Dequin: Frühe ʿAlī-Verehrung und die Schöpfung des abbasidischen Weltbilds

Frühe ʿAlī-Verehrung und die Schöpfung des abbasidischen Weltbilds

Raymond Dequin

  1. Einleitung

Stellt man die Frage nach ʿAlī, so erhält man Auskunft aus zwei Welten: In der Welt des schiitischen islamischen Glaubens ist ʿAlī der erste Imam, eine Messias-Gestalt, der die Gläubigen leitet und für ihre Erlösung bürgt. In der Welt der traditionellen arabischen Geschichte ist ʿAlī ein Herrscher, dem die Tra­ditionsliteratur des arabischen Reiches Lebensdaten von etwa 600 bis zum Jahre 661 zuweist. Diese beiden Welten werden in der Traditions­literatur dadurch verbunden, dass ʿAlī der Vetter und Eidam des arabischen Propheten ist.

Versucht man, sich der Gestalt des ʿAlī mit dem Werkzeug der Ge­schichts­wissenschaft zu nähern, so stößt man auf eine Schwierigkeit. Die Traditionsliteratur, die so reichhaltig, wenn auch spät über ʿAlī zu berichten weiß,  fällt als Geschichtsquelle aus, weil es ihr an Unabhängigkeit mangelt. Sie ist in ei­nem so hohen Grade auf die heilige Sippe um den arabischen Propheten ausgerichtet, dass wir vermuten müssen, dass der in ihr nieder­gelegte Gang der Geschichte dem Glauben zu dienen hatte. Solange wir nicht in der Lage sind, das unvermischte Bemühen um Geschichts­schreibung von heilsge­schichtlichen Botschaften zu sondern, können wir Nachrichten aus der Tradi­­tions­literatur nicht für die Ergründung der Ereignisgeschichte heranziehen.

Würden wir angesichts dieser Schwierigkeit die Traditionsliteratur völlig verwerfen, so hätten wir größte Mühe, über eine Gestalt wie ʿAlī, die außer­halb derselben so gut wie gar nicht vorkommt, auch nur die ungefährsten Mutmaßungen anzustellen. Aus dem Raum zwischen Mittelmeer und Hin­dukusch gibt es nämlich von der Mitte des 7. bis zur Mitte des 9. Jahr­hun­derts vergleichsweise wenige schriftliche Urkunden in Gestalt von Bauin­schriften, Münzen und Papyri, die uns erlauben, Aussagen über das einstige Leben bestimmter Gestalten zu machen. Jede Untersuchung, die sich allein auf diese Quellen stützen wollte, müsste zwangsläufig sehr grobmaschig bleiben. Das Ergebnis wäre ein Nebeneinander von knappen und wenig ver­bun­denen geschichtlichen Nachrichten und der ausführlichen und aus­kunfts­­­freudigen Traditionsliteratur. Bedauerlicherweise beschreibt dies recht gut den heutigen Zustand. Das unverbundene und unkritische Neben­ein­ander von schwacher Geschichtswissenschaft und lebendiger Pflege der Traditionsliteratur führt dazu, dass die fromme Legende ständig in unser Bild von der Geschichte eindringt und dieses weitgehend prägt.

Diese Schwierigkeit wird noch gesteigert, wenn man erkennt, dass sich die Traditionsliteratur nicht darauf beschränkt, ihre heilsgeschichtliche Botschaft anhand einzelner Geschichten zu verbreiten. Sie geht weit darüber hinaus, indem sie diese in ein umfassendes heilsgeschichtliches und zugleich politisches Weltbild einbindet. Dieses Weltbild ist die eigentliche Botschaft der Traditionsliteratur. Sie lautet, dass der Herrscher des arabischen Reiches in einem bevorrechtigten Verwandtschaftsverhältnis zum arabischen Pro­phe­ten steht und dass er seine Herrschaft deshalb zu Recht ausübt. Das ge­samte traditionelle Wissen um die Geschichte des arabischen Reiches wird diesem Weltbild dienstbar gemacht. Die Traditionsliteratur kennt weder Tatsachen noch pflegt sie Deutungen, die ihm entgegenstünden.

Ausgangspunkt dieser Untersuchung sind einzelne Unstimmigkeiten zwi­schen urkundlichen Quellen und der Traditionsliteratur. Diese Unstim­migkeiten deuten darauf hin, dass die Traditionsliteratur keineswegs, wie sie vorgibt, aus freier Überlieferung und deren Kritik entstanden ist. Es wird vielmehr immer deutlicher, dass sie mit der Absicht verfasst wurde, eine bestimmte Wirkung zu erzielen, und zwar in mehreren Entwicklungs­schrit­ten über einen gewissen Zeitraum hinweg. Es gilt daher, sowohl das in der Traditionsliteratur kanonisierte Weltbild des arabischen Reiches zu be­schrei­ben, als auch dessen im Laufe der Zeit immer wieder überarbeitete Vorstufen. Dabei muß der Geschichtswissenschaftler die verlorenen, ver­schüt­teten, entstellten und ausgemerzten Hinweise auf die einzelnen Tatsa­chen der Ereignisgeschichte aufspüren und wieder in ihren Zusammenhang bringen. Selbstverständlich kommt den wenigen urkundlichen Nachrichten dabei ein besonders hoher Rang zu. Aber selbst bei völligem Fehlen von Urkunden müssen Anhaltspunkte dafür erarbeitet werden, ob eine Gestalt der Traditionsliteratur geschichtlich ist, oder ob es sich um eine Gestalt der Heldensage beziehungsweise der Heiligenlegende handelt. Dies lässt sich zwar nicht mit den Werkzeugen der Geschichtswissenschaft, wohl aber mit denen der Literatur- oder der Religionswissenschaft leisten.

Angesichts der misslichen Quellenlage kann der Forscher nicht von vorn­herein wissen, ob er genügend Anhaltspunkte für eine solche Wieder­her­stellung der Ereignisgeschichte finden wird. Die hier vorgelegte Untersu­chung, die wenig mehr als einen ersten Streifzug darstellt, fördert aber be­reits so viele Beobachtungen zu Tage, dass die Ergründung der frühen Ge­schichte des arabischen Reiches in den Bereich des Möglichen rückt. Wenn die Forschung bei der Erkenntnis der Ereignisgeschichte vorankommt, wird dadurch auch die Bahn für die Erforschung der frühen Glaubensgeschichte des Islams freigeräumt.

In Anwendung dieser Methode wird in dieser Untersuchung nach Sichtung der urkundlichen Quellen und des außerarabischen Schrifttums schließlich sehr ausführlich auch die Traditionsliteratur herangezogen. Das Bezugssystem der Traditionsliteratur wird, wo immer die Gefahr der Ver­wechslung mit belegbaren Tatsachen besteht, wie z.B. bei Herrschern und deren Regierungsjahren, mit „TL” bezeichnet und so im Text kenntlich gemacht. Im Übrigen wird in dieser Untersuchung zur Gewährleistung einer schnellen und sicheren Orientierung in den Jahren der christlichen Zeitrechung gearbeitet. Datierungen nach Jahren der Araber, Jahren der Hidschra, der seleukidischen Ära oder anderen Zeitrechnungen bleiben den beigezogenen Quellen oder Nachrichten zugeordnet. Für die deutsche Fassung ursprünglich anderssprachiger Texte ist der Autor verantwortlich, wenn kein anderer Übersetzer angegeben ist.

  1. Das Umm al-Kitāb

Die Rolle, die ʿAlī im Glauben der frühen Schiiten spielte, kann man heute nur noch den Angaben der Häresiographen entnehmen, wie sie z.B. Halm[1] in seiner „Islamischen Gnosis” zusammengestellt hat[2]. Da diese Beschrei­bungen nur auf besonders auffällige häretische Auffassungen abstellen, bleibt vieles im Dunkeln. Allerdings sind auch zwei gnostische Schriften über­liefert, die in ihrem Kern sehr alt sind, und die ein wenig Licht in die Glaubenswelt des 7. bis 9. Jahrhunderts bringen. Diese sind das Kitāb al-haft wa l-aẓilla, das „Buch der Heptade und der Schatten” und das Umm al-Kitāb, die „Urschrift”. Letzteres soll uns zur Welt früher schiitischer Glaubensvorstellungen hinführen.

Das Umm al-Kitāb wurde bis in jüngste Zeit bei ismailitischen Gemein­den in Zentralasien und Nordindien in einem altertümlichen Persisch hand­schriftlich überliefert[3]. Die 90 Seiten Text enthalten in sehr gedrängter und vielgestaltiger Form Aussagen zu einer gnostischen Glaubenswelt, die uns in ihren vielfältigen Bezügen zu anderen Texten nicht völlig fremd ist. Das Buch nennt sich wie die im Himmel aufbewahrte Urschrift des Korans. Der Inhalt ist aus heutiger Sicht jedoch – trotz zahlreicher Koranzitate und häu­figer Bezugnahme auf den arabischen Propheten – kaum islamisch. Viel­mehr ist das Umm al-Kitāb ein Schlüssel zum Verständnis dessen, was vor dem Islam geglaubt wurde und was später der Islam geworden ist. Im Umm al-Kitāb erfahren wir, wie der Gläubige mit Hilfe der Imame sein Schicksal erkennen und das Himmelreich gewinnen kann. Die Gläubigen werden über die Notwendigkeit belehrt, in Hinblick auf das Ende der Tage das Geheimnis der Lehre zu bewahren. In einer Schau der großen und der kleinen Welt wird gezeigt, dass es auf den Sinn und den Glauben ankommt, nicht auf den Namen und das Gesetz.

Ivanow, Filippani-Ronconi, Tijdens und Halm haben das Umm al-Kitāb beschrieben und Grundlagen für dessen Deutung gelegt[4]. Mit diesen Unter­suchungen ist allenfalls ein Anfang gemacht. Die vielen Parallelen, die z.B. Filippani-Ronconi zu indisch-buddhistischen und kabbalistischen Vorstell­ungen aufgezeigt hat, sind bisher kaum näher untersucht worden. Die Datie­rung des Urtextes muß in Ermangelung alter Handschriften allein nach inhaltlichen Merkmalen erfolgen. Halm stellte fest, dass die jüngste im Umm al-Kitāb erwähnte Person, Muḥammad ibn al-Mufaḍḍal al-Ǧuʿfī, als Zeitgenosse der „Imame“ Mūsā al-Kāẓim und ʿAlī al-Riḍā galt.[5] Der Haupt­abschnitt, die sogenannte Ǧābir-Apokalypse, könnte nach Halm  aus der Mitte des 8. Jahrhunderts stammen[6]. Der aus der islamischen Häresio­graphie bekannte Abū l-Ḫaṭṭāb[7] wird im Umm al-Kitāb mit Lobpreis be­dacht. Halm hat herausgearbeitet, dass der Text des Umm al-Kitāb Spuren einer Überarbeitung im Sinne einer ebenfalls aus der Häresiographie be­kann­ten ḫaṭṭābitischen Untersekte aufweist, der Maʿmarīya, benannt nach Maʿmar ibn al-Aḥmar, dem Speisenverkäufer. Dessen Lehre geben die Häresiographen Naubaḫtī (TL: verfasst vor 899) und Qummī (TL: verfasst  vor 905) in der Übersetzung von Halm wie folgt wieder:

„Eine (weitere) Sekte lehrte, Ǧaʿfar ibn Muḥammad sei Gott – Gott ist darüber hoch erhaben! Er sei nur ein Licht, das in die Körper der Bevollmächtigten (auṣijāʾ) eintrete und sich in ihnen inkarniere. Dieses Licht war in Ǧaʿfar, dann verließ es ihn und ging in Abū l-Ḫaṭṭāb ein, Ǧaʿfar aber wurde zum Engel; dann verließ es Abū l-Ḫaṭṭāb und trat in Maʿmar ein, während Abū l-Ḫaṭṭāb zum Engel wurde; so sei nun Maʿmar Gott. Der Sohn des Milchhändlers (ibn al-labbān) trat hervor und warb für Maʿmar und sagte: „Er ist Gott”, und betete zu ihm und fastete. Er erklärte alle Begierden, ob erlaubt oder verboten, für frei … Er behauptete, alles was Gott im Koran erlaubt und verboten habe, das seien nur Namen von (bestimmten) Männern. Einige Schiiten stritten mit ihm und sagten zu ihnen (d.h. den Maʿmariten): „Die beiden, von denen ihr behauptet, sie seien Engel geworden, die haben sich doch von Maʿmar und Bazīgh los­gesagt und gegen beide Zeugnis abgelegt, dass sie zwei Ungläubige und Teufel seien, und haben sie verflucht!” Da erwiderten sie: „Die beiden, die ihr für Ǧaʿfar und Abū l-Ḫaṭṭāb gehalten habt, waren zwei Teufel, die die Gestalt Ǧaʿfars und Abū l-Ḫaṭṭābs angenom­men hatten, um die Menschen von der Wahrheit abzuhalten, wäh­rend Ǧaʿfar und Abū l-Ḫaṭṭāb zwei gewaltige Engel beim Gewalti­gsten Gott, dem Gott des Himmels, sind und Maʿmar der Gott der Erde ist; er ist dem Gott des Himmels gehorsam, da er dessen Vor­rang und All­macht (aner)-kennt.” Da sagten (die Gegner): „Wie kann das sein, da doch Muḥammad unaufhörlich bekräftigt hat, er sei (nur) ein Diener Gottes, sein Gott und der Gott aller Geschöpfe sei ein einziger Gott, nämlich Allāh; der sei der Herr des Himmels und der Erde, und ihrer beider Gott sei kein anderer Gott als er?” Da entgegneten sie, Muḥammad sei zu dem Zeitpunkt, da er das gesagt habe, (tatsächlich nur) ein Diener und Gottgesandter gewesen, den Abū Ṭālib (der Vater ʿAlīs und Onkel Muḥammads) gesandt hätte; das Licht, welches Gott sei, sei in ‘Abdalmuṭṭalib (dem Großvater Muḥammads und ʿAlīs) gewesen, dann auf Abū Ṭālib übergegangen, dann auf Muḥammad, dann auf ʿAlī ibn Abī Ṭālib, sie alle seien (also) Götter…”[8]

Später, so Halm, müsse das Umm al-Kitāb von den Nizārī-Ismailiten über­nommen worden sein, die es bis heute tradierten, obwohl es mit ihrer eigenen Lehre so gut wie nichts zu tun habe. Wahrscheinlich sei es auch erst bei den Nizārīs im Osten ins Persische übersetzt worden. Nach Auffassung von Bausani hingegen ist der teilweise sehr altertümliche Wortschatz am besten durch eine mittelpersische (z.B. sogdische) manichäische Vorlage zu erklären[9]. Über die Geschichte seiner Überlieferung und über seinen Inhalt gibt das Umm al-Kitāb die folgende Selbstauskunft:

„Dieses Buch ist in der Stadt Mekka im Viertel des/der Quraiš ibn Hāšim im Hause ʿAbd Manāfs diktiert (gofte) worden und befand sich in der Bibliothek (ḫezāna) Bāqirs – Heil ihm! Ǧaʿfar-e Ǧoʿfī nahm es heraus, und (man?) brachte es nach Kufa, bis dass zur Zeit Hārūns (ein gewisser) ʿAlī ibn ʿAbd al-ʿaẓīm es in den Irak brachte und, als er starb, es den Gläubigen und Gesandten (mursalān) aushändigte und ihnen Vorsicht und Zuverlässigkeit auferlegte, dass die Gläu­bigen, Einzigkeitsbekenner und Oberhäupter dieses Buch keinem Widersetzlichen[10] geben und keinem Geschöpf weitersagen sollten, auf dass (nur) allen Gläubigen die Erkenntnis in diesem Glanze erstrahle, denn dies ist eine Erkenntnis, die außerhalb unseres Verstehens und unserer Vorstellungskraft liegt; allenfalls ein Gläu­biger, der die Einzigkeit Gottes bekennt, oder ein (gott)­ge­sandter Pro­phet oder ein vertrauter Engel vermöchte es entgegenzunehmen, deren Herz voll ist vom Lichte der göttlichen Einzigkeit. Die übrigen Nicht­gläubigen vermögen diese Erkenntnis der Welt der Geheim­nisse nicht zu ertragen, ohne ihre Lebenszeit zu verkürzen und ihr Leben zu vermindern. Aus diesem Buch erfährt man die Schilderung der Einzigkeit des Schöpfers – erhaben ist seine Glorie! – und Wahr­heiten wie die, dass Gott (Ḥaqq) den Hohen Vorhang und den Gläubigen-Vorhang machte, und die Schilderung des Thrones und des Schemels, der Tafel und des Schreibrohrs, der Vorhänge der Geister der Gläubigen, Ungläubigen und Widersetzlichen, von Qua­li­tätslosigkeit und Unbestimmtheit, Sein und Nichtsein; man erfährt die Erkenntnis des Erhabenen Königs – erhaben ist seine Macht! – und die fünf Engel mitsamt den sieben göttlichen und sieben menschlichen Zyklen, die sieben Kämpfe zwischen Iblīs und Adam und die Erschaffung von all dem, was der Verstand, die Vorstel­lungskraft und das Denken des Herzens fassen und nicht fassen – all das ist in diesem Buch wiedergegeben nach den Lehrreden Bāqirs – auf uns das Heil von ihm!” [11]

Der „Erhabene König” (Malik-i taʿālà), der in der Welt wirkende Gott, ist, wie unten noch zu zeigen, kein anderer als der schiitische ʿAlī. Der Mythos von ihm ist gnostisch. Er weist zahlreiche Ähnlichkeiten mit der Lehre Manis auf[12], aber mehr noch mit einer Gruppe von koptischen, ursprünglich griechischen, Schriften, die uns aus dem ägyptischen Nag Hammadi (Naǧʿ Ḥammādī) be­kannt sind: Dem „Apokryphon des Johannes”, der „Hypostase der Archon­ten” und der namenlosen Schrift von der Erschaffung der Welt[13]. Eine Über­­sicht befindet sich im Anhang. Außerdem sind immer wieder mandäische Bezüge festzustellen.

Zu den Pflichten, die den Gläubigen obliegen, heißt es im Umm al-Kitāb:

„Da weinten alle Widersetzlichen und sprachen: „Ach unser Herr, wenn Du nur zu befehlen geruhtest, so würden wir von dieser Sünde wieder rein, sogar in dieser Hülle und Form (die wir jetzt haben)!” Der Erhabene Herr sprach: „Die Buße einer solchen Sünde in dieser (Körper-) Form ist nicht annehmbar; der Zweifel steckt (noch immer) in euch!” Sie erwiderten: „Was müssen wir tun, um in dieser Form (wieder) rein zu werden?” Der Erhabene König sprach: „Ihr müßt vier Bedingungen mir gegenüber eingehen, um nicht von mir fern zu sein. Eine dieser vier Bedingungen ist, dass ihr in jeder Gestalt und Form, in der ihr mich erscheinen seht, in jeder Sprache und mit jeder Stimme, die es gibt – auf arabisch, persisch, griechisch, hindi, sindi, georgisch, slawisch oder syrisch -, Zeugnis ablegt ohne Zweifel und Ungewißheit, dass ihr einen Beweis beibringt und aufrichtig seid. Die zweite Bedingung ist, dass ihr die Imāme der Zeit und die göttlichen und erleuchteten Gnostiker (ʿālimān) (an)erkennt und von ihnen meine Gnosis und meine Beschaffenheit lernt und für die Göttlichkeit in deren Wort und Geist Zeugnis ablegt. Die dritte Bedingung ist, dass ihr alle einer dem andern Bruder seid, so dass ihr (euer) Leib und Leben dem andern nicht vorenthaltet, euer Hab und Gut und Blut der Religion und den Glaubensbrüdern (dīnījān) zum Opfer (be-fedā) bringt, Religion und weltliches Leben in Ordnung haltet, auf keine Art den Weg der Schlechten und der Gewalttätigen euch zueigen macht, im Äußeren wie im Inneren mit ihnen weder Speise und Nahrung (teilt) noch Umgang mit ihnen habt, Zeugnis für die Göttlichkeit und den Geist einander (?) ablegt und, soweit es in euren Kräften steht, Freundlichkeit übt, so dass die Brüderlichkeit in dem Augenblick wirksam wird, da ihr Zeugnis ablegt. „Die Gläubigen sind doch Brüder” (Koran 49,10). Diese drei Bedingungen sind das dreimalige Bezeugen gegenüber dem Erhabenen König: eines gegenüber dem Propheten, eines gegenüber den Imāmen der Zeit und eines gegenüber den Glaubensbrüdern; Die vierte Bedingung ist, dass ihr nicht in Genuß und Gewinn dieser Welt lebt und nicht alles genießt, wonach euch der Sinn steht. Wenn ihr diese drei Zeugnisse, die ich als die drei (ersten) Bedingungen genannt habe, erfüllt, dann werde ich euch auch diesen einen (letzt­genannten) Genuß erlauben, werde ich euch verzeihen und euch das ewige Paradies zurückgeben!” Heißt es doch … (es folgen Zitate aus Koran 4, 57; 18, 110; 18, 30). Wenn ihr diesen meinen Bund haltet, so werde auch ich meinen Bund halten. „Und erfüllt eure Ver­pflichtung gegen mich! Dann werde ich meine Verpflichtung gegen euch erfüllen (Koran 2, 40).”[14]

Es gilt zu begreifen, dass es einst – der Selbstauskunft des Umm al-Kitāb zufolge unter der Herrschaft „Hārūns” (al-Rašīds, TL 786-809) – diesen gnostischen Glauben gab. Es liegt nahe anzunehmen, dass er sehr viel weiter verbreitet war, als die meist aus Kufa stammenden Berichte der Häre­siographen vermuten lassen. Einen Anhaltspunkt dafür bieten die poli­ti­schen Bewegungen, die mit der Vorstellung eines Imams verbunden waren. Demnach war dieser Glaube vor allem im ehemaligen Herrschaftsbereich der Sassaniden verbreitet. Die Lehre des Umm al-Kitāb hat auffallende Ähnlichkeit mit der Lehre der späteren Schia.

