abbasidisch beeinflusste Sicht der Dinge durchgesetzt.132 Über den direkten Nachfolger des Propheten, Abubakr, heißt es nur, dass er fast drei Jahre Kriege führend („belligerans“) gelebt habe. Dann habe er die Regierung Omar überlassen, der sie 10 Jahre mit Strenge gegenüber dem Volk („populo decem per annos rigidus“) ausge­übt habe.133 Ihm werden also immerhin die mythischen 10 Jahre des Propheten zugestanden. Sein Nachfolger Uthman ist ein bedeutender Erobe­rer, wird aber nach 12 Jahren Herrschaft bei einer Revolte von seinen eigenen Leuten ermordet („Postremo tumultu suorum occiditur“).134 Besonde­res Lob wird auch Mu’awiya nicht zuteil. Er darf aber sogar 25 Jahre re­gieren, von denen nur fünf auf Bürgerkriege entfallen. Die restliche Zeit regiert er sehr glücklich („summa felicitate peregit“). Dass er mit Byzanz gegen Ali verbündet war, wird nicht berichtet, auch nicht, dass er sein Kalife­namt in Jerusalem angetreten und dort auf Golgatha und im Garten Gethsemane gebetet habe.135 Der historisch nicht weiter belegte Feldzug gegen Konstantinopel, mit dem er seinen Sohn beauftragt haben soll, kann zwar wegen Hunger und Pest sein Ziel, die Eroberung von Byzanz, nicht erreichen, aber auf dem Rückzug werden viele andere Städte erobert.136 Irgend­welche Erfolge dieser Art oder überhaupt irgendwelche Außenwirkun­gen werden seinen Söhnen Yzit und Mu’awiya nicht zugeschrie­ben. Bei ihnen kommt es dem Chronisten nur auf die Moral und den Charakter an. Yzit soll bei allen Völkern größte Anerkennung gefunden ha­ben, weil er nie besonderen Ruhm wegen seines königlichen Rangs an­strebte, sondern wie irgendein Bürger mit allen anderen die Gemeinschaft pflegte („sed communiter cum omnibus civiliter vixit“). Gleiches wird dann auch von seinem Sohn Mu’awiya behauptet („paternis moribus similem“), der darüber hinaus noch allen ein Drittel ihrer Tributzahlungen erließ, be­vor er nach nur einem halben Jahr an der Regierung sich von dieser Welt verabschiedete.137 Beide Gestalten entsprechen zweifellos den Idealvor-stellun­gen abbasidischer Apokalyptiker.138

Im Gegensatz zu den Lobpreisungen dieser historisch nirgends belegten Wohltäter der Menschheit, die so lebten wie die Jünger Jesu oder wie die Gerechten bei Jesaja, werden dem bedeutendsten Omaiyaden-Kalifen, Abd al-Malik keinerlei Lorbeerkränze geflochten. Er darf aber immerhin die dop­pelte Herrschaftszeit des Propheten, nämlich 20 Jahre, für sich bean-spru­chen.139 Wäre der Chronist aber ein eindeutiger Anhänger seines Geschlechtes gewesen, hätte er nicht versäumt, die besonderen Qualitäten und Leistungen dieses Herrschers gebührend herauszustreichen. Seinem Sohn al-Walid ergeht es nur teilweise besser. Zwar feiert er, „mit Ehren über­häuft“, 8 Jahre lang militärische Triumphe wegen seiner außerge-wöhnli­chen Fähigkeiten, aber alles das erreicht er, wie der Chronist festhält, obwohl ihm Gottes Gnade fehlte („iam regno agendo multis honori­bus preditus triumphat per annos VIIII, Vir totius prudentie in exponen­dis exercitibus in tantum dum divino expers favore“). Dass ihm aber Gottes Gnade bei der Unterwerfung des Reichs der Goten fehlte, konnte nur jemand schreiben, der sich nicht die omaiyadische, sondern eine ab­basidische Sichtweise zueigen gemacht hat. Al-Walid unterwirft nun also auch das Reich der Goten, indem er Musa mit einem Heer dorthin schickt, der es zerstört und tributpflichtig macht („regnum Gothorum…per ducem sui exercitus nomine Muze adgressum edomuit et regno ablato vectigalia fecit.“).140 Der Chronist übermittelt also schon die Idealvorstellung von ei­ner alles regelnden Zentralgewalt, obwohl im frühen 8. Jahrhundert die Heerfüh­rer noch mehr oder weniger auf sich allein gestellt waren.

Unübersehbar deutlich wird die den Omaiyaden gegenüber kritische Ein­stellung dann insbesondere bei der Schilderung jenes Maroan, von des­sen Vernichtung durch ein persisches Heer bereits die Rede war. Ihm wird ausdrücklich vorgeworfen, was auch sonst in der abbasidisch geprägten Ge­schichtsschreibung den Omaiyaden immer wieder vorgehalten wird: Sie sind zu beute- und habgierig gewesen. Da heißt es bei al-Hakam bereits zum ersten Marwan, der die Beute in Afrika nicht anständig, sondern zu seinen Gunsten aufteilt. Und so verwundert es kaum, wenn auch der letzte Marwan aus Geldgier auf ähnliche Weise Unrecht tut. Von ihm heißt es, er habe bei seiner Flucht den ganzen Staatsschatz mitgenommen („cum thesauris publi­cis a palatio fugens…“). Und das ist noch nicht alles. Auf seiner Flucht an den Nil erfährt er nirgends Unterstützung und findet keinen Zufluchtsort wegen all des Bösen, das er getan hatte, und wegen der vielen Morde an Saraze­nen („et nullum receptaculum ob mala que fecerat et mortes diversas quas in Sarracenis ingesserat…“).141

Da die Chronik keine neuen Religionen kennt, ist es nur konsequent, dass die „arures“, von Herausgebern und Kommentatoren der Chronik regelmä­ßig als Kharidjiten und damit als früheste islamische Sekte identifi­ziert, hier nicht als Angehörige einer fremden Religion, sondern als Häreti­ker, also als heterodoxe Christen („mali macinatores atque hereticos, quos illi Arures vocant“) erscheinen.142 Im Hinblick auf die Ibaditen als einer Spielart der Kharidjitismus ist ein solches Verständnis, wie oben gezeigt, auch sachlich-historisch nachvollziehbar.

Die Bezeichnung dieser Häretiker als „arures“ / „ Haruriya“ kann im Übri­gen auf verschiedene aramäische Stammwörter zurückgeführt werden, die „Loch“, „Höhle“, „Brunnen“ bedeuten.143 Diese „arures“ sind also Bewoh­ner von Klüften und Höhlen. Sie sind eine Art Eremiten, eine Existenz­form, die sie verbindet mit den Mutaziliten und den spanischen Sufi ebenso wie mit jener christlichen Sekte der „cas(s)iani“, die später die kritische Aufmerksamkeit der spanischen Bischöfe, aber auch die des Omaiya­den-Kalifen Abd ar-Rahman II wecken sollte, der 839 zu einem Kon­zil gegen diese Häretiker einladen wird.

