Thomas: Frühe Spanische Zeugnisse zum Islam – 3. Teil

Johannes Thomas

Frühe Spanische Zeugnisse zum Islam

3. Teil (ohne Tabellen und Fotos)

5.2.2. Kirchengeschichte: Orthodoxie vs. Heterodoxie und Verbindungen zum Orient

Über die jüngere Geschichte der spanischen Kirche ist der Chronist, wie es scheint, aus erster Hand informiert. Er weiß über alle bedeutenden Kirchenver­treter ebenso wie über Synoden und Konzilien viel Freundliches zu berichten. Es scheint, als seien ihm die Konzilsakten bekannt gewesen. Allerdings hat er bei seiner Darstellung fast alle Hinweise auf religiös bzw. kirchlich bedingte innerspanische Spannungen und Konflikte ausgespart. Sie kommen nur selten und wenn, als längst überwundene Probleme zur Sprache. Hier soll es aber nun darum gehen, Hinweise auf Verbindungen zwischen spanischen heterodoxen Strömungen und dem Orient, d. h. insbeson­dere Syrien zu sammeln.

Der Chronist berichtet darüber, dass der Hl. Isidor von Sevilla im 7. Regie­rungsjahr von König Sisebut auf einem Konzil (2. Konzil von Sevilla, 619) gegen die Häresie der Akephalen („contra acephalorum heresim“) vorge­gangen sei und einen syrischen Bischof, der diese Häresie vertreten hatte, von seinem Irrtum überzeugte („Sirum quendam acephalum episco­pum suprafatam heresim vindicantem exuperat“).1

Die Akephalen waren monophysitische syrische Christen, die weder Kon­stantinopel noch Rom anerkannten.2 Im Einzelnen wird dem syri­schen Bischof vorgehalten, er leugne, dass es in Christus zwei Naturen gebe, und behaupte, dass seine Göttlichkeit habe leiden können („duarum in Christo naturarum proprietatem abnegans et deitatem passibilem asse­rens“).3 Ob der Syrer tatsächlich selbst vertreten hat, dass Christi Gottheit leiden konnte, ist natürlich nicht mehr nachprüfbar, aber eher unwahrschein­lich4. Die Vermutung liegt nahe, dass Isidor selbst diese Schluss­folgerung auf das Leiden Christi gezogen hat, um den syrischen Bi­schof umso leichter diskreditieren zu können. Damit ist jedenfalls offenkun­dig, dass es im 7. Jahrhundert in Spanien nicht nur immer noch Arianer, sondern auch Monophysiten aus Syrien gab. Darüber, dass überhaupt ein syrischer Bischof in dieser Mission in Spanien unterwegs gewesen ist, scheint sich übrigens niemand gewundert zu haben. Es handelte sich offen­bar um ein bekanntes Phänomen, das immerhin von so allgemeiner Bedeu­tung gewesen ist, dass ihm der Hl. Isidor einen großen Teil der Abhandlun­gen in den „Canones“ des Konzils gewidmet hat.

In dieser Auseinandersetzung zitiert Isidor im übrigen nicht nur aus dem Alten und Neuen Testament sowie den Briefen des Apostels Paulus, sondern auch aus Kirchenvätern, lateinischen wie griechischen, so etwa ne­ben Ambrosius und Augustinus auch aus Gregor von Nyssa, Athanasius, Basilius und Cyrill von Alexandrien. Offenbar waren auch deren Werke aus dem Orient in lateinischer Übersetzung nach Spanien gelangt. Denn Isidor scheint eher nur über eine oberflächliche Kenntnis des Griechischen verfügt zu haben.5

Die Vermutung enger Verbindungen zum Orient erhält in der „Chronik 754″ zusätzliche Nahrung durch die Schilderung jenes Theodemir, der uns aus der Diskussion um den „Vertrag von 713″ breits bekannt ist. Von ihm heißt es hier, dass er in Damaskus war und dort, von den „östlichen Chris­ten“ befragt, eine solche Standfestigkeit im wahren Glauben bewiesen habe, dass alle Gott laut priesen. Der „amir al-muminin“ befand ihn für klüger als alle anderen und ehrte ihn. Auch der Vertrag, den Theodemir der Legende nach kurz zuvor mit Abd al-Aziz abgeschlossen hatte, wurde durch ihn erneu­ert.6

Die „östlichen Christen“ müssen natürlich Christen sein, die östlich von „Rum“, d. h. Byzanz lebten. Die aber waren, neben den schon erwähnten Monophysiten, vor allem ostsyrische Monarchianer7. Theodemir, wenn es ihn denn gegeben hat, bzw. der Theodemir des Chronisten scheint also die­sem heterodoxen Christentum nahe gestanden zu haben. Dafür spricht auch seine Sonderbehandlung durch den „amir al-muminin“, der wohl als Anhän­ger des Monarchianismus der Omaiyaden zu gelten hat.

Die Ausführungen zu Theodemir, die frühestens im 9./10. Jahrhundert inter­poliert worden sind und in dem Teil des Textes stehen, der in einem MS des 12. Jahrhunderts erhalten ist,8 zeigen uns also einen Chronisten, der nicht nur sehr aufmerksam die Auseinandersetzung mit den Akephalen verfolgt, sondern deutlich seine Sympathie äußert. Da er zur Zeit der Omaiya­denherrschaft in Spanien schrieb, liegt die Vermutung nahe, dass es ihm darauf ankam, zwischen den Christen zumindest seiner Region und den Omaiyaden eine religiös geprägte Verbindung herzustellen.

Die hier geschilderte Geschichte Theodemirs belegt, ganz gleich, ob es in Orihuela einen Theodemir gegeben hat oder nicht, das Bewusstsein von möglichen Arrangements zwischen gotischen Feudalherren und den Herren in Córdoba, die den Fortbestand der Feudalherrschaft ermöglichten und vielfach belegt sind.9

Andererseits schildert die Chronik Gestalten und Ereignisse der spani­schen Kirchengeschichte regelmäßig aus orthodoxer Sicht und vermeidet sorgsam alle Hinweise auf das Fortbestehen heterodoxer Strömungen. Der Arianismus ist dem durch die Chronik erweckten Anschein nach damit erledigt, dass Recared und die spanischen Bischöfe auf dem 3. Konzil von Toledo der Lehre des Arius abgeschworen haben, und weitere heterodoxe Richtungen werden dann bis auf die Erzählung von der Heilung eines (antitrini­tarischen) Sabellianers durch Bischof Cixila in Toledo nicht mehr erwähnt.10

Aber es lagen dieser Chronik, wie oben demonstriert, eben nicht nur der Orthodoxie verpflichtete Quellen zugrunde, sondern auch solche, die für syrisch-arabisch-christliche Heterodoxien offen waren.

 

 

6. Heterodoxie im Spiegel der Konzilien

 

Unabhängig von dieser Chronik und über sie hinaus gehend ist festzuhal­ten, dass gegen Ende des 7. Jahrhunderts in immer schnellerem Rhythmus in Toledo Konzilien abgehalten werden, die gegen häretische Strömungen, insbesondere gegen die oft mit dem frühen Priscillianismus gleichgesetzten gnostischen und so genannten nestorianischen Anschauungen die Be­schlüsse der Konzilien von Nizäa, Konstantinopel I, Ephesus und insbeson­dere von Chalkedon ausgiebigst verteidigen: XI (675), XII (681), XIII (683), XIV (684), XV (688), XVI (693), XVII (694).11

Die Gegner der Konzilsväter werden bei diesen Konzilien selbst kaum ein­mal mit konkreten heterodoxen Glaubensinhalten in Zusammenhang gebracht. Meist scheinen sich die Bischöfe damit begnügen zu wollen, einer­seits generell Häretiker zu verurteilen, andererseits auf die nachnizenische Trinitätslehre zu pochen. So bekennt sich schon das 1. Konzil von Toledo von 397 ausdrücklich zu Nizäa, um die Anhänger des Priscillian zu verurtei­len. Die Vorwürfe beziehen sich zunächst auf Zweifel an der Trinitätslehre und an der Christologie, auf gnostische Vorstellungen wie die von der Teil­habe der menschlichen Seele an der Göttlichkeit, der Ablehnung der Ehe und des Fleischgenusses.12 Alle diese Abweichungen vom rechten Glauben werden unterschiedslos der „Priscilliani secta“ zugeordnet. Ähnlich wie spä­ter die Akephalen scheinen auch die Priszillianer einen Oberbegriff für alle wichtigen heterodoxen Richtungen, insbesondere der Gnosis und des Mani-chä­ismus, geliefert zu haben.