Von höchstem Interesse für das Verständnis dieser islamischen Gnosis ist nun die Frage, ob eine historische Gestalt ʿAlī in einem Umfeld älterer gnostischer Vorstellungen Anlaß zu einem Wiederaufleben gnostischer Mythen unter Einbeziehung des geschichtlichen ʿAlī gab (wovon z.B. Halm stillschweigend auszugehen scheint), oder ob nicht eher ʿAlī aus einem gnostischen Glaubenszusammenhang heraus als natürliche Person histo­risiert wurde, ohne daß es jemals einen geschichtlichen ʿAlī gegeben hätte. Im Folgenden soll dargelegt werden, dass die Verehrung ʿAlīs als gnostische Gottheit das Ursprüngliche war, und dass die Überlieferung von einem als geschichtliche Gestalt gedachten ʿAlī in der Traditionsliteratur, und damit auch die Tradition der schiitischen ʿAlī-Verehrung im Rahmen des isla­mi­schen Weltbildes, wie es sich im Laufe der abbasidischen Herrschaft heraus­gebildet hat, das Abgeleitete war.

  1. Die gnostische Provinz

Südlich von Bagdad befindet sich am Tigris in Salmān Pāk („Salomon der Reine”) das Mausoleum des Salmān al-Fārisī (ein weiteres Grab wird bei Isfahan gezeigt). Es liegt im Weichbild der alten sasanidischen Hauptstadt Ktesiphon / Al-Madā’in[15].

Im Umm al-Kitāb kommt Salmān eine Hauptrolle zu. Als erster der sieben Planetenengel entspricht seine Rolle der des ältesten Archonten der Nag Hammadi Schriften, nur dass Salmān die Erde nicht eigenmächtig erschafft, sondern im Auftrag Gottes.

„Dann wollte der Erhabene König weitere Wesen erschaffen. Um dies zu bestätigen, ließ er einen Ruf nach hinten und einen Ruf nach vorne erschallen … daraus kamen sechs Ränge von Geistern hervor … der Älteste dieser sechs Ränge war Salmān … Da wandte sich der Erhabene König ihnen zu und sprach: „Ich bin Allāhu akbar, ich bin Allāhu akbar!” Da waren alle diese Geister verblüfft und wussten nicht, ob der Erhabene König von sich selbst oder von jemand anderem spreche … Da, nach einer Weile, begriff es Salmān ol-Qodrat[16], wandte sich dem Erhabenen König zu und sprach (arab.): „Ich bezeuge, dass kein Gott ist außer Gott! (pers.:) Ich lege Zeugnis ab, dass du unser Gott bist und dass nirgendwo jemand außer dir präsent und existent ist.” … Dann sprach der Erhabene König – groß ist seine Majestät! zu Salmān ol-Qodrat: „Salmān, du bist meine Pforte (bāb) und mein Buch – der Koran ist das Wort Gottes – und du bist meine rechte Hand – (arab.:) du bist Gottes Hand – in allen meinen Palästen, Dīwānen und Vorhängen; mein Gesandter bist du und mein Thron, der ich der Herr bin; du bist das (anvertraute) Gut und mein Bewahrer des anvertrauten Gutes; mein Geist erscheint aus deinem Vorhang und von dir her (durch dich? az ǧaneb-e tū); ich bin dein Herr, und du bist der Herr der Gläubigen; die Lenkung des Himmels und der Erde habe ich in deine Hand gelegt; ich bin dein Herr und du bist der Herr aller Himmel und Erden! …”[17]

Der Name Salmān könnte hier eine aramäische Etymologie haben, denn aramäisch Šalmāna ist „der Erklärer, der Deuter, der Rechtschaffene”[18]. Bei den Mandäern waren die „šalmanē” die Vollkommenen, die in Erwartung des Todes in einem Zustand der rituellen Reinheit lebten[19].

Salmān als „Bāb” war auch den Häresiographen des 9. Jahrhunderts bekannt. So berichtet Qummī in seinem „Buch der Lehren und Sekten” (TL: verfasst vor 905) über die „Verfünffacher” (Muḫammissa):

„Die Verfünffacher sind die Anhänger Abū l-Ḫaṭṭābs. Sie heißen Verfünffacher, weil sie behaupten, Gott sei Muḥammad, und der sei in fünf Körpern und in fünf verschiedenen Gestalten erschienen: in der Gestalt Muḥammads, ʿAlīs, Fāṭimas, al-Ḥasans und al-Ḥusains. Sie behaupteten, daß vier von diesen Fünf Illusion seien und kei­nerlei Realität hätten, während der (eigentliche) Sinn (maʿnā) die Person und Gestalt Muḥammads sei … Sie behaupteten, Muḥam­mad sei Adam, Noah, Abraham, Moses und Jesus gewesen; er sei unaufhörlich unter Arabern und Nichtarabern erschienen… Gottes Äußeres (ẓāhir) ist nach ihrer Ansicht das Imamat, während sein Inneres (bāṭin) Gott ist, dessen „Sinn” (maʿnā) Muḥam­mad sei, den (aber nur) erfasse, wer von seinen Auserwähl­ten zu der Lichtheit gehöre und wer von seinen Auserwählten nicht auf einer Stufe mit der Menschheit von Fleisch und Blut stehe; das (nämlich) sei der Imām; nur der sei unkörperlich und habe wechselnde Namen. Daher setzten sie alle Propheten, Gottge­sand­ten, Perserkönige und Herrscher von Adam an bis zum Auftreten Muḥammads mit Muḥammad gleich, wobei der der Herr sei; des­gleichen setzten sie die Imāme nach ihm mit Muḥammad gleich und ebenso Fāṭima, indem sie behaupteten, (auch) sie sei Muḥammad und (auch) sie sei der Herr … Auch all die früheren (Autoritäten) wie Abū l-Ḫaṭṭāb, Bajān, Ṣā’id, al-Mughīra, Ḥamza ibn ‘Ammāra, Bazīgh, as-Sarī und Muḥammad ibn Bašīr seien Propheten und „Pforten” (bāb) mit wechselndem Körper und ausgetauschtem Namen (ism) gewesen; der „Sinn” (maʿnā) sei aber einundderselbe gewesen, nämlich Salmān; er sei die gesandte „Pforte” (bāb) und erscheine in allen Situa­tionen zusammen mit Muḥammad unter Arabern und Nicht­arabern … Mit ihm zusammen ließen sie (jeweils) die Pforten (abwāb), die Waisen (aitām), die Edlen (nuǧabāʾ, Sg. naǧīb), die Führer (nuqabāʾ, Sg. naqīb), die Erwählten (muṣṭafaun), die Beson­deren (muḫtaṣṣūn), die Geprüften (mumtaḥanūn) und die Gläubi­gen (mu’minūn) auftreten. Der „Sinn” (maʿnā) des (jewei­ligen) Bāb sei Salmān; der sei Muḥammads Gesandter und mit die­sem verbun­den, während Muḥammad der Herr sei … Sie behaup­teten, wer alle diese mit ihrem jeweiligen „Sinn” kenne, der sei ein geprüfter Gläu­biger (mu’min mumtaḥan), von dem alle Gesetzes­religion und alle Knechtschaft abgetan sei, dem alles erlaubt und freigegeben sei, was Gott in seinem Buch und durch den Mund seines Propheten verboten habe; diese verbotenen Dinge seien (in Wirklichkeit nur) Männer und Frauen, die geleugnet und abge­stritten hätten, woran sie selbst glauben … Diese Leute lehrten auch, im Unterschied zu anderen Übertreibern, die Seelen­wan­de­rung (tanāsu). Sie behaup­teten nämlich, die Geister derer, die ihre Sache geleugnet hätten, gingen in alle möglichen Geschöpfe, in mensch­licher Gestalt oder nicht, ein … Sie behaupten, dass der Geist des wissenden Gläubigen (des Gnostikers, al-mu’min al-‘ārif) unter ih­nen (dagegen) nicht in irgendeinen Gegenstand verwandelt werde, sondern sieben Körper wie sieben Gewänder (aqmiṣa, Sg. qamīṣ), die jemand besitze, an­ziehe: sei er aus einem Gewand heraus­ge­wachsen, gewande er sich in ein anderes. Sie behaupteten auch, der Glaube bestehe aus sieben Stufen; die siebte sei der Aufstieg zur Erkenntnis des Äußersten (maʿrifat al-ghāja): der Schleier werde gelüftet und man sehe IHN in der Lichtheit. In jeder Periode (daur) ziehe der Gläubige ein Gewand an; das sei eine andere Hohlform (qālab) als die vorhergehende; die Periode habe 10000 Jahre, und es gebe sieben (solcher) Perioden; wenn die sieben abgelaufen seien, so sei das ein Äon (kaur) von 70000 Jahren; in (diesen) 70000 Jahren werde er ein Gnostiker (ʿārif), der Schleier werde ihm gelüftet, die Täuschung (Verkleidung) werde von ihm abgetan und er erfasse Gott, d.h. Muḥammad, in seinem Wesen, in seiner Lichtheit statt (wie zuvor) in seiner fleischlichen Menschlichkeit …”[20]

Auch in diesem gnostischen System nimmt Salmān eine wichtige Stellung ein. Wurde hier eine geschichtliche Gestalt aus dem Umfeld des arabischen Propheten in ein gnostisches Pantheon aufgenommen, oder waren Name und Gestalt des „Salmān” bereits vorher in der Gnosis verankert?

Eine Lehre, die so streng zwischen dem inneren Wesen und Äußerlich­keiten unterscheidet, ist natürlich besonders geeignet, Namen aus ihrer Um­ge­bung aufzunehmen, ohne dass dies Rückwirkungen auf den inneren Ge­halt haben muß. Wir müssen deshalb in erster Linie auf Inhalte achten. Da fällt es auf, dass Salmān auch in der Traditionsliteratur vorkommt, und zwar als eine Randfigur, deren Geschichte wenig mehr ist, als eine Ausdeutung des Namens „Salmān al-Fārisī”. In der frommen Legende ist er einer der exemplarischen Fremdstämmigen in der Umgebung des arabischen Pro­pheten[21]. Sohn eines persischen Landbesitzers aus Jayy (Isfahan)[22], gibt er den Feuerkult auf, um in Syrien Christ zu werden. Dort wird er von Lehrer zu Lehrer weitergereicht, bis er sich schließlich auf die Suche nach dem arabischen Propheten begibt. In Medina wird er einem Juden als Sklave verkauft. Dort findet er den Propheten, der dafür sorgt, dass er freigekauft wird. Salmān zählt nicht nur zu dessen Gefährten, sondern sogar unter dessen „Zeltgenossen”, die Āl al-Bait. Am Ende seines Lebens soll er Gouverneur von Madā’in gewesen sein.

Die Gestalt des Salmān scheint somit einschließlich ihres Namens aus der gnostischen Sphäre in die der islamischen Traditionsliteratur hinüber­ge­wechselt zu sein. In der Gnosis ist Salmān wirkmächtig, aus ihr stammt sein Name und seine Nachwirkung als Bāb der Muḫammissa. Ein weiterer Zweig dieser Entwicklung führte zum Sufismus, der Salmān unter seine Gründer zählt[23]. In der Traditionsliteratur hingegen ist er eine blasse Ge­stalt. Die Orthodoxie hat für ihn keine Rolle. Sein besonderer Rang als Āl al-Bait erklärt sich nicht aus der dargebotenen Legende. Man müsste ihn für schlecht erfunden halten, wüsste man nicht, dass er aus anderem Zusammenhang nach Entkleidung seines häretischen Sinns hier unter­gebracht wurde.

In Nadjaf, am Westufer des Euphrat, findet sich das Grab ʿAlīs. Es wurde dort im 10. Jh. nach intensiver Suche (u.a. vermutete man es in einer Ecke der Moschee von Kufa) „entdeckt“. Ein weiteres Grab ʿAlīs wurde zu Beginn des 11. Jh. in Mazar-e Šarīf bei Balkh „entdeckt“. Nach anderen Traditionen war er anderweitig in der Nähe von Kufa, in Medina oder in Kasr al-Imara begraben. Für Nadjaf, das heute das Hauptheiligtum ʿAlīs ist, mag den Ausschlag gegeben haben, dass hier bereits früher die Gräber Adams und Noahs gezeigt wurden.

Etwas früher setzte vielleicht die Verehrung des Grabes von Ḥusain ein. Der Ṭabarī berichtet, dass der Herrscher al-Mutawakkil (TL 847-861) im Jahre 236 H (850/51) das Grab Ḥusains in Kerbala samt den dort errich­teten Palästen abreißen und die Erde umpflügen ließ. Er soll auch bei Strafe verboten haben, das Gelände zu betreten[24]. Leider kann der Ṭabarī bei sol­chen Nachrichten kaum als zuverlässig gelten, wie wir unten sehen werden. Ein Mausoleum ist jedenfalls im 10. Jahrhundert überliefert[25]. Um diese Zeit wird auch der Kopf Ḥusains „entdeckt“, der nach dem Tag von Kerbala (TL 680) der Legende zufolge zum Herrscher Yazīd nach Syrien geschickt wor­den sein soll. Bemerkenswert sind die Legenden, die vom Leuchten des Hauptes sprechen[26], ein Motiv mit mandäischen Bezügen. Der Kult um das Haupt Ḥusains hat eine Parallele in der Verehrung des Hauptes Johannes des Täufers, das u.a. in Damaskus aufbewahrt wurde. Dies wirft die Frage auf, ob es sich bei dem Kult um Ḥusain womöglich um eine kulturelle „Erinnerung” an den Täufer handelt. Hierfür gibt es in der Tat Hinweise. Im Sumpfgebiet am Unterlauf des Euphrat und des Tigris leben bis heute die gnostischen Mandäer, eine Gemeinschaft, für die Johannes der Täufer eine besondere Rolle spielt. Bei Täufergemeinden des Zweistromlandes war der Glaube an besondere, oft mit Lichterscheinungen verbundene Anlagen verbreitet, die auf unterschiedliche Weise im Laufe der Generationen weitergegeben wurden. Dies ähnelt sehr der Überlieferung von der Präexistenz des arabischen Propheten in seinen Vorfahren, die Uri Rubin aus der Traditionsliteratur zusammengetragen hat[27]. Der Verbleib von Ḥusains Haupt wird aus Damaskus, Baalbek, Homs, Aleppo, Raqqa, Medina und Merw berichtet (gleichzeitig wird traditionell am 40. Tag nach seinem Tode die „Rückkehr des Hauptes” gefeiert). Es ist zu vermuten, dass damals tatsächlich lediglich christliche Kopfreliquien umgewidmet wurden. Aus Askalon ist diese Art der „Entdeckung” noch 1091 unter fatimidischer Herrschaft belegt[28]. Im Ergebnis steht die Verehrung der Gräber und Reli­quien im Falle ʿAlīs und Ḥusains so gut wie gar nicht mit der Tradi­tions­literatur in Übereinstimmung. Dafür ist die Nachfolge in Kulttradi­tionen älteren Ursprungs deutlich erkennbar.

ʿAlī kommt im Umm al-Kitāb in unterschiedlicher Form vor. Zunächst wird er als Mitglied der Pentade genannt:

„Bevor es noch den Himmel, die Erde oder sonst ein Geschöpf gab, waren da fünf präexistente Lichter in fünf Farben gleich dem Regenbogen; aus deren Funkeln ging, gleich einer Sonne, Luft hervor, so dass (so weit) auch Himmel und Erde ist, diese sublime Luft (vorhanden) war. Die fünf Lichter standen in dieser Luft, und für alle Zeit erschien aus ihrer Mitte das Alleräußerste Licht wie eine Lichtgestalt. Die fünf Farben waren deren Glieder: Gehör, Gesicht, Geruch, Geschmack und Sprache. Diese fünf Lichter sind die, die die Menschen Muḥammad, ʿAlī, Fāṭima, Ḥasan und Ḥusain nennen”.[29]

Dieses Vorkommen ist abstrakt, weitgehend ohne Inhalt. Ähnlich ein weiteres Vorkommen:

„Dann leitete Gabriel den Geist der Inspiration an ihren Ort im Paradies, und sie sahen eine Gestalt, in Millionen von Farben gemalt, auf einem Thron sitzend, eine Krone (tāǧ) auf dem Haupt, zwei Ringe in den Ohren und das Schwert am Schulterriemen umgehängt, dass das Paradies von der Erscheinung des Lichts dieser Gestalt erstrahlte. Die Widersetzlichen wünschten so sehr zu wissen, was das für eine Gestalt sei. Der Geist der Inspiration erschien ihnen: „Diese Gestalt stammt aus dem urewigen Alleräußersten Dīwān, und zu dieser Allerhöchsten Majestät, die in diesem Paradies erschienen ist, gehört die Gestalt der Fāṭima; ihre Krone ist Muḥammad, ihre Ohrringe sind Ḥasan und Ḥusain, und das umgehängte Schwert ist der Fürst der Gläubigen ʿAlī; ihr Thron ist der Ort der Allmacht, auf dem der Erhabene König – groß ist seine Macht – thront.” Da priesen und bejubelten sie alle diese Gestalt.”[30]

Ein weiteres Vorkommen ist ʿAlī in der Geschichte vom Minarett von Kufa, das sich vor ihm niederwarf, „als dieser mit Herrschermacht erschien und das Kalifat ihm zufiel”. Dieses Bekenntnis der unbelebten Materie, eine auch sonst bekannte Geschichte, hat eine bedeutsame mandäische Parallele:

„… wenn die Belebung der Toten sein wird … und der Messias vor(an) schreitet und in die Welt kommt (und) der Ziegelstein von (aus) der Säule (ʾāšītā) erzählt und spricht: „Ich bekenne den Messias!”[31]

Sodann ist ʿAlī mit dem „Erhabenen König” identisch. Dies kann man zwar bereits aus dessen Stellung in der Kosmologie ersehen, doch wird es an einer Stelle auch ausgesprochen:

„ … da erschien der Erhabene König aus dem Vorhang Salmāns mit allen Besonderen (ḫāṣṣān) und Treuen (moḫleṣān) in diesem Dīwān, und mitten unter ihnen und deutlich sichtbar sagte er: „Ich bin euer Gott, der ich in jedem Dīwān und Palast von euch Wahrhaf­tigkeit gefordert habe, Gott, euer Herr, und der Herr eurer Vorväter (Koran 37, 126). Bezeuget meine Göttlichkeit, auf dass ihr nicht noch tiefer als dieser Dīwān fallet, denn sechs Farben habe ich euch wieder weggenommen, und nur diese eine (blaue) Farbe ist euch noch geblieben. Wenn ich euch auch diese noch nehme, dann stürzt ihr aus der höchsten Höhe in die tiefste Tiefe!” So sprach der Fürst der Gläubigen.[32] Ein Geist ging aus dem Großen Salmān hervor, der wurde der Kleinere Salmān (Salmān ol-Aṣghar) genannt, und allsogleich antwortete er dem Erhabenen König und sprach: „Wir glauben und bestätigen es! Ich bezeuge, dass du unser Gott bist, und dass kein anderer Gott außer dir irgendwo präsent und existent ist! Und ich bezeuge, wahrlich, wahrlich, Muḥammad und den gepriesenen ʿAlī (ʿAlī-je maḥmūd), den Auserwählten (al-muṣṭafā), und seinen Regenten, den Salsal, und die Gottesgaben, das größte Licht! (Arab.:) Ich bezeuge, dass kein Gott ist außer ihm, dem Hohen, dem Gewaltigen!”[33]

Die zentrale Gestalt des Umm al-Kitāb, der Erhabene König, offenbart sich hier in verschlüsselter Weise als ʿAlī. Gleichzeitig ist der Name „ʿAlī” (wörtlich: „der Hohe, der Erhabene”) eng mit dem Ausdruck „der Erhabene König” (Malik-i taʿālà) verwandt. Wie schon bei Salmān ist somit auch bei ʿAlī offensichtlich, dass sowohl Inhalt als auch Name aus der gnostischen Sphäre in die islamische Traditionsliteratur hinübergewechselt sind. Dass der Name dabei abgewandelt wurde, unterstreicht die Entwicklung in dieser Richtung noch. Der Erhabene König ist (d.h. bedeutet) ʿAlī, er heißt aber (nicht mehr) so. Die Breite der ʿAlī-Verehrung wird auch daran deutlich, dass ʿAlī – den Häresiographen zufolge – auch als Naturgottheit verehrt worden sein soll. So sollen die Saba’iten, die Anhänger des ʿAbdallāh ibn Saba’, geglaubt haben, dass ʿAlī in den Wolken sei, der Donner sei seine Stimme und der Blitz seine Geißel[34].