 

5.2. Die Eroberung der Hispania in der Chronik von 754

Die Eroberung Spaniens wird in der Chronik von 741 im Unterschied zu der von 754 nur knapp und im Zusammenhang mit weiteren erfolgreichen Eroberungszügen al-Walids erwähnt. Es heißt lediglich, dass er im Westen die seit langem befestigte Herrschaft der Goten über Spanien mit Hilfe sei­nes Heerführers Musa angegriffen, gänzlich niedergeworfen und nach der Niederwerfung des Königreichs die Einwohner zu seinen Steuerpflichtigen gemacht habe.144 Ein Eroberer Tariq kommt ebenso wenig vor wie eine Ver­schwörung unter den Westgoten. Es gibt auch keinerlei Anspielungen auf irgendwelche religiösen Konflikte.

 

5.2.1. Wechsel zwischen christlicher und arabischer Sicht, Ungereimtheiten und spätere Einfügungen

Zum Autor der Chronik von 754 wird vermutet, er sei ein Angehöriger des Klerus von Córdoba (oder, wie andere vermuten, von Toledo145) gewesen, da er herausragende Gestalten des kirchlichen Lebens so auffällig mit Lob bedacht habe. Zugleich aber zeuge seine intime Kenntnis des muslimischen Spanien von einer gewissen Nähe zum Hof von Córdoba bzw. von einem direkten Zugang zu entsprechend informierten Personen.146

Was Historiker an diesem Text verwundert und in Erklärungsverle-genhei­ten gebracht hat, ist das Ausbleiben der Erwähnung religiöser Gegensätze oder Konflikte zwischen Eroberern und Eroberten. Es steht allein die militärisch politische Geschichte im Vordergrund. Während etwa der Zerfall des Reichs des byzantinischen Kaisers Herakleios mit göttli­cher Bestrafung seines Hochmuts begründet wird, scheint hier, jedenfalls nach allgemeiner Ansicht, jeder Ansatz zu einer Verbindung von Göttli­chem und Geschichtlichem zu fehlen. Zwar ist die Bezeichung der Einwoh­ner Spaniens als „christiani“, etwa nach Kenneth Baxter Wolf, möglicher­weise religiös gemeint, aber dann wundert sich Baxter doch auch selbst über die ausbleibende Parteinahme gegenüber den Muslimen, so etwa darüber, dass ein nordafrikanischer Feldherr namens Urban, der katholischen Glau­bens gewesen sei, mit größter Selbstverständlichkeit den arabischen Erobe­rer Musa ben Nusayr durch ganz Spanien begleitet habe.147 Nachdem, wie wir gesehen haben, christlich-ibaditische Berberstämme maßgeblich an der Eroberung beteiligt gewesen sind, ist die Beteiligung eines Urbanus aus Af­rika aber alles andere als erstaunlich. Mit triftigeren Gründen hätte Baxter sich darüber wundern können, dass ein spanischer Bischof namens Oppa den angeblichen Invasoren bei der Verfolgung und Ermordung der Bevölke­rung geholfen haben soll.

Zu den „christiani“ ist im Übrigen zu sagen, dass der Autor eine andere Be­zeichnung für die Einwohner Spaniens gar nicht kennt und jedenfalls nicht verwendet. Insofern kann man diesen Terminus ebenso als ethnische Charakterisierung nehmen wie die Bezeichnung „sarraceni“, „arabes“ oder „mauri“. Auch die Franken kommen nur als „franchi“ oder „europenses“ vor, nicht etwa als „christiani“, welche die Muslime bekämpfen. Deshalb fehlt bei der Schilderung der kriegerischen Konfrontation zwischen Saraze­nen und Karl Martell bei Tours/Poitiers jeglicher Hinweis auf einen religiö­sen Hintergrund.148

Wichtiger als die religiösen Unterschiede scheinen die ethnischen zu sein, und zwar nicht die zwischen Arabern und „Spaniern“, sondern die zwischen Arabern und Berbern. Dafür spricht die einseitig proarabische und antiberberische Position der Chronik. An Alaor etwa ist ihr hervor-hebens­wert, dass er wegen der Unterschlagung von Schätzen nur die Mauren bestraft, sie einsperrt, in Ketten legt und sie auspeitschen lässt, nicht aber Sarazenen.149 Und beim späteren Aufstand der Berber in Afrika ergreift der Autor in einer geradezu rassistischen Schilderung Partei gegen sie. So hätten sich bei der Schlacht am Fluss Nabar angesichts der schwarzen Hautfarbe und des Fletschens der Mauren mit ihren weißen Zähnen die ägyptischen Pferde aufgebäumt und die Flucht ergriffen. Zur größten Verzweif­lung hätte dann die arabische Kavallerie bei einem erneuten, heftige­ren Angriff angesichts der Hautfarbe der Mauren die Flucht ergriffen und den eigenen Tod sowie den der Pferde verursacht.150

Da selbst bei den frühen arabischen Chronisten ein derart rassistischer Ton nicht auszumachen ist- bei al-Hakam wird die arabische Kavallerie von nackten Berbern überrannt – muss man wohl schließen, dass hier spätere arabische Einstellungen eingeflossen sind.

Die Geschichte der Eroberung selbst enthält gegenüber der „Chronik 741″ einige auffällige Erweiterungen. Zunächst übernimmt der Chronist zwar aus der früheren Chronik oder der ihnen gemeinsamen Quelle den Bericht, wonach unter al-Walid dessen Heerführer Musa Spanien unterwor­fen und tributpflichtig gemacht habe, aber dann folgt eine recht detaillierte, vielleicht auch phantasievolle oder durch arabische Berichte beeinflusste Darstellung der Ereignisse auf spanischem Boden. König Roderich wird kritisiert als jemand, der sein Amt durch eine Rebellion oder jedenfalls nicht auf üblichem Wege („tumultuose“) erworben habe. Das könnte nicht nur seinen Untergang erklären, sondern auch, weshalb ihm die Goten nur zum Schein, nämlich in betrügerischer Absicht („fraudulenter“) und wegen eige­ner Ambitionen auf den Königsthron („ob ambitionem regni“) auf seinem Feldzug gegen den hier erstmals erwähnten „Tariq Abuzara“ gefolgt seien.151 Mit dieser auf politische Ziele abhebenden Verschwörungstheorie wird die Unwahrscheinlichkeit der „Eroberung“ wenigstens etwas kaschiert. Ver-schwö­rungen sind einer der beliebtesten Topoi der Geschichte über­haupt. Sie ermöglichen eine Erklärung auch da, wo die Wahrheit der Ge­schichte unbekannt ist oder verheimlicht werden soll.

