Christentum und Islam – Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Christentum und Islam

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Karl-Heinz Ohlig
in: Diakonia. Internationale Zeitschrift für die Praxis der Kirche 37, 2006, 242-247 (ISSN 0341-9592)

 

1. Geschichtliche Vorbemerkungen

An dieser Stelle können die bis in die jüngste Zeit nur unzureichend erforschten Anfänge des Islam behandelt werden, der vermutlich erst in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts aus einer spezifischen Variante des arabischen Christentums entstand und deswegen viele Vor­stel­lungen, auch Teile des koranischen Materials aus christlichen Traditionen übernommen hat.1
Seit der Formierung des Islam zu einer eigenständigen Religion gab es ein Konkurrenz­ver­hältnis zum Christentum, das bis in die Gegenwart fortdauert. Wegen einer mehr als tau­send­jährigen Konfrontation ist heute ein Dialog erschwert. Zunächst expandierte der Islam in bis­her christliche Gebiete hinein, vom Tigris bis nach Spanien, und war noch im 17. Jahrhundert eine Bedrohung für Europa. In den von ihm beherrschten Gebieten wurde das Christentum zu­rückgedrängt, die verbleibenden Minderheiten überlebten, wie auch die kleinere jüdische Ge­meinde, im Status von „Schutzbefohlenen“, mit Kultfreiheit, aber auch mit konfiskatorischer Besteuerung und ohne die Möglichkeit, am öffentlichen und politischen Leben teilzunehmen.
Umgekehrt versuchte „die christliche Welt“ im Mittelalter, durch die Kreuzzüge das „Heilige Land“, dann auch Spanien wiederzugewinnen und sich in der Neuzeit gegen das Osmanische Reich zur Wehr zu setzen. Seit dem 19. Jahrhundert unterwarf sich Europa die islamischen Länder als Kolonien, ohne große Rücksichten auf die dortigen Traditionen zu nehmen. Vor allem die Erinnerung an die Kolonialzeit und die dort zur Schau gestellte zivilisatorische, technische und militärische Überlegenheit gegenüber islamischen Gesellschaften, die den Sprung in die Neuzeit noch nicht begonnen hatten, belastet bis heute den Dialog. Vor allem diese jüngere Ver­gangenheit hat innerhalb des Islam zu – teilweise verständlichen – Abwehrreaktionen geführt, die zu einer Rückbesinnung auf die eigenen großen Zeiten und die eigenen politisch-religiösen „Funda­mente“ führten. Dadurch ist eine Öffnung zur Moderne hin erschwert.

2. Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Christentum und Islam besitzen große Gemeinsamkeiten, die aber zugleich auch unter­schiedliche Auffassungen mit sich bringen. Wer sich an einem Dialog beteiligt, muss sie kennen und verstehen.