Aus der gnostischen Sphäre stammt (wie wir noch im Einzelnen sehen werden) auch die Ähnlichkeit von Jesus Christus und ʿAlī. So wie Jesus Christus Mensch und Gottheit ist, ist auch der Erhabene König Herrscher und Gottheit, deren abstrakte Vorstellung die Pentade ist (deren Entspre­chung in früheren gnostischen Systemen durchaus ein Eigenleben hatte); das Umm al-Kitāb vermeidet es, in diesem Punkt zu deutlich zu werden. Als Erlösergestalten treten Jesus Christus und ʿAlī in eine vergleichbare Be­ziehung zu den Gläubigen[35]. Eine weitere Ähnlichkeit ist der Doketismus. So wie in gnostischen Christus-Vorstellungen, insbeson­dere der Lehre Markions, Christus als Gottheit am Kreuz keinen Tod erlei­den konnte, der deshalb nur scheinbar war, berichten die Häresiographen von Doketismus bei den Saba’iten: Als ʿAlī ermordet worden war, habe Ibn Saba’ behauptet, der Getötete sei nicht ʿAlī gewesen, sondern ein Teufel, der vor den Leuten die Gestalt ʿAlīs angenommen habe. ʿAlī aber sei zum Himmel aufgefahren wie Jesus, der Sohn der Maria[36]. Die Parallelen lassen sich auch auf die Endzeiterwartung ausdehnen. Andere häretische Gruppen glaubten, ʿAlī sei nicht gestorben, sondern werde vor dem Tag der Auferstehung in diese Welt zurückkehren und die Erde mit Gerechtigkeit erfüllen, wie sie jetzt von Tyrannei erfüllt sei[37].

Schließlich ist auch die Vorstellung eines Gottes, der auf der Erde wirkt, ein Gesichtspunkt dieses ʿAlī-Glaubens. Wie oben als Lehre der Maʿmarīya ausgeführt, gab es die Vorstellung eines entrückten „Gottes des Himmels” und eines auf der Erde wirkenden „Gottes der Erde”. Letzterer war der Imam. Es liegt nahe, in dieser Vorstellung die Bedeutung von ʿAlīs Kunya „Abū Turāb” (Vater der Erde, des Staubes) zu sehen. Die Erklärungen, die die Tradititionsliteratur für diese Kunya bereithält, legen lediglich falsche Fährten[38].

Das Umm al-Kitāb ist nicht unser einziger Führer in die versunkene Welt der Gnosis im Zweistromland. Auch im „Buch der Heptade und der Schatten”, dem Kitāb al-haft wa l-aẓilla wird von der Herkunft der Lichtseelen berichtet, der Erschaffung der sieben Himmel, der Entstehung der Teufel, der Einkerkerung der gefallenen Lichtseelen in menschliche Leiber, der Seelenwanderung und schließlichen Erlösung. Hier wird ein mit dem Umm al-Kitāb verwandtes, in Einzelheiten aber abweichendes gnos­tisches System beschrieben, in dem der höchste Gott sich hinter dem siebten Himmel verbirgt und in dem ʿAlī und die Imame als Lichtboten die Gläubigen über ihre Herkunft unterweisen. In diesem Buch ist es der legen­däre sechste Imam der Zwölfer-Schiiten, Ǧaʿfar al-Ṣādiq, der als Meis­ter auftritt, der über die geheime Offenbarung Auskunft gibt. Abū l-Ḫaṭṭāb, der den Imam begleitet, erweist sich am Schluß des Buches als Gabriel. Auch wenn dieses Buch nur aus Handschriften bekannt ist, die nicht vor das 18. Jh. zurückgehen, hat Halm wahrscheinlich gemacht, dass sein Kern mit dem nur häresiographisch bekannten Kitāb al-aẓilla identisch ist, das dem 835 verstorbenen Muḥammad ibn Sinān aus Kufa zugeschrieben wurde[39].

Welche Rolle solcher Glaube in der religiösen Praxis spielte, und wie weit er demzufolge wohl verbreitet war, kann man u.a. dem intensiven Streit um das Abendgebet entnehmen. Die Ḫaṭṭābiten verschoben das Abendgebet auf die Zeit nach Sonnenuntergang – nach Halm offenbar in dem Glauben, dass dann die vom Körper befreiten Lichtseelen bei ihrem Aufstieg am untersten Himmel als Sterne sichtbar würden[40].

  1. Gab es einen geschichtlichen ʿAlī?

4.1 Der historische und der legendarische ʿAlī

Der ursprünglich verehrte gnostische ʿAlī ist in den Quellen der arabischen Traditionsliteratur innig mit einem als geschichtlich vorgestellten ʿAlī vereinigt. Die Traditionsliteratur berichtet von ʿAlī als Vetter und Eidam des arabischen Propheten sowie viertem der „rechtgeleiteten Kalifen”, nomina­ler Mitregent von Muʿāwiya, der um 661 in Kufa ermordet worden sein soll. Der Name ʿAlī ist bei den altarabischen Dichtern ein poetischer Name der Kināna (und der Quraiš)[41], teilweise auch ein Name für die heidnischen Quraiš in Mekka im Gegensatz zu den Muhāǧirūn in Medina. Insofern verankert ihn die Traditionsliteratur in der Stammessage. Interessanterweise wird ʿAlī in ihr auch als „Fremder” bezeichnet, der als Ziehvater den Kināna seinen Namen verliehen habe[42]. Dies klingt an die mandäische Vorstellung an, dass der Gesandte Gottes als „fremder Mann” zu den Menschen kommt[43]. Urkunden über ʿAlī oder die in der Traditionsliteratur genannten nahen Angehörigen gibt es nicht. Um die Frage der Geschichtlichkeit erörtern zu können, müssen spätere Quellen herangezogen werden.

4.2 ʿAlī auf Münzen

Auf Münzprägungen erscheint der Name ʿAlī erstmals im 8. Jahrhundert:

  1. Im Jahre 128 (745/746) wurden in Merw Silbermünzen mit der Aufschrift „Āl Kirmānī ibn ʿAlī” geprägt. Dies sind die „Leute aus Kirmān vom ʿAlī” oder „die ʿAlī-Anhänger aus Kirmān”. Die Prägung fällt in die unruhige Zeit nach dem Tode Hišāms (TL 724-743)[44]. Münzen dieses Typs wurden erstmals im Jahre 127 (744/745) im Gebiet von Isfahan (Jayy) geprägt, 128 auch in anderen Städten des iranischen Hochlandes und Khuzistans: al-Taymara, al-Rayy, Rām-Hurmuz und Istakr. Popp deutet dies als Spuren eines Aufstandes, der mit der Besetzung von Merw einen Höhepunkt erreichte[45].

Es ist wahrscheinlich, dass die Bezugnahme auf ʿAlī hier eine religiöse Bedeutung hatte. Ähnlich wie die ab 660 auftretende „Muḥammad”-Losung im Vorfeld der Machtergreifung ʿAbd al-Maliks[46], diente die ʿAlī-Losung der Werbung für eine politische Partei mit religiösem Anspruch im Vorfeld der Machtergreifung der Abbasiden. Da dies das früheste urkundliche Vorkommen des Namens ʿAlī überhaupt ist, sind Aussagen über mit ihm verbundene Inhalte kaum möglich. Es mag von Bedeutung sein, dass der Führer dieser politischen Partei, die sich in Khorasan hauptsächlich auf die Azd gestützt haben soll, Ǧudai al-Kirmānī, sowohl einen Vater als auch einen Sohn ʿAlī gehabt haben soll[47]. Der von den Āl Kirmānī in Merw geprägte Dirham ähnelt im Entwurf dem Dirham der Ḫāriǧiten[48]. Die Āl Kirmānī sollen sich nach Ermordung ihrer Anführer durch Abū Muslim demselben angeschlossen haben[49].

  1. Im Jahre 160 (776/777) wurde eine Münze mit der Aufschrift „Al-Mahdī Muḥammad” („der Mahdī ist auserwählt”) und „ʿAlī Muḥammad ṭayyib” geprägt („ʿAlī, Muḥammad, in Ordnung!”). Diese Münze gehört in die Ära al-Mahdīs (TL 775-785), die gewöhnlich die Aufschrift „Al- Mahdī Muḥammad” und „al-Ḫalīfat al-Mahdī” („die Stellvertretung des Rechtgeleiteten”) trug. In diesem Fall ist der zweite Teil der Aufschrift durch den ʿAlī-Text ersetzt[50].

Auch diese ʿAlī-Nennung hat eine religiöse Bedeutung. Vom auffälligen Nebeneinander mit „Muḥammad ” wird unten noch die Rede sein.

  1. In den Jahren 202-205 (817-821) wurden im iranischen Raum (Fars, Isfahan, al-Muḥammadīya / Rayy, Samarkand) Münzen mit der Auf­schrift „ʿAlī ibn Mūsā ibn ʿAlī ibn Abī Ṭālib ” („ʿAlī, Sohn des Moses vom ʿAlī, Sohn des Vaters von Ṭālib”) geprägt. Diese Prägungen fanden zur Ära al-Maʾmūns (TL 813-833) statt. Popp sieht im Auftreten des ʿAlī ibn Mūsā, der derselbe ist wie ʿAlī al-Riḍā, einen Mangel an Legitimität der Herrschaft al-Ma’mūns[51].

Mit ʿAlī ibn Mūsā scheint erstmals auf Münzen eine Person mit dem Na­men ʿAlī urkundlich zu sein. Es handelt sich um ʿAlī al-Riḍā, den aus der Traditionsliteratur bekannten achten „Imam“ der sogenannten Zwöl­fer-­Schiiten, von dem unten noch die Rede sein wird. Daneben wird ein zweiter ʿAlī genannt: ʿAlī ibn Abī Ṭālib. An seiner Herkunftsbezeichnung erkennt man den ʿAlī der Traditionsliteratur. ʿAlī, der Sohn des Moses, nimmt auf diesen ʿAlī Bezug. Streng genommen muß offen bleiben, ob diese Bezugnahme damals bereits als Abstammung gedeutet wurde, etwa in der Art einer abgekürzten Ahnenreihe (auf Münzen ist wenig Platz). Die literarische Namensform „ʿAlī ibn Abī Ṭālib” spricht jedenfalls dafür, dass es damals bereits die bekannte Legende der Traditionsliteratur gab, zu der später auch ein ʿAlīden-Stammbaum gehörte. Wir können deshalb vermuten, dass es im Jahre 817 bereits die Vorstellung einer „ʿAlīdischen” Legitimation gab.

4.3 ʿAlī auf Herrscherlisten

Es gibt einige frühe Herrscherlisten, die man neben den Bericht der Traditionsliteratur halten kann. Es sind drei Listen auf Syrisch erhalten, die bis auf die Jahre 705, 724 bzw. 775 reichen, und eine Liste auf griechisch bis auf das Jahr 818. Keine dieser Listen erwähnt ʿAlī. Wohl aber werden Muḥammad und die frühen Kalifen Abū Bakr, ʿUmar und ʿUṯmān erwähnt, wenn auch mit abweichenden Angaben zur jeweiligen “Regierungszeit”. Wahrscheinlich gingen die Angaben in diesen Listen zumindest teilweise auf Auskünfte arabischer Gewährsleute zurück. Sie sind somit Stichproben früherer arabischer Geschichtsbilder, die offenbar einen in der späteren arabischen Traditionsliteratur nicht mehr erhaltenen Zwischenzustand festgehalten haben. Den Zeitpunkt der eingeholten Auskünfte, die sich im Gebrauch der arabischen Jahreszählung und anderen Besonderheiten äußern, kann man versuchen einzugrenzen:

  1. Die auf Syrisch geschriebene Herrscherliste auf das Jahr 705 ist als fol. 17a in das Manuskript British Museum Add. 17193 aus dem späten 9. Jahrhundert eingebunden:

„Bericht über das Königreich der Araber (taiyaye), wieviele Könige es gab, und wieviel Gebiet jeder im Vergleich mit seinem Vorgänger vor seinem Tode gehalten hatte. Mhmt kam in das Land im Jahre 932 Alexanders, des Sohnes von Philipp dem Makedonen (620/621), dann regierte er 7 Jahre. Nach ihm regierte Abou-Bekr zwei Jahre. Nach ihm regierte Omar zwölf Jahre. Nach ihm regierte Othman zwölf Jahre und sie waren ohne Herrscher während des Krieges von Safâ für 5 1/2 Jahre. Danach regierte Moawiah 20 Jahre. Nach ihm regierte Yezid Sohn von Moawiah dreieinhalb Jahre. (Am Rande: Nach Yezid waren sie ein Jahr ohne Herrscher.) Nach ihm regierte ‘Abdōlmelek 21 Jahre. Nach ihm begann sein Sohn Walīd die Herr­schaft im Jahre 1017 zu Beginn des ersten Tischrin (705)”.[52]

Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Liste tatsächlich ein Zeugnis aus der Regierungszeit Walīds (TL 705-715) darstellt. Man kann ihr entnehmen, dass um 705 bereits dieselbe Abfolge der Herrscher galt wie später in der Traditionsliteratur, allerdings ohne ʿAlī, ohne den jüngeren Muʿāwiya und ohne Marwān.

  1. Die auf Syrisch geschriebene Herrscherliste auf das Jahr 724 ist als letztes Blatt in den aus dem 8. Jahrhundert stammenden Codex British Museum Add. 14643 eingebunden:

„Nachricht über das Leben von Moḥamet dem Boten (rasul) Gottes, nachdem er seine Stadt betreten hatte und drei Monate bevor er sie betrat, vom ersten Jahr an; und wie lange die einzelnen Könige leb­ten, die nach ihm über die Hagarener herrschten, nachdem sie die Macht ergriffen hatten, und wie lange es Streit (fitna) zwischen ihnen gab. Drei Monate bevor Moḥamed kam. Und lebte Moḥamed zehn Jahre. Und Abûbkar Sohn des Abûqûḥafâ 2 Jahre und 6 Monate. Und ‘Umar Sohn des Kaṭâb 10 Jahre und 3 Monate. Und ‘Utman Sohn des ‘Aphan 12 Jahre. Und Streit nach ‘Utman 5 Jahre und 4 Monate. Und Mo’avijâ Sohn des Abûsaiphan 19 Jahre und 2 Monate. Und Izîd Sohn des Mo’avijâ 3 Jahre und 8 Monate. Und Streit nach Izîd 9 Monate. Und Marvan Sohn des Ḥakam 9 Monate. Und ‘Abdalmalk Sohn des Marvan 21 Jahre und 1 Monat. Valîd Sohn des ‘Abdalmalk 9 Jahre und 8 Monate. Und Sûlaiman Sohn des ‘Abdal­malk 2 Jahre und 9 Monate. Und ‘Umar Sohn des ‘Abdal‘azîz 2 Jahre und 5 Monate. Und Izîd Sohn des ‘Abdalmalk 4 Jahre und 1 Monat und 2 Tage. Die Gesamtheit dieser Jahre ist 104 und Monate 5 und Tage 2.”[53]

Da die Regierungszeit von Yazīd (TL 720-724) abschließend angegeben wird, ist die Liste vermutlich kurz nach dessen Tod verfasst worden. Da sie offenbar in Mondjahren zählt und die Worte „Rasūl” und „Fitna” ent­hält, könnte sie aus dem Arabischen übersetzt sein. Die Angaben zu den Herrschern sind im Unterschied zu der Liste auf 705 außer für Muḥam­mad durch „Vaternamen” ergänzt. Namen und Regierungszeiten sind bereits in guter Übereinstimmung mit der Traditionsliteratur. ʿAlī wird auch hier nicht erwähnt.

  1. Die auf Syrisch geschriebene Herrscherliste auf das Jahr 775 stammt aus einem Manuskript des 10. Jahrhunderts mit dem Titel: „Bericht über die Generationen, Geschlechter und Jahre seit Adam bis auf den heutigen Tag” in British Museum Add. 14683 und ist in der Art einer Weltchronik gehalten. Der Schluß ab S. 348 lautet:

„… Phocas, 8 Jahre. – Heraclius, 24 Jahre. Und im 930. Jahr des Alexander kamen Heraclius und die Römer nach Constantinopel: Und Muḥammaṭ und die Araber kamen aus dem Süden in das Land und unterwarfen es. Die Jahre der Hagarener und die Zeit da sie nach Syrien kamen und die Macht ergriffen, vom Jahre 933 des Alexander (621/622) an, ein jeder mit Namen, wie folgt: Muḥammaṭ, 10 Jahre. – Abū Bakr, ein Jahr. – ‘Umar, 12 Jahre. – ‘Uthmān, 12 Jahre. – Und ohne König, 5 Jahre. – Muʿawiya, 20 Jahre. – Yazīd, dessen Sohn, 3 Jahre.   Und ohne König, 9 Monate. – Marwān, 9 Monate. – ‘Abd al-Malik, 21 Jahre. – Walīd, dessen Sohn, 9 Jahre. – Sulaimān, 2 Jahre und 7 Monate. – ‘Umar, 2 Jahre und 7 Monate. – Yazīd, 4 Jahre und 10 Monate und 10 Tage.   Und im 1035. Jahr, das das 105. Jahr der Araber ist, trat Hišām die Regierung an, Sohn des ‘Abd al-Malik, im 2. Monat Kānun (10. Monat des Jahres). Und im 1054. Jahr (742/743) starb Hišām; und trat Walīd, Sohn des Yazīd, die Regierung an, der ermordet wurde; und nach ihm herrschte Yazīd; und nach ihm herrschte Marwān, Sohn des Muḥammaṭ. Und im 128. Jahr der Araber zerstörte er Emesa (Hims). Und im 129. Jahr zog er gegen Dhaḥḥāk den Harūriten. Und im 130. Jahr der Araber zog er gegen die Schwarzgewandteten; und von ihnen besiegt floh er und in Aegypten wurde er vom Herzog (dux) Abū ‘Aun getö­tet. Und in jenem Jahr trat Abū l-ʿAbbās, Sohn des Muḥammaṭ, der Hašimit (hašimita), die Regierung an. Und im 1065. Jahr (753/754) trat ‘Abd Allah, Sohn des Muḥammaṭ, dessen Bruder, die Regierung an. Und im 133. Jahr wurde die Stadt Circesium von Abū Naṣr zerstört. Und in jenem Jahr wurden alle Städte der Ǧazīra zerstört. Und im 1087. Jahr (775/776) im 2. Teschrin, am 9. Tag, trat Muḥam­maṭ al-Mahdī, dessen Sohn, die Regierung an.”[54]

Diese Liste scheint aus zwei Teilen zu bestehen. Der erste Teil ist knapp und beschränkt sich auf Namen und Regierungszeiten. Der Gesamtzeit­raum Mhmt bis Yazīd (TL 720-724) wird im Unterschied zur Liste auf das Jahr 724 nicht ausgedrückt, beläuft sich aber auf fast genau denselben Zeitraum: 104 Jahre, 6 Monate und 10 Tage. Hier scheint eine zweite Stich­probe aus der Zeit nach dem Tode von Yazīd im Jahre 724 vor­zuliegen, schlichter und mit gewissen Abweichungen. Wiederum ist von ʿAlī nicht die Rede. Danach wurde die Liste auf ausführlichere Art bis auf al-Mahdī (TL 775-785) fortgeführt.

  1. Die auf Griechisch geschriebene Herrscherliste auf das Jahr 818 ent­stammt einer Sammlung von Listen weltlicher und geistlicher Herrscher, die offenbar zur Regierungszeit Basileus I. (867-886) zusammengestellt wurde. Liste 26 betrifft die sassanidischen Herrscher bis Boran, Tochter des Khusrau. Dann heißt es:

„Die Herrschaft der Perser wurde auf die Sarazenen übertragen. Im Jahre 6131 der Welt und dem dreizehnten Jahr des Heraklius (622) begann die Herrschaft der Sarazenen: Mouameth, 9 Jahre; ʾAbou­ba­charos, 3 Jahre; ʾOumar, 12 Jahre; Outhmān, 10 Jahre; Anarchie und Krieg, 4 Jahre; Mabias, 19 Jahre; Ezit, 3 Jahre; Maroua, 1 Jahr; ʾAbdemelech, 21 Jahre; ʾIoulit, 10 Jahre; Souleīmān, 3 Jahre; ʾOumar, 2 Jahre; ʾIzith, 3 Jahre; ʾIsan, 19 Jahre; ʾOulit, 1 Jahr; ʾIzitolipsos (Izit „der ungenügende”), 1 Jahr; Maroua, 6 Jahre; ʾAboulabas, 4 Jahre; ʾAbougiafar, 21 Jahre; Maadi, der Sohn des letzteren, 10 Jahre; Mouse, Sohn des letzteren, 1 Jahr; ʾAarōn, Bruder des letzteren, 20 Jahre; Anarchie und Krieg zwischen des letzteren Söhnen für 7 Jahre bis zur gegenwärtigen 11. Indiktion. Jetzt wird Gott die Jahre ihrer Herrschaft verkürzen und das Horn des christlichen Reiches gegen sie erheben.”[55]

Damit ist diese Liste nach den Auseinandersetzungen zwischen Amīn und Ma’mūn im Jahre 818 (auf das die 11. Indiktion fällt) abgeschlossen worden. Auch in dieser Liste wird ʿAlī nicht erwähnt. Es ist klar, dass die Liste in ihrem frühen Teil eine kanonische arabische Liste darstellt, doch kann man nicht ohne weiteres angeben, wann sie auf arabischer Seite abgeschlossen und auf griechischer Seite fortgeschrieben wurde, so dass die Datierung des arabischen Standes offen bleiben muß.