Die Verwüstungen, die Spanien unter Musa erlitten haben soll, werden in drastischen Worten geschildert. Das angeblich auch schon vorher geplün­derte Land („iam olim direptam“) sei ruchlos angegriffen und zer­stört worden („et omnino impie adgressam perditans“). Allerdings werden die Zerstörungen nicht etwa allein den Invasoren angelastet, sondern ebenso heftigen inneren Konflikten („non solum hostili, verum etiam in­testino furore“). Eine Erklärung dieser Konflikte könnte darin liegen, dass goti­sche Provinzherren oder Angehörige früherer Königsfamilien ihren Kö­nig verraten haben und Oppa, der Sohn des früheren Königs Egica, Musa bei der Eroberung Toledos unterstützt und die dort verbliebenen würdigen Edelleute ebenso wie alle von Toledo Geflohenen mit dem Schwert zu töten geholfen haben soll („nonnullos seniores nobiles viros, qui utqumque remanse­rant, per Oppam filium Egiche regis a Toleto fugam arripientem gladio patibuli iugulat et per eius occasionem conctos ense detruncat.“). So habe er diese uralte und überaus blühende Stadt, die durch Gottes Urteil geöffnet worden sei, durch Schwert, Hunger und Gefangenschaft entvölkert („antiquissimam et floridissimam civitatem dudum iam iudicio dei patenter apertam glaudia, fame et captivitate depopulat“). Weitere prächtige Städte vernichtete er, indem er sie niederbrannte, die Patrizier und weltlichen Potenta­ten dem Kreuz überantwortete, die Jugend und die Kinder erdolchte („civitates decoras igne concremando precipitat, seniores et potentes seculi cruci adiudicat, iubenes et lactantes pugionibus trucidat“).

Abgeschlossen wird die Schilderung der Gemetzel mit einer etwas aufge­setzt wirkenden, sich an antiken Mustern orientierenden Klage, die mit Ausru­fen, Übertreibungen und rhetorischen Fragen den Regeln der Pathos-Rhetorik folgt und einen deutlichen stilistischen Bruch mit dem ansonsten verwendeten Berichtsstil markiert. „Wer kann von solchen Gefahren erzäh­len? Wer kann all diese schlimmen Desaster aufzählen? Selbst, wenn man jeden Körperteil in eine Zunge verwandelte, läge es außerhalb der Mög-lichkei­ten menschlicher Natur, den Untergang Spaniens und all seine Verwüstungen angemessen auszudrücken…Spanien, das einst so anmutig war und nun so verelendet ist, hat ebenso viel und mehr erduldet…als Troja…, Jerusalem…, Babylon…oder Rom.“ („Quis enim narrat tanta peri­cula? Quis dinumerat tam inportuna naufragia….“)152

Diese Anklage gegen die Invasoren und deren spanische Verbündete wirkt nicht nur durch solche Übertreibungen und das ungewohnte Pathos wenig glaubhaft und so, als stamme sie von einem anderen Autor, es schei­nen vielmehr auch die Verwüstungen selbst nicht gar so verheerend ausgefal­len zu sein, wie an dieser Stelle behauptet wird. Keine 20 Jahre spä­ter soll der damalige Gouverneur Spaniens, Abdelmelic, das Land nach all dem Leid reich an allen guten Dingen und so herrlich und blühend vor-gefun­den haben, dass man es für einen Granatapfel im August hätte hal­ten können („repperit omnibus bonis opimam et ita floride post tanto dolo­res repletam, ut diceres augustalem esse melogranatam“).153 Wären die Städte tatsächlich niedergebrannt und ihre Bevölkerung ermordet worden, hätte man 20 Jahre später nicht schon wieder ein blühendes Land vor sich gehabt.

Weshalb aber meint der Autor, Gott selbst habe durch sein Urteil To­ledo den Weg in den Untergang gewiesen? Und das, nachdem er kurz zuvor noch den Angriff auf Spanien als ruchlos („impie“) bezeichnet hatte? Was bedeutet das Urteil Gottes, welches Zaragoza den Eroberern die Tore öffnen lässt? Waren die religiösen Vorstellungen des Chronisten oder seiner Ko-pis­ten verworren, oder hat vielleicht ein Kopist aus dem 9., 11. oder 12. Jahrhundert durch Einfügungen aus verschiedenen Vorlagen für eine ge­wisse Inkonsistenz gesorgt?

Der Chronist bzw. Kompilator scheint jedenfalls auch nach den Aussa­gen an anderen Stellen aus recht heterogenen Quellen geschöpft zu haben. So enthält er sich, wie erwähnt, im Fall der Schlacht bei Tours/Poitiers jedes religiös motivierten Kommentars. Andererseits scheint er aber die wunder­same Geschichte des Widerstands einer Handvoll Christen in den asturi­schen Bergen gegenüber einer gewaltigen arabischen Übermacht anzuspre­chen, wenn er erzählt, wie Abdelmelic mit einem großen Heer ohne positive Re­sultate in den Pyrenäen gekämpft habe und schließlich Gottes Macht habe anerkennen müssen, den die wenigen Christen auf den Gebirgsgipfeln um Mitleid angefleht hätten.154 Zu einer solchen Parteinahme zugunsten der asturischen Legitimationslegende, wonach sich das asturische Königshaus von den sich gegen die Muslime behauptenden, in den Norden geflohenen Westgoten ableitete, passt andererseits aber gar nicht die besonders positive Einschätzung Witizas. Denn nach den nordspanischen und südfranzösi­schen Erzählungen (Chronik von Moissac) war es gerade Witiza, der durch seine Zügellosigkeit die Bestrafung Spaniens durch Gott selbst mittels der Araber verursacht hatte. Von dieser späteren Tradition hebt sich die über alle Maßen positive Bewertung Witizas in der Chronik155 derart kontrast­reich ab, dass der moderne Herausgeber der Chronik, Lopez Pereira, von ei­ner Interpolation durch einen im Süden Spaniens lebenden Witiza-Anhän­ger ausgeht.156 Aber die positive Schilderung Witizas ist ja nicht die einzige Ungereimtheit in dieser Chronik.

So ist etwa kaum nachzuvollziehen, dass die Bewohner der nicht zerstör­ten Städte zwar nach außen den ihnen angebotenen Frieden annahmen, ihm aber nicht trauten und aus Furcht in die Berge flohen, wo sie vor Hunger oder aus anderen Gründen starben.157 Verständlich ist diese Behauptung nur dann, wenn man in Rechnung stellt, dass es den offenbar hier benutzten ara­bischen Quellen darauf ankam, al-Andalus als ein Land zu schildern, in dem außer den Arabern niemand sonst mehr eine Rolle spielte.