Ähnliches lässt sich über das 1. Konzil von Braga aus dem Jahre 561 sa­gen. Auch hier richten sich die theologischen Bemühungen, obwohl zu die­ser Zeit der Arianismus noch Staatsreligion ist, vornehmlich gegen die „Priscilli­anam heresem“, setzen aber indirekt mit der Verteidigung der Trini­tätslehre auch zu einer Auseinandersetzung mit den Arianern an. Man bemüht sich insbesondere um eine Präzisierung der christologischen Posi-tio­nen, gegen die man im Westgotenreich die Beschlüsse von Nizäa vertei-digen wollte. Hierbei werden vor allem vor- und nachnizenische syri­sche Theologen ins Visier genommen, welche die Göttlichkeit oder umge­kehrt die Menschlichkeit Jesu Christi bestritten haben. Zitiert werden neben Priscillian Paul von Samosata, Photin, Marcion, Cerdo und ein „Manizeus“, dessen Erwähnung nicht gerade für eine genauere Kenntnis der Bischöfe von Mani und seiner Lehre spricht. Insbesondere Priscillian und Manizeus werden die bereits in Toledo verurteilten gnostischen Lehren zugeschrieben, welche sich auf die Teilhabe der Seele am Göttlichen, auf die Ablehnung des ehelichen Verkehrs, ja, auf die Verteufelung alles Körperlichen überhaupt richten.13

Syrische Theologie und iranische Gnosis scheinen danach einen weit und lange über Nizäa hinausreichenden Einfluss auch im Westen ausgeübt zu haben.

Die letzten toledanischen Konzilien vor der Invasion machen allerdings andere Feinde der westgotischen Kirche aus, nämlich Verschwörungen ge­gen den König, etwa das Mordkomplott des Metropoliten von Toledo, Sis­bert, gegen König Egica, die Juden, Homosexuellen und Sodomiten und, nicht zuletzt, heidnische Götzenanbeter. König Egica selbst lässt es sich bei dem von ihm einberufenen Konzil 693 nicht nehmen, neben der Anklage dieser Volksgruppen vor allem den desolaten Zustand vieler Kirchen anzu-pran­gern, in denen keine Gottesdienste mehr stattfänden und deren Dächer eingestürzt seien. Schon spotteten die Juden, es habe nichts gehol­fen, die Synagogen zu verbieten und zu zerstören, die christlichen Kirchen seien in einem noch schlechteren Zustand. Die Bischöfe sollten Abhilfe schaf­fen, u.a. indem sie die Landbewohner dazu brächten, die den Götzen geopferten Gaben an die Kirchen zu geben.14

Die Konzilsväter ergänzen hierzu präzisierend, dass viele Bewohner Spa­niens heilige Haine, Quellen und Bäume, aber auch Steine verehrten.15 Der rechte Glaube scheint also immer noch nicht wirklich triumphiert zu haben.

Auch ist trotz des immer engeren Bündnisses von König, Hof und Bischö­fen der Widerstand gegen den König unter den Westgoten selbst innerhalb der Kirche nicht ganz erloschen. Auf dem hier geschilderten Kon­zil haben die Bischöfe Anlass, ihren Amtsbruder Sisbert, den Metropoliten von Toledo, der westgotischer Abstammung war, wegen versuchten Mordes an König Egica und seiner ganzen Familie ins Exil zu schicken.16

Damit gewinnt die Hypothese einer Verschwörung von Westgoten ge­gen den eigenen König eine historisch solidere Basis als mit der in den arabi­schen Erzählungen unterstellten Vergewaltigung der Tochter eines historisch nicht belegten Grafen Julián durch König Roderich.

Die zunehmend rigorosere Haltung gegenüber den Juden, die beim letz­ten Konzil von Toledo zu deren Verurteilung wegen Konspiration gegen das Westgotenreich führte, scheint Gründe zu liefern, eine Unterstützung aller Umsturzpläne auch durch diese Bevölkerungsgruppe zu unterstellen. In den jün­geren arabischen Geschichtserzählungen wird im Übrigen regelmäßig darauf hingewiesen, dass die Eroberer den Juden Verantwortung für die eroberten Städte zugewiesen hätten. Unabhängige Belege für eine Ver-schwö­rung der Juden oder für ihre besondere Rolle nach der Eroberung sind zwar nicht bekannt, aber nach ihrer immer härteren Unterdrückung Ende des 7. Jahrhunderts hatten sie zweifellos allen Anlass, in den Neuan-kömm­lingen, aber auch in eventuellen Verschwörern gegen das Königs­haus und die mit ihm verbündeten Bischöfe ihre Retter zu sehen.

 

 

7. Adoptionismusstreit und weiteres zu syrisch-orientalischen Einflüssen

 

Die Konzilien bezeugen, dass viele spanische Kirchenvertreter die Orthodo­xie schon im 7. Jahrhundert zunehmend bedroht sahen. Im 8. Jahrhundert spitzen sich die Konflikte weiter zu, obwohl noch niemand über das Aufkom­men einer neuen Lehre, des Islam, besorgt zu sein scheint. Der Metro­polit von Toledo, Elipandus, wollte durch die Proklamierung des Adopti­onismus, der Lehre, nach der Christus seiner menschlichen Natur nach von Gott nur adoptiert worden sei, noch einmal die Kirche in Spanien eini­gen, aber in Wahrheit wurde ihre Spaltung dadurch endgültig besiegelt. Sein Adoptionismus, der der syrischen Theologie von Paul von Samosata und Photin verwandt zu sein scheint, wurde von Karl dem Großen und dem Papst energisch als Nestorianismus zurückgewiesen, der Norden Spaniens schloss sich Karl und Rom an, und der Süden des Landes, die häretische Provínz Baetica, in etwa das heutige Andalusien, blieb bei der Ablehnung der Thesen des Elipandus. Elipandus selbst wandte sich zwar mit guten Argu­menten dagegen, in einen Topf mit den Nestorianern geworfen zu wer­den, aber seine Lehre lief doch insofern auf etwas sehr Ähnliches hinaus, als er mit dem Adoptionismus eine Christologie vertrat, die Jesus nicht die gleiche Göttlichkeit zusprach wie dem Vater. Dass Elipandus damit in Südspa­nien, wo der syrische Einfluss offenbar schon zu Isidors Zeiten stär­ker ausgeprägt war, keinen Erfolg haben konnte, war allerdings schon des­halb vorhersehbar, weil Abd al-Malik den Adoptionismus in seiner an das Volk des Buches, also die Christen, gerichteten Inschrift im Innern des Felsen­doms zu Jerusalem ausdrücklich verworfen hatte.17

Der Adoptionismusstreit stellt das erste historisch eindeutig fassbare kirch­lich-religiöse Ereignis im arabischen Spanien dar.18 Und gleich, wie man einzelne Schriften von Elipandus und seinen Gegnern interpretiert, eine Feststellung ist wohl unausweichlich, die nämlich der Kontinuität heterodo­xer christologischer Vorstellungen, deren Nähe zu syrisch-arabi­schen Vorstellungen in der Regel übersehen wird.19 Und noch etwas ist offensichtlich. An keiner Stelle wird die Religion der neuen Herren als Prob­lem gesehen. Und das ist mehr als verständlich. Wenn der Metropolit von Toledo Jesus nicht die gleiche Göttlichkeit zuschreibt wie dem Vater, so verficht er damit eine Position, die später den zentralen Kritikpunkt der christlichen Märtyrer gegenüber den Christen von Córdoba und gegenüber den Muslimen bezeichnen wird.

Welche Lehren im Einzelnen damals im Süden Spaniens Verbreitung gefun­den hatten, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit feststellen. Bekannt sind zwei Briefe von Papst Hadrian I. an Bischof Egila von Granada, der ihn in verschiedenen Dingen um Rat gebeten hatte, in Sachen Kirchenpolitik allerdings eindeutig gegen Elipandus auf Seiten von Migetius stand. Der Papst kritisierte freche Häretiker, allerdings, ohne seine Kritik sachlich zu erläutern oder gar zu begründen, er wandte sich gegen Prädestinationsleh­ren, gegen das Feiern von Ostern am falschen Tag, nämlich gemeinsam mit den Juden; ferner dagegen, dass Christen in Gemeinschaft mit Juden und Heiden lebten und ihre Töchter mit ihnen verheirateten (immerhin ein Be­leg für die Bedeutung der jüdischen Bevölkerung und die unvoreingenom­men praktizierte Gemeinsamkeit zwischen Juden und Christen); schließlich hob er kritisch hervor, dass es verwerflich sei, wenn Priester sich Frauen nähmen, deren Männer noch lebten.20

Ob die hier kritisierten Ansichten von Migetius vertreten wurden, lässt sich nicht klären, aber Themen wie die Vorherbestimmung der Menschen durch Gott, das ungetrennte Zusammenleben von Christen, Juden und Hei­den bis hin zur Ehepraxis der Priester macht plausibel, dass noch zur Zeit der christlichen Märtyrer, also wenige Jahrzehnte später, die meisten Chris­ten in Córdoba der kirchlichen Orthodoxie fern standen. Nur so ist verständ­lich, dass sie kein Problem damit hatten, in Jesus Christus einen Propheten und in Mohammed einen weiteren Propheten zu sehen.