Im Ergebnis schweigen diese außerarabischen Herrscherlisten bis gegen 800 zu ʿAlī [56]. Das gilt auch für die bis auf die Jahre 741 und 754 geführten lateinischen Chroniken Spaniens (Chronica Minora, Hrsg. Mommsen): In ihnen kommt ʿAlī nicht vor. Seine Einfügung scheint erst im 9. Jahrhundert erfolgt zu sein. Bereits in der Sīra des Ibn Hišām (TL gestorben 828/834) wird von ʿAlī und dessen Sohn Ḥasan so gesprochen, dass spätere Herr­schaft verstanden werden muss[57]. Der sogenannte Bürgerkrieg vor Beginn der Herrschaft des Muʿāwiya bot zu einem solchen Eingriff Raum. Man kann die Nichterwähnung ʿAlīs schlecht damit begründen, dass die syri­schen und griechischen Listen nur den Westen des arabischen Reiches ge­kannt hätten, ʿAlī aber dem Osten angehört habe. Zum einen erheben sie den Anspruch, die Herrschaft im ganzen Reich zu beschreiben. Zum andern ist der ʿAlī der Traditionsliteratur keine Gestalt aus dem Osten, sondern in Arabien beheimatet.

4.4 ʿAlī in erzählenden Quellen

Schließlich gibt es außerhalb der arabischen Traditionsliteratur einige erzählende Quellen, die ʿAlī erwähnen:

  1. Am Schluss der Sebeos (amtierte 645[58]) zugeschriebenen „Armenischen Ge­schichte”, auch „Geschichte des Heraklius” genannt, wird in groben Zü­gen der sogenannte erste arabische Bürgerkrieg (TL 656-661) geschildert:

„Jetzt sandte Gott eine Unruhe in die Heere der Söhne Ismaels und ihre Einheit ging zu Bruche. Sie fingen an, sich gegenseitig zu be­kämpfen und teilten sich in vier Lager. Ein Teil, die in Richtung von Indien[59]; ein Teil, die in Asorestan[60] und im Norden saßen; ein Teil, die in Ägypten und in den Gegenden der T’etalk’[61]; ein Teil im Gebiet der Araber[62] in dem Ort namens Askarawn[63]. Sie begannen, einander zu bekämpfen und sich in einer großen Schlächterei zu töten. Die in Ägypten und im Gebiet der Araber vereinigten sich; sie brachten ihren König um, plünderten die vielen Schätze und setzten einen anderen König ein. Dann begaben sie sich in ihre jeweiligen Gebiete. Der Fürst, der in der Gegend von Asorestan war, ihr Fürst Muawiya, war der Zweite nach ihrem König. Als er sah, was vorge­fallen war, sammelte er seine Mannen, zog selbst auch in die Wüste, schlug jenen anderen König, den sie eingesetzt hatten, führte Krieg mit seinem Heer im Gebiet der Araber, und fügte ihnen große Schlächterei zu. Er kehrte sehr siegreich nach Asorestan zurück. Aber das Heer, das in Ägypten war, vereinigte sich mit dem König der Griechen, machte einen Vertrag und schloß sich ihm an. Die ganze Menge der Mannen, etwa 15000, glaubte an Christus und wurde getauft. Das Blut der Schlächterei einer großen Menge floß dick zwischen den Heeren Ismaels. Der Krieg schwächte sie, als sie sich gegenseitig metzelten. Sie konnten keinen Augenblick dem Schwert und der Gefangenschaft und scharfen Schlachten zu See und zu Lande entsagen, bis Muawiya obsiegte und das Feld behauptete. Nachdem er sie unterworfen hatte, herrscht er über die Besitztümer der Söhne Ismaels und hält mit allen Frieden.”[64].

Obwohl ʿAlī namentlich nicht erwähnt wird, wird in der Literatur ge­wöhn­lich davon ausgegangen, dass der erste (ermordete) „König” ʿUṯ­mān war und der zweite (neue und geschlagene) ʿAlī [65]. Hierfür gibt es natürlich keine Anhaltspunkte. Genannt wird lediglich Muʿāwiya. Be­mer­kenswert, dass der geschilderte Ablauf stark von dem der Traditions­literatur abweicht, die u.a. nur zwei Parteien kennt (allenfalls drei, wenn man ʿAmr ibn al-ʿĀṣi in Ägypten als eigene Partei zählt). Die späten Teile der Chronik können in ihrem Kern zeitgenössisch sein. Leider lässt sich die Geschichte ihrer Redaktion erst ab dem 10. oder 11. Jahrhundert verfolgen. Der Text ist nicht frei von Interpolationen[66].

  1. Die maronitische Chronik British Museum Add. 17216 erwähnt ʿAlī zum Jahr 969 der seleukidischen Ära (657/658):

„Auch ʿAlī drohte erneut, gegen Moʿawia zu ziehen. Sie schlugen ihn nieder, als er in Hīrtā betete, und sie töteten ihn. Und Moʿawia kam in die Stadt Hīrtā. Die ganze Menge der Araber die dort waren gaben ihm die Hand, und er kehrte nach Damaskus zurück.”[67]

Dass hier nicht von Kufa, sondern von Hira die Rede ist, kommt in christ­lichen Quellen öfter vor. Die Handschrift stammt aus dem 8. oder 9. Jahrhundert. Der Text ist unvollständig und bricht nach dem Jahr 664 ab. Da es sich um eine Chronik handelt, die den Anspruch erhebt, den ganzen weiten Zeitraum ab Alexander dem Großen abzudecken, ist da­mit zu rechnen, dass fremdes Material, vielleicht auch aus der arabischen Traditionsliteratur, verwendet wurde. Hierfür spricht, dass der Text zum Jahr 659 eine tendenziöse Stelle enthält, die einen religiösen Disput zwi­schen Jakobiten und Maroniten in Anwesenheit Muʿāwiyas wiedergibt (den die Maroniten gewinnen, woraufhin die Jakobiten jährlich 20.000 Denare an den Kalifen zahlen müssen). Die maronitische Kirche entstand erst im Verlaufe des späteren 8. Jahrhunderts. Der Bericht zum seleukidischen Jahr 969 kann somit kaum zeitgenössisch sein. Mit einer Abhängigkeit von der arabischen Traditionsliteratur muß gerechnet werden[68].

  1. In der syrischen Vita des Maximus Confessor (um 580-662) von Georg von Resh’aina ist ebenfalls von ʿAlī in Ḥīra die Rede:

„… zog er (Maximus) nach Konstantinopel zur Zeit als Mo’awia mit Kaiser Konstans Frieden schloß; er hatte einen Krieg mit Abū Turāb begonnen, dem Emir von Ḥirta, bei Ṣiffin, und ihn geschlagen …” [69].

Georg von Resh’aina lebte etwa bis 680; das Manuskript der Maximus-Vita mag aus dem siebten oder achten Jahrhundert stammen. ʿAlī wird nicht genannt, ist aber offenkundig gemeint. Neben der Bezeichnung „Emir von Hira” wird seine Kunya „Abū Turāb” (Vater des Staubes / der Erde) verwendet. Beides kann sich nach späterem schiitischen Verständ­nis nur auf ʿAlī beziehen. Der Name „Abū Turāb” ist aus der von Ibn Hišām überlieferten Sīrat Rasūl Allāh des Ibn Isḥāq geläufig: ʿAlī streute sich Staub ins Haar, wenn er Streit mit Fāṭima hatte. Wie wir gesehen haben, ist jedoch davon auszugehen, dass dieser Name einen gnostischen Ursprung hat. Sein Gebrauch in einem politisch-militärischen Zusam­men­hang ist nicht glaubwürdig. Der Gebrauch dieses Namens lässt eher auf eine Abhängigkeit von den für die Sīra zusammengestellten Texten schließen.

  1. In der in Harvard syr. 38 (geschrieben 1448/9) überlieferten Prosa-Vita des Johannes von Dailam (geboren um 660, gestorben 738) wird aus dessen Jugendzeit berichtet:

„Er begegnete einigen Räubern aus Dailam, die ihn ergriffen – da der König der Araber, ʿAli bar Abuṭalib, nachlässig und kraftlos war, waren die Dailamiten es gewöhnt, sein Gebiet gnadenlos zu plündern.”[70]

Es gibt in Cambridge Add. 2020 (geschrieben 1697) auch eine Vita in Versform, in der diese Erwähnung ʿAlīs fehlt. Es ist zumindest vor dem Hintergrund der Traditionsliteratur nicht möglich, ʿAlī (laut TL gestorben 661) die unsicheren Verhältnisse in der Jugendzeit des Hei­ligen zuzuschreiben. Auch sonst spricht wenig dafür, die Entführungs­episode (Johannes heilt, erschlägt Drachen und bekehrt die heidnischen Dailamiten zum christlichen Glauben) als historisch anzunehmen. Die Erwähnung ʿAlīs muß somit Einfluß einer späteren Sicht der Geschichte sein.

  1.    Der im Manuskript Vat. syr. 162 überlieferte anonyme Chronist des Klos­ters Zuqnin bei Amid, dem heute türkischen Diyarbakir in Nord-Mesopotamien (auch Pseudo-Dionysius genannt) schreibt:

„Im Jahre 967 (655/656) starb Otmân, König der Araber. Zwietracht entstand, das Land wurde erschüttert und das Volk der Araber war in Unordnung. Die Übel im Lande nahmen zu und es wurde ausgiebig Blut unter ihnen vergossen, weil sie sich nicht auf einen einzigen Führer verständigen konnten. Vielmehr strebte jeder von ihnen die Führung an, jeder wollte selbst der Herrscher sein. Der Befehlshaber des Westens, dessen Name Moʿawiyā war, wollte selbst regieren; den Westlern war er genehm; sie schworen ihm Gefolg­schaft und unterwarfen sich seiner Herrschaft. Der Osten aber und das Zweistromland wiesen ihn zurück und unterwarfen sich der Herrschaft eines anderen Befehlshabers, der ʿAbbas hieß, und schworen ihm als König Gefolgschaft. Das ist der Grund, weshalb es von da an zu Kämpfen und Blutvergießen kam. Sie vergossen nicht nur gegenseitig ihr Blut, sondern tränkten die Erde mit ihrem Blut. Sie lieferten sich überall zahlreiche Schlachten für die Dauer von etwa fünf Jahren, eine Zeit des Streits und der Auseinandersetzung. Im Jahre 968 (656/657) fand die Schlacht von Ṣufa zwischen ‘Abbas und Moʿawiya statt, und dabei wurde von beiden Seiten viel Blut vergossen. Im Jahre 973 (661/662) wurde ‘Abbas aufgrund einer Verschwörung seiner Großen getötet, an einem Freitag, beim Gebet, während er sich betend niedergebeugt hatte. Und Moʿawiya hielt das Kalifat alleine 21 Jahre lang, die fünf Jahre eingeschlossen, die zwischen ihm und ʿAbbas Bürgerkrieg und Unruhe war.”[71]

Das Manuskript stammt nach paläographischen Kriterien aus dem 9. Jahrhundert. Da der Chronist nach eigener Auskunft im Jahre 775 schrieb, und die Notizen erst ab dem Jahr 717 umfangreicher werden, muß er hier fremde Quellen verarbeitet haben. Diese stammten vermut­lich bereits aus der Abbasidenzeit. Aus dem fünfjährigen Bürgerkrieg, der der Herrschaft Muʿāwiyas vorausging, schließt man, ausgehend von der Traditionsliteratur, dass es sich bei ʿAbbās um ʿAlī handeln muß. Dass hier von ʿAbbās als Gegner Muʿāwiyas die Rede ist, mag natürlich der Nachlässigkeit eines Gewährsmannes geschuldet sein. Möglicherweise gab es aber eine frühere Schicht der abbasidischen Geschichtsschreibung, in der an dieser Stelle tatsächlich ʿAbbās gestanden hatte. Dies würde zu abbasidischen Bestrebungen passen, auch sonst den Gegensatz zu den früheren Herrschern in die Vergangenheit hinein zu verlängern. Mög­licherweise ist ʿAlī erst später in diese Stellung eingerückt, in der er dann von der Traditionsliteratur kanonisiert wurde.

  1. In der bis zum Jahr 813 geführten und um 815 abgeschlossenen Chronik des Theophanes (verstorben 818) wird erstmals in einer griechischen Quelle ʿAlī erwähnt:

„6147 (654/655): In diesem Jahr wurde Outhman, der Führer der Araber, von den Einwohnern von Ethribos umgebracht, nachdem er zehn Jahre Emir gewesen war. Jetzt herrschte Zwietracht uner den Arabern: denn diejenigen in der Wüste wollten ʿAlī, den Neffen von ʿAlī[72], Mouameds Schwiegersohn, während die in Syrien und Ägypten Mauias wollten. Letzterer obsiegte und regierte 24 Jahre lang. 6148 (655/656): In diesem Jahr ergriff Mauias die Waffen gegen ʿAlī. Es kam zum Treffen in der Gegend von Barbalissos bei Kaisarion in der Nähe des Euphrat; die Mannen von Mauias, die die Oberhand gewannen, erbeuteten die Wasservorräte, während ʿAlīs Mannen dürsten mußten und von der Fahne gingen.”[73] … „6150 (657/658): In diesem Jahr wurde zwischen den Römern und den Arabern Friede geschlossen, nachdem Mauias eine Gesandtschaft geschickt hatte, wegen des Aufstandes, mit dem Angebot, dass die Araber den Römern täglich einen Tribut von 1000 Solidi zahlen sollten, ein Pferd und einen Sklaven.” … „6151 (658/659): In diesem Jahr ermordete Constans seinen eigenen Bruder Theodosios. Wäh­rend die Araber in Sapphin waren, wurde ʿAlī (der aus Persien) ermordet und Mauias wurde Alleinherrscher. Er richtete seine königliche Residenz in Damaskus ein und häufte dort seinen Geldschatz auf.”[74]

Theophanes hat aus syrischen oder arabischen Quellen geschöpft[75]. Die Ähnlichkeit seiner Darstellung mit der Darstellung ʿAlīs in der ara­bi­schen Traditionsliteratur ist deutlich, im Einzelnen aber abweichend. Dies kann man dadurch erklären, dass er Elemente aus der Traditions­literatur zusammenzog oder verwechselte.

  1. In einer syrischen anonymen Chronik auf das Jahr 819, deren verschol­lenes Manuskript aus dem 9. Jahrhundert bis 1915 im Dorf Bēth Sevīrīnō in Tūr ʿAbdīn aufbewahrt wurde, wird erstmals im syrischen Sprachraum ʿAlī erwähnt:

„Und im Jahre 967 (655/656), wurde ‘Othman ermordet; und blieben die Araber ohne König 3 Jahre und 8 Monate. Es war aber der Führer der Araber im Westen Mo’awya der Sohn des Abū Sofian, und ihr Führer im Osten war ʿAlī der Sohn von Akkhaṭṭab. Und im Jahre 971 (659/660), wurde ʿAlī getötet; und regierte Mo’awya 20 Jahre. Er schloß Frieden mit den Römern und sandte seinen Heerführer ‘Abderraḥman in das römische Gebiet, wo er zwei Jahre verweilte.”[76]

Auch dieser Bericht entspricht weitgehend dem in der Traditions­lite­ratur.

  1. In der Geschichte des armenischen Autors Lewond (Ghevond) wird ein umfangreicher Auszug aus einem angeblichen Briefwechsel Umars (TL 717-720) mit dem byzantinischen Kaiser Leon III. (717-741), überliefert, in dem es um Glaubensfragen geht. Darin heißt es von Seiten Leons:

„Was Ihre Feststellung betrifft: „Matthäus, Markus, Lukas und Johannes haben die Evangelien geschrieben”, so weiß ich, dass Sie diese Wahrheit, die von den Christen anerkannt wird, beunruhigt, so dass Sie Komplizen für Ihre Lüge suchen. Es wäre Ihnen gewiß lieber, wir würden erklären, dass sie von Gott geschrieben und vom Himmel herabgesandt wurden, wie Sie es mit Ihrem Furqan (P’ourkan[77]) halten, obwohl wir wissen, dass es ‘Umar, Abu Turab und Salman der Perser waren, die das zusammengestellt haben, obwohl Sie mit Täuschungsabsicht verbreiten, dass Gott es vom Him­mel herabgesandt hat … Sie selbst haben im Gegenteil bereits die Gewohnheit unter Beweis gestellt, solche Fälschungen zu fabrizieren, ins­besondere im Falle eines gewissen Hajjaj, von Ihnen zum Gou­verneur von Persien ernannt, der all Ihre alten Bücher eingesammelt und durch andere ersetzt hat, die er selbst nach seinem Geschmack zusammengestellt und überall in Ihrer Nation verbreitet hat. Das war unter einem Volk, das eine einzige Sprache spricht, natürlich viel leichter zu bewerkstelligen, eine Aufgabe, die in der Tat gelang. Dennoch sind einige Werke von Abu Turab dieser Zerstörung entgangen, denn er (Hajjaj) konnte sie nicht vollständig beseitigen.”[78]

Lewond schrieb seine Geschichte am Ende des 8. Jahrhunderts. Das letzte Ereignis, das in ihr vorkommt, ist die Wahl des Katholikos Step’annos von Dvin zum Patriarchen der Armenier im Jahre 788. Die Meinungen gehen auseinander, ob Lewond selbst den Auszug in sein Werk aufgenommen hatte, oder ob es sich um einen späteren Einschub handelt[79]. Auch für den früheren Fall, dass der Text aus dem späten 8. Jahrhundert stammen sollte, wäre Einfluß der Traditionsliteratur anzunehmen, bzw. der damaligen Vor­stufen derselben. Interessant ist aber die Behauptung, „Abū Turāb” und „Salmān der Perser” hätten an der Sammlung von Texten (des Korans?) mitgewirkt, und dass al-Ḥaǧǧāǧ (TL 661-714) versucht haben soll, „Werke von Abū Turāb” zu beseitigen. Abū Turāb galt in dieser Tradition also nicht in erster Linie als ein politischer Führer, sondern als ein Autor von Schriften. Man kann sich gut vorstellen, dass ein solcher Name benutzt wurde, um vor-schiitische Werke wie das Umm al-Kitāb, zu bezeichnen, die al-Ḥaǧǧāǧ versucht haben soll zu vernichten. Man wird diese Erwähnung eines Abū Turāb aber nicht als Hinweis auf einen geschichtlichen ʿAlī nehmen können.

  1. Der in Toledo lebende jüdische Autor Abraham ibn Daʾūd (gest. 1180) schrieb in seinem Buch der Überlieferung:

„Die vierte Generation war die von Rabbi Isaac. In seinen Tagen obsiegte das muslimische Reich über das persische Reich, und das persische Reich wurde völlig gestürzt. ʿAlī ibn Abī Ṭālib, der König der Araber, kam nach Babylonien, nachdem die Araber das Land eine Reihe von Jahren beherrscht hatten. (In den Tagen von ‘Umar ibn al-Ḫaṭṭāb, König der Araber, war das persische Reich gestürzt und die Töchter Yezdegerds in Gefangenschaft geführt worden. Dann gab ‘Umar, König der Araber, Yezdegerds Tochter dem Rabbi Busatanai, dem Exilarchen. Letzterer bekehrte sie zum Judentum und nahm sie zur Frau. Muḥammad, König der Araber, hatte ange­fangen seine Lehre zu verkünden im Jahre 4374.) Jetzt, als ʿAlī ibn Abī Ṭālib nach Babylonien kam, ging Rabbi Isaac, das Haupt der Akademie, zu ihm hinaus, und dieser König ʿAlī ehrte ihn und verehrte ihn im Jahre 4420 (659/60)”[80].

Angesichts der späten Niederschrift und des bruchstückhaften Charak­ters der einzelnen Überlieferungen ist der Einfluss der arabischen Tradi­tions­literatur anzunehmen. Vor allem aber handelt es sich bei der Begeg­nung des Rabbi mit dem König um einen Topos: Wenige Seiten vorher heißt es:

„Die zweite Generation der Männer der großen Versammlung war die Simeons des Rechtschaffnen, auch bekannt als Iddo b. Joshua b. Jehozadak der Hohepriester. In seinen Tagen wurde das persische Reich von Alexander, dem König der Griechen zerstört. Nachdem er das Königreich Persien zerstört hatte, kam dieser Alexander nach Jerusalem, in der Absicht Jerusalem zu zerstören und es ein zweites Mal zu exilieren, im 40. Jahr des Tempels. Simeon der Rechtschaffne ging hinaus, um den König zu begrüßen; und als letzterer ihn sah, ehrte und verehrte er ihn und erlaubte ihm eine Bitte.”[81]

Nach diesem Muster „ehrte und verehrte” auch ʿAlī den Rabbi seiner Zeit.