Eher aus Sicht der herrschenden Araber wird dann auch die Steuerpoli­tik Ambizas geschildert. Er habe die Steuern auf die Christen verdoppelt und sie mit aller Härte unterdrückt, und so triumphierte er, sagt die Chro­nik, mit Ehren überhäuft, über Spanien.158 Aus Sicht der mit aller Härte unter­drückten Christen ist das zweifellos ein etwas merkwürdiges Lob. Umge­kehrt heißt es von seinem Nachfolger Yahía, er sei ein schrecklicher Machthaber gewesen, der etwa drei Jahre lang grausam gewütet und die Sarazenen ebenso wie die Mauren verfolgt habe wegen dem, was zuvor um des Friedens willen gezahlt worden sei. Und er habe das meiste an die Chris­ten zurückgegeben, ein christenfreundliches Verhalten, das offenbar nicht die Zustimmung des Chronisten bzw. seiner Quelle gefunden hat.159 Solche antichristliche Parteinahme wird in der Literatur allgemein als Beleg dafür genommen, dass es sich bei unserem Chronisten um eine besonders objek­tiv und ausgewogen urteilende Persönlichkeit gehandelt habe. Aber wenn es sich nur um einen einzigen, einen christlichen und dazu noch ebenso distan­ziert wie objektiv urteilenden Chronisten handelte, weshalb dann die pa­thetischen Klagen über die Vernichtung des Landes gleich nach der Erobe­rung?

Die Erklärung für die konträr wirkenden Stellungnahmen muss ganz woan­ders liegen.

In der Tat lassen sich zumindest einige Gegensätze zwischen den Urtei­len über die Eroberer auflösen, und auch einige höchst unwahrscheinlich klingende Aussagen wie die zur Flucht auf die Berge lassen sich aufklären. Man muss dazu den Text nicht einfach als eine historische Abhandlung, sondern als eine zumindest in Teilen theologisch geprägte Geschichts-betrach­tung lesen, genauer, als einen eschatologisch geprägten Text im Gefolge Jesajas. Dieser Interpretationsansatz ist legitimiert durch die Bedeu-tung messianischer und eschatologischer Motive im kulturellen Umfeld Abd al-Maliks sowie durch die Präsenz solcher Motive auf materiel­len Zeugnissen aus der Zeit seiner Herrschaft, etwa Siegel, Münzen und Bleibullen, durch den Bau der Straße nach Jerusalem sowie des Felsendoms usw.160 Eschatologische, allerdings weniger messianische als apokalyptische Vorstellungen scheinen auch die Abbasiden und die Kharidjiten umgetrie­ben zu haben.161 Auch in Spanien, speziell in Asturien, waren im 8. Jahrhun­dert und danach Häresien und eschatologische Vorstellungen der verschie-dens­ten Art lebendig, wie u.a. Fray Justo Pérez de Urbel herausgefun­den hat.162

Nach Jesaja wird „das Land verwüstet wie Sodom“ ( I, 7), nachdem „die treue Stadt zur Hure geworden ist“ (I, 21).

„Ich will mir Trost schaffen an meinen Feinden und mich rächen an mei­nen Widersachern und will meine Hand wider dich kehren und wie mit Lauge ausschmelzen, was Schlacke ist, und all dein Zinn aus­scheiden.“ (I, 24-25). „Denn sie verachten die Weisung des Herrn Ze­baot und lästern die Rede des Heiligen Israels. Darum ist der Zorn des Herrn entbrannt über sein Volk, und er reckt seine Hand wider sie und schlägt sie, dass die Berge beben und ihre Leichen sind wie Keh­richt auf den Gassen…Er wird ein Feldzeichen aufrichten für das Volk in der Ferne und pfeift es herbei vom Ende der Erde. Und siehe, ei­lends und schnell kommen sie herbei…“ (V, 24-29).

Soweit also zur Eroberung, aber auch die „tabula rasa“ Theorie findet ihre Bestätigung:

„Denn der Herr wird die Menschen weit weg tun, so dass das Land sehr verlassen sein wird“ (VI, 12).

Die mozarabische Chronik schildert die Verwüstungen des Landes in den finstersten Farben und spricht auch davon, dass die Menschen, sofern sie nicht erschlagen wurden, die Städte verlassen und vorzugsweise in die Berge ge­hen. Dass Gott den mordgierigen Feinden die Stadttore öffnet, ist von daher nicht unbegreiflich, sondern konsequent, da er sein Volk durch fremde Mächte, die gegen es wüten sollen, bestrafen will („und ihre Feinde stachelt er auf, Aramäer und Philister, dass sie Israel fressen mit vollem Mund (IX, 11).“

Er bestraft es, weil es, ähnlich wie Sodom und Gomorrah, den Herrn und seine Lehren vergessen hat, zur „Hure“ geworden ist. Das läge jeden­falls in der Konsequenz des Textes. So weit ist der Kompilator der Chronik von 754 aber noch nicht gegangen. Dieses notwendige Verbindungsstück wird jedoch schon in der Chronik von Moissac163 aus dem beginnenden 9. Jahrhundert eingefügt. Hiernach hat Witiza mit seinem eigenen unmorali­schen Lebenswandel Spanien und seine Kirche verdorben. Eine Umwertung des ansonsten nur ganz positiv gezeichneten Witiza geschieht in der Chro­nik aber immerhin in Ansätzen, insofern nämlich, als er mit dem ganz nega­tiv gezeichneten Metropoliten von Toledo gegen die Notablen der Stadt intrigiert und sie quält, eine Umwertung, die, wie gesehen, einen der besten Kenner dieser Chronik dazu veranlasst, eine spätere Interpolation anzuneh­men. Nachdem sich die frühesten arabischen Geschichtserzählungen die Vergewaltigung der Tochter Don Juliáns durch König Roderich als Auslöser der Eroberung ausgedacht haben, konnte man den Vergleich mit Sodom und Gomorrah natürlich umso leichter durchführen.

Zur Bestrafung des Volkes gehören die Eroberung und die Zerstörung der Städte, die Ermordung oder Knechtung der Bevölkerung. Es liegt in den oben zitierten Rechtfertigungen der Invasoren also kein Widerspruch zur Klage über das verwüstete Land vor, denn es kommt darin der Heilsplan Gottes zum Tragen, dessen Werkzeuge jene fremden Mächte sind, die er gegen sein Volk angestachelt hat.