Bekannt sind leider keine Schriften von Migetius oder Egila selbst, son­dern nur des Elipandus heftige Vorwürfe an deren Adresse. Migetius habe behauptet, so Elipandus, Gott Vater sei David, Jesus sei dessen Logos, zugleich auch Mensch dank seiner fleischlichen Abstammung vom Ge­schlecht Davids, der Heilige Geist schließlich sei niemand anderes als der Apostel Paulus. Gegen eine solche Verkörperlichung der Dreifaltigkeit hatte Eli­pandus reichlich theologische Argumente zur Verfügung. Gleichwohl spielt die Anthropomorphisierung Gottes im Süden Spaniens auch später­hin noch eine Rolle. Jedenfalls wird Hostegesis, dem Bischof von Málaga, von Abt Samson noch in den 60er Jahren des 9. Jahrhunderts eine solche Irrlehre vorgehalten.21 Aber Spanien steht mit einem solchen Anthropo­morphismus keineswegs ganz isoliert in der Kirchengeschichte da. Er wurde in allerdings weniger bizarrer Form im 4./5. Jahrhundert von ägyptischen Mönchsorden vertreten.22 Und in Spanien förderten ihn noch im 12. Jahrhun­dert die Almoraviden.23

Interessant für die Frage nach den Verbindungen zu Syrien ist sicherlich Elipandus‘ Rückgriff auf den seligen Ephräm, der zuvor in Spanien nicht bekannt gewesen zu sein scheint.24 Wahrscheinlich sind Ephräm und wei­tere Autoren zusammen mit syrischen Akephalen und Nestorianern (als Sammelschimpfworte für alle christlich-häretischen Strömungen der Zeit) nach Spanien gelangt, und dies auch nach der sogenannten Invasion. Wenn Elipandus also auf seine „rechtgläubigen Brüder“ in Córdoba verweist, denkt er möglicherweise an Angehörige dieser häretisch-christlichen Richtun­gen aus dem Orient, die sich vor allem in der neuen Hauptstadt niedergelassen hatten.25

Zwischen den aus dem byzantinischen Reich verbannten Nestorianern und dem frühen Islam scheint es vielerlei Verbindungen gegeben zu haben. Der von Barhebraeus überlieferte Schutzbrief Mohammeds für diese Chris­ten ist zwar gewiss unecht, aber die hier angesprochene Tradition einer en­gen Beziehung zwischen frühem Islam und Nestorianern hatte wohl einen realen Hintergrund. Sie wird im übrigen auch an anderer Stelle bestätigt, so etwa in einem Schreiben des Patriarchen Jesujab an Simon, den Metropoli­ten von Syrien, in dem es heißt, die Araber hätten eine positive Haltung den Nestorianern gegenüber, sie rühmten ihren Glauben und beschenkten ihre Kirchen. Bis etwa zur Mitte des 9. Jahrhunderts – auch dies eine Bestätigung des von mir angenommenen Bruchs im 9. Jahrhundert – scheinen sich die Nestorianer oder Chaldäer der Gunst der Kalifen erfreut zu haben.26 Unter den Abbasiden waren „christliche Geheimräte…einflussreicher, mächtiger und verhaßter denn je“, denn die „Araber“ waren „nicht bloß wegen mangeln­der technischer Kenntnis unbrauchbar für die Steuerverwal­tung.“27 Die besondere Rolle der nestorianischen Christen wird auch von ihrer Einschätzung durch jüdische Autoren her begreiflich. Danach galt Nestorius als jemand, der im Perserreich lebte und befohlen habe, die mosai­schen Gesetze weiter zu befolgen. Jesus aber sei für ihn kein Gott, son­dern ein vom Heiligen Geist inspirierter Mensch gewesen, eine Art Pro­phet.28

Angesichts solcher Wertschätzung der nestorianischen Christen nimmt es kaum wunder, dass sie ihrerseits wenig Probleme mit der neuen Religion hatten. Ein Gelehrter wie Theophilos von Edessa, der wie viele seiner Zunft neben dem reichen Schatz christlicher Literatur vor allem die Werke der Antike studiert hatte, trat der neuen Religion mit sachlicher Distanz, aber ohne jede Polemik entgegen.29

In den christlich-lateinischen Chroniken leben nach allgemeiner Ein-schät­zung syrische Geschichtsvorstellungen fort. Die syrischen Quellen zur Geschichte der Araber, die älter sind als die medinensischen, sind selbst untergegangen, so dass man heute nur noch die spanischen Chroniken zur Verfügung hat.30 In ihnen spürt man jedoch nicht einmal, und das unterschei­det sie von Syrern wie Theophilus von Edessa, eine sachliche Dis­tanz gegenüber dem Islam als einer anderen Religion. Religiöse Fragen schei­nen nur innerchristliche Heterodoxien zu betreffen.

Dafür, dass die Verbindungen zum Orient auch im 9. Jahrhundert noch lebendig waren, scheint zu sprechen, dass die Kenntnis des Pseudo-Metho­dius erst gegen Ende dieses Jahrhunderts in Spanien nachgewiesen ist und die Basis für eine prophetische Chronik im Sinne des Triumphs der Chris­ten über die Araber liefert.31

 

 

8. Die christlichen Märtyrer von Córdoba

 

Die Christen Córdobas waren im 9. Jahrhundert zu einem bedeutenden Teil An­hänger jener nicht-trinitarischen und christologischen Tendenzen, gegen die schon im 7. Jahrhundert die erwähnte rasche Folge von Konzilien anzuge­hen versucht hatte. Albar von Córdoba klagt in einem wohl um 840 geschriebenen Brief an den Abt Speraindeo, dass eine Häresie, von der er ihm schon früher geschrieben habe, die Kirche zerreiße und durch ihre tödli­che Anmaßung die Gemeinde mit sich in den Tod führe. Im Einzelnen verleugneten sie die Einheit in der Dreiheit und glaubten nicht, dass Gott in der Dreifaltigkeit einer sei. Außerdem behaupteten sie, dass unser Christus, Gott und unser Herr, (nur) Mensch gewesen sei. Da die Menschen, auf die sich Albar bezieht, sich für ihre häretischen Überzeugungen auf das Matthäus­evangelium berufen, ist die Vermutung, es seien gar nicht Chris­ten, sondern Muslime gemeint, definitiv hinfällig.32

Mit ihren Vorstellungen von Jesus und der Dreifaltigkeit stehen die Chris­ten Córdobas eindeutig in der syrisch-vornizänischen sowie arabi­schen Tradition, die weitgehend die des frühen Islam ist.33 Diese geistige Verwandtschaft konnte auch den christlichen Märtyrern nicht entgehen. Eulogius kennt jedenfalls die Christologie des Koran, wie sie im Felsendom dokumentiert ist. Er sieht, dass Christus danach das Wort Gottes und sein Geist ist, aber das Entscheidende, das ihm dabei fehlt, ist das Bekenntnis zu seiner göttlichen Macht.34

An die glaubten aber auch die meisten Christen Córdobas nicht. Des­halb richten sich Albar und Eulogius bei der Verteidigung der christlichen Märtyrer zwar gegen die Unterdrückung der Christen insbesondere durch ständige Erhöhung von Steuern, sie kritisieren vor allem aber diese häreti­schen Christen selbst, die aus religiösen Gründen keine Schwierigkeiten hatten, sich mit den neuen Herren zu verständigen.