  1. Das Leben des aus Khuzestan stammenden Rabban Hōrmīzd (gestorben um 670) ist nur noch in einer syrischen Handschrift aus dem 19. Jahr­hundert überliefert, die in dem Kloster in Alqōš bei Mossul auf­bewahrt wurde, das seinen Namen trug. Diese Handschrift soll die Kopie einer verschollenen Handschrift aus dem 12. oder 13. Jahrhundert sein. In ihr wird gegen Ende des Lebens des Heiligen von Wundern berichtet, die dieser in Mossul vollbracht haben soll, in deren Verlauf der jakobitische Widersacher Rabbans, Ignatius, ums Leben kam:

„Der Statthalter, der Rabban gekannt hatte (Anmerkung: ‘Ukbe), war abgereist und ein neuer, dessen Name ʿAlī war, war eingetroffen; dieser hatte kein Kind außer einem Sohn, der etwa 13 Jahre alt war, und der von einem bösen Geist gequält wurde. Und Ignatius hatte wiederholt seine Hexenkünste an dem Jungen versucht, aber er wurde nicht geheilt … Und als ʿAlī der Statthalter die Wunder ge­sehen hatte, die Rabban gewirkt hatte, brachte er seinen besessenen Sohn vor den heiligen Mann und sagte: „Lege Du deine rechte Hand auf den Kopf dieses meines Sohnes, so dass der Feind aus ihm fliehen möge”; und Rabban tat dies, und der Teufel wich aus dem jungen Mann. Und der Teufel rief: „Wehe mir! Pfui Dir, Oh Sohn von Persern! Verflucht sei Persien, und jedes Ding, das Persien uns durch Dich gesandt hat!” Und plötzlich flog der Teufel in die Luft und ward nie wieder gesehen. Dann umarmte ʿAlī den Rabban nochmals und sagte ihm: Ich verstehe jetzt in Wahrheit, dass Du der treue Diener Gottes bist, und nicht auf Menschen hörst; der Herr hat tatsächlich Ignatius den Hexer gerichtet, obwohl Du den Herrn um sein Leben gebeten hattest; aber er sollte nicht leben, weil der Herr, nach seinem Willen, seinen Tod mehr wünschte als sein Leben.” Dann verließ Rabban die Stadt Mossul … und er kam an die Wasser des Tigris, und er ging auf dieser Flüssigkeit wie auf trockenem Land.”[82]

Diese durch und durch wundersame Geschichte soll diese Zusam­men­stellung abschließen. Der Statthalter ʿAlī ist kaum als geschichtlich anzu­sehen, obwohl der Name seines Vorgängers nicht ohne Anklänge an ‘Utba ibn Farqad ist, der in der Traditionsliteratur der erste arabische Statthalter Mossuls war[83]. In den Namen ‘Ukbe und ʿAlī könnte somit ein blasser Abdruck der Traditionsliteratur gesehen werden. Das „Leben Rabbans” als solches ist aber so wenig an geschichtlichen Dingen interessiert, dass es als Quelle ausfällt.

Im Ergebnis scheinen nur Pseudo-Sebeos und der Chronist von Zuqnin (Pseudo-Dionysios) Quellen verarbeitet zu haben, die älter als die Dar­stellung in der Tradi­tions­literatur sind. Die Darstellung der innerarabischen Auseinander­setzungen bei Pseudo-Sebeos ist hochinteressant, doch fehlen weitere Quellen, die helfen könnten, das Geschehen näher zu beschreiben und das Machtgefüge vor Muʿāwiya zu verstehen. Immerhin mag Pseudo-Sebeos in diesem Punkt näher an der Wirklichkeit liegen als die abweichende Darstellung der wesentlich später aufgeschriebenen Tradi­tions­literatur. Im Unterschied zu anderen Stellen, die als Interpolationen zu betrachten sind, könnte seine Darstellung des sogenannten ersten arabi­schen Bürgerkriegs tatsächlich aus dem 7. Jahrhundert stammen und ohne Einfluß der Traditionsliteratur zustandegekommen sein. Dies gilt nicht für den Chronisten von Zuqnin, dessen Schilderung dem Ablauf in der Traditionsliteratur nahe kommt. Man darf freilich nicht einfach darüber hinweggehen, dass bei ihm der Gegner Muawiyas nicht ʿAlī heißt, sondern ʿAbbās. Es kann sich um eine Verwechslung handeln, oder um eine Ver­legung des Konflikts zwischen Marwān (TL 744-750) und ʿAbbās in die Zeit des ersten Bürgerkriegs. Es kann sich aber auch um eine frühere Stufe der abbasidischen Überlieferung handeln, in der ein Vorfahr namens ʿAbbās eine Rolle spielte, in die später ʿAlī einrückte.

  1. Die frühe arabische Überlieferung: Ein Prozeß

5.1. Die vorgebliche Geschichtsschreibung des Ṭabarī

An dieser Stelle sei auf einige Besonderheiten hingewiesen, die man bei der Auswertung arabischer Geschichtswerke, insbesondere des Ṭabarī, beobach­ten kann. Nur wenige Ereignisse können anhand nichtarabischer Quellen über­prüft werden. Hierzu gehören die Kriege mit Byzanz. Ein Vergleich zeigt, dass Umfang und Aussage der im Ṭabarī dargebotenen Episoden oft nicht dem geschichtlichen Rang der Ereignisse entspricht, auf die sie sich zu beziehen vorgeben. Man vergleiche die Schilderungen der Züge Muʿāwiyas gegen Konstantinopel bei Theophanes und im Ṭabarī:

Theophanes schildert zum Jahr 671 die arabischen Vorbereitungen[84]. Er nennt drei arabische Feldherren („Mouamed, Sohn des Abdelas“, „Kaisos“ und „Chale“) und beschreibt deren Vordringen nach Konstantinopel, wo die Invasionsflotte an der thrakischen Küste zwischen Hebdomon und Kyklo­bion ankert. Von April bis September 672 stürmten die Araber auf das Gol­dene Tor. Den Winter über zogen sie sich nach Kyzikos zurück. Bei den See­gefechten kam erstmals das „Griechische Feuer” zum Einsatz. So sei es „sieben Jahre lang” gegangen[85], bis sich die Araber zurückgezogen hätten. In dieser Phase des Krieges soll auch ein arabisches Heer unter „Soufian dem jüngeren Sohn von Auph” von den Römern unter Florus, Petronas und Cyprian geschlagen worden sein. Laut Theophanes kamen dabei 30000 Araber um[86]. Zum Jahr 676 beschreibt Theophanes die Friedensverhand­lungen, die der Patrizius Johannes Pitzigaudes in Syrien führte, wo Muʿā­wiya eigens eine Versammlung „von Emiren und Korasenoi” einberufen hatte. Unter für Byzanz günstigen Bedingungen wurde Friede auf 30 Jahre vereinbart, schriftlich und unter Leistung von Eiden[87]. Zum 6. Mai 678 berichtet Theophanes den Tod von Muʿāwiya[88].

Im Ṭabarī findet sich dazu unter dem Jahr 54 (673/674) folgendes:

„Der Winterfeldzug des Muḥammad ibn Mālik im byzantinischen Gebiet fand in diesem Jahr statt, ebenso der Sommerfeldzug des Ma’n ibn Yazīd al-Sulamī. Auch die Eroberung einer Insel in der See nahe Konstantinopel namens Arwad durch Junādah ibn Abī Umayyah ereignete sich in diesem Jahr, wie Wāqidī behauptet. Muḥammad ibn ʿUmar überlieferte, dass die Muslime dort eine Weile blieben – es heißt, sieben Jahre – während Muǧāhid ibn Ǧabr[89] dort war. Tubay’, der Sohn von Kaʾbs[90] Frau, sagte: „Siehst Du diese Stufe (daraǧa)? Wenn sie entfernt wird, werden wir Kunde unserer Heimkunft erhalten.” Es kam dann ein starker Wind auf und blies die Stufe fort, und es traf jemand ein, der Kunde vom Tod Muʿāwiyas mitbrachte, ebenso den Brief Yazīds wegen der Heimkunft. Darauf­hin kehrten wir zurück. Die Insel war danach unbewohnt und ver­wüstet, und die Byzantiner in Sicherheit.”[91]

Zum Jahr 55 (674/675) notiert der Ṭabarī, dass der Winterfeldzug gegen Byzanz laut Wāqidī unter Sufyān ibn ‘Awf al-Azdī stattgefunden habe, wäh­rend andere Autoritäten andere Personen nennten. In dieser schema­tischen Art wird auch in den Folgejahren bis 59 (678/679) vermerkt, wer Feldzüge gegen Byzanz geleitet habe. Zum Jahr 58 wird vermerkt, dass dabei laut Wāqidī der Yazīd ibn Šaǧara zur See umgekommen sei. Der Leser ge­winnt aus diesen schematischen Notizen nicht den Eindruck einer mehr­jährigen Anstrengung. Von Friedensverhandlungen ist nicht die Rede. Für den Tod Muʿāwiyas im Jahre 60 (April oder Mai 680) gibt der Ṭabarī drei verschiedene Daten.

Geschichtsschreibung ist dies nicht. Der oder die Autoren des Ta’rīḫ des Ṭabarī scheinen gar keine Kunde mehr von der groß angelegten Unter­ehmung Muʿāwiyas gehabt zu haben. Gerade noch erkennt man den Namen Sufyān ibn ʿAwf wieder, hinsichtlich dessen Mitwirkung und Tod der Ṭabarī auf widersprüchliche Angaben verweist[92].   Bei der Insel „Arwad” handelt es sich keineswegs um die Kyzikos vorgelagerte Halbinsel Arkton­nesos im Marma­rameer (Propontis), wie man vermuten könnte. Die Lage bei Kon­tan­tinopel ist ein Überlieferungsartefakt, das Conrad in einer gründlichen Untersuchung aufgeklärt hat[93]. Es handelt sich um das kleine Eiland Arados gegenüber von Antarados/Constantia, das 2 Seemeilen vor der phönizischen Küste lag, zwischen Tripolis und Laodicea[94]. Das Ge­schehen um diesen Ort, dessen Bewohner 650 auf das Festland umgesiedelt wurden, wird von Theo­phanes im Zusammenhang mit der Eroberung Zyperns 647 beschrie­ben[95]. Der Fall Arados, für den es eine vergleichsweise gute, wenn auch nicht durch unabhängige Berichte überprüfbare, Überlie­fe­rung in syrischen Quel­en gibt, stellt einen seltenen Einblick in die Ent­stehung ara­bischer Tradi­ions­iteratur dar. Dabei erweist sich die fortge­wehte „Stufe” (gedacht ist an einen kleinen Hochsitz, ein Minbar) in einer äl­teren Fassung als ein Feigen­baum, der im Hof der provisorischen Besatzungs-Moschee der Araber auf Rhodos gestanden, und dessen Umwehen in einem Sturm Tubay’ vorher­gesagt haben soll. Aber auch dies ist nicht mehr als eine Legende ohne geschichtlichen Gehalt, die wahr­scheinlich nur zur Erhöhung des für seine apokalyptischen Wahrsagungen bekannten Tubay’ von dessen Anhängern in Alexandrien in Umlauf ge­bracht worden war.  Conrad hat neben etlichen entstellten Versionen der Besitz­nahme von Arados auch eine völlig frei erfundene Eroberungs­ge­schichte nach Art der von Noth herausgearbeiteten Topoi[96] ausgemacht.

In seinen Schlussfolgerungen hält Conrad fünf Schwierigkeiten fest, mit denen man zu tun bekommt, wenn man sich mit der Traditionsliteratur beschäftigt:

1) Diskontinuität: Im Falle Arwad gibt es gar keine Hinweise darauf, dass ein ursprünglicher Erlebnis- oder Augenzeugenbericht in wel­cher Form auch immer überliefert worden wäre. Im besten Fall sind frühe Berichte verlorengegangen.

2) Instabilität: Die identifizierbaren Berichte aus dem Arwad-Komplex be­gründeten auch nach Niederschrift einer Version keine getreue Über­lieferung, sondern weisen von einer Version zur nächsten er­hebliche Unterschiede auf.

3) Willkür: Im Laufe der Weitergabe der Arwad-Geschichten wurden neue Elemente offenbar frei erfunden und nahtlos in die Geschichten eingefügt.

4) Geschwindigkeit der Änderungen: Von der ersten Fassung der Tu­bay’-Fabel um 728-57 bis al-Wāqidī (gestorben 823) durchlief dieser Stoff nicht weniger als fünf erhaltene Umformungen – dies innerhalb von nur 30 bis 90 Jahren.

5) Überzeugungskraft: Diese kann im Laufe der Überlieferung zunehmen und täuscht den Leser hinsichtlich der tatsächlich schwa­chen, fragwürdigen oder undurchsichtigen Vorgeschichte des Stoffes. Das Wirken dieser Mechanismen lässt sich im Falle des Arwad-Stoffes über den gesamten Zeitraum bis zur Redaktion des Ṭabarī selbst nachweisen.

5.2 Zwischenergebnis: Geschichte, die verlorengeht

Im Ergebnis ist äußerste Vorsicht geboten, aus der Traditionsliteratur auf ei­nen geschichtlichen Kern schließen zu wollen. Es muß mangels Ver­gleichs­material dahingestellt bleiben, ob die Überlieferung in anderen Fällen besser war oder ob es eine Zeit gab, von der an die Überlieferung besser wurde. Eher muss man davon ausgehen, dass in anderen Fällen noch zu­sätzlich politische Beweggründe für die Gestaltung des Stoffes hinzu­kamen.

Nach der Analyse Conrads bleibt von der Überlieferung des Ṭabarī be­treffend den Zug gegen Konstantinopel im Jahre 673 gar nichts übrig. Schlimmer noch: Die Überarbeitung der Überlieferung ging offenbar mit einem Verlust älteren Wissens einher. Dieses ältere Wissen ist noch in syri­schen und griechischen Chroniken erhalten, die nicht Teil hatten an der ständigen Überarbeitung der arabischen Traditionsliteratur. Die Überarbei­tung der Überlieferung hat schließlich im Ṭabarī zu einer Fassung geführt, die sowohl frei von Widersprüchen als auch frei von Geschichte ist.

5.3 Wenn keine Geschichtsdarstellung – was denn?

Was für die geographischen und biographischen Einzelheiten gilt, gilt auch für die zeitliche Ordnung, die Beweggründe und die Bedeutung unter dem Blickwinkel der Geschichte. Die Rückkehr von „Arwad” nach sieben Jahren wird im Ṭabarī mit dem Tode Muʿāwiyas begründet, nicht mit dem Ende des Krieges. Fast nie findet man in der Traditionsliteratur das Bemühen, die Be­deutung von Ereignissen herauszuarbeiten. Ohne Gewichtung wird zu je­dem Jahr ausführlich in direkter Rede, unter Nennung genauer Daten und mit eingestreuten Gedichten von der Ernennung von Gouverneuren, Rebellionen und Fehden berichtet.

Man kann die fehlende Erinnerung an den Zug gegen Konstantinopel nicht damit begründen, dass der Krieg gegen Byzanz eine Nebensache gewesen sei. Mag sein, dass die Unternehmung nicht so groß war, wie Theophanes sie darstellte. Auch die byzantinische Geschichtsschreibung ist alles andere als wahrheitsgetreu, wie man hier am Topos der „sieben Jahre” sehen kann[97]. Nebensächlichkeit kann aber allein deshalb nicht die Ursache für diesen Gedächtnisverlust gewesen sein, weil es genügend Stellen in der Traditionsliteratur gibt, die in prophetischer Weise auf das Fernziel der Er­obe­rung dieser Stadt hinweisen. Abgesehen davon, dass die Unterneh­mung nicht erfolgreich war, ist auch kein Grund erkennbar, ihre Überlieferung zu unterdrücken. Alles spricht dafür, dass hier Wissen verlorengegangen ist. Die syrischen oder arabischen Quellen, aus denen Theophanes noch zu Beginn des 9. Jahrhunderts geschöpft hatte, standen zu Beginn des 10. Jahr­hunderts in Bagdad offenbar nicht mehr zur Verfügung oder wurden aus anderen Gründen nicht ausgewertet. Was mag der Grund gewesen sein? Alles spricht dafür, dass die Traditionsliteratur gar nicht die Aufgabe hatte, Überlieferungen zu erfassen und einzuordnen. Ihr Zweck war vielmehr ganz auf die Gegenwart gerichtet. Sie sollte ein möglichst fesselndes, geschlos­senes und dadurch überzeugendes Weltbild vermitteln. Solche Texte sind besonders wenig geeignet, Tatsachen aus der Vergangenheit zu bewahren.

Ein wenig besser steht es um die Belagerung der Jahre 717-718 unter dem Befehl Maslamas, des Bruders von Suleiman (TL 715-717). Theo­pha­nes[98] schildert den 715 begonnenen Krieg und den ein Jahr währenden Großangriff mit 1.800 Schiffen in seinem Ablauf, wobei er etliche arabische Befehlshaber benennt. Die Araber werden auch diesmal mit dem „griechi­schen Feuer” zurückgeschlagen. Lebensmittelknappheit im arabischen Heer und ein Angriff der Bulgaren kommen hinzu. Der Ṭabarī [99] bietet im Ver­gleich Anekdoten, wie die Araber ihre eigenen Lebensmittel­vorräte vernich­ten. Auch hier hat man den Eindruck, dass Theophanes sich stark auf arabi­sche Quellen stützte, die für den Ṭabarī nicht mehr zur Verfügung standen. Theophanes ist nicht nur gut über das Vorgehen der arabischen Seite unterrichtet, sondern teilt auch deren Einschätzungen mit. Zwar wird dies­mal auch im Ṭabarī klar, dass es sich um ein gescheitertes Großunter­nehmen handelte. Es ist aber so gut wie unmöglich, aus den anekdotischen Angaben politische Beweggründe oder militärische Maßnah­men zu erken­nen. Dass überhaupt etwas über diese Unternehmung Masla­mas überliefert ist, ist vielleicht der Tatsache geschuldet, dass sich diese bereits nach der Machtergreifung ʿAbd al-Maliks abspielte, und die Autoren des Tabari auf eine am Hofe vorhandene Erinnerung an die politische Geschichte oder eine Kanzleiüberlieferung zurückgreifen konnten.

Der Verlust von Wissen lässt sich auch bei innerarabischen Vorgängen beobachten. Ein bei Ausgrabungen in Ḫirbet al-Mird in Palästina gefun­de­nes Papyrusfragment[100] befasst sich mit der legendären Schlacht bei Badr. Crone hat festgestellt, dass die Datierungen in diesem Fragment nicht mit den Angaben in der Traditionsliteratur übereinstimmen[101]. Sie deutete dies so, dass die frühere Überlieferung einer Interpretation weichen musste, die bestimmte Koranstellen auf die angebliche Schlacht bei Badr bezog.

Man könnte meinen, dass der Verlust von Wissen und historio­gra­phi­sche Fehlleistungen wie die oben beschriebenen dazu führen müssten, dass sich bereits nach kurzer Zeit auffallende chronologische und sonstige Un­stimmigkeiten bemerkbar machen. Das ist ganz und gar nicht der Fall. Die Autoren der Traditionsliteratur hatten eine sehr genaue Vorstellung davon, wann ihre handelnden Personen gelebt hatten, und wie diese miteinander verwandt waren. Dies kann nur bedeuten, dass dieses System nicht naiv war, sondern unter gelehrter Kontrolle fortgeschrieben wurde. Dazu muss die Vernichtung entgegenstehenden Wissens ebenso gehört haben wie die sorgfältige Berücksichtigung der erreichbaren öffentlichen Urkunden wie z.B. Inschriften und Münzen.

Wie die Geschichte an die jeweils herrschende Weltsicht angepasst wurde, kann man gut an dem System der Stämme ablesen. Ein Stamm war zunächst eine rechtliche und politische Einheit. Dass er in der Regel auch eine Abstammungsgemeinschaft darstellte, war für das Recht und die Politik nachrangig. Werner Caskel hat in seiner Bearbeitung der „Ǧamharat al-Nasab”[102] des Hišām al-Kalbī (TL etwa 738-819) zahlreiche Beispiele dafür angeführt, dass Stämme von einer Stammesgruppe in eine andere über­wech­sel­ten, dass kleinere Stammesgruppen in größeren aufgingen, und dass Großstämme in dem Maße, wie sie in die Ordnung des Reiches eingereiht wurden, neue Ahnen bekamen. So sind z.B. sagenhafte Spitzenahnen wie Nizār, später auch ʿAdnān und Qaḥṭān, ebenso künstlich wie die Groß­stäm­me Rabī’a und Azd. Hišām al-Kalbī lebte zu einer Zeit, als das anti­quarische Interesse an der Stammeskultur das politische Interesse zu überwiegen begann. Dies war ebendie Zeit, in der auch die Verwandtschaft des arabischen Propheten ihre endgültige Gestalt bekommen haben muß. Es überrascht nicht, dass Hišām al-Kalbī von al-Mahdī (TL 775-785) gefördert wurde, dass die Quraiš den zentralen Platz in seinem Werk einnehmen, und dass dieses nach seinem Tode lange unveröffentlicht blieb. Es sind deshalb auch Zweifel angebracht, dass sein Werk, wie behauptet, tatsächlich das seines Vaters, Muḥammad al-Kalbī, war. Diese Entstehungsgeschichte sollte wohl lediglich die Neuheit des Ganzen verschleiern, ähnlich wie dies gleichzeitig mit der Sīra des arabischen Propheten geschah, die als Über­arbeitung der Sīra Ibn Isḥāqs hingestellt wurde, auch diese laut Traditions­literatur mit Förderung des Hofes. Dem antiquarischen Interesse musste der alte, politische, an praktischen Erfor­dernissen ausgerichtete Charakter der Stämme unangenehm sein, störte dieser doch die genealogische Ordnung der Welt. Hišām al-Kalbī bemäntelte dementsprechend geschickt die Brü­che, die auf das Konto der Politik gingen, interessanterweise jedoch nicht, ohne eine feine Unter­scheidungslinie stehen zu lassen (so sind die Quraiš im Unterschied zu „echten” Stämmen, die auf einen Spitzenahn zurück­geführt werden, nicht als „Banū” gekennzeichnet). So wertvoll sein Werk heute für das Weltbild der Abbasiden ist, so ratlos lässt es den Leser zurück, der einen Einblick in das Stammeswesen dieser Zeit sucht[103].