Aber die Bestrafung erfolgt nicht ohne Aussicht auf spätere Erlösung, und so bleibt denn auch dieses Volk oder zumindest ein kleiner Rest davon am Leben und zeugt durch seinen Widerstand auf den höchsten Gipfeln der Berge von einer heilsgeschichtlichen Hoffnung auf den Untergang der Feinde. „Hätte der Herr Zebaot nicht einen geringen Rest übriggelassen, so wären wir gleich wie Sodom und gleich wie Gomorrah.“ (I,9). „Ein Rest wird sich bekehren, ja, der Rest Jakobs zu Gott, dem Starken“ (X, 20). Es ist der Rest, der gelangt ist auf den „Berg, da des Herren Haus ist“, „höher als alle Berge“ (II, 2), „und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns auf den Berg des Herrn gehen…“ (II, 3). Deshalb können sich also die auf die Berge Asturiens geflüchteten Westgoten gegen alle Angriffe behaup­ten und ihrerseits das zerstörte Land wieder zurück gewinnen. In der hier betrachteten mozarabischen Chronik von 754 ist für diese heils-geschichtli­che Entwicklung mit der Anerkennung der Macht Gottes durch die Sarazenen angesichts der auf Gottes Mitgefühl bauenden Flücht­linge auf den Felsspitzen der Pyrenäen immerhin bereits ein Ansatz gelie­fert. Aber es gibt auch Hinweise auf eine alte Schuld der westgotischen Kö­nige. Sie haben immerhin bis zum Ende des 6. Jahrhunderts die Lehre des Arius zur Staatsreligion erhoben. Weitere Gründe für eine Bestrafung lie­fert auch das als nicht korrekt geschilderte Verhalten König Roderichs und die inneren Zwistigkeiten.

Apokalyptische Züge trägt weiters auch ein Bericht über die am Himmel von Córdoba beobachteten drei Sonnen, die bleich gewesen seien und de­nen eine feuer- oder smaragdfarbene Sichel vorhergegangen sei. Danach hätten von Gott geschickte Engel Spaniens Einwohner vernichtet, indem sie eine unerträgliche Hungersnot über sie gebracht hätten.164 Die zur Erläute­rung beigebrachten historischen Hypothesen sind wenig brauchbar. Zwar kann einen niemand hindern, in diesen Engeln die in Spanien einfallenden Wikinger zu sehen165, aber da dergleichen nicht belegt ist und deren Einfälle nie ganz Spanien berührt haben, liegt es näher, Gott und die Engel in dem biblischen Kontext zu belassen, in den sie zunächst hinein gehören.

Anschließbar an diese Deutung sind schließlich vielleicht auch die vielen Klagen über die Unterdrückungspraxis und Härte der Richter166. Bei Jesaja heißt es, dass es neue Richter und eine neue Gerechtigkeit geben muss. „Und ich will dir wieder Richter geben, wie sie vormals waren“,,,Zion muss durch Gericht erlöst werden“. (I, 26-27). Das aber heißt im Umkehrschluss, dass die aktuellen Richter alle schlecht sind. Aber gab es überhaupt in der von der Chronik geschilderten Epoche solche Richter? Zweifellos nicht. Selbst in Ägypten hat es Richter erst ab 154 A.H. gegeben, wenn es sich denn dabei nicht um eine Projektion in eine frühe Zeit handelt. Dass schon im 8. Jahrhundert die für ihre Unnachgiebigkeit bekannten malekitischen Richter in Spanien und Nordafrika ihr Unwesen getrieben und dadurch Rebellionen provoziert hätten, ist jedenfalls ganz und gar ausgeschlossen. In der frühesten spanisch-arabischen Schrift über die Richter von Córdoba aus der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts (das älteste MS stammt aus dem Jahr 1295) werden jedenfalls keinerlei Zwistigkeiten zwischen Richtern und größe­ren Teilen der Bevölkerung erwähnt.167 Die in diesem Buch für das 8. Jahrhundert geschilderten früheren Richter sind nach übereinstimmender Ansicht eine eher belustigende literarische Erfindung.168 Ein wachsender Einfluss von Richtern wird im Übrigen selbst für den Hof von Córdoba erst für die Regierungszeit Abd ar-Rahmans II. behauptet. Aber zu einer Rebel-lio­nen provozierenden Vormacht der Richter kommt es erst mit der Durchsetzung der malekitischen Rechtsschule durch die Almoraviden, mit­hin erst im 12. Jahrhundert. Und die Dominanz dieser Schule ist nicht von Dauer, denn alsbald bildet sich eine Gegenbewegung, ausgehend von dem an früherer Stelle bereits geschilderten Ibn Tûmart, der ihnen vorhält, sich so ausschließlich an die Rechtshandbücher zu halten, dass sie darüber Ko­ran und Hadithe vergäßen.169

Vielleicht hatte ein Kopist der Chronik an diese im 12. Jahrhundert über­mächtig gewordenen Richter gedacht und deren Wirken in die frühere Zeit zurück projiziert. Aber weshalb beurteilt er sie dann durchweg nur nega­tiv? Dass er sich auf die Seite von Rebellen gegen die Sunna der Maleki­ten gestellt hätte, wäre unwahrscheinlich. Er verurteilt jedenfalls Bewegun­gen, die von den Vertretern der Sunna verurteilt worden sind, so die „aru­res“/Kharidjiten, als übles Volk, das Böses im Schilde führe. Es ist also viel­leicht doch die Erinnerung an Jesaja, die zur Klage über die schlechten Rich­ter führt. Die Begründung des Aufstands der „ganzen weiten Wüste“, aus der die arabischen Massen stammten, mit der Ruchlosigkeit der Richter („Nam et cuncta illa uasta solitudo, unde ipsa oritur Arabica multitudo, impietatem iudicum non ferentes…“)170 ist jedenfalls historisch kaum nachzu­vollziehen. Es hat zwar Bürgerkriege in nahezu ununterbrochener Folge gegeben, wenn man der Traditionserzählung glauben soll, aber dabei ging es um religiös bzw. auch dynastisch begründete Parteiungen – so etwa die Partei Alis, seine Schi’a -, nicht um eine Richterherrschaft, die erst durch die Abbasiden eingeführt wird. Und es geht um revolutionäre religiöse Bewe­gungen, die sich gegen die Omaiyaden richten und am Ende zu deren Untergang führen.

1 Ibn Abd al-Hakam, Conquista de Africa del norte y de España. Introducción, traducción notas y índices por Eliseo Vidal Beltram, Valencia 1966; Mahmud Makki, Egipto y los origenes de la historiografia árabe-española, in: Instituto de Estudios islámicos en Madrid, Revista, 5, Nr. 1/2, 1957, 157-148; Robert Brunschvig, Ibn Abd al-Hakam et la conquête de l’Afrique du Nord par les Arabes, in: Al-Andalus, 40:1, 1975, 129-179. Seit der niederländische Arabist Dozy (op. cit.) gemeint hat, die Ausführungen al-Hakams hätten keine größere historische Glaubwürdigkeit als die Geschichte aus Tausendundeiner Nacht, wird er weniger beachtet als spätere Geschichtsschreiber.

