Zum Islamischen Religionsunterricht – eine risikoreiche Perspektive

Karl-Heinz Ohlig

Zum islamischen Religionsunterricht

Eine risikoreiche Perspektive

in: imprimatur 42, 2009, 103-104 (ISSN 0946 3176)

Die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts scheint unausweichlich zu sein. Gelegentlich gibt es schon einen von Muslimen durchgeführten Religionskundeunterricht, einige deutsche Länder, wie neuerdings z.B. Hessen, wollen einen förmlichen Religionsunterricht einführen. Dieser soll natürlich auf wissenschaftlicher Grundlage und in deutscher Sprache erfolgen und der Schulaufsicht unterstehen. Ziel ist zu verhindern, dass durch den außerschulischen Koranunterricht weiterhin eine Ghettomentalität gefördert wird.

Dieses Ziel ist grundsätzlich zu begrüßen. Aber es scheint so, als seien bei diesen Überlegungen Gutmenschen am Werk, die von den wirklichen Problemen nicht viel Ahnung haben und nicht überblicken, was dabei herauskommen kann (und wird). Auch die Kirchen plädieren für den islamischen Religionsunterricht, wahrscheinlich weil sie hoffen, auf diese Weise auch den eigenen Religionsunterricht auf Dauer sichern zu können; denn wer würde es wagen, einen schon eingeführten Islamunterricht jemals wieder abzuschaffen? Hintergrund aber ist dabei, dass anscheinend auch kirchliche Stellen nicht verstanden haben, dass die islamische Religion sich (noch?) nicht auf den religiösen Bereich beschränken lässt, sondern politische und gesellschaftliche Ansprüche und die Geltung der Scharia einschließt, so dass dieser Religionsunterricht nicht mit dem christlichen vergleichbar ist.

Die staatliche Schulaufsicht beschränkt sich für den Religionsunterricht auf formale Aspekte, die inhaltliche Aufsicht obliegt den Kirchen. An dieser Stelle gibt es ein Problem, das bisher die Einführung eines islamischen Religionsunterricht schwierig macht und auch immer wieder verzögert hat: Es gibt keine kirchenähnliche Organisation bei den hiesigen Muslimen, die diese Funktion wahrnehmen könnte. Als Gesprächs- und Verhandlungspartner des Staates kommen lediglich islamische Dachverbände in Frage, die immer nur für einen Teil der Muslime sprechen und trotz verbaler Anerkennung des Grundgesetzes meist radikaler sind als die Mehrzahl der einfachen Muslime. Die meisten dieser Verbände sind hierzulande auf Grund der Majorität türkischer Muslime direkt oder indirekt abhängig von den Direktiven der türkischen Religionsbehörde, die trotz der angeblichen Laizität des türkischen Staates dem Amt des Ministerpräsidenten zugeordnet ist.

Die Neigung, diese islamischen Verbände nun doch als kirchenähnliche Institutionen mit ähnlichen Rechten anzuerkennen, ist offensichtlich groß, weil anders dieser Religionsunterricht kaum eingeführt werden kann. In Absprache mit ihnen müssten auch die Studiengänge und Professuren für die Ausbildung muslimischer Religionslehrer an deutschen Universitäten geregelt werden. Wohin dies führt, wird am Beispiel des ersten Lehrstuhls für muslimischen Religionsunterricht an der Universität Münster deutlich. Der dortige Lehrstuhlinhaber, Prof. Dr. Muhammad Kalisch, hat seine Aufgabe gemäß universitären Standards wahrgenommen, womit notwendigerweise auch kritische Reflexionen zum Islam und seiner Geschichte verbunden sind. Die Folge waren heftige Proteste seitens der Islamverbände, die dazu führten, dass ihm die Möglichkeit zur Ausbildung muslimischer Religionslehrer untersagt und auf ihren Druck hin – ein unglaublicher Vorgang, der keinerlei rechtliche Stütze besitzt – ein systemkonformer Ersatzlehrstuhl eingerichtet und besetzt wurde. Weder die Universität noch der nordrhein-westfälische Kultusminister (FDP) haben diese Vorgänge verhindert, sondern vielmehr sanktioniert. Es lässt sich voraussehen, wie eine für einen flächendeckenden Religionsunterricht notwendige Einführung von Lehrstühlen zu diesem Zweck aussehen wird.

Zudem wird man bei einer raschen Einführung des Religionsunterrichts für längere Zeit auf ausgebildete Religionslehrer verzichten und auf Personal, das von den Verbänden vorgeschlagen wird, zurückgreifen müssen. Hier kann das Beispiel Österreichs, wo es schon seit längerer Zeit einen solchen Unterricht gibt, deutlich machen, was geschehen wird: „In Österreich hat man festgestellt, dass 40 Prozent der Lehrer für islamischen Religionsunterricht … weder eine theologische noch eine pädagogische Ausbildung haben. Das ist arg. aber es kommt noch ärger. Jeder Fünfte von ihnen soll laut Studie die Demokratie ablehnen, weil sie nicht mit dem Islam vereinbar sei“ (Arnfrid Schenk in „Die Zeit“ vom 05.03.09). Wie sieht es dann erst aus mit den Frauenrechten usw.?

Aber selbst wenn künftige Islamlehrer eine hiesige universitäre Ausbildung (bei den von den Verbänden approbierten Professoren) absolviert haben werden, wird dies nicht besser sein, sondern nur anders ausgedrückt werden, wie es jetzt schon in Debatten mit muslimischen Intellektuellen geäußert wird: Die Scharia ist vollkommen mit dem Grundgesetz vereinbar.

Zu befürchten ist, dass die Länder mit einem islamischen Religionsunterricht eine weiteres Verharren in muslimischen Parallelgesellschaften selbst finanzieren und hoffähig machen. Ebenso ist zu befürchten, dass ein solcher Religionsunterricht keineswegs die Koranschulen zurückdrängen kann. Sie werden weiterhin bestehen. Wer sollte es wagen, sie zu verbieten?