Man weiß aufgrund zahlreicher Hinweise von ausgeprägter Schriftlich­keit im arabischen Reich, z.B. im Ägypten des 8. Jahrhunderts[104]. Die Geschichtsschreibung, wie sie uns in Werken wie dem Ṭabarī entgegentritt, arbeitete jedoch nicht mit diesen Urkunden. Statt dessen wurde mit der Autorität von Überlieferern gearbeitet. Die Autoren dieser Überlieferung waren bemüht, ein in sich widerspruchsfreies Korpus der Traditionen herzu­stellen, das unmittelbar überzeugen sollte. Sie waren nicht daran interessiert, in der Art der modernen Geschichtswissenschaft Lücken zu dulden, grundlegende Widersprüche gegeneinander zu stellen und Urkun­den für den einen oder anderen Standpunkt ins Feld zu führen. Wo mehrere Versionen dargeboten werden, wie z.B. in der belanglosen Frage des Todes­datums von Muʿāwiya, soll dies die gründliche Unparteilichkeit des Kompilators verdeutlichen. Dort hingegen, wo man über entlegene Zeiten eigentlich nichts Genaues erwartet, wird ohne den leisetesten Zweifel behauptet:

„Was Muʿāwiyas Abstammung betrifft, so war er der Sohn des Abū Sufyān. Abū Sufyāns Name war Ṣakhr ibn Ḥarb ibn Umayyah ibn ‘Abd Shams ibn ‘Abd Manāt ibn Quṣayy ibn Kilāb. Muʿāwiyas Mutter war Hind bint ‘Utbah ibn ‘Abd Shams ibn ’Abd Manāf ibn Quṣayy.”[105]

Während das Todesdatum, das man einst gewiß kannte, für das Weltbild keine Rolle spielen durfte, war die Abstammung unentbehrlich. Auf der richtigen Einordnung der handelnden Personen gründete die ganze Ṭabarī­sche Chronik von der Erschaffung der Welt bis auf das Jahr 915 (AH 302).

Was bedeutet es, wenn im Ṭabarī zum Jahre 183 (799/800) ohne jede Erläu­terung steht: „In diesem Jahr starb in Bagdad Mūsā ibn Ǧaʿfar ibn Muḥammad”[106]? Jedem gebildeten Leser oder Hörer war klar, dass hiermit der „Imām“ Mūsā al-Kāẓim gemeint war. Muḥammad ist demzufolge der legen­däre fünfte „Imām“ Muḥammad al-Bāqir. Mūsā kann somit z.B. nicht ein Enkel des Herrschers al-Manṣūr (TL 754-775) gewesen sein, denn dieser hieß bekanntlich ʿAbdallāh. Was aber, wenn der Name abgekürzt sein sollte? „Mūsā ibn Ǧaʿfar ibn Muḥammad” kann auch heißen, Moses, Sohn des Ǧaʿfar, „Nachkomme” des Muḥammad, z.B. des legendären Vaters der beiden ersten Abbasiden­herr­scher. In diesem Sinne wird heute z.B. die Münzprägung der Jahre 202-205 „ʿAlī bn Mūsā bn ʿAlī bn Abī Ṭālib” verstanden. Hier ist ʿAlī bn Abī Ṭālib natürlich nicht der Vater von Mūsā, sondern der berühmte Stammvater ʿAlī. Die dazwischenliegenden Genera­tionen braucht man nicht zu nennen, da sie hinreichend bekannt sind. Daran, dass man hierüber nicht zu grübeln braucht, wird die strukturelle Funktion der Genealogie deutlich. Denn eigentlich gäbe es eine Menge anderer Möglichkeiten. Unter den angeblich 33000 Abbasiden des Jahres 200 der Araber[107] müsste es in Ansehung der Häufigkeit der Namen Mūsā, Ǧaʿfar und Muḥammad mehrere Prinzen Mūsā mit Vorfahren Ǧaʿfar und Muḥammad gegeben haben. Aber wir haben gar keine verlässliche Genea­logie der Abbasiden. Anhand histori­scher Quellen kann man nicht einmal eine Genealogie der Herrscher aufstellen, sondern ist ganz auf die Traditionsliteratur angewiesen. Die Münzen, die einzige Quelle für die Iden­­tität von Personen, sind anonym. Die aufgeprägten Herrschaftsdevisen wie „al-Mahdī” bezeichnen wahr­schein­lich in einigen Fällen einzelne Herr­scherpersönlichkeiten, aber nicht in allen. Einen Namen stellen sie jedenfalls nicht dar. Stand hinter der Devi­se „al-Manṣūr” nicht vielleicht doch ein Herrscher namens Muḥammad? Woher wissen wir, dass „al-Manṣūr” der Vater von „al-Mahdī Muḥammad” war? Wir wissen es nicht. Wir sind ganz auf die Traditionsliteratur angewiesen.

Überlegungen wie diese widersprechen dem System der Traditions­lite­ratur. Denn es ist klar, dass „Mūsā ibn Ǧaʿfar ibn Muḥammad” der „Imām“ Mūsā al-Kāẓim ist, weil der Ṭabarī geschrieben wurde, um das System zu propagieren, zu dem dieser gehört. Alle Prinzen, die zufällig so ähnlich hie­ßen, haben keinen Eingang in die Traditionsliteratur gefunden oder wur­den aus ihr wieder ausgemerzt, um Mißverständnisse zu vermeiden. Die Traditionsliteratur funktioniert wie ein Theaterstück, das die zentralen Hand­lungen seinen eingeführten Helden vorbehält. Sie funktioniert nicht wie mühsame Geschichtsschreibung, in der es unbequeme Lücken gibt, und in der immer wieder die Frage nach der Identität von Personen aufgeworfen werden muß.

Und doch enthält die Traditionsliteratur auch Erinnerungen und Split­ter von Geschichte: Bei allen historiographischen Mängeln hat sich der verfremdete Abdruck einer „siebenjährigen“ Operation zur See erhalten, „weiß“ der Ṭabarī ebenso von der Hungersnot im arabischen Heer vor Konstaninopel wie Theophanes.

5.4 Geschichte wird erzeugt

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die frühe arabische Geschichts­schrei­­­bung lediglich die jeweils aktuelle Sicht auf die Vergangenheit fest­hielt. Weder Kompilator noch Leser konnten auf Quellen zurückgreifen, die als Briefe, Verwaltungsakten, staatliche oder private Urkunden ohne Ge­dan­ken an die Nachwelt erstellt worden waren. Garant für die Wahrheit war nur die Autorität der angeblichen Überlieferer. Ziel der Geschichts­schrei­bung war eine sinnstiftende Gesamtdarstellung, nicht die Erörterung be­stim­mter Abläufe oder Beweggründe. Um der Öffentlichkeit stets eine vollkommen polierte Oberfläche darzubieten, ist sowohl damit zu rechnen, dass Ereignisse aus der Geschichte herausgenommen wurden, als auch, dass Ereignisse hineingesetzt wurden. So wurde das jeweils herrschende Geschichtsbild gepflegt und dessen fiktive Konstruktionen  untermauert.

Beispiele für die Erzeugung neuer Namen und Begebenheiten wird man aus diesem Grunde kaum in der kanonisierten Traditionsliteratur finden. Der Ausgangspunkt unserer Suche liegt außerhalb, in der ano­nymen syrischen Chronik auf das Jahr 1234, die eine ältere Schicht der Tradi­tions­literatur überliefert. Hier wird die Rebellion des Jahres 1050 der seleu­kidischen Ära (738/739) in Kufa beschrieben:

„Im Jahre 1050 der Griechen wurde ein Mann mit Namen Iazîd, Sohn des Ḥusain, aus Aqûla, das ist Kûfa, gemäß dem Abkommen, das die Kufier mit ihm geschlossen hatten, zu (deren) Oberhaupt. Dieser erhob sich gegen den König (bzw. den Herrscher) und machte (erklärte) sich unabhängig. Als nun Hâshim ein Heer gegen Kufa entsandte, half ihm keiner von denen, die das Abkommen mit ihm geschlossen hatten, noch blieb ihm jemand treu. So wurde er festgenommen und getötet. Dabei gehörte er zum Geschlecht ihres Propheten Mohammed.”[108]

Diese Erhebung ist in der Traditionsliteratur als die des Zaid ibn ʿAlī („Zain al-‘Ābidīn”) ibn al-Ḥusain ibn ʿAlī ibn Abī Ṭālib bekannt. Zaid soll im Safar 121 oder 122 (Anfang 739 oder 740) getötet und gekreuzigt worden sein[109]. Der in dieser syrischen Quelle an seiner statt genannte Yazīd, Sohn des Ḥusain aber ist ein ganz anderer. Al-Ḥusain ibn Numair vom Stamme der al-Sakūn war ein Held der islamischen Frühzeit, der bei Siffin auf Seiten der Umayyaden gefochten haben soll und danach Statthalter in Hims gewesen sein soll. Er soll gegen ʿAbdallāh ibn al-Zubair in Mekka gezogen sein und 685 gegen Ende seines Lebens von Marwān ibn al-Ḥakam ins Zwei­stromland gegen den Führer der schiitischen Tawwābūn (Büßer), Sulaimān ibn Ṣurad, entsandt worden sein[110]. Sein Sohn Yazīd soll damals gemeinsam mit dem Vater gefochten und dabei Sulaimān ibn Ṣurad mit einem Pfeil getötet haben[111]. Später soll Yazīd unter ʿUmar (TL 717-720) Statthalter von Hims gewesen sein[112]. Dessen Sohn, Muʿāwiya ibn Yazīd ibn al-Ḥusain al-Sakū­ni, soll nach der Ermordung Walīds (TL 743-744) von den Aufständischen in Hims 126 (743/744) zu deren Anführer gewählt worden sein[113].

In dieser durch und durch umayyadischen, syrischen und anti-schiiti­schen Familiengeschichte ist kein Platz für einen schiitischen Auf­stand in Kufa. In erster Näherung liegt die Vermutung nahe, dass Yazīd ibn al-Ḥusain vom Chronisten ganz einfach wegen der Ähnlichkeit seines Namens mit Zaid, dem Enkel al-Ḥusains, verwechselt wurde.

Es kann aber auch ganz anders gewesen sein. Wenn es gar keine ge­schichtliche Gestalt al-Ḥusain ibn ʿAlī gegeben hatte, kann eine Gestalt wie Yazīd ibn al-Ḥusain (ganz gleich ob geschichtlich oder nicht), von der es Überlieferung im Zusammenhang mit einer Auseinandersetzung mit Schii­ten in Kufa gegeben haben mag, durchaus die Vorlage für den schiitischen al-Ḥusain abgegeben haben. Es macht aber keinen Sinn, eine solche Auf­lösung des Rätsels in einer Reihe kleiner und kleinster Änderungen ver­lorener Zwischenstufen zu suchen – der Weg wäre in diesem Fall allzu lang, denn schließlich stehen die beiden Ḥusaine aus schiitischer Sicht sozusagen auf entgegengesetzten Seiten der Geschichte. Der Weg ist hingegen kurz, wenn man in dichterischen Motiven und Bildern denkt. Das zentrale Motiv der im Ṭabarī sehr umständlich geschilderten Episode von Zaid ist der Abfall seiner Anhänger – wie einst die Anhänger des al-Ḥusain ibn ʿAlī die­sen im Stich gelassen hatten. Dies ist ein altes Motiv, denn bereits ʿAlī war von seinen Anhängern im Stich gelassen worden. Und auch ʿAlī hatte einen Vorläufer in Jesus Christus, der von seinen Anhängern im Stich gelassen worden war[114]. Auch dieser war schließlich wie Zaid gekreuzigt worden.

Die Anhänger, die Jesus, ʿAlī oder al-Ḥusain verlassen hatten, hatten Strafe verdient und als Männer mit Gewissen suchten sie diese auch. Sulaimān ibn Ṣurad hatte laut Traditionsliteratur zu den Anhängern des ʿalīdischen al-Ḥusain gehört, die diesen im Stich gelassen hatten. Nach dem Tag von Kerbela hatte er ein schlechtes Gewissen bekommen und die Tawwābūn (die Büßer) gesammelt, um al-Ḥusain zu rächen. Als al-Muḫtār in Kufa einrückte, sollen viele Anhänger Sulaimān ibn Ṣurad verlassen haben, weil al-Muḫtār tatkäftiger war. In seiner oft wiederholten Rede soll Sulaimān gesagt haben:

„Seid wie jene Israeliten, als ihr Prophet zu ihnen sagte: „Ihr habt Schuld auf euch geladen durch Anbetung des goldenen Kalbes. Tut Buße vor euerm Schöpfer und tötet euch selbst. Das wird das beste für euch vor euerm Schöpfer sein (Koran 2, 51 f.).” So tut also, was jenes Volk tat. Sie fielen auf ihre Knie und streckten ihre Hälse vor und nahmen das Urteil an, bis sie begriffen, dass nichts sie vor der Größe ihrer Verfehlung retten würden, als die geduldige Hinnahme des Schlachtens.”[115]

Bei ʿAyn al-Wardah sollen die Tawwābūn auf die Syrer getroffen sein. Nachdem Yazīd ibn al-Ḥusain den Sulaimān ibn Ṣurad mit einem Pfeil getötet haben soll, soll al-Musayyab ibn Najabah dessen Banner über­nom­men und gesprochen haben:

„Oh mein Bruder, möge Gott Mitlied mit Dir haben. Du hast Wahr gesprochen und Deine Pflicht erfüllt. Die Unsere ist noch zu tun.”[116]

Der syrische Yazīd ibn al-Ḥusain vollstreckt an Sulaimān ibn Ṣurad die Strafe, die dieser gesucht hatte. Er wird damit mehr schlecht als recht zum Rächer des anderen al-Ḥusain. Ob Werkzeug der göttlichen Gerechtigkeit oder Rächer, das macht hier aber gar keinen Unterschied. Es kommt auf die Struktur der Erzählung an, für die ein Ḥusain als Töter des Sulaimān ibn Ṣurad geeigneter ist, als einer, der nicht Ḥusain heißt. Eine verwandte Geschichte finden wir in einer anderen Episode dieser Zeit in Kufa:

Zu der Zeit, da al-Muḫtār in Kufa als Rächer al-Ḥusains auftrat und seinem Imam Muḥammad ibn al-Ḥanafīya die Köpfe der Getöteten schickte, ließ er einen Mann festnehmen, der zu sagen pflegte: „Mein Pfeil hatte sich in seinem (al-Ḥusains) Kettenhemd verfangen und ihn nicht verletzt.” Aus Sorge, der Häuptling der Ṭayyi’ könne sich bei al-Muḫtār für ihn einsetzen, führten die Schia ihn gleich nach der Festnahme zum Hinrichtungsplatz und sagten zu ihm:

„Du hast ʿAlīs Sohn der Kleidung beraubt; bei Gott, wir werden dich deiner Kleidung berauben während du lebst und zuschaust.”[117] So geschah es. Dann sagten sie zu ihm: „Du hast auf Ḥusain geschossen und ihn als Ziel für deine Pfeile verwendet, und gesagt: „Mein Pfeil hatte sich in seinem Kettenhemd verfangen und ihn nicht verletzt.” Wir schwören bei Gott, dass wir dich ebenso mit Pfeilen beschießen werden, und dass das, was steckenbleibt, dir genügen soll!”[118]

Die Struktur dieser Geschichte ist einfach. Es handelt sich um Verbrechen und Strafe. Der eine sucht die Strafe freiwillig, der andere muss ihr zuge­führt werden. In beiden Fällen ist die Sache erledigt, sobald der Verbrecher mit einem Pfeil getötet wurde, so wie einst al-Ḥusain durch einen Pfeil getötet worden war. Politische Parteiungen spielen auf dieser Ebene keine Rol­le. Die Anhänger al-Muḫtārs oder der syrische Gegner können gleicher­maßen als Vollstrecker der göttlichen Gerechtigkeit auftreten. Yazīds Vater trug ebenfalls den Namen al-Ḥusain. Dass der Vater diesen Gottesnamen trug, reichte aus, um den Sohn Yazīd als Rächer auftreten zu lassen. So geriet der Syrer Yazīd ibn al-Ḥusain auf dieselbe Seite wie der Schiit al-Muḫtār, dessen Anhänger in Kufa die Feinde Gottes verfolgten. Jetzt fehlte nur noch ein Schritt, um zur heutigen Version der Traditionsliteratur zu gelangen: Als es im Laufe der Verfeinerung der Traditionsliteratur nötig wurde, den Rächer aus Kufa namens Yazīd ibn al-Ḥusain vom umayya­dischen Gefolgsmann namens Yazīd ibn al-Ḥusain zu unterscheiden, erstand ein neuer zum Rächer geborener ʿAlīde, Zaid ibn ʿAlī ibn al-Ḥusain, dessen Name zwar noch ähnlich klang, dessen Stammbaum aber nicht mehr zu unerwünschten Verwechselungen führte – das ist die Version des Ṭabarī. In der Gesamtschau kann man sich die Entwicklung dieser „Überlieferung” folgendermaßen vorstellen:

In einem Gedicht oder in einer mündlich überlieferten Geschichte wird beschrieben, wie ein untreuer Anhänger „al-Ḥusains”, Sulaimān ibn Ṣurad, von Yazīd ibn al-Ḥusain durch einen Pfeil getötet wurde. Es muss offen bleiben, ob in dieser Urform Aussagen über die Natur „al-Ḥusains” (ob Gott, Bote Gottes oder Imam) enthalten waren, und ob ein solches Gefecht mit Todesfolge tatsächlich stattgefunden hatte.

Als Geschichten über Schiiten in Kufa aufgeschrieben wurden, wurde Yazīd ibn al-Ḥusain wegen seiner Tat als Schiit vereinnahmt und zum Verwandten des arabischen Propheten erhöht. Dies ist die Version der syrischen Chronik auf das Jahr 1234.

Als die Geschichtsschreibung des Reiches auf sachliche und ideologische Stimmigkeit überprüft wurde, fiel es auf, dass der Syrer Yazīd ibn al-Ḥusain in einem falschen Zusammenhang dargestellt war. Das Problem wurde gelöst, indem ein ʿAlīde mit ähnlich lautendem Namen erfunden wurde und an seine Stelle trat.

  1. ʿAlī der Genehme: Ein abbasidischer Prinz

Wie wir oben gesehen haben, erscheint zur Zeit al-Ma’mūns (TL 813-833 / 189-218 H) auf Münzprägungen der Jahre 202-205 im iranischen Raum (Fars, Isfahan, Rayy, Samarkand) der Name „ʿAlī bn Mūsā bn ʿAlī bn Abī Ṭālib”[119]. Auf ihn beziehen sich auch Münzen dieser Jahre mit der Auf­schrift „al-Amīr Riḍā walī ʿahd al-muslimīn”[120]. Dabei hat „walī ‘ahd al-mus­limīn” nach Popp hier eher noch die ursprüngliche Bedeutung „Beauf­tragter für den Bund der Friedfertigen” als die abgeleitete Bedeutung „Kron­prinz”. Mehr wissen wir zunächst nicht. Popp, der das Auftreten des ʿAlī al-Riḍā als Ausdruck eines Mangels an Legitimität der Herrschaft al-Maʾmūns deutet, weist darauf hin, dass al-Maʾmūn ab 210 aus den Münzprägungen im Osten des Reiches verschwindet. Ähnliches gilt für den Yemen. Zuletzt erscheint sein Name 215 nur noch in Ägypten. Seine Macht scheint den Zugriff auf die entfernteren Gebiete nach und nach verloren zu haben.

Die Traditionsliteratur[121] kennt ʿAlī al-Riḍā als tugendhaften ʿalīdischen Prätendenten, den al-Maʾmūn aus Medina nach Khorasan geholt habe, um ihn 201 zum Mitregenten und Thronfolger zu machen. Auf der Reise nach Bagdad im Jahre 203 habe ʿAlī al-Riḍā eine große Menge Weintrauben gegessen und sei gestorben. Al-Maʾmūn habe ihn in einem Garten bei Ṭūs neben seinem Vater (Hārūn al-Rašīd) begraben. Im Ṭabarī wird die auf den ersten Blick ungewöhnliche Ernennung (al-Maʾmūn soll schließlich auch einen fähigen Sohn al-ʿAbbās gehabt haben) sehr knapp abgehandelt:

„In diesem Jahr (202) ernannte al-Maʾmūn ʿAlī b. Mūsā b. Ǧaʿfar b. Muḥammad b. ʿAlī b. Abī Ṭālib zum Erben des Throns für die Muslime und als Kalif nach ihm, und gab ihm den Namen „der Genehme von den Leuten des Auserwählten” (al-Riḍā min āl Muḥammad); ferner befahl er seinen Mannen ihre schwarze Kleidung abzulegen und statt dessen grün zu tragen.”[122]

Nun steht diese Meldung nicht allein. Der Ṭabarī berichtet zum Jahre 200 von ʿalīdischen Umtrieben in Mekka, in die engste Verwandte ʿAlī al-Riḍās verwickelt gewesen sein sollen. Die Ereignisse sollen ihren Ausgang im Jahre 199 in Kufa genommen haben. Dort soll ein Ḥasanide, Muḥammad ibn Ibrāhīm, bekannt als „Ibn Ṭabāṭabā” im Namen „des Genehmen von den Leuten des Auserwählten” rebelliert haben. Sein militärischer Befehlshaber soll Abū al-Sarāyā gewesen sein. In dessen Auftrag soll der ʿAlīde Ḥusain ibn Ḥasan die Pilgerfahrt nach Mekka geleitet haben. Dieser soll die Hülle von der Kaaba entfernt und durch eine von Abū al-Sarāyā gestiftete ersetzt haben. Diese soll die Aufschrift getragen haben

„Al-Aṣfar b. al-Aṣfar Abū al-Sarāyā, der Propagandist für die Leute des Auserwählten, hat befohlen, diese Hülle des Hauses Gottes zu fertigen, und er hat auch befohlen, dass die Hülle der Tyrannen aus der Nachkomenschaft des al-ʿAbbās hinweggeschleudert werden möge, damit das heilige Haus von dieser Entweihung gereinigt wer­de. Er schrieb dies im Jahre 199”[123].