2.1 Beide Religionen beziehen sich, wie auch die jüdische Religion, auf heilige Bücher; sie sind „Schriftreligionen“. Diese Gemeinsamkeit ist nicht nur formal, sondern geht darüber hin­aus: Das aus der jüdischen Religion erwachsene Christentum erkennt deren hl. Schrift an; der Islam erkennt „die Schrift“ (der Christen), Thora und Evangelium, an. Der Koran will gemäß eigenen Aussagen „die Schrift“ nur bestätigen und fehlgeleitete Interpretationen verhindern.
Der Koran übernimmt viele biblische Geschichten, von den Anfängen mit Adam über Abra­ham, Mose, die Propheten bis hin zu dem Messias Jesus, Sohn der Maria. Mose wird im Koran 136mal, Maria 34mal, Jesus 24mal, der Begriff muhammad nur viermal erwähnt.
Aus dieser Gemeinsamkeit aber resultieren auch zwei grundlegende Verschiedenheiten. Die eine ist aus jahrtausendealter Polemik bekannt: Christen und Juden werfen den Muslimen vor, der Koran habe ihre Schriften falsch wiedergegeben, weil er sie nur ungenau, oft verändert und zudem auch aus apokryphem Material und mündlicher Überlieferung referiert; seinerseits wirft schon der Koran den (anderen) „Schriftbesitzern“ vor, die ursprüngliche Offenbarung seit Abra­ham verfälscht zu haben. Der zweite Unterschied ist gewichtiger und macht die Schwierig­kei­ten eines Dialogs deutlich: Zwar sind alle drei genannten Religionen „Schriftreligionen“, aber auf je unterschiedliche Art. Für Juden (und Christen) dokumentiert das „Alte Testament“ das Heilshandeln Gottes an Israel (für Christen: auf Jesus hin); „Ort“ der Offenbarung ist das Volk Israel, die „Schrift“ legt nur – sekundär – davon Zeugnis ab. Ähnlich ist im Christentum Jesus selbst die Offenbarung Gottes, sein „Wort“ in die Geschichte hinein, die neutesta­ment­lichen Schriften sind nur indirekt kanonisch, insofern sie Zeugnis von Jesus geben. Für Mus­lime aber ist das Buch selbst, der Koran, „die“ Offenbarung Gottes, Mohammed „nur“ der Verkünder, er selbst, in seinem Leben und Wirken, hat zwar Vorbildcharakter, aber nicht mehr.
Dies bedeutet, dass Juden und Christen mit ihren heiligen Büchern freier umgehen können; sie können sie auf die Geschichte Israels oder auf Jesus hin lesen und interpretieren, Zentrales vom Periphären unterscheiden; der Wort­laut ist nur sekundär von Bedeutung. Im Islam aber ist der Wortlaut des Koran göttliche Offenbarung (Verbalinspiration), ihn – etwa auf eine Mitte hin – oder „kontextuell“ zu inter­pretieren, wäre eine Verletzung der Offenbarung und des Willens Gottes. Deswegen ist es sehr schwierig, Texte im Koran, die archaische oder auch ethisch problematische Überlieferungen referieren, als zeitbedingt und deswegen nicht im Wortlaut gültig zu verstehen.

2.2 Alle drei Religionen sind monotheistisch. Sie verkünden denselben Gott, ob er nun Jahwe, Allah – so bezeichnen auch arabische Christen oder die Katholiken in Malta Gott – oder Gott, in welcher Sprache auch immer, genannt wird. Mit diesem Monotheismus ist eine strukturell übereinstimmende Gottesvorstellung verbunden: Gott ist gedacht als handelndes Subjekt, mit einem „Selbstbewusstsein“ und einem Willen; er ist Partner des Menschen, fordert von ihm Rechenschaft und Verehrung. Er unterscheidet sich von der Vorstellung „monisti­scher“, z.B. fernöstlicher Weltreligionen, in denen Gott als sachhaftes innerstes Prinzip und Ziel von allem gedacht wird, das selbst handlungsunfähig ist und den Menschen nicht helfen kann.
Zwar gibt es unterschiedliche Schwerpunktsetzungen des Gottdenkens, die schon in der Geschichte der jüdi­schen Religion erkennbar sind (vom in archaischer Weise strafenden und „rächenden“ Gott zum Gott der Liebe), das Christentum fußt auf dieser Entwicklung und betont den liebenden Charakter Gottes, im Islam ist ebenfalls von der Barmherzigkeit Gottes, mehr aber von seiner Gerechtigkeit die Rede.
Der von Anfang an aber zwischen Christen und Muslimen hervorgehobene Unterschied ist die im Christentum ausgebildete trinitarische Gottesvorstellung – verbunden mit dem Bekenntnis zu Jesus als inkarniertem Gott -, die der Islam radikal ablehnt: Gott ist ein einziger, er hat keine Teilhaber und ist zu erhaben, einen Sohn zu haben; Jesus ist Messias, Knecht Gottes, Prophet, so lautet das muslimische Bekenntnis.
Wie sich im Gefolge neuester Untersuchungen zu den Anfängen des Islam und auch zur christlichen Theologiegeschichte immer deutlicher herausstellt, handelt es sich aber bei der Debatte um eine unitarisch verstandene im Gegensatz zu einer trinitarischen Gottesvorstel­lung sowie um die Christologie ursprünglich um eine binnenchristliche Diskussion. Sowohl das Judenchristentum (vgl. z.B. die Synoptiker) wie auch die frühe syrische Kirche vertraten einen strikten Monotheismus sowie eine Christologie, die die Bedeutung Jesu mit geschicht­lichen Kategorien umschrieb (Knecht Gottes, Prophet, Gesandter u.ä.). Im hellenistischen Christentum aber wurde Jesus als der inkarnierte Logos (vgl. Johannesevangelium) verstan­den, so dass sich mit der Zeit eine binitarische Gottesauffassung bilden musste, die auf dem Konzil von Nizäa 325 amtliche Lehre wurde – noch später zur trinitarischen Vorstellung erweitert.
Die syrische Kirche nahm erst auf einer Synode im Jahr 410 dieses Glaubensbekenntnis an. Die entsprechenden Aussagen im Koran gehen auf ein syro-arabisches Christentum zurück, das noch nicht hellenisiert, also „vornizenisch“ war und dieses Konzept auch noch später bei­behielt, als das umgebende Christentum eine Trinitätslehre und eine Gott-Mensch-Christologie vertrat.
Der Gegensatz in der Gottesauffassung und Christologie ist also der Sache nach nur scheinbar – heute allerdings tatsächlich – ein Konfliktpunkt zwischen Christentum und Islam. In dieser Frage hat das Christentum selbst noch einen großen Nachholbedarf an historischer Forschung und kritischer Überprü­fung zu leisten. Da Koran und Islam eine frühe Form christlicher Theologie festgeschrieben haben, können die Streitpunkte erst dann sachgerecht diskutiert werden, wenn diese Theologie auch als christlich legitim erkannt wird. Die Unterschiede ergeben sich vom je unterschiedlichen kulturellen und epochalen Zugang von Christen zur Gottesauffassung und zur Gestalt Jesu in ihrer Heilsbedeutung und sind keineswegs prinzipiell trennend. Der Rekurs auf eine mythisch-symbolische Gemeinsamkeit in der Gestalt Abrahams (die „drei abrahamitischen Religionen“) führt nicht weiter, sondern verdeckt das Problem wie auch die grundlegende Gemeinsamkeit, die im Monotheismus zu suchen ist (den „Abraham“ noch gar nicht kannte).