2 Ahmed Ibn Mohammed al-Makkari, The History of the Mohammedan Dynasties in Spain (extr.), Transl. and illustrated with Critical Notes by Pascual de Gayangos, New Yorik/London 1964 (Reprint).

3 Ahmad Ibn Muhammad Ibn Musa al-Razi, Versión del Ajbar Mulukal-Andalus de Ahmad ibn Muhammad ibn Musa al-Razi, 889-995, ed. por Diego Catalán, Madrid 1975; Roberto Matezanz Gascón, Omeyas, Bizantinos y Mozárabes: en torno a la „Prehistoria fabulosa de España“ de Ahmad al-Razi, Valladolid 2004.

4 Ajbar Machmuâ. Crónica arábiga del siglo XI, dada á luz por primera vez, traducida y anotada por Don Emilio Lafuente y Alcántara, Madrid 1967; Claudio Sánchez-Albornoz y Menduina, El „Ajbar Maymua“. Cuestiones historiográficas que suscita, Buenos Aires 1944. Ob die Geschichtserzählung von Ibn Hayyan Autoren des Ajbar Machmuâ als Quelle gedient hat (Melchor M. Antuña, Ibn Hayyan de Córdoba y su historia de la España musulmana, Buenos Aires 1946), oder ob es umgekehrt eine Abhängigkeit Ibn Hayyans von Ajbar Machmuâ gibt, ist eine Frage, die in unserem Zusammenhang nicht von Belang ist.

5 Eine Übersicht über die positiven Bewertungen der Textsammlung durch Arabisten findet sich u.a. bei Dolores Oliver Perez, El Ajb?r Ma?m??a: Una obra polémica, in: QurÔuba 6 (2001), 77-108.

6 Abenalcotía el Cordobès, História de la Conquista de España, trad. de Julián Ribera (Collección de obras arábigas, Real Academia de História), Madrid 1926.

7 Fatho-L-Andaluçi, História de la Conquista de España. Códice arábigo del siglo XII, trad. por Joaquin de González, Argel 1889.

8 Ibn Abd al-Hakam, Conquista de Africa del Norte y der España. Introd., trad., notas y indices por Eliseo Vidal Bertan, Valencia 1966, 23.

9 Ibid., 18.

10 Ibid., 27.

11Ibid., 29-30.

12 Ibid., 51.

13 David Cook, Studien in Muslim Apocalyptic, Princeton 2002, passim.

14 Ibid., 47.

15 Albrecht Noth, op. cit., 154.

16 Ibn Abd al-Hakam, op. cit., 25.

17 Robert Brunschvig, Ibn Abd al-Hakam et la conquête de l’Afrique du Nord par les Arabes, in: Al-Andalus, 40: 1 (1975), 168.

18 Ibn Abd al-Hakam, op. cit., 27.

19 Ibid., 28.

20 Ibid., 17.

21 Ibid., 30.

22 Ibid., 19.

23 Ibid., 31.

24 Ibid., 43-44.

25 Ibid., 43-44.

26 Vgl. zu Prokop o. A. 62.

27 Ibn Abd al-Hakam, op. cit., 26.

28 Julius Wellhausen, Das arabische Reich und sein Sturz, Berlin 1960. 2. unver. Aufl., 26-29.

29 Ibn Abd al-Hakam, op. cit., 32.

30 Ibid., 33.

31 Ibid., 24.

32 Ibid., 59-61.

33 Ibid., 65.

34 Ibid., 44, 60, 66.

35 Ibid., 37.

36 Elizabeth Savage, A Gateway to Hell, a Gateway to Paradise. The North African Response to the Arab Conquest, Princeton 1997, 101.

37 Ibid., 44.

38 Gustav Rothstein, Die Dynastie der Lahmiden in al-Hira, Berlin 1899, 20.

39 Laut Islamwissenschaft handelt sich bei der Bezeichnung ‚Tamîm‘ um einen Stammesnamen. In der syrischen Bibel wird der Begriff allerdings dort gebraucht, wo der Evangelist Johannes den Christen rät, sanft zu sein wie die Tauben. Die Tamîm sind also ‚taubengleiche Gottesknechte‘: Volker Popp, Beitrag in diesem gleichen Band. Zu Vorlieben für Christliches bei einem Tamîm, der als Berber Nachfolger der Fatimiden in Tunesien ist, Tamîm bn al-Mu’izz heißt es: „He was tall and fair complexioned…a great lover of pretty women, christian slaves, which made him love Christian ceremonial and the singing, which accompanied it. Like his Fatimid homony, he appreciated the beauty of young boys, good wine and singing. He personally preferred the Byzantines (al-Rûm ahsan ‚indi) for governing his kingdom…This is worth stressing.“, EI

40 Elizabeth Savage, op. cit., 96-97.

41 Ibid., 89-111.

42 Ibid., 99.

43 Nicholas Lowick, The Arabic Inscription on the Mosque of Abu Ma’ruf at Sharwas, in: The Society for Libyan Studies, 5, 1973-1974, 14-19.

44 Jan M. F. van Reeth, Le Coran et ses scribes, in: Les scribes et la transmission du savoir (C. Cannuyer (ed.), Acta Orientalia Belgica, vol . XIX), Bruxelles 2006, 70-72.

45 „Forum unerreichter Völker“: http://www.wp1025905.wp044.webpack.

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46 Elizabeth Savage, op. cit., 22.

47 Ibn Abd al-Hakam, op. cit., 18.

48 Ibid., 22.

49 Ibid., 36.

50 Ibid., 56.

51 Ibid., 23.

52 Ibid., 53.

53 Elizabeth Savage, op. cit., 102-103.

54 Encyclopedia Iranica, Art. Arabic II. Iranian Loanwords in Arabic, 232.

55 Ibn Abd al-Hakam, op. cit., 29.

56 Elizabeth Savage, op. cit., 121.

57 Ibid., 99.

58 Ibn Abd al-Hakam, op. cit., 33.

59 Ibid., 59. Aber hier ist nur von Berbern die Rede, obwohl insbesondere Sufris die Rebellion leiteten: Elizabeth Savage, op. cit., 44.

60 Ibn Abd al-Hakam, 45.

61 Ajbar Machmuâ. Crónica arábiga del siglo XI, dada á luz por primera vez, trad. y anotada pour Don Emilio Lafuente y Alcántara, Madrid 1967.