Als Abū al-Sarāyā im Jahre 200 gefangengenommen und getötet worden sein soll, sollen sich Ibrāhīm ibn Mūsā (ein Bruder ‘Alī al-Riḍās) und meh­re­re Familienangehörige von Mekka nach Yemen abgesetzt haben. Ein weiterer Bruder ʿAlīs, Zaid ibn Mūsā, soll sich in Basra zur Erhebung bereit­gehalten haben. Die in Mekka verbliebenen ʿAlīden sollen sich angesichts der Rückschläge in Irak zu dem in Mekka lebenden Muḥammad ibn Ǧaʿfar bege­ben haben, einem Vaterbruder ʿAlīs also, um diesen zum Kalifen auszu­rufen. Dieser soll ihnen widerstrebend entsprochen haben. Nach kurzer Zeit aber soll eine Abteilung der Truppen des nach Irak reisenden Gouverneurs des Yemen die ʿAlīden aus Mekka vertrieben und Muḥammad ibn Ǧaʿfar gefangengenommen und zum Rücktritt gezwungen haben.

Wie im Ṭabarī üblich, werden die einzelnen Nachrichten nicht mitei­nander abgeglichen. Natürlich ist auch ihr Wahrheitsgehalt kaum über­prüf­bar. Pünktlich zur Jahrhundertwende, auf einem Höhepunkt der Naherwar­tung[124], soll die Herrschaft al-Maʾmūns im religiösen Zentrum Mekka in Frage gestellt worden sein. Nach dem Scheitern der Erhebung soll der Herr­scher einen engen Verwandten der Rebellen in seine Nähe geholt und zum Thronfolger gemacht haben. Als Grund wird aber nicht etwa eine Einigung mit den Rebellen angegeben (was nahe läge), auch nicht eine kluge Politik der Aussöhnung (immerhin denkbar), sondern die Einsicht des Herrschers in die Tugend des ʿAlīden. Zumindest dieses Argument spricht auf den ersten Blick für eine Rückprojektion aus einer späteren Ära ʿalīdischer Pro­paganda. Aus dieser Zeit mag auch die angebliche Ernennungsurkunde al-Maʾmūns für ʿAlī al-Riḍā stammen[125], die ein bei Ṭabarī überliefertes Formu­lar des Umayyaden Walīd (TL 743-744) für dessen Söhne ver­wendet[126]. Die Traditionsliteratur liebt solche „Dokumente”, die zur Unter­maue­­rung des einen oder anderen Standpunkts ins Feld geführt wurden. An diesem Punkt müsste die Geschichtswissenschaft passen, hielte die Tradi­tionsliteratur nicht noch weitere Nachrichten über die Vergangenheit bereit, die weniger deutlich, dafür aber glaubwürdiger sind.

Wer war dieser ʿAlī al-Riḍā? Geht man zu Quellen und Überlieferung auf Abstand, um nur die allergrößten Linien zu erfassen, so stößt man sich an seinem allzu programmatischen Namen. Hiermit aber steht er nicht alleine da, denn dies trifft nicht weniger für die abbasidischen Herrscher zu. Die Losung „al-Riḍā min āl Muḥammad“ ist dieselbe, mit der die Abbasiden ihrer eigenen Hausüberlieferung zufolge einst mit Hilfe der „Schwarzen Banner” an die Macht gelangt waren. Blendet man den aus späterer Zeit geerbten Überbau ʿalīdisch-abbasidischer Gegensätze aus, so liegt hier eine Gemeinsamkeit vor. Mehr noch: auch ʿAlīs Vater Mūsā trug einen typisch abbasidischen Namen, ebenso sein Großvater Ǧaʿfar. Dann mag es vielleicht doch kein Zufall der Reiseroute gewesen sein, dass ʿAlīs Grab im heutigen Maschad neben dem Hārūn al-Rašīds angelegt wurde[127]. Sollte er ein Mitglied des abbasidischen Hauses gewesen sein?

Dieser Verdacht wird erhärtet, wenn man sich die im Ṭabarī über­lieferten Nachrichten über ʿAlīs Vater Mūsā ansieht. Dort wird unter dem Jahr 169 erzählt, wie al-Mahdī (TL 775-785) einst in einer Mondnacht die Sure 47, 22 gebetet habe: „Ob ihr wohl, wenn ihr euch abwendet, auf der Erde Unheil anrichten und die Bande eurer Blutsverwandtschaft zerreißen werdet?” Anschließend habe er seinen Berater al-Rabīʿ darum gebeten, ihm „Mūsā” zu bringen. Dieser habe sich gefragt, ob er Mūsā, den Sohn des Herrschers meine, oder Mūsā ibn Ǧaʿfar, den er zu dieser Zeit in seinem Hause gefangen gehalten habe, und habe sich für letzteren entschieden. Als dieser beim Herrscher erschienen sei, habe al-Mahdī gesagt:

„Oh Mūsā, ich las diesen Vers … (s.o.) und da fürchtete ich, dass ich die Bande der Blutverwandtschaft mit Dir gebrochen hätte; so bestä­tige mir, dass Du nicht gegen mich rebellieren wirst.”

Dies habe Mūsā bestätigt, worauf er freigelassen worden sei[128]. Nun soll al-Mahdī gemäß der Traditionsliteratur zwei Brüder mit Namen Ǧaʿfar gehabt haben[129]. Der ältere soll im Jahre 150 vor dem Vater (ʿAbdallāh „al-Manṣūr”, TL 754-775) gestorben und in Bagdad „auf dem Friedhof der Quraiš” beigesetzt worden sein[130]. Den jüngeren soll ihr Vater einer Erzählung aus dem Jahre 158 zufolge einst in die Thronfolgeregelung habe einschließen wollen[131]. Die Traditionsliteratur kennt von einem (oder bei­den) Ǧaʿfar lediglich die Kinder Ibrāhīm, ʿĪsā, Zubaida (mit Hārūn al-Rašīd verheiratet), ʿAbdallāh und Lubāba[132]. Wahrscheinlich war „Mūsā ibn Ǧaʿfar” ein weiterer Sohn von einem dieser Brüder. Hierfür spricht auch, dass „ʿAlī b. Mūsā von dessen Vater” bei Ṭabarī als Überlieferer von Ge­scheh­nissen genannt wird, die die frühe Geschichte der Abbasiden betref­fen[133]. Es geht an diesen beiden Stellen darum, wie der abassidische „Imam” Ibrāhīm ibn Muḥammad im Jahre 132 in Humayma auf Befehl von Marwān (TL 744-740) gefangen genommen und später von einer eingedrückten Wand erschlagen worden sein soll. Schließlich fällt die große Zahl Nachkommen auf, die Mūsā ibn Ǧaʿfar gehabt haben soll. Die Traditions­literatur spricht von 23 Söhnen und 37 Töchtern[134]. Diese Zahl mag durch nachträgliche Zuweisung aufgebläht sein. Für einen Angehörigen der abba­si­dischen Oberschicht wäre dies aber durchaus im Bereich des Möglichen.

An keiner dieser Stellen im Ṭabarī wird darauf abgehoben, dass Mūsā ibn Ǧaʿfar ein ʿAlīde gewesen sei. Im Gegenteil deutet alles darauf hin, dass er ein Mitglied des abbasidischen Herrscherhauses war: Er überlieferte Nach­richten über die Abbasiden in Humayma, er wurde von al-Mahdī als möglicher Rebell und (naher) Blutsverwandter eingestuft, und er wurde wie sein Vater in Bagdad auf dem „Friedhof der Quraiš” begraben. Dieser Fried­hof im heutigen Kazimain war der Begräbnisplatz der Abbasiden. Die schiitische Tradition erklärt das Begräbnis an diesem Ort damit, dass die „Imāme“ am Hofe unter Hausarrest gestanden hätten. Natürlich stand ihnen in den Augen der Tradition ein solches Begräbnis ohnehin zu – als Quraiš und wegen ihres besonderen Ranges. Der Schrein des Mūsā al-Kāẓim und der seines Enkels Muḥammad al-Ǧawād (Sohn des ʿAlī al-Riḍā) dort sind seit dem 13. Jahrhundert als schiitische Pilgerstätten belegt.

Im Ergebnis bestätigt die Traditionsliteratur Popps Vermutung, dass die Herrschaft al-Maʾmūns an einem Mangel an Legitimität litt. Die Prägung von Münzen durch andere Machthaber ist Ausdruck dessen, dass seine Herr­schaft mit Erfolg angefochten wurde. Die Traditionsliteratur spart dies­bezüglich weder mit Namen noch mit Einzelheiten; in ihr wird der Mangel an Legitimität al-Maʾmūns in erster Linie auf die Auseinander­setzung mit seinem Bruder al-Amīn bezogen, der die meisten Abassiden auf seiner Seite gehabt haben soll. Auch nach dem Sieg al-Maʾmūns wurde es im Reiche nicht ruhig. Nach der versuchten „ʿalīdischen” Machtergreifung des Jahres 200 in Mekka soll die Bevölkerung Bagdads im Jahre 201 Manṣūr, einen Sohn al-Mahdīs, zum militärischen Befehlshaber gekürt[135] und 202 dessen Bruder Ibrāhīm zum Herrscher ausgerufen haben, laut Traditions­literatur als Reaktion auf die Ernennung ʿAlī al-Riḍās zum Thronfolger[136]. Dies scheint dadurch erleichtert worden zu sein, dass al-Maʾmūn das Reich weiterhin von Merw aus regierte. In Ermangelung guter Quellen kann man sich über Art und Gewicht solcher Ansprüche keine Klarheit verschaffen. Erklärungen, die sich zu eng an die zweifelhaften Angaben der Traditions­literatur halten, laufen Gefahr zu kurz zu greifen. Jedenfalls scheinen verschiedene Zweige des abbasidischen Hauses mit unterschiedlichen Mitteln um die Macht gekämpft zu haben. Während einige nahe Verwandte es in Bagdad auf dem direkten Weg versuchten, haben andere (entferntere Zweige) sich etwas einfallen lassen. So scheint sich ein Teil des Herrscher­hauses erfolgreich als Nachkommen des ʿAlī „ibn Abī Ṭālib” dargestellt zu haben (und nicht des „abbasidischen” ʿAlī ibn ʿAbdallāh). Die Möglichkeit, dass ʿAlī al-Riḍā ein Vetter ersten Grades des Herrschers al-Maʾmūn war, würde die in der Traditionsliteratur überlieferte Ernennung ihres Sensa­tions­­charakters berauben. Es hätte nichts Ungewöhnliches, wenn ein ver­ant­wortungsvoller Herrscher seine vielleicht tatsächlich wenig geeigneten Brüder und Vaterbrüder nicht als Nachfolger gewünscht, und sich für einen Vetter im nächst entfernten Verwandtschaftsgrad entschieden haben sollte.

Wir wissen nicht, ob der legendäre Vaterbruder des arabischen Prophe­ten, al-ʿAbbās, oder dessen legendärer Enkel ʿAlī damals bereits als Vor­fahren des Herrscherhauses galten. Die Herausbildung einer „ʿalīdischen” Fraktion war vielleicht nicht von Anfang an eine Abspaltung, sondern mög­licherweise zunächst nur Ergebnis eines neuen Verständnisses vom Ur­sprung und der Legitimation der Dynastie insgesamt. Verhältnismäßig früh scheint die Kenn­zeichnung als „Haschemit” zu sein. In der lateinischen Chronik auf 754 heißt der erste Abbaside „Abdella Alascemi”[137]. Das kann sich nur auf dessen öffentliche Darstellung als Nachfolger des kaisanitischen „Imāms” Abū Hāšim ʿAbdallāh beziehen. Gleichzeitig vermeidet diese Bezeichnung die Nennung eines Vaternamens. Beides liegt in der Natur der „Abbasi­dischen Revolution” (dazu unten mehr). Daneben gibt es gar keinen Raum dafür, dass damit „zufällig” zugleich auf einen sechs Generationen zurück­liegenden Spitzenahn „Hāšim” Bezug genommen sein könnte. Allerdings mag die Frage nach der Abstammung mittelfristig nach einer Antwort verlangt haben. Man kann sich sehr wohl vorstellen, dass nach der Machtergreifung einige Zweige mit einer angeblichen Abstammung von ʿAlī ibn Abī Ṭālib arbeiteten, während andere mit einer angeblichen Abstam­mung von al-ʿAbbās und ʿAlī ibn ʿAbdallāh für sich warben. Der Herrscher selbst muß daran nicht unbedingt Anteil genommen haben. Die von der Traditionsliteratur behauptete Einsetzung eines Thronfolgers mit ausdrück­lich „ṭālibidisch-ʿalīdischer” Legitimation sollte das Walten einer späteren Auffassung von Legitimität in die Vergangenheit zurückverlegen. Dadurch, dass al-Maʾmūn selbst die „ʿalīdische” Abstammung gekannt und akzeptiert haben soll, sollte der Eindruck entstehen, es habe immer schon solche ʿAlīden gegeben, und ihr Anspruch auf Herrschaft sei seit jeher berechtigt gewesen. Tatsächlich wäre, wie wir oben gesehen haben, eine Einsetzung ʿAlī al-Riḍās als Thronfolger nicht so ungewöhnlich gewesen, wenn man ʿAlī als einen verhältnismäßig nahe verwandten Abbasiden auffasst. Wen dies besonders herausgefordert haben muß, waren letztlich nur die von Ma’mūn übergangenen Prinzen in Bagdad. Sowohl die Reise al-Maʾmūns von Merw in die alte Hauptstadt, als auch das Gerücht, ʿAlī al-Riḍā sei vergiftet worden, wären vor diesem Hintergrund verständlich.

Es spricht somit alles dafür, dass um das Jahr 820 eine neue Legitimation innerhalb des Herrscherhauses verbreitet wurde. Diese wird durch Bezug­nahme auf ʿAlī ibn Abī Ṭālib in den Münzprägungen ʿAlī al-Riḍās erstmals sichtbar. Das Herrscherhaus soll im Jahre 200 der Araber (Beginn der Hidschra-Zählung) laut Ṭabarī 33000 männliche und weibliche Mitglieder gezählt haben. Diese Zahl ist hoch, aber nicht unmöglich.  Sie ist nicht einmal besonders unglaubwürdig, wenn man das damals bestehende Harems­wesen bedenkt, sowie den Hinweis aus der abbasidischen Haus­überlieferung, dass im Jahre 750, zum Zeitpunkt der sogenannten “Macht­ergreifung”, 14 (nicht mehr junge) Männer zum Herrscherhaus zählten. So könnten seitdem zahlreiche gut versorgte Nebenlinien entstan­den sein, von denen zumindest in der Traditionsliteratur auch politische Aktivität behaup­tet wird. Bezeichnenderweise wird eine entspre­chende Zahl der ʿAlīden nicht genannt – doch wohl, weil es diese damals noch gar nicht gab. Dabei hätte nach Auffassung einer späteren Zeit ein oberster Naqīb für alle „Scharifen[138]“ zuständig sein müssen. Der Regierung hätte an einer Erfassung nicht nur der Abassiden, sondern gerade auch der (aus späterer Sicht) sprichwörtlich schwierigen ʿAlīden gelegen sein müssen. Zwei Generationen später gab es ein solches Amt tatsächlich: Als im Jahre 865 unter al-Mutawakkil (TL 847-861) der in Kufa ansässige ʿAlīde Abū al-Ḥusain Yaḥyā ibn ʿUmar in Geldnot war, wandte er sich an ʿUmar ibn Faraǧ, „der mit den Angelegenheiten der Ṭālibiden betraut war”[139].

Wir wissen nicht, wie die 33000 Abbasiden gezählt wurden. Seit der „Macht­ergreifung” waren erst drei Generationen vergangen. Es gab somit kei­nen Zweifel, wer dazugehörte, so dass sich Abstammungsnachweise erüb­rigten, obwohl die meisten dieser „Abassiden” sich nicht persönlich gekannt haben konnten. Die älteste in der Traditionsliteratur überlieferte Generation, für die geschichtliches Wirken angenommen werden kann, ist die der Herrscher „Abū l-‘Abbās” (TL 749-754) und „al-Manṣūr” (TL 754-775), auch wenn sich hinter deren Namen etwas anders als natürliche Per­sonen verbergen sollten. Ihr angeblicher Vater Muḥammad ist ebenso­wenig fassbar wie dessen Vater ‘Alī. Über diesen ist so gut wie nichts über­liefert. Es liegt nahe, ihn als das Ergebnis der Integration der religiösen ʿAlī-Vor­stellung in die politische Geschichte aufzufassen. Wenn ein Teil der Abba­siden ihren Ursprung auf diese Weise erhöhte, konnte eine andere sehr wohl dasselbe auf eine etwas andere Weise versuchen, indem sie nämlich un­mittelbar an einen ʿAlī anknüpften, der als Schwiegersohn des arabischen Propheten dargestellt wurde, den eigentlichen ʿAlī, „ʿAlī ibn Abī Ṭālib”. Dieser Prozess mag sich nicht lange vor dem Jahr 800 vollzogen haben.

Auch hieran scheint die Traditionsliteratur eine Erinnerung bewahrt zu haben. Zum Jahr 118 erzählt der Ṭabarī vom Tode des abbasidischen ʿAlī:

„In diesem Jahr starb ʿAlī ibn ʿAbdallāh ibn al-ʿAbbās. Seine Kunya war Abū Muḥammad. Er starb in al-Humaymah in Syrien. Er war achtundsiebzig oder siebenundsiebzig. Es heißt, er sei in der Nacht geboren worden, in der der Anschlag auf ʿAlī ibn Abī Ṭālib erfolgte, die Nacht des siebzehnten Ramaḍān im Jahre 40 (24. Januar 661), so dass sein Vater ihn ʿAlī nannte, indem er sagte: „Ich habe ihm den Namen gegeben, den ich in der Schöpfung am meisten liebe”. Er gab ihm auch die Kunya Abū al-Ḥasan. Als ʿAlī zu ‘Abd al-Malik ibn Marwān kam, ehrte dieser ihn, indem er ihn auf einer erhöhten Bank sitzen hieß. ‘Abd al-Malik frug ihn nach seiner Kunya, und ʿAlī gab ihm Auskunft. ‘Abd al-Malik sagte: „Unter meinen Mannen trägt keiner sowohl diesen Namen als auch diese Kunya.” Dann erkun­dig­te er sich danach, ob er Söhne habe. Zu der Zeit war ihm Muḥam­mad ibn ʿAlī geboren. Er sagte dies ʿAbd al-Malik, und somit gab dieser ihm die Kunya Abū Muḥammad.”[140]

Nun ist „Abū al-Ḥasan” (etwa: Vater des Schönen, des Guten) eine Kunya von ʿAlī ibn Abī Ṭālib [141]. Wahrscheinlich war dies bereits ein Attribut des gnostischen ʿAlī, ähnlich der Kunya „Abū Turāb” (Herr der Erde). Wenn in der Erzählung Ṭabarīs dem abbasidischen ʿAlī (von dem kein Sohn Ḥasan überliefert ist) dieselbe Kunya zuerkannt wird, wird er mit diesem gleichgesetzt. Entweder liegt hier eine frühere Historisierung ʿAlīs als Vor­fahr der Abbasiden vor, oder eine Reaktion der späteren abbasidischen Traditionsliteratur auf eine konkurrierende Historisierung in der ʿalīdischen Traditionsliteratur. Wie dem auch sei: Begibt man sich auf die Ebene histo­risierter Personen, so werden dem historisierten ʿAlī ibn Abī Ṭālib durch die Überlieferung vom historisierten ʿAlī ibn ʿAbdallāh Einzigartigkeit, ja sogar die Existenz genommen. Der Hinweis darauf, dass „keiner sowohl diesen Namen als auch diese Kunya” trägt, obwohl im Rückblick chronologisch zutreffend, da der historisierte ʿAlī ibn Abī Ṭālib theoretisch schon verstor­ben war, ist eine Spitze gegen den „Konkurrenten”, die dem abassidischen ʿAlī die Priorität auf diese Kunya sichern soll. ʿAbd al-Malik hätte natürlich auch ausrufen können: „Genauso wie ʿAlī ibn Abī Ṭālib!” Da er das nicht tut, wird dem „Konkurrenten” der Sohn al-Ḥasan sozusagen aberkannt, jedenfalls so gut Schriftgelehrte dergleichen vermögen.