2.3 Gemeinsam ist allen monotheistischen Religionen auch der Glaube an den Schöpfergott. Der Koran betont immer wieder, dass Himmel, Erde und Menschen von Gott geschaffen sind; weil wir Geschöpfe Gottes sind, sind wir seine Knechte und zu Dankbarkeit und Gehorsam verpflichtet. Er überliefert auch wichtige biblische Motive wie das Sechstagewerk (z.B. Sure 32,4), einmal variiert zu einem Achttagewerk (S. 41,9-12), die Erschaffung Adams aus Lehm und Geist (S. 2,30-34) und Evas aus dem Mann (S.4,1) sowie die Aussage über die Güte der Schöpfung.
Dennoch aber unterscheiden sich auch die Schöpfungsauffassungen in zwei entscheidenden Punkten. Zum einen wird die Schöpfertätigkeit im Islam nicht auf „den Anfang“ beschränkt; sie geschieht ständig (creatio continua) und bezieht sich auf alle natürlichen und auch kulturellen Phänomene: Gott hält die Vögel in der Luft, er lässt die Kinder aus dem Mutterleib kommen, er baut den Menschen Zelte und stellt ihre Kleidung her (S. 16,78-81).
Der Muslim begegnet also in seinem alltäglichen Leben in allen Bereichen der fortdauernden Schöpfertätigkeit Allahs. Dies vermittelt eine große Geborgenheit, erschwert aber auch das Empfinden der eigenen Verantwortung für die Gestaltung der Welt, somit auch die Impulse zu ihrer Erforschung und zu gesellschaftlichen und politischen Veränderungen (der islamische „Fatalismus“).
Zum anderen kennt der Koran keine voraussetzungslose Schöpfertätigkeit Gottes („Erschaffung aus dem Nichts“), sondern versteht sie, im Sinne der Schöpfungsmythen vorderorientalischer Hochreligionen, als ein Gestalten eines vorhandenen Substrats; die Erde war „eine zusammenhängende Masse“ (S. 21,30), und der Himmel bestand aus „(formlosem) Rauch“ (S. 41,11), bevor Gott sie gestaltete. An dieser Stelle scheint das „Monos“ des Monotheismus nicht zu Ende gedacht.