Albar bezieht sich bei seiner Kritik an der Cordobeser Christengemeinde also nicht, wie vermutet wurde35, auf die Casianisten oder „cas(s)iani“, die auf dem Konzil von Córdoba 839 verurteilt worden sind, sondern auf eben die genannte Tradition, die interessanterweise auf dem Konzil von 839 über­haupt nicht angesprochen wurde. Das lässt sich nur damit erklären, dass solche Überzeugungen von einer Mehrheit der Christen geteilt worden sind. Sonst wäre ja auch kaum verständlich, weshalb die Christen mehrheit­lich die christlichen Märtyrer kritisiert und verurteilt haben, weil sie selbst keine Probleme mit der Religion der Araber hatten. Der Heilige Eulogius sieht durchaus das Bedürfnis, die Märtyrer gegenüber diesen Christen zu rechtfertigen, die betonen, dass sie bis dahin in ihrer Glaubenspraxis nicht gehindert worden seien, während die Märtyrer diejenigen beleidigten, von denen sie selbst nicht beleidigt worden seien.36 Eulogius und Albar sahen sich aber auch deshalb in die Defensive gedrängt, weil vor allem die Jugend Córdobas sich für die Schriften der Araber begeisterte. Die hierzu oft zitierte Klage Albars lautet:

„Ist es nicht wahr, dass die jungen Christen von brillantem Auftre­ten, redegewandt, elegant in ihren Bewegungen und in ihrer Klei­dung, herausragend im Wissen der Heiden, ausgezeichnet in ihren Kenntnissen der arabischen Sprache, sich gierig auf die Bücher der Chal­däer stürzen, sie mit größter Aufmerksamkeit lesen, sie erregt disku­tieren und sie mit großem Interesse zusammenfassen, sie in reich geschmückter Sprache verbreiten, während sie die Schönheit der Sprache der Kirche nicht kennen und als recht minderwertig die Quellen verachten, die aus dem Paradies kommen. Welch ein Schmerz! Die Christen kennen nicht mehr ihr eigenes Gesetz, und die Lateiner verstehen nicht mehr ihre eigene Sprache, so dass man in der gesamten christlichen Gemeinde unter 4000 kaum einen fin­det, der seinem Bruder einen Brief in korrektem Latein schreiben könnte, während unzählige sich finden, die die geschwollene Rede­weise der Araber erklären können bis hin zu der extremen Situation, dass sie gebildeter in der Metrik sind als diese Leute selbst und mit noch erlesenerer Schönheit die abschließenden Formeln ausschmü­cken…“37

Nachdem, wie oben gezeigt, das meist gelesene Buch im damaligen Spanien eine Schrift zur Literatur war, in der zugleich auch die asketischen Tugen­den des östlichen Mönchtums gepriesen wurden, kann man die Sympathie für die Schriften der Chaldäer bei der Cordobeser Jugend auch in einem anderen Licht als Albar sehen.

Die Bischöfe waren in der Mehrzahl nicht um die Rechtgläubigkeit ihrer Herde besorgt. Zwar wurden auf dem Konzil von 852 die Märtyrer als sol­che anerkannt, aber bis auf wenige Ausnahmen sprachen sich die ver-sammel­ten Bischöfe dagegen aus, dass einzelne das Martyrium freiwillig und absichtlich suchten, um den wahren Glauben zu bezeugen.38

Offenbar hatte bei den meisten Christen, inklusive der Bischöfe, die antimo­hammedanische Polemik noch kein Gehör gefunden, die sich im byzantinischen Raum bereits im 8. Jahrhundert ausgebreitet hatte39 und nun auch Eulogius und Albar bekannt und zum Vorbild für ihre eigenen Auseinandersetzungen geworden war. Dabei überbietet Albar alle bekann­ten Polemiken aus dem christlichen Orient bei weitem an aggressiver Schärfe.40

Eulogius hatte eine offensichtlich aus dem Orient stammende Biogra­phie Mohammeds bei seiner Reise in den Norden des Landes entdeckt und sie sogleich seinen Freunden bekannt gemacht. Danach war Mohammed zwar noch kein Vorläufer des Antichrist, sondern ein Häretiker, der das, was er von den Christen gelernt hatte, in vergröberter und verfälschter Form den unwissenden Arabern beibrachte. Im Übrigen war er ein Lüstling, Ehebrecher, Lügner (s. Anhang 1).41 Nach Abt Speraindeo war er zudem Begründer einer Lehre, die das Paradies als Bordell beschreibt.42 Dieser Mohammed und dieser Islam sind aber nicht nur für die orthodoxen Chris­ten Córdobas ein Ärgernis. Vielweiberei, kriegerisches Auftreten und Herr­schaftsausübung stehen auch im direkten Gegensatz zu den mönchisch-asketi­schen Idealen der Mutaziliten. Deren Lebensideale und Frömmig-keitsvor­stellungen widersprechen nicht weniger nachdrücklich dem Mohammed-Modell der abbasidischen Tradition, als das die Lehren der christlichen Märtyrer tun.

Dann aber wird Mohammed für Albar von Córdoba der Vorläufer des Anti­christ, weil er sich gegen das Christentum als einzig wahre Religion gewandt habe. Albar entwirft im „Indiculus luminosus“ eine antimo-hammedani­sche Apokalypse auf der Grundlage der Daniel-Apoka­lypse, in der am Ende Mohammed als Vorläufer des Antichristen und seine Lehre als apokalyptische Bestie vernichtet werden. 43

Diese erstmalige antimuslimische Wende fällt zusammen mit einer Ver­schärfung der antichristlichen Maßnahmen durch Abd ar-Rahman II und vor allem dann durch seinen Sohn Mohammed I.

Eulogius schreibt an Bischof Wilesindus von Pamplona:

„In diesem Jahr 851 entzündete sich die Raserei des Tyrannen gegen die Kirche Gottes, stürzte alles um, verwüstete alles, verstreute alles, ker­kerte Bischöfe, Presbyter, Äbte, Diakone und den ganzen Klerus ein, alle, die er in diesem Sturm fangen konnte, legte er in Ketten und vergrub sie, als seien sie für das Leben gestorben, in unterirdischen Bun­kern… Die Kirche ist verwitwet, beraubt des Heiligen Priester-am­tes, ohne Predigt, ohne Gottesdienst; wir erhalten keine Ga­ben oder Opfer, keinen Weihrauch, keinen Platz für das Erstlingsop­fer, wo wir unseren Gott besänftigen könnten…“44

Diese Klage mag im Einzelnen übertrieben klingen, sie entspricht aber doch der unter Abd ar-Rahman um sich greifenden größeren religiösen Strenge, die sich im übrigen ähnlich unnachsichtig gegen die muslimischen Glaubensge­nossen richtete, die, etwa nach Meinung der malekitischen „fa­qihs“, gegen irgendwelche islamischen Regeln verstießen.45

 

 

 

9. Bischöfe sehen Gefahr in den „Casianern“, nicht im Islam

 

Zur Zeit der Verurteilung der Casianer, also 839, scheint von einem Moham­med als Vorläufer des Antichristen in Córdoba noch nichts bekannt ge­wesen zu sein. Das Problem, dem die Bischöfe ein Konzil widmeten, wa­ren jedenfalls die Casianer oder Casianisten, und zwar offenbar auch für jene, die sich der syrisch-arabischen Christologie nicht entgegenstellten. Sie teilten offenbar ihre Sorgen mit dem Omaijaden-Kalifen Abd ar-Rahman II., der das Konzil einberufen hatte.

Soweit die Überzeugungen der „cas(s)iani“ durch das Konzilsdokument bekannt sind, spielten die christologischen Fragen denn auch gar keine Rolle. Die Casianer akzeptierten vor allem keine etablierten kirchlichen Hierar­chien, obwohl sie behauptet haben sollen, von Rom geschickt zu sein. Auch Migetius hatte sich seinerzeit, um sich dem Anspruch des Metropoli­ten von Toledo zu widersetzen, auf Rom berufen, ohne über irgendeine Legiti­mation des Heiligen Stuhls zu verfügen. Und so galten die Casianer, wie schon die Anhänger des Migetius, als Akephale, also als Leute, die keine Obrigkeit und keine Hierarchien anerkannten. Vom Meer her sollen sie sich ein­geschlichen und im Gebiet von Egabra in Höhlen und verborgenen Win­keln ihr Unwesen getrieben haben. Das klingt ganz nach christlichen Eremi­ten, die die Bischöfe offenbar an den Gründer von Mönchsklöstern im Rhône-Tal, Johannes Cassian46 erinnern, von dem jedenfalls ihre Bezeich­nung abgeleitetet worden ist. Andererseits werden ihnen so viele heterodoxe Haltungen zugeschrieben, dass sie nicht für eine bestimmte Lehre stehen, sondern als Sammelbegriff für alle möglichen Strömungen herhalten müs­sen, welche die Bischöfe im 9. Jahrhundert für besonders verwerflich hielt. So sollen sie die Ehe mit Blutsverwandten erlaubt haben, ganz so, als seien sie Angehörige des iranischen Landadels. Auch seien sie aufgrund ihrer Fastenpraxis mit den Manichäern verwandt. Beide Vorwürfe zielen auf Sün­den, deren Herkunft im Osten des arabischen Reichs zu verorten ist. Heili­gen- und Märtyrerverehrung lehnten sie ab, was sie wiederum den Musli­men näher brachte. Bei der Taufe und der Salbung mit Chrisma legten sie Speichel in den Mund und sprächen wie Jesus „Epheta“. Allen anderen fühl­ten sie sich überlegen und hielten sich selbst für Heilige. Dabei erlaubten sie, mehrere Frauen zu haben, die Töchter Ungläubigen zur Frau zu geben. Pries­ter durften Schenken betreiben, weltlichen Geschäften nachgehen und mit fremden Frauen zusammenwohnen. Außerdem fasteten sie, wie Cerdo und Marcion es vorschrieben.47 Schließlich legten sie absurderweise harte Steine auf Altäre, als seien es Heiligenreliquien und als würden sie mit den herbei geschleppten Steinen die Altäre segnen.48