Der Ṭabarī enthält ein Dokument, das sich erst dann auf befriedigende Weise erschließt, wenn man es als Zeugnis von Auseinandersetzungen innerhalb des abbasidischen Herrscherhauses auffasst. Aus der Regierungs­zeit „al-Manṣūrs” (TL 754-775) wird zum Jahr 145 (762/763) von einem Aufstand ḥasanidischer ʿAlīden erzählt. Muḥammad ibn ʿAbdallāh ibn Ḥasan (al-Nafs al-Zakīya, „die reine Seele”), der sich selbst als Mahdī bezeichnet haben soll, und dessen Bruder Ibrāhīm sollen in Medina und Basra den Umsturz versucht haben und damit kläglich gescheitert sein. Zu Beginn der Auseinandersetzung soll Muḥammad mit al-Manṣūr einen Briefwechsel über Legitimität geführt haben[142]. In Ansehung des Inhalts erkennt man sofort, dass sich hier nicht Herrscher und Rebell austauschen, sondern Schriftgelehrte einer späteren Zeit. Es werden so ziemlich alle Argumente ins Feld geführt, die die Traditionsliteratur hervorgebracht hat; die Bedeutung der Abstammung in männlicher und weiblicher Linie, die Frage, wann die Vorfahren Muslime geworden waren, die Häufung von Auszeichnungen in der Ǧāhilīya und im Islam. Schließlich kommt die Spra­che auf die Konkubinen. Nachdem Muḥammad ausführlich seine reine und bevorzugte Abstammung von den Vorfahren des arabischen Propheten und von diesem selbst dargelegt hat, erwidert al-Manṣūr:

„Du beanspruchst den Vorzugsplatz innerhalb der Banū Hāšim, der reinste sowohl von mütterlicher als auch von väterlicher Seite, ohne fremdstämmige Mütter, eine Abstammung, die nicht durch Konku­binen verdünnt ist … Du hältst Dich sogar jemandem überlegen, der hinsichtlich Seele und Abstammung besser war als Du, am Anfang und am Ende, nämlich Ibrāhīm [143], dem Sohn des Boten Gottes, und daher auch dem überlegen, der ihn gezeugt hat! Die besten Nachkommen Deiner Vorfahren und die am meisten ausgezeich­ne­ten unter ihnen waren nichts als Söhne von Konkubinen. Nach dem Tode des Boten Gottes wurde keiner unter Euch geboren, der vorzüglicher war als ʿAlī ibn Ḥusain, gleichwohl war er der Sohn einer Konkubine[144]. Er war gewiß besser als Dein Großvater, Ḥasan ibn Ḥasan. Nach ʿAlī gab es keinen unter Euch, der dessen Sohn gleichgekommen wäre, Muḥammad ibn ʿAlī, und doch war seine Großmutter eine Konkubine. Er war gewiß besser als Dein Vater. Weiter gibt es keinen, der dessen Sohn gleichkäme, Ǧaʿfar, und doch war seine Großmutter eine Konkubine. Er ist gewiß besser als Du. Während Du sagst, dass Du der Nachkomme des Boten Gottes bist, sagt Gott in seinem Buch: „Muḥammad ist nicht der Vater von (irgend)einem euerer Männer”[145].

Die abbasidischen Herrscher hatten nach und nach aufgehört zu heiraten. Bereits die Mutter „al-Manṣūrs” soll eine berberische Sklavin gewesen sein. Zunächst spielten die Ehefrauen und die durch sie geschlossenen politi­schen Allianzen noch eine gewisse Rolle. Daneben wurde die Zahl der Kon­kubinen immer größer, und auch ihre Bedeutung wuchs. Diese waren in der Regel gefangene Ausländerinnen. Nach Hārūn al-Rašīd (TL 786-809) sind kaum noch Heiraten überliefert. Der Herrscher wählte aus den Söhnen seiner Konkubinen den einen oder anderen zur Thronfolge aus. Damit hatten sich die Herrscher von den Bindungen der herkömmlichen aristo­kratischen Gesellschaft befreit[146]. In der Hofgesellschaft muß dieser kultu­relle Wandel Gegenstand von Betrachtungen und Rechtfertigungen gewesen sein. In dem vorgegebenen Briefwechsel nimmt Muḥammad die konserva­tive Haltung ein und al-Manṣūr die fortschrittliche. Der Bruch geht hier nicht zwischen ʿAlīden und Abbasiden. Vielmehr findet sich die Linie der zwölferschiitischen „Imāme“, aus deren Umkreis der Text wohl stammt, zu­sam­men mit dem Herrscher im Gegensatz zum konservativen Ḥasaniden (der hier wohl für entferntere Zweige des Abbasidischen Hauses steht). Die Frage der ebenbürtigen Ehe ist das auffallendste Element in diesem fingierten Briefwechsel. Die Art und Weise, in der diese Frage behandelt wird, deutet noch einmal darauf hin, dass die ʿAlīden Teil des Herrscher­hauses waren.

  1. Die Abbasiden sind die Umayyaden

7.1 Die Reichskrise in der Darstellung der siegreichen Partei

Liest man die traditionelle Darstellung der abbasidischen Wende (Dawla) des Jahres 750, wie sie z.B. Moshe Sharon in einer lesbaren Zusammenschau darbietet[147], so fällt das gekonnte Zusammenspiel dieser Gruppe von Ver­wandten auf. Nicht weniger als 14 Männer des abbasidischen Geschlechts sollen sich in Kufa vor dem Schritt in die Öffentlichkeit in einem Privathaus versteckt gehalten haben. Geschickt drängen diese vorgeblichen Neuan­kömmlige sowohl die Schwarzen Banner aus Khorasan als auch die Schiiten in Kufa ins Abseits, nachdem sie die Macht errungen haben. Treten Spannungen innerhalb der Verwandtschaft auf, so werden diese in klug abgestufter Verhältnismäßigkeit mit dem Blick auf spätere Versöhnung ausgefochten. Theophanes berichtet, die Abbasiden hätten nach sechsjäh­ri­gem Kampf um die Ausübung der Herrschaft gelost[148].

Die im Aḫbār al-Dawla al-ʿAbbāsīya niedergelegte Vorgeschichte, nach der der Abbaside Muḥammad ibn ʿAlī um 720 das Vermächtnis des sterbenden „Imams” Abū Hāšim (Sohn Muḥammad ibn al-Ḥanafīyas) empfangen haben soll, zu dem die Geheimgesellschaft in Khorasan gehörte, aus der später die „Schwarzen Banner” des Abū Muslim hervorgingen, ist aus vielen Gründen nicht glaubhaft. Selbst wenn man zugesteht, dass sich ein im syrischen Humayma sitzender „Imam” in zynischer Machtpolitik die Energien einer proto-schiitischen Geheimgesellschaft dienstbar gemacht haben könnte (wie es 150 Jahre später die Ismaeliten wirklich taten), bleiben schwerwiegende chronologische Unstimmigkeiten, die darauf hinauslaufen, dass die Abbasiden mit den Schwarzen Bannern erst nach deren Vorstoß ins Zweistromland zu tun bekamen[149]. Es ist schließlich auch gar keine landsmannschaftliche oder gesellschaftliche Hausmacht zu erkennen, die den Abbasiden bei der Machtergreifung geholfen haben könnte. Die Tradi­tionsliteratur bietet hier eine ganz und gar unwahrscheinliche Geschichte. Das fällt nur deshalb nicht auf, weil wir wenig über diese Zeit wissen, und weil die mangelnde Wirklichkeitsnähe durch das Argument der besonderen haschemitischen Legitimität aufgrund der Nähe zum arabischen Propheten (gleich ob Erbe des „Imams” Muḥammad ibn al-Ḥanafīya oder eines gemeinsamen Vorfahren Hāšim) aufgefangen wird. 14 erwachsene Privat­leute können nach 30 Jahren heimlicher Verschwörung natürlich nur dann aus dem Stand die Macht ergreifen und festhalten, wenn sie selbst und ihre Anhänger von ihrer besonderen Legitimität überzeugt sind. Je geringer die rationalen Chancen sind, umso größer muß die Legitimität gewesen sein.

7.2 Geleugnete Herkunft

Blendet man die haschemitische Legitimität aus, so stellen sich zwanglos allerlei Hinweise auf die tatsächliche Herkunft der Abbasiden ein:

Der Ṭabarī kennt einen Feldherren ʿAbbās, Sohn des Herrschers Walīd (TL 705-715). Im Jahre 707 oder 709 soll er mit seinem Vaterbruder Maslama ibn ʿAbd al-Malik die Stadt Tuwana (Tyana) in Kappadokien ein­genommen haben. 712 soll er Sebastopol in Kilikien eingenommen haben und im darauffolgenden Jahr Antiochien in Pisidien. Im Jahre 720 soll er den unbotmäßigen Gouverneur von Irak, Yazīd ibn al-Muhallab bezwungen haben. In der Zeit vor der Ermordung des anderen Walīds (TL 743-744) wird er im Ṭabarī als königstreu dargestellt; er verschließt sich den Vorstel­lungen seines Bruders Yazīd, der die Macht an sich bringen will. Der Ṭabarī stellt ihn als „Haupt der Banū Marwān” dar[150]. Mit 30 Söhnen ist er zum bedrängten König unterwegs. Die Überlieferungen im Ṭabarī geben sich einige Mühe zu erklären, wie es trotz der Parteinahme von ʿAbbās zur Ermordung des Königs kam. Nach dem Mord soll sein Verhalten als Verrat gedeutet worden sein. Die Bevölkerung in Hims soll sein Haus geplündert haben. Es wird erwähnt, dass er und seine Söhne gefangen genommen wurden; dies wird jedoch nicht näher ausgeführt. Später soll ein Sohn al-Ḥāriṯ von Yazīd (TL 744) zum Statthalter in Irak ernannt worden sein[151]. Im Jahre 750 schließlich soll ʿAbbās zusammen mit dem „Imam” Ibrāhīm in Harran im Gefängnis umgekommen sein[152].

Die anonyme Chronik von Zuqnin erwähnt eine „Familie” von ʿAbbās in den Auseinandersetzungen nach dem Tode Hišāms (TL 724-743):

„Im Jahre 1057 (745/746) kam Marwân aus dem Lande der Türken[153]. So steht es geschrieben bei Jeremia[154]… Genau das geschah den Arabern, denn Brüder und Vettern fielen über den Stein des Anstoßes des Vorrangs: Die der Familie des ʿAbbas und die der Familie des Hischâm, die Söhne von Walîd und die der Familie von Marwân, die sind Brüder und Vettern, Nachbarn und Freunde, fielen einer über den anderen und gingen zugrunde; und sie richteten Männer in großer Zahl mit ihnen zugrunde. Jeremia sagte auch vom Feldzug Marwâns[155]… Als Marwân auszog, setzte er im Zwei­stromland und überall wo er Zustimmung fand, Statthalter in allen Orten ein, sogar in Mossul. Und er sammelte ein zahlreiches Heer und rückte vor, mit Arbeitern und Technikern, (dem Feind) Einhalt gebietend, und er zog nach Westen gegen die Anhänger von ʿAbbas. Yazîd, der Walîd getötet hatte, starb nach sechs Monaten (der Herrschaft), und Ibrahîm, sein Bruder, nahm seinen Platz ein. Als er erfuhr, dass Marwân den Euphrat überschritten hatte, dass er ein zahlreiches Heer mit sich führte, und dass das Zweistromland sich ihm ebenfalls angeschlossen hatte, zitterte er vor ihm[156] … Und er schickte ihm zunächst entgegen Nawʿim, Sohn des Thâbit[157], mit einem zahl­reichen Heer. Man sagt von diesem, dass er 70 Söhne hatte. Und als sie sich einander angenähert hatten, und das Hand­gemenge begann, wurde das gesamte Heer Thâbits getötet und in die Flucht geschla­gen. Und als die Anhänger von Ibrahîm gewahr wurden, dass (Marwân) sie im ersten Treffen besiegt hatte, bekamen sie Angst. Und sie sammelten unzählbare Scharen und sie sammelten selbst das Landvolk damit es mitkämpfe. Und als sie sich einander genähert hatten, schlugen sie in ‘Ain-Gara[158] Lager auf. Und als sie sich miteinander zahlreiche Gefechte geliefert hatten und auf beiden Seiten Zahllose gefallen wa­ren, besiegte sie schließlich Marwân und schlug sie in die Flucht. Und Ibrahîm und seine Brüder zogen sich zurück, und ebenso Soleyman, Sohn von Hischâm. Die Welt hatte keine solche Schlacht gesehen, und das Blut wurde an keinem anderen Ort so vergossen wie dort. Auch vom Landvolk wurden 5.000 getötet. Als Marwân gesiegt hatte, belagerte er Emesa, er nahm sie im Sturm und zerstörte ihre Mauer. Er zog auch Yazîd aus seiner Gruft und kreuzigte ihn Kopf über auf einem Holz. Und von einem gewissen Juden nahm er 400.000 Goldstücke.”[159]

Vergleicht man diese Schilderung um die Schlacht bei ‘Ayn al-Ǧarr mit der im Ṭabarī[160], so bemerkt man, dass alle vom Zuqniner Chronisten genann­ten Personen auch im Ṭabarī auftreten, dazu einige mehr, nur der Name ʿAbbās wird nicht genannt. Der Zuqniner Chronist hat etwas überliefert, das zur Zeit des Ṭabarī aus der arabischen Traditionsliteratur bereits wieder verschwunden war: Die Mitwirkung des ʿAbbās und seiner „Familie” in den Unruhen nach dem Tode Hišāms.

Neben diesem negativen Hinweis gibt es im Ṭabarī auch positive Hin­weise. Unter den Anekdoten über Hišām (TL 724-743) nach dessen Tode wird folgende Geschichte erzählt:

„Keiner der Marwāniden (Banū Marwān) bezog eine Heeresver­gü­tung, es sei denn, sie mußten ins Feld. Einige taten das selbst und andere stellten einen Ersatzmann. Hišām ibn ‘Abd al-Malik hatte einen Freigelassenen (Mawlā) namens Yaʿqūb, der gewöhnlich Hišāms Vergütung in Höhe von 201 Dinaren empfing, denn er bekam einen Dinar mehr. Yaʿqūb pflegte das Geld zu nehmen und auszurücken. Die Marwāniden zogen es vor, als Dīwān-Wachen Dienst zu tun und gaben sich gegenseitig andere Posten, die es ihnen ermöglichten, Dienst zu tun und die sie von der Verpflichtung der Heeresfolge entbanden. Dāwūd und ʿĪsā, die zwei Söhne von ʿAlī ibn ʿAbdallāh ibn ʿAbbās durch dieselbe Mutter, dienten als Wachen für Ḫālid ibn ʿAbdallāh[161] im Osten, in Irak. Sie leisteten ihm Gesell­schaft und er gab ihnen Geld. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte er sie nicht festsetzen können[162]. Ḫālid machte sie zu Wachen und sie verbrachten die Nächte damit, sich mit ihm zu unterhalten und ihn in ihre Unterhaltungen einzubeziehen.”[163]

Wenig später ist Ḫālid Gefangener Walīds (TL 743-744) und gibt ein (gewiss literarisches) Bekenntnis zu den Abbasiden ab[164]. Möglicherweise soll die Anekdote diese Gesinnung mit den nächtlichen Unterhaltungen erklären. Für uns ist aber eine andere Aussage wichtiger: Die Söhne des Abbasiden ʿAlī werden hier als Marwāniden dargestellt. Sie sind keine Pri­vat­leute, auch keine aufgrund ihrer hehren quraišitischen Abkunft bevor­rechtigten Haschemiten (ʿAlīden oder Abbasiden), sondern ganz gewöhn­licher Teil der militärisch-politischen Hofgesellschaft.

Ein weiterer Hinweis findet sich in der abbasidischen Hausüber­lie­fe­rung, dem Aḫbār al-Dawla al-ʿAbbāsīya. In der zusammenfassenden Dar­stellung von Sharon bricht Muḥammad ibn ʿAlī nach dem schicksal­haften Besuch des als wandernden Parfümhändler getarnten Verschwörers Bukayr nach Damaskus auf, vorgeblich, um dort, „wie es seine Gewohnheit war”, an einer ṣāʾifa gegen die Byzantiner teilzunehmen[165]. Diese Geschichte, die sich um 720 zugetragen haben soll, stellt auch Muḥammad ibn ʿAlī, den laut Überlieferung zurückgezogen lebenden geheimen „Imam”, als Krieger und Mitglied der Hofgesellschaft dar. Genau dies aber war die Stellung des ʿAbbās, Sohn des Herrschers Walīd (TL 705-715), lebenslanger Feldherr und Berater von Königen, sowie seiner Verwandten.

Infolge einer durchaus ungewöhnlichen Gunst der Überlieferung können wir an dieser Stelle aufhören, mühsam weitere Hinweise aus der Traditions­literatur herauszuziehen. Es gibt eine zwar späte aber keineswegs unzuver­lässige syrische Chronik, die sich eindeutig zur Herkunft der Abbasiden einläßt. In der anonymen Chronik auf das Jahr 1234 heißt es:

„Im Jahre 1054 der Griechen (742/743) starb Hâshim der König der Araber. Nach ihm übernahm Walīd, der Sohn von Iazîd, die Herrschaft (über) die Araber. Kaum zur Herrschaft gelangt, fing dieser damit an, den Familienangehörigen des Hâshim, seinen Regis­ter­­­beamten wie auch seinen Kämmerern mit schlimmen Behand­lungen und Quälereien sowie durch Plünderung ihrer Häuser übel zuzusetzen. An die Spitze der gesamten Verwaltung seines Reiches setzte er Abbas, den Sohn des Walīd. Dieser Abbas ist es, nach dem die, die in Bagdad heute noch herrschen, den Namen führen und „abbasidische Kalifen” genannt werden. Von ihm haben sie nämlich diesen Namen, und nicht, wie ahnungslose (unwissende) Araber glauben und meinen, sie hätten diesen Namen von Abbas, dem Onkel ihres Propheten Mohammed erhalten. Als diesem Abbas nun die Gewalt über den Staatsschatz übertragen wurde und er im goldenen Meer des Hauses Hâshim versunken war, gelüstete es ihn, auch die Herrschaft von Walīd an sich zu reißen. So zog er arglistig alle Häuptlinge der Araber auf seine Seite und besudelte Walīd mit allerlei verabscheuungswürdigen Schändlichkeiten. Dabei hatte ihm der König so vertraut wie sich selbst.”[166]

Der Chronist kennt sogar das genaue Verwandtschaftsverhältnis der Bag­dader Abbasiden zu diesem Abbas:

„Zu dieser Zeit starb Ibrahim, der in Harran gefangen und Bruder der Gewaltherrscher Iazîd und Abbâs war. Die Familienangehörigen Ibrahims aber, der in Harran gefangen war, befanden sich allesamt in Aqûla (Kûfa); denn als Ibrahim gefangen genommen wurde, flohen sie und begaben sich dorthin. Als nun Ibrahim im Gefängnis in Harran starb, machte er ein Testament, in dem er unter seinen Angehörigen das Vermächtnis seinem Bruder mütterlicherseits Abd­allah zuwandte, der den Beinamen Abu l-Abbâs führte. Dieser hielt sich zu jener Zeit in Kûfa auf. Da kamen die Khorasanier mit Abu Salma (bzw. Salama) und holten Abdallāh Abu l-Abbâs ab, denn dieser ist der erste Kalif der Abbasiden in Bagdad; sie holten ihn ab vom Ort, wo er war, und setzten ihn ein als Herrscher über sie.”[167]

Auch an anderer Stelle bezeichnet der Chronist die Abbasiden als Ange­hörige desselben Geschlechts wie die Umayyaden:

„Nachdem nun Abdallah, der Sohn des Ali, von der Verfolgung Marwans zurückgekehrt war, schlug er sein Lager in Palästina auf, in dem Ort, der Antipatris (Antipatrida) heißt. Dort suchten ihn eine Menge Omayyaden auf, siebzig Männer an der Zahl. Nachdem er ihnen zu ihrer Sicherheit (für Leib und Leben) sein Wort (dahin gehend) gegeben hatte, dass er ihnen keinen Schaden zufügen würde, und sie zudem das Vertrauen hatten, dass er zu ihrem Geschlecht gehöre, und da er sie hieß, vor ihn in die Halle zu treten, in der er sich niedergelassen hatte, da erschlug er sie (d.h. ließ er sie erschlagen) einen nach dem anderen mit Eisenstäben, schnitt ihnen die Köpfe ab und schickte sie dem Abu l-Abbâs. Er befahl ferner, dass ihr Hab und Gut geplündert und ihre Angehörigen getötet werden, wo immer man sie antreffe. Und er ließ in ganz Palästina, in Arabien und an jedem Ort nach ihnen suchen.”[168]

Diese ausdrücklichen Hinweise, dass die Abbasiden Umayyaden waren, feh­len in den anderen Chroniken, die auf Theophilus und Dionysius auf­bauen[169]. Zumindest die beiden ersten Hinweise sehen wie Einschübe aus, und es ist offensichtlich, dass der erste mit einem gewissen zeitlichen Abstand erfolgt ist, denn er spricht von der Herrschaft der Abbasiden in Bagdad, die es 762 bis 835 und dann wieder ab 892 gab; zwischendurch war die Hauptstadt in Samarra. Diese Einschübe könnten von Dionysius von Tell-Mahré (gestorben 845) oder einem späteren Bearbeiter stammen. Da Michael der Syrer, der ebenso wie der Chronist auf das Jahr 1234 auf Dionysius aufbaut, diese Stellen stark zusammengezogen hat, lässt es sich nicht entscheiden, ob die Einschübe bereits in einer gemeinsamen Vorlage der beiden Überlieferungsäste gestanden hatten oder nicht. Es sieht jeden­falls so aus, als hätte Theophilus, der vermutlich die früheste Schicht dar­stellt, weitgehend auf der Linie der Abbasiden geschrieben