2.4 Die eschatologischen Vorstellungen des Koran spiegeln die volkstümlichen christlichen Bildmotive wider, die z.Zt. seiner Entstehung verbreitet waren. Gemeinsam ist der Glaube an die Auferstehung, ein Jüngstes Gericht und an Himmel und Hölle. Weil der Koran in seinem Wortlaut als Offenbarung gilt, fällt es natürlich schwer, die dort gebotenen Ausmalungen von himmlischen Freuden und Höllenqualen als Bildwelten zu sehen. Ein zwischen Christen und Muslimen umstrittenes Thema, die Vorstellung des Himmels als eine Art von Paradies für Männer, weil diesen großäugige Paradiesjungfrauen, Huris, und auch -jünglinge zur Verfügung stehen, könnte in Zukunft an Brisanz verlieren, wenn auch innerhalb des Islam neue Forschungen zur Koransprache akzeptiert werden; demnach sind Teile des Koran in syrischer Sprache, in arabischen Buchstaben, geschrieben, und die Huris als glänzende Weintrauben – in Parallele zu christlichen Paradiesmotiven – zu verstehen.2
Der wichtigste theologische Dissens besteht in der Auffassung von den Kriterien des Gerichts, das im Islam die Taten eines Menschen zur alleinigen Grundlage hat, ein Gericht „nach den Werken“. Dieser Unterschied zur christlichen Hoffnung auf einen vergebenden, „gnädigen“ Richter hat allerdings seine Ursache darin, dass die muslimische Ethik und Pflichtenlehre die Anforderungen an die Gläubigen nicht so „hoch hängt“ und von ihnen nur „Menschenmögliches“ verlangt. Sie steht nicht unter einem so umfassenden humanen Anspruch, dass ihr im Grunde niemand gerecht werden kann, also „Sünder“ ist. Dies hat den Vorteil, dass ethische Auffassungen nur selten, anders als im Christentum, zu oft auch neurotischen Versagensängsten führen; andererseits fehlt der immer neue Anstoß zu einer vertieften Humanität, zu immer neuer Selbstkorrektur und auch Strukurveränderung.

2.5 In der Frage des gewaltsamen Verhaltens gegenüber Angehörigen anderer Religionen oder auch gegenüber abweichenden Gruppen der eigenen Tradition, z.B. Schiiten oder Alawiten, gibt es die größten Schwierigkeiten. Zwar kennt auch die christliche Geschichte in dieser Hinsicht wahrhaftig dunkle Kapitel. Sie wurden aber in vieler Hinsicht korrigiert, weil sich das Christentum, nicht immer ohne Rückschläge, in die moderne pluralistische Welt einfügt, aber auch wegen der Eigenart der eigenen kanonischen Urkunden; mit dem Neuen Testament lässt sich beim besten Willen keine Gewalt legitimieren.
Zwar enthält auch der Koran, vor allem in seinen älteren Teilen, versöhnliche Aussagen; aber in seinen jüngeren Partien wird, oft in drastischen Worten, Gewalt legitimiert und der Kampf gegen die Ungläubigen gefordert: (z.B.) „tötet die Heiden, wo (immer) ihr sie findet, greift sie, umzingelt sie und lauert ihnen überall auf“ (S. 9,5). Weil es im Koran nicht selten einander widersprechende Verse gibt, behalf sich die muslimische Theologie schon seit koranischer Zeit mit der „Abrogationstheorie“: Ältere Offenbarungen Allahs werden durch jüngere aufgehoben und richtig gestellt, „abrogiert“. „Wenn wir (Gott, Verf.) einen Vers (aus dem Wortlaut der Offenbarung) tilgen oder in Vergessenheit geraten lassen, bringen wir (dafür) einen besseren …“ (S. 2,106). Daraus ergibt sich, dass viele Muslime gerade kriegerische und unversöhnliche Verse für die letztgültigen halten.
Aus Koranstellen dieser Art leitete das islamische Rechtssystem die Forderung nach einem Einsatz gewaltsamer Mittel für die Verbreitung des Glaubens ab. Der „Heilige Krieg“ wurde als sechste „Säule“ oder „Pflicht“ des Muslim betrachtet. „Der Heilige Krieg ist also ein ständiger Einsatz, er hört erst auf, wenn alle Menschen den Glauben an Gott angenommen haben oder gar sich zum Islam bekennen.“3
Die ganze Welt wird vom islamischen Rechtssystem in zwei Bereiche aufgeteilt: das „Gebiet des Islam“ (dar al-Islam) und das „Gebiet des Krieges“ (dar al-harb). Wenn die Machtverhältnisse Kompromisse nötig werden ließen, spricht man von einer dritten Variante, dem „Gebiet des Vertrages“; die dann einzuhaltende Friedenspflicht gilt nur so lange, wie keine Veränderung möglich war. Nach diesem Schema verstehen viele Muslime ihr Leben in den hiesigen Gesellschaften als ein Leben in einem (vorübergehenden?) „Gebiet des Vertrages“. Allzu großes Entgegenkommen im Dialog wird oft nicht nur als Zeichen der Schwäche des Partners, sondern als Schritt zu einem künftigen Sieg aufgefasst.
Vor allem in diesen Bereichen ist ein Gespräch schwierig, weil, wieder einmal, der uninterpretierbare Wortlaut des Koran Korrekturen verhindert und eine Unterscheidung von Religion und Gesellschaft/Politik weder im Koran noch in der islamischen Tradition beheimatet ist. Allerdings gibt es seit jüngerer Zeit auch innerhalb des Islam kritische Stimmen. Zwar wird nicht die Zielsetzung einer Deckung von Religion und Gesellschaft/Politik oder der Heilige Krieg in Frage gestellt, letzterer aber zum „kleinen Einsatz“ erklärt. „Der große Einsatz ist geistlicher Natur und besteht im Einsatz des Herzens, in der täglichen Bemühung um einen aufrichtigen Glauben und einen wirksamen Gehorsam gegenüber Gott und seinen Geboten.“4 Wenn auch hieraus eine umso stärkere existenzielle muslimische Identität, und somit Abschottung, resultieren kann, sollten Stimmen dieser Art im Gespräch aufgegriffen und unterstützt werden.