Die hier verdammten Casianer weisen also Berührungspunkte mit verschie­densten christlichen und nicht-christlichen Richtungen auf, insbe-son­dere auch mit den Kharidjiten, von denen es heißt, sie stellten die erste islamische Sekte dar. Das jedenfalls legt deren Charakterisierung in der „EI“ nahe. Dort heißt es u.a., sie seien anarchisch gewesen, hätten keine mensch­liche Autorität anerkannt, sondern nur diejenige Gottes. Sie hätten den Rassismus der Araber abgelehnt und seien auch gegenüber Angehöri­gen anderer Religionen sehr offen gewesen. Es habe gereicht zu bekennen, dass Mohammed der Apostel der Araber, aber nicht der ihre sei, um als gleich­wertig mit den Muslimen anerkannt zu werden. Wie aber das Beispiel der Ibaditen gezeigt hat, ging es auch ganz ohne Mohammed. Dabei sahen sie sich als Heilige, die allen anderen Muslimen überlegen waren. Dass schließ­lich die Priester auch bei den Kharidjiten keine besonders herausgeho­bene Rolle spielten, versteht sich fast von selbst. Sie hatten nur einen von ihnen gewählten militärisch-religiösen Anführer. Auch für die frühen Ibaditen spielte das Amt des Imams noch keine Rolle im Vergleich zu der Bedeutung, die der Mitgliedschaft zur Glaubensgemeinschaft zugeschrie­ben wird.49 Die manichäischen Traditionen, die sich in Spanien einer offenbar ungebrochenen Vitalität erfreuen, sind den Ibaditen und dem Ko­ran ebenfalls nicht fremd. Wie der Herausgeber und Koordinator des Dictionnaire du Coran50, Mohamed Ali Amir-Moezzi, vor kurzem hervor-geho­ben hat, sind vier der 5 Säulen des Islam manichäischen Ur­sprungs.51

 

8. 2. Früheste inschriftliche und numismatische Zeugnisse

Die frühesten Zeugnisse sind, bis auf die Münzinschriften, sehr spät. Die Lücken in der Information über das 8. Jahrhundert werden auch nicht durch Inschriften an/in Bauten oder auf Gräbern gefüllt.

Was an Inschriften gefunden wurde, ist vielfach publiziert und zuletzt von Lévi-Provençal zusammengestellt und interpretiert worden. Sie müssen deshalb an dieser Stelle nicht mehr vorgestellt werden. Arabische Inschrif­ten sind überhaupt nicht für das 8., sondern erst für das 9. Jahrhundert über­haupt bekannt, und zwar nicht mehr als sechs. Die erste verweist in der mit vielen Fragezeichen versehenen Lesart von Lévi-Provençal auf die Grün­dung einer Moschee in Sevilla durch Abd ar-Rahman II., die zweite auf die Gründung einer Burg in Mérida durch den gleichen Emir, die dritte bezieht sich auf die gleiche Baumaßnahme, eine vierte spricht die Restaurie­rung der Moschee in Córdoba durch den selben Bauherren an, die fünfte befindet sich auf der Grabplatte einer von al-Hakam I. freigelassenen Dame aus Córdoba, eine sechste befindet sich auf dem Grabstein eines Unbekann­ten in Torre del Campo, Provinz Jaen.52 Religiöse Formeln erscheinen in den Inschriften der Burg von Mérida und der Mezquita von Córdoba.

An der Mezquita steht in archaischer kufischer Schrift, soweit überhaupt noch lesbar: „Es hat befohlen der Emir – den Gott erleuchten möge – Moham­med, Sohn von Abd ar-Rahman, die Restaurierung von dem, was er für notwendig hielt in dieser Moschee und ihre Konsolidierung, in der Hoff­nung auf die Belohnung Gottes zu seinem Nutzen und auf seine Belohung für dieses Werk. Und es wurde beendet…im Jahr 241 mit dem Segen Gottes und Seiner Hilfe. Masrur und…“

Nur in einer Inschrift aus dem letzten Viertel des 9. Jahrhundert kommt „muhammad/un rasul/u llah“ vor. Dieses Ausblenden der Rolle eines Moham­med ist nicht ungewöhnlich für die frühe Zeit des Islam, wie So­lange Ory festgestellt hat:

„Dans les formulations de la šah?da la référence au Prophète n’est pas systématique. Aussi elle est absente du texte gravé à droite de la porte d’entrée de la mosquée umayyade de Busr?. Elle est également absente de la plupart des textes funéraires.“53

Wenn also in Al-Andalus das Mohammed-Motto ausgespart wird, entspricht dies der Tradi­tion omaiyadischer Inschriften zur Zeit Abd al-Maliks.

 

Offenbar war zu dieser Zeit das Bekenntnis zu einem Propheten noch nicht selbstverständlicher Bestandteil des islamischen Glaubensbekenntnisses.

In allen Berichten über die Eroberung Spaniens wird als arabischer Heerfüh­rer Musa ben Nusayr erwähnt. Dieser Musa ist, anders, als etwa Olagüe vermutet, kein Produkt der Legende.54 Er war vielmehr schon unter Abd al-Malik Statthalter in Tripolitanien. Dort war die vorherrschende Spra­che nicht das Arabische, sondern das Lateinische. Sonst hätte er nicht Münzen mit lateinischer Inschrift geprägt. Auf der Vorderseite der von ihm geprägten Münzen findet sich die Inschrift: „In nomine Domini num(m)us in Tripoli faktus“. Auf der Rückseite liest man: „Muse Filius Nusir Amir A(fricae)“. Ebenfalls auf der Rückseite ist das „Stein“-Symbol zu sehen. Man könnte es auch als Kreuz ohne Querbalken verstehen. Auf der Vorderseite einer weiteren Münzprägung steht das den Monotheismus der christlichen Araber betonende und auch heterodoxen Nordafrikanern entgegen kom­mende Motto: „In Nomine Domini Unus Deus“.55

Im Jahr 80 nach den Arabern wird in der gleichen Provinz von einem Gou­verneur mit Namen Nu’man eine Münze geprägt, die „im Namen Got­tes“ nun schon auf Arabisch zeigt. Sie trägt auf der Rückseite in Anerken­nung der byzantinischen Tradition eine Kaiserbüste, auf der Vorderseite den Stein auf Stufen.

Dieses neue staatsreligiöse Symbol ist von Abd al-Malik eingeführt wor­den. Es ziert u.a. die Rückseite von Münzen, die auf der Vorderseite nach Volker Popp einen Engel oder Jesus als Richter mit Flammenschwert zeig­ten, in der Numismatik überlicherweise als „Standing Caliph“ bezeichnet. Mit dem Kreuz ohne Querbalken grenzte sich al-Malik nicht nur optisch von Byzanz ab. In der syrischen Bewährungstheologie hatte das Kreuz nie eine Rolle gespielt, mindestens keine große Rolle. Allerdings ist es bisher nicht gelungen, dieses Symbol mit all seinen Varianten überzeugend zu deu­ten. Volker Popp hat angesichts der Bedeutung jüdischer Traditionen für Abd al-Malik bekanntlich vorgeschlagen, in diesem Symbol eine Erinnerung an den von Jakob beim Vertrag mit Laban, also bei der Gründung Israels aufgerichteten Stein zu sehen.56 Damit wäre zugleich eine nabatäische Tradi­tion, die im Judentum später unterdrückt wurde, wieder belebt wor­den.

Der „Stein“ findet sich auf Münzen bis zum Jahr 98 nach den Arabern (716/7). In das gleiche Jahr fällt auch die erstmalige Erwähnung des Namens Al-Andalus. Bis dahin war von „Spania“ die Rede gewesen. Ebenfalls taucht nun der Hinweis auf den „muhammad“-Kult auf Münzen auf („Gepriesen sei der Gesandte Gottes“), der nach al-Walids Tod von Sulayman im Wes­ten des Reiches propagiert wurde, bis er im Jahr 125 nach den Arabern mit dem Tod des letzten Omaiyaden-Kalifen unterging.57 Die Lesung „muham­med/un“ als Partizipialform „gepriesen sei“ ist nicht nur von Volker Popp58 und Christoph Luxenberg mit guten Gründen vorgeschlagen worden. Sie wurde bereits 1895 von Martin Hartmann als selbstverständliche Lesung von Kupfermünzen abbasidischer Statthalter vorgenommen.59

 

Münzen, die wie die Prägungen von Musa ben Nusayr in lateinischer Spra­che den Monotheismus der Prägeherren betonen, finden sich in den 80er Jahren der arabischen Ära auch in der römischen Provinz Afrika mit der Hauptstadt Karthago. Typische Inschriften lauten: „In Nomine Domini non est deus nisi unus cui non socius alius similis“, oder: „In Nomine Do­mini non deus nisi deus solus non deus similis“.