62 Ibid., 23.

63 Ibid., 44.

64 Ibid., 25.

65 Ibid., 58-59.

66 EI, op. cit., VIII, 630-631.

67 Volker Popp, Die frühe Islamgeschichte…, op. cit., 98.

68 Julius Wellhausen, op. cit., 217.

69 Ignacio Olag?e, op. cit., 391 ss.

70 Ajbar Machmuâ, op. cit., 32.

71 Ibid., 52.

72 Ibid., 44, 48.

73 EI, op. cit., V, 632.

74 Art. H. Lammens (Irfan Shaîd) Lakh., EI, V, op. cit., 632.

75 Christoph Luxenberg, Christoph Luxenberg, Neudeutung der arabischen Inschrift im Felsendom zu Jerusalem, in: Karl-Heinz Ohlig / Gerd-R. Puin (Hg.), Die dunklen Anfänge, op. cit., 124-146; Volker Popp, Die frühe Islamgeschichte…, op. cit., 83-85.

76 Abenalcotía, op. cit., 106/107.

77 Fatho-L.-Andaluçi, op. cit., 2-3.

78 Ibid., 6.

79 Ibid.

80 Al-Muqqadasî, Description de l’occident musulman, Alger 1950, 41.

81 Ibid., 45-47.

82 Art. Ibn Tumart, Enzyklopadie des Islam, Leiden 19541, 190.

83 Miguel Asín Palacios, Aben Musarra y su escuela, Madrid 1914, 137.

84 Art. Kharidjiten, in: Enzyklopädie des Islam, op. cit., 305.

85 Heinz Halm, Die islamische Gnosis. Die extreme Schia und die Alawiten, Zürich-München 1982, 14-15.

86 Miguel Asín Palacios, Abenmasarra y su escuela. Orígenes de la filosofía hispano-musulmana, Madrid 1914, 8.

87 Walter Beltz, Die Entsakramentalisierung der syrischen Kirche im Sassanidenreich, in: Arafa Mustafa, Jürgen Tubach in Verb. mit G. Sophia Vashalomidze (Hg.), Inkulturation des Christentums im Sassanidenreich, Wiesbaden 2007, 295 ss.

88 Alexandr L. Khosroyev, Manichäismus: eine Art persisches Christentum? Der Defitionsversuch eines Phänomens, in: Arafa Mustafa et al. (Hg.), op. cit., 43- 54.

89 Volker Popp, Die frühe Islamgeschichte…, op. cit., passim; id., von Ugarit nach Sâmarrâ. Op. cit., passim, Christoph Luxenberg, Neudeutung der arabischen Inschrift im Felsendom zu Jerusalem, in: K. H. Ohlig, Gerd-R. Puin, Die dunklen Anfänge, op. cit., 124-147.

90 Miguel Asín Palacios, op. cit., 18.

91 Ibid., 27-28, 31, passim

92 Ibid., 28.

93 Ibid., 107.

94 Ibid., 22, 107.

95 Ibid., 105, 108-109.

96 Ibid., 22, 38.

97 Ibid., 7.

98 Ibid., 90 ss.

99 Ibid., 107-111.

100 Ibid., 15-22. Die Nähe des Sufitums zur Mystik des Buddhismus ist ebenfalls frappierend, und es gab ja etwa in der Nähe von Marw ein bedeutendes Buddhistenkloster, aber in den Schriften der Sufis wird Buddha im Gegensatz zu Jesus oder Johannes dem Täufer nie zitiert.

101 Marie-Thérès d’Alverny, Georges Vajda, Marc de Tolède, traducteur d’Ibn Tûmart, in: Al-Andalus, 16/1 (1951), 269.

102 Art. Ibn Tûmart, in: Exzyklopädie des Islam, op. cit., 191.

103 Dietrich Claude, Untersuchungen zum Untergang des Westgotenreiches (711-723), in: Historisches Jahrbuch, 108, 1099, 332-335.

104 Roger Collins, The Arab Conquest of Spain, 710-797, Oxford 1989, 26.

105 Diese Chronik wird im folgenden nicht nach Mommsen, sondern nach einer neueren Edition zitiert: José Eduardo Lopez Pereira, Crónica mozárabe de 754. Edición critica y traducción, Zaragoza 1980.

106 Manuel C. Díaz y Díaz: „…ésta Crónica representa la mejor fuente de información sobre la primera mitad del siglo VIII en la Península..“, in: La historiografia hispana desde le invasión árabe hasta el año 1000, in: Centro italiano di studi sull’Alto Medioevo (ed.), La storiografia altomedievale, t. I., Spoleto 1970, 317.

107 Carmen Cardelle de Hartmann, The Textual Transmission of the Mozarabic Chronicle of 754, in: Early Medieval Europe, 1999, 8 (1), 13-29.

108 César E. Dubler, Sobre la Crónica arábigo-bizantina de 741 y la influencia bizantina en la Península Ibérica, in: Al-Andalus, 1946, 11/2, 283-349.

109 Hans Jansen, Mohammed. Eine Biographie, München 2008, 368-369.

110 Continuatio Byzantia Arabica A. DCCXLI, in: Theodorus Mommsen, MGH, Auct. Antiq. Tomus XI. Chronicorum minorum sec. IV, V, VI, VII, vol. II, Berlin 1894, 337 und passim.

111 Crónica mozárabe de 754. Ed. crítica y traducción por José Eduardo Lopez Pereira, Zaragoza 1980, Ich zitiere hier und im folgenden nach der in dieser Ausgabe vorgenommenen Unterteilung in Abschnitte: 28, 29, 31, 35. Zur Erläuterung der Schreibung des Namens „Maavia“: Volker Popp, Die frühe Islamgeschichte…, op. cit., 38-44.

112 Kenneth Baxter Wolf, Conquerors…, op. cit., 133.

113 Crónica mozárabe, op. cit., 57. Lopez Pereira meint (Anm. 22), der Autor selbst sei zu nahe an den Arabern gewesen, um nicht zu wissen, wie dieser Titel zu verstehen war.

114 Volker Popp, Die frühe Islamgeschichte…, op. cit., 31-33. Unter den Abbasiden war nach C. E. Bosworth (Encyclopaedia iranica, Art. „Amer“) dieser Terminus, der in der Frühzeit des Islam als „Ratgeber“ zu interpretieren wäre, was semantisch auch nicht allzu weit von „omnia prospere gerens“ entfernt wäre, u.a. ein Titel für verschiedene Arten von Notablen, Provinzstatthaltern usw.

115 Crónica mozárabe, op. cit., 94.

116 Julius Wellhausen, Das arabische Reich und sein Sturz, Berlin 1902, 397-398.

117 José Eduardo Lopez Pereira, op. cit., 113-114. Nichts im Text verweist auf die Absicht, die Abbasiden durch den Hinweis auf ein Perserheer in ein schlechtes Licht zu rücken. Dass der Rückgriff auf solche Truppen eine Beleidigung für einen arabischen Muslim (oder einen Christen) sein könnte, wäre zwar angesichts der neueren arabisch-islamischen Tradition eine nachvollziehbare Überlegung, hat aber mit der arabischen Geschichtsschrei- bung (Tabari) nichts zu tun. .