2.6 Ein ganz wichtiger Problembereich ist grundsätzlich und, vor allem, für das Zusammenleben in unseren Gesellschaften wichtig. Er betrifft die Rolle der Frau. Sowohl der Koran wie die muslimische Rechtstradition definieren sie besitzrechtlich ganz vom Mann her; sie kennt noch nicht einmal in Ansätzen eine autonome Selbstbestimmung ihres Lebens, ihrer Sexualität, ihrer Partnerschaft; dies kann hier nicht näher ausgeführt werden.5 Christliche Dialogpartner sollten gerade in diesem Punkt keine Konzessionen machen und auf die zeitbedingten Prägungen dieser Vorstellungen hinweisen, durchaus im Wissen darum, dass auch die eigene Geschichte in diesen Fragen oft erhebliche Defizite aufweist.

3. Zu den Perspektiven interreligiöser Dialoge

Sowohl die globale Situation wie das Zusammenleben in unseren Gesellschaften mit wachsenden muslimischen Minoritäten machen Dialoge unausweichlich; eine Alternative gibt es nicht. Diese sollten aber nicht nur von den jeweiligen offiziellen Funktionären, deren Informationsstand zur je eigenen wie auch zur anderen Religion meist unzureichend ist, geführt werden. Wahrscheinlich sind Gespräche auf „unteren Ebenen“, begleitet von gemeinsamen Veranstaltungen wie Nachbarschaftsfeste oder Feiern, hilfreicher.
Gespräche aller Arten haben erst begonnen; die ersten Erfahrungen sind keineswegs positiv. Christen können und müssen durch die Auseinandersetzung mit islamischen Vorstellungen erst einmal lernen, dass eine Reihe von Dissensen auf der eigenen christlichen Geschichte beruhen, die von der späteren Theologie verdrängt wurden, sich aber im Koran niedergeschlagen und erhalten haben. Die muslimischen Dialogpartner müssen verstehen, dass ein Zusammenleben ohne eine Trennung von Religion und Politik und ohne eine Interpretation koranischer Texte, die – wie alles – aus ihrem zeitgeschichtlichen Kontext zu verstehen und zugleich zu lösen sind, nicht möglich ist. Eine positive Entwicklung kann gegenwärtig nur erhofft werden.