In der spanischen Numismatik werden diese Inschriften regelmäßig als latei­nische Übersetzungen entsprechender arabischer Aussagen im Koran bewertet. In Wirklichkeit ist die Formel ‚im Namen Gottes‘ entweder von der älteren byzantinischen Kanzleisprache übernommen worden, in der die Formel gebräuchlich war ‚en onomati tou theou‘ oder von frühen christli­chen Inschriften, wie man sie etwa in einer Inschrift auf einer Kirche in Bosra findet: Im Namen Christi, des Retters.60 Auch die Betonung des einzi­gen Gottes, der keinen Teilhaber hat und dem keiner ähnlich ist, ist keine arabische Erfindung. Hier sprechen syrische Monarchianer.

Auch alle lateinischen Inschriften auf den in Spanien zu Beginn des 8. Jahrhun­derts geprägten Münzen betonen diesen Monotheismus: Die For­meln lauten etwa: „IN N(omine) D(omi)N(1) N(on) D(eu)S N(i)S(i) D(eu)S S(o)L(u)S N(on)(e)ST“, oder: „IN N(omine) D(omi)NI N(o)N D(eu)S N(isi) D(eu)S S(o)L(u)S U(nicus) D(eus) N(on) S(ocius)“, oder auch: IN N(omine) D(o)M(in)I N(is)I D(eu)S N(i)S(i) D(eu)S (e)ST SIMILIS. Statt der rätselhaften Säule auf Stufen tragen sie in ihrer großen Mehrzahl einen 7- oder, meist, 8-strahligen Stern auf der Rückseite.61

Hier wie in Afrika ist die geläufige Jahresangabe bis zum Jahr 94 der arabi­schen Ära die mit Bezug auf byzantinische Steuerjahre. Es gibt nun auch zweisprachige Legenden auf den Münzen und Jahresangaben sowohl auf Latein – sie beziehen sich auf das byzantinische Steuerjahr -, als auch auf Arabisch nach der Ära der Araber. Ein Hinweis auf die Hidschra fehlt dabei regelmäßig. Er wird von den Numismatikern ebenso regelmäßig ergänzt.62 Auf der Vorderseite steht das Mohammed-Motto.

Vom Jahr 102 bis zum Jahr 106 arabischer Zählung werden Goldmün­zen in Spanien geprägt. Sie tragen auf der Vorderseite das Glaubens-bekennt­nis „Es gibt keinen Gott außer Gott, er ist einer.“ Auf der Rückseite steht die „Basmallah“: „Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barm­herzigen“. Die Ränder tragen eine Inschrift, die Koransuren wieder­gibt: 9, 33 oder 61, 9.63

Ab dem Jahr 104 arabischer Zählung sind Silbermünzen regelmäßig doku­mentiert. Sie sind identisch mit denen, die die Omaiyaden in Damas­kus und anderen Prägestätten des Ostens geprägt haben. Die Änderungen, die mit den Abbasiden im Osten ab 750 einhergingen, hat Spanien nicht mitgemacht. Vom 8. bis zum frühen 10. Jahrhundert haben wir folgende Inschriften: Auf der Vorderseite der erste Teil des Glaubensbekenntnisses und Koran, Sure 112 auf der Rückseite. Auf den Rändern die Datumsangabe und wieder Koran 9,33.64

Rätselhaft an den frühen Münzen ist lediglich das Symbol des meist acht­strahligen Sterns. Aber auch in diesem Fall hilft die Erinnerung an den traditionellen Kultur- und Wirtschaftsraum des Westens weiter. Sterne mit 6 und mehr Strahlen finden sich häufig auf punischen Münzen etwa zur Zeit von Bocchus und Juba II., also zu Beginn der christlichen Zeitrech­nung. Große Sterne, die wie bei den spanischen Münzen in der Mitte einer Münze aufgeprägt sind, werden jeweils zusammen mit einer Mondsichel dargestellt.65 Auf omaiyadischen Münzen aus Amman begleiten sie Abd ad-Maliks staatsreligiöses Symbol, den „Stein“.66 Kleinere Sterne mit Mondsi­chel am Münzrand sind auch auf Kupfermünzen aus der Zeit Abd al-Maliks im Iran belegt. Sie treten in Kombination mit christlichen Symbo­len wie dem Kreuz und Engel, mit dem Mohammed-Motto oder iranischen Symbolen wie dem Feueraltar auf.67 Dass sie spezifisch muslimische Sym­bole wären, können wir also ausschließen. Zeitnäher als die numidischen Münzen sind Pilgerflaschen aus Jerusalem aus der Zeit Abd al-Maliks. Auf einer dieser Flaschen findet sich ein achtstrahliger Stern oder eine achstrah­lige Rosette zusammen mit dem Symbol einer Figur, die in der Regel als islamischer „Standing Caliph“ gedeutet wird68 und die ich mit Volker Popp als Darstellung von Jesus als Weltenrichter oder als Engel interpretieren möchte.69 Dass es sich in der Tat bei dieser Figur kaum um ein islamisches Symbol handeln kann, lässt sich daran ablesen, dass auf der gleichen Flasche das christliche Symbol des Ankers abgebildet ist. Für die christliche Bedeu­tung des Ankers gibt es in der Numismatik reichlich Belege. Achtstrahlige Sterne auf Pilgerflaschen stellen schließlich in einigen Fällen eindeutig den Stern von Bethlehem dar.70 Welcher Zusammenhang zwischen früher puni­scher und sehr viel späterer spanischer Münzgestaltung sowie Sternen auf christlichen Pilgerflaschen zu sehen wäre, kann ich nicht klären. Worauf es mir an dieser Stelle vor allem ankam, war zu zeigen, dass es sich bei den Symbolen auf in Spanien bzw. Al Andalus geprägten Münzen vom Anfang des 9. Jahrhunderts nicht um spezifisch islamische Prägungen handelt.

So bestätigt die Betrachtung der Münzen unsere Eingangsthese vom Zusam­menhang des Westens mit dem Osten des Arabischen Reiches, insbe-son­dere aber auch die Bedeutung des Eingottglaubens, den zuletzt die Almohaden in Nordafrika und Spanien im 12. und 13. Jahrhundert nach-drück­lich propagieren und damit eine sehr viel größere Zustimmung bei den Christen finden als die islamischen Rechtsschulen.

 

 

Resümee

Die Geschichtserzählungen, auf welche sich auch noch die moderne Geschichts­schreibung stützt, liefern einerseits theologisch, andererseits dynas­tisch (Abbasiden) geprägte Geschichtsbilder.

Für Zweifel an der traditionellen Eroberungsgeschichte und für eine Ver­schwörung des westgotischen Adels gegen den eigenen König mit Hilfe von Berbern und den syro-aramäisch sowie persisch und jüdisch geprägten Omaiyaden sprechen nicht nur die übereinstimmend gegen die Theologie von Byzanz gerichteten religiösen Überzeugungen der christlichen Araber, Berber und vieler Spanier. Auch das Mordkomplott des Metropoliten von Toledo, der westgotischer Abstammung war, gegen den vorletzten westgoti­schen König und dessen Familie bezeugt zumindest ein spannungsvolles Verhältnis zwischen Adel und Königsgeschlecht. Eine ähnliche Konstella­tion ist im 9. und 10. Jahrhundert zu beobachten, als sich Territorialherren westgotischer Abstammung wie Ibn Hafsun dank der Unterstützung durch „schiitische“ Berber gegenüber der Kalifatsgewalt behaupten können. Der Kalif in Córdoba argwöhnte nicht ohne Grund, dass „muslimische“ Sekten, welche die Askese predigten und zugleich griechische Wissenschaft und Philosophie nach Spanien brachten, mit aufständischen Christen gemein­same Sache machten. Sie teilten ja in der Tat jene christlich asketischen Ide­ale, gegen die nach Auffassung der christlichen Märtyrer von Córdoba Moham­med in gröbster Weise verstoßen hatte, und sie mussten in ähnli­cher Weise wie die Christen die Verfolgung durch die der islamisch-abbasidi­schen Tradition verhafteten Richter fürchten. Zu einer religiös-kulturel­len Blüte konnte es daher am ehesten dann kommen, wenn die Macht der Richter gebrochen war, so etwa nach dem Zusammenbruch des Kalifats 1031 und seinem Zerfall in viele „taifa“-Königreiche.