118 Volker Popp, Von Ugarit nach Sâmarrâ“, op. cit., 175.

119 César E. Dubler, op. cit., 329.

120 Ibid., 331.

121 Theodorus Mommsen, op. cit., 337.

122 Hans Jansen, op. cit., 17, 346-346. 399. 423-424.

123 Praedictus princeps Sarracenorum Mahmet expletis regni sui annis X vitae finem accepit. quem hactenus tanto honore et reverentia colunt, ut dei apostolum et prophetam eum in omnibus sacramentis suis esse scriptisque adfirment, ibid., 338.

124 Ibid., 30.

125 Ibid., 28.

126 Hans Jansen, op. cit., 263-266. 275-276, 300-304, 338, 348, 395, 242, 431.

127 Ibid., 31-32.

128 Theodor Nöldeke, Epimetrum, in: Theodor Mommsen, op. cit., 368.

129 Jean Fontaine, Isidore de Séville et la culture classique dans l’Espagne wisigothique, 2 Bde. Paris 1959, 851; E. Dellarnelle, La connaissance du grec en Occident du VIIème au Xème siècle, in: Mémoires de la Société toulousaine d‘ études classiques, I, 1948, 207-222.

130 Continuatio Byz.., op. cit. 347.

131 Volker Popp, Von Ugarit nach Sâmarrâ, op. cit., 215-216.

132 Selbst der beste Kenner dieses Textes, López Pereira, erliegt dem Irrtum, der Autor habe eine eindeutig pro-omaiyadische Einstellung an den Tag gelegt. Er führt als Beispiele insbesondere die Schilderung von Mu’awiya II, der nun allerdings gar nicht historisch belegt ist, an, aber auch al-Walid und Omar (auch das, wie noch zu zeigen sein wird, zu Unrecht): op. cit., 113.

133 Crónica mozárabe, op. cit., 11-12.

134 Ibid., 21,

135 Julius Wellhausen, Das arabische Reich…, op. cit., 64.

136 Ibid., 28-29.

137 Ibid., 31-32.

138 David Cook, Studies in Muslim Apocalyptic, Princeton 2002.

139 Crónica mozárabe, op. cit., 34.

140 Ibid., 51.

141 Ibid., 94.

142 Ibid., 104.

143 Christoph Luxenberg, The Syro-Aramaic Reading of the Koran. A Contribution to the Decoding of the Language of the Koran, Berlin 2007, 231.

144 Theodor Mommsen, op. cit., 352.

145 Auf diese Kontroverse gehe ich nicht ein. Da beide Positionen gut begründet sind und über Interpolationen an anderen Stellen allgemein Übereinstim- mung herrscht, gehe ich davon aus, dass verschiedene Chronisten oder Ko- pisten am Werke gewesen sind. Derjenige, der etwa eine Inschrift von Kö- Wamba in Toledo kannte, mochte selbst dort ansässig gewesen sein, wer über besondere Kenntnisse von Córdoba verfügte, mochte dort gelebt haben.

146 Kenneth Baxter Wolf, Conquerors and Chroniclers of Early Medieval Spain, translated with notes and introduction by K. B. Wolf, Liverpool 1990, 29-30.

147 Ibid., 31-41.

148 Crónica mozárabe, op. cit., 98-100.

149 „Mauros…por thesauros absconsos…in carcere et katenis honustos temtat et questionando uel diversas penas inferendo flagellat.“ Ibid, 64.

150 Sed ubi super fluuium Nauam acriter utrique confligunt in proelio, tetrum colorem equis pulcrioribus demonstrando et albis dentibus confricando equi Egytii statim resiliunt fugiendo. Sed illi dum amplius impressionem faciunt desperando, equites iterum Arabici nec mora ob cutis colorem dissiliendo tergum com sua et ascensorum internicione appetunt expavascendo.“ Ibid., 84.

151 Ibid., 68.

152 Ibid., 68-72..

153 Ibid., 102.

154 „Convictus de Dei potentia, a quem Xpiani tandem preparui pinnacula retinentes prestolabant misericordiam,…“: Crónica mozárabe, op. cit., 81. Als Hinweis auf Covadonga, das freilich ebenso wenig wie ein Pelayo oder andere Westgoten erwähnt wird, lesen diese Stelle: Sánchez-Albornoz, Otra vez Guadalete y Covadonga, in: Cuadernos Hist. Esp., I-II (1944), 68 ss., Juan Gil, Para la edición de los textos visigodos y mozárabes, in: Habis, IV (1973(, 229-234 sowie u.a. J. Pérez de Urbel u. viele andere.

155 Crónica mozárabe, op. cit, 44, 47, 53.

156 José Eduardo Lopez Pereira, op. cit, 105-106.

157 „…petita condonant. Se ubi impetrata territi motu recalcitrant, ad montana temti iterum effugientes fame et diversa morte periclitant.“ Crónica mo- zárabe, op. cit., 54.

158 „…sicque vectigalia Xprianis duplicata esagitans fascibus honorum apud Spanias ualde triumphat.“ Ibid., 74.

159 „…terribilis potestator fere triennio crudelis exestuat atque acri ingenio Ispanie Saracenos et Mauros pro pacificis rebus olim ablatis exagitat atque Xpianis plura restaurat.“ Ibid., 75.

160 Volker Popp, Von Ugarit nach Sâmarrâ, op. cit., 128-166.

161 David Cook, Studies in Muslim Apocalyptic, Princeton 2002.

162 Fray Justo Pérez de Urbel, Los monjes españoles en la edad media, Madrid 1944, t. I., 524; Juan G. Atienza, Monjes y monasterios españoles en la edad media: de la heterodoxía al integrismo, Madrid 1994.

163 Chronicon moissacense, in: H. G. Pertz (Hg.), MGH, SS I, Hanover 1826, 311 ss.

164 „cunctis Cordubae ciuibus prospicientibus tres soles miro modo lustrantes et quasi pallentes cum falce ignea uel smaragdinea precedente fuerunt uisentes. E quorum ortu fame interolerabili omnes patrie Hispanie nutu Dei habitatores suos angeli ordinati fuerunt vastantes.“, Crónica mozárabe, op. cit., 92.

165 Ibid., p. 125, n. 13.

166 Ibid., 62, 79, 81, 82, 84.

167 História de los jueces de Córdoba por Aljoxani, Texto árabe y traducción española por Julián Ribera, Madrid 1914.

168 Ibid., XIII-XV.

169 Art. Ibn Tumart, op. cit., 190.

170 Crónica mozárabe, op. cit., 84.