 

Anhang

Wörtliche Übersetzung der von Eulogius aufgefundenen und verbreiteten Mohammed-Biographie:

„Der Oberhäretiker (Häresiarch) Mohammed wurde zu Lebzeiten von Kaiser Heraklius geboren, im siebten Jahr seiner Herrschaft, im Lauf der Ära 656. Zu dieser Zeit erstrahlt Isidor, Bischof von Sevilla, in der katholischen Lehre, und Sisebut sitzt auf dem Königsthron von Toledo. Über seinem Grab bei der Stadt Iliturgis wurde die Kir­che des Seligen Eufrasius errichtet, und in Toledo wurde auf Befehl des genannten Herrschers eine wunderbar gebaute Kapelle zu Ehren der Seligen Leocadia errichtet. Der erwähnte unheilbringende Pro­phet, Mohammed, erlangte die Macht für 10 Jahre, worauf er starb und in der Hölle beerdigt wurde.

Dies waren seine ersten Schritte. Also er noch ein Kind war, trat er in den Dienst einer gewissen Witwe. Nachdem er der ehrgeizige Geschäfts­führer ihrer Unternehmungen geworden war, bekannte er, be­ständig die Versammlungen der Christen zu besuchen, und er lernte als listiger Sohn der Finsternis einige Prinzipien des Christen­tums auswendig und wurde so zum Gelehrtesten unter all seinen unwis­senden Arabern.

In Wirklichkeit verliebte er sich, verbrannt vom Feuer seines Tempe-ra­ments, und in dem ihm gewohnten barbarischen Zorn verei­nigte er sich mit seiner Herrin. Dann erschien ihm der Geist des Irrtums in Gestalt eines Geiers, der ihm seinen goldenen Schnabel zeigte und ihn so davon überzeugte, er sei der Engel Gabriel, der ihm auftrug, als Prophet aufzutreten. Voller Überheblichkeit begann er, die­sen viehischen Primitiven unerhörte Dinge zu predigen, und mit ei­ner gewissen Vernunft brachte er sie dazu, von der Verehrung der Göt­zenbilder abzulassen und den unkörperlichen Gott zu verehren, der im Himmel wohnt. Denen, die glaubten, befahl er, zu den Waf­fen zu greifen, um im Eifer für die neue Religion die Feinde umzubrin­gen. Aufgrund eines verborgenen Entschlusses Gottes konn­ten sie viele mit dem Schwert töten, denn es stand geschrieben: Denn siehe, ich will die Chaldäer erwecken, ein grimmiges und schnel­les Volk, das hinziehen wird, so weit die Erde ist, um Wohnstät­ten einzunehmen, die ihm nicht gehören. Ihre Rösser sind schneller und bissiger als die Wölfe am Abend, ihr Antlitz ist wie sengen­der Wind, der den Gläu-bigen, um sie zu tadeln, Schaden zuzufü­gen erlaubt und die Erde verwüstet.71

Nachdem sie den Bruder des Kaisers umgebracht hatten, der dieses Land regierte, und über ihre Triumphe jubelten, legten sie den Grund­stein ihrer Herrschaft in Damaskus, einer Stadt in Syrien.

Der Pseudo-Prophet komponierte Psalmen, damit sie im Mund die­ser gefühllosen Tiere erklängen, die so an rote Stierkälber erin-nern soll­ten. Und er schrieb eine Geschichte vom Spinnennetz, das dazu dient, Fliegen zu fangen. Und er machte Lieder vom Wiedehopf und dem Frosch, damit der Geruch des einen aus ihrem eigenen Mund käme und das störende Gequake des anderen nicht aufhörte auf ih­ren Lippen. Um seine Irrtümer zu verschönern, machte er in seinem ei­genen Stil einige Dithyramben zum Lob des Heiligen Josef, des Heili­gen Zaccharias und sogar Mariens, der Mutter Gottes.

Während er in seinem Prophetenwahn verharrte, begehrte er die Frau seines Nachbarn Zeid und unterwarf sie seiner Lust. Als ihr Ehe­mann des Verbrechens gewahr wurde, war er voller Entsetzen, aber da er seinem Propheten nicht widersprechen konnte, ließ er es zu. Jener legte nun in seinem Gesetz fest, als folge er dabei Gottes Stimme: Da sie Zeid missfiel und er sie verstieß, nehmen wir sie als Frau unseres Propheten, damit es den anderen als Beispiel diene und es den künftigen Gläubigen, die das zu tun wünschen, nicht als Sünde angerechnet wird. Nach diesem Verbrechen nahte der Tod des Leibes und der Seele. Als er den Tod herannahen spürte und da er wusste, dass er aus eigener Kraft nicht würde auferstehen können, sagte er voraus, dass er durch den Engel Gabriel am dritten Tag auferste­hen werde, der ihm, wie er immer wieder bestätigte, in Ges­talt eines Geiers erschien. Und nachdem seine Seele in die Hölle gefah­ren war, ließen sie, erregt wegen des ihnen versprochenen Wun­ders, seinen Leichnam sorgfältig bewachen; als sie aber am drit­ten Tag den Gestank bemerkten, der von ihm ausging und er nicht aufer­stand, sagten sie, dass die Engel nicht kämen wegen der Wa­chen. Und dann fanden sie eine ihrer Meinung nach zufrieden stel­lende Lösung und ließen den Körper allein; statt dass Engel herab-stie­gen, kamen Hunde, angelockt durch den Gestank, und ver­schlan-gen eine Seite von ihm. Als sie das bemerkten, begruben sie den Rest des Leichnams. Als Sühne für diese Beleidigung beschlossen sie, jedes Jahr alle Hunde zu töten, damit sie verdientermaßen eben dort an dem teil hätten, wegen dem sie ein wohlverdientes Märty­rium erlit-ten. Es geschah ihm Recht, dass er als ein solcher und ein so großer Prophet den Bauch von Hunden füllte, er, der nicht nur seine Seele, sondern die vieler anderer der Hölle überantwortete. Viele und an­dere Verbrechen hat er begangen, die nicht in diesem Buch aufge­schrieben sind. Dies ist geschrieben worden, damit die Leser erken­nen, was für ein Mensch er gewesen ist.“72

1 Ibid., 32.

2 „Akephale“, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 1, Freiburg-Basel- Rom-Wien 1993, 288. Angesichts der, wie noch zu zeigen sein wird, sehr breiten Verwendung dieses Kampfbegriffs scheint jedoch eine genaue Zuordnung zu einer bestimmten häretischen Gruppierung nicht möglich. Er scheint, ähnlich wie der Begriff „Nestorianer“, jedenfalls in der uns interessierenden Zeit, eine ganze Reihe von christlichen Richtungen zu bezeichnen.

3 Concilios visigóticos y hispano-romanos, ed. prep. por José Vives, Barcelo- na-Madrid 1963, 171.

4 Eine Bewährungstheologie, die nicht auf den in der lateinischen Theologie gelehrten Opfertod Jesu am Kreuz abhob, bildet sich in Syrien bereits im 3. Jahrhundert heraus und ist dann auch für die koranischen Materialien prägend: Karl-Heinz Ohlig, Das syrische und arabische Christentum und der Koran, in: Karl-Heinz Ohlig/Gerd-R. Puin (Hg.), op. cit., 383 ss.

5 Manuel C. Díaz y Díaz, La cultura de la España visigótica del siglo VII, in: Caratteri del secolo VII in Occidente. Settimane di Studio del Centro Italiano di Studi sull’Alto Medioevo, T. II, Spoleto 1958, 341-342.

6 „et a Christianis Orientalis perquisitus tanta in eum inventa esset vere fidei constantia, ut omnes deo laudes referrent nonc modicas…et aput Amir Almuminin prudentior inter ceteros inventus hutiliter est honoratus; et pactum, quem dudum ab Abdilaziz acceperat, firmitur ab eo reparatur.“, Crónica mozárabe, op. cit., 114.

7 Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 7, Freiburg-Basel-Rom-Wien 1998, 387.

8 José Eduardo Lopez Pereira, Estudio crítico sobre la crónica mozárabe de 754, Zaragoza 1980, 40-43.

9 Manuel Acién Almansa, Entre el feudalismo y el Islam. Umar ben Hafsun en los historiadores, en las Fuentes y en la histórida, Jaén 1997, 5 ss.

10 „Quadam die homo heresem Sabellianam seductus…Sicque sanctus uir orationi se dedit et sancte ecclesie sanum reddidit et illesum.“, Crónica mozárabe, op. cit., 88.

11 Concilios…, op. cit., 344-537.

12 Ibid., 26-29.

13 Ibid., 67-69.

14 Ibid., 485-486.

15 Ibid., 498.

16 Ibid., 507-508.

17 Christoph Luxenberg, Neudeutung der arabischen Inschrift im Felsendom zu Jerusalem, in: Karl-Heinz Ohlig /Gernd-R. Puin, op. cit., 127-128.

18 Adolf Helfferich, Der westgothische Arianismus und die spanische Ketzer- geschichte, Berlin 1860, E. Amann, L’adoptionisme espagnol du VIIième siècle, in: Revue des sciences religieuses, 16, 1936, 281-317; J. T. Rivera, Doctrina trinitaria en el ambiente heterodoxo del prime siglo mo-zárabe, in: Revista española de teología, 4, 1944, 193-210; Ramón de Abadal y de Vi- nyala, La batalla del Adopcionismo en la desintegración de la Iglesia visi- goda, Barcelona 1949; Jesús Solana, El Concilio de Calcedonia y la contro- versia adopcionista del siglo VIII en España, in: Aloys Grillmeier und Hein- rich Bacht (Hg:), Das Konzil von Chalkedon. Geschichte und Gegenwart, Würzburg 1951, 841-871; Edward P. Colbert, op., cit., 64-85; Kurt Schäfer- dieck, Der adoptianische Streit im Rahmen der spanischen Kirchenge- schichte I, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte, 80, 1969, 291-311; II, in: ibid., 1970, 1-16.

19 Erste Hinweise in dieser Richtung verdanke ich Volker Popp.

20 Pius Bonifacius Gams, op. cit., 252-253.

21 Ibid., 318.

22 Dimitriy Bumazhnov, Der Mensch als Gottes Ebenbild im christlichen Ägypten. Studien zu Genesis, 1, 26 in zwei koptischen Quellen des 4. und 5. Jahrhunderts, Tübingen 2006.

23 Art. Ibn Tumart, op. cit., 190.

24 Pius Bonifacius Gams, op. cit., 256.

25 Ibid., 275.

26 Ibid., 262.

27 Julius Wellhausen, op. cit., 137.

28 S. Kraus, Das Leben Jesu nach jüdischen Quellen, Berlin 1902, 48 ss., 85 ss.

29 Lawrence D. Conrad, Heraclius in Early Islamic Kerygma, in: Gerrit J. Reinink/ Bernard H. Stolte, The Reign of Heraclius (610-641). Crisis and Confrontation, Leuven-Paris-Dudley, Ma 2002, 154-155.

30 Julius Wellhausen, op. cit., XII.

31 K. Vázquez de Parga, Algunas notas sobre el Pseudo Metodio y España, in: Habis, Secr. de publ., Univ. Sevilla, 1971, 143-164.

32 „Scilicet quia heresis illa quam mea vobis iamdudum insinuavit inertia, die lacerat ecclesiam, et per assertionem lethalem catervam post se trahit ad mortem;… quot trinum in unitate et unum in trinitate Deum non credunt…Christum Deum Dominum Nostrum, hominem tantum asserunt…“: Epistolario de Alvaro de Córdoba, ed. crit. por José Madoz, Madrid 1947, 173.

33 Karl-Heinz Ohlig, op. cit., 382-403.

34 „ore blasphemo docuit Christum Dei Verbum esse, et spiritum ejus, et Prophetam quidem magnum, nulla vero Deitatis potentia praeditum“, Ibid., 384.

35 Wolf Wilhelm Graf von Baudissin, Eulogius und Alvar. Ein Abschnitt spanischer Kirchengeschichte aus der Zeit der Maurenherrschaft, Leipzig 1872, 43; Justo Pérez de Urbel, San Eulogio de Córdoba, 2. ed., Madrid 1942, 144; Feliciano Delgado León, Alvaro de Córdoba y la polemica contra el islam: El Indiculus luminosus, Córdoba 1996, 19.

36 „sine molestia fidei degimus“, „his convicium intulerum qui eos in nulla molestia afficere“; zitiert nach Alvaro de Córdoba…, op. cit., 52.

37 Alvaro de Córdoba, op. cit., 182-184,

38 Pius Bonifacius Gams, op. cit., 318-319.

39 Zu möglichen byzantinischen Quellen Albars cf. Feliciano Delgado León, op., cit., 64-65.

40 Franz Richard Franke, Die freiwilligen Märtyrer von Cordova und das Verhältnis der Mozaraber zum Islam (nach den Schriften des Speraindeo, Eulogius und Alvar), Münster 1968, 27 ss., 117 ss.

41 Obras completas de San Eulogio, ed. por el R. P. Agustín S. Ruiz, O. B., Córdoba 1959, 379-382, 426..

42 Ibid., 80.

43 Feliciano Delgado León, op. cit., 64 ss.,

44 Obras completas de San Eulogio, op. cit., 426.

45 Miguel Asín Palacios, op. cit., 73-74.

46 Heinrich Holze, Erfahrung und Theologie im frühen Mönchtum. Untersuchungen zu einer Theologie des monastischen Lebens bei den ägyptischen Mönchsvätern, Johannes Cassian und Benedikt von Nursia, Göttingen 1991.

47 Ioannes Gil, Corpus scriptorum mozarabicorum, I, Madrid 1973, 135-141.

48 „Nam absurdum et profanum est silices suis altaribus recondere tamquam sanctorum reliquie, cum inauditum sit lapides traere et in benedecitione altaribus recondere,…“ Ibid., 138.

49 Elizabeth Savage, op. cit., 25-26.

50 Mohamed Ali Amir-Moezzi, Dictionnaire du Coran, Paris 2007.

51 Le Coran, c’est le contexte, in: Telquel, 306, 12.-18. 1. 2008, 48-49.

52 Evariste Lévi-Provençal, Inscriptions arabes d’Espagne avec 44 planches en phototypié, Leiden-Paris 1931, 43, 50-51, 1-2,

53 Solange Ory, Aspects religieux des textes épigraphiques du début de l’Islam, in: Revue du Monde Musulman et de la Méditerranée, 58, 1990/4, 32.

54 Er hält ihn entweder für ein Fabelwesen bzw. für den Fall, dass Musa doch existiert habe, für einen „Propheten“. Ignacio Olagüe, op. cit., 278.

55 John Walker, A Catalogue of the Arab Byzantine and Post-Reform Umaiyad Coins, London 1956, 59-60.

56 Volker Popp, Die früher Islamgeschichte…, op. cit., 70-75.

57 Ibid., 91-102.

58 Ibid., 60-78; Christoph Luxenberg, Die arabische Inschrift im Felsendom zu Jerusalem, in: Karl-Heinz Ohlig/Gerd-R. Puin (Hg.), op. cit., 12z6-130.

59 Martin Hartmann, Mittheilungen aus der Sammlung Hartmann, I. Kupfermünzen abbasidischer Statthalter, Zeitschrift für Numismatik, 19, 1895, in: Fuat Sezgin (Hg.), Numismatics of the Islamic World, vol. 42, Umayyad and Abbasid Coins, IV, Frankfurt am Main 2004, 98-102.

60 Solange Ory, op. cit., 31.

61 Ana M. Balaguer Prunes, Las emisiones transicionales árabe-musulmanas de Hispania, Barcelona 1978, 51 ss., 81 ss.

62 Ibid., 69 ss.

63 George C. Miles, The Coinage of the Umayyads of Spain, New York 1959, part 1, 27-28.

64 George C. Miles, op. cit., 29-31.

65 Paul Mazard, Corpus Nummorum Numidiae Mauretaniaeque, Paris s.d., 65, 87.

66 John Walker, op. cit., 36, 39.

67 Rika Gyselen, Arab-Sassanian Copper Coinage (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Veröffentlichungen der numismatischen Kommission, Bd. 34), Wien 2000, 124-127, 134 (Feueraltar), 142 (Mohammed-Motto), 146 (Kreuz und Engel; Engel seitwärts: 149; Kreuze und Büste von 2 Bärtigen: 172 )

68 Julian Raby, In Vitro Veritas. Glass pilgrim vessels vom 7th Century Jerusalem, in: Jeremy Johns (Hg.), Bayt al-maqdis. Jerusalem and Early Islam, Oxford 1999, 114-128.

69 Volker Popp, Von Ugarit nach Sâmarrâ, op. cit., 82-88.

70 Julian Raby, op. cit., 128, 136.

71 Dieser aus Habakuk genommene Text, der bei Habakuk auf die Babylonier zielt, wird hier offenbar auf die Araber bezogen. Damit beweist Eulogius ein Verhältnis zur Geschichte, das dem des AT ähnlich ist. Es kommt nicht auf chronologisch korrekte Erzählungen, sondern auf die heilsgeschichtlich relevante Darstellung an.

72 Obras completas de San Eulogio, op. cit., 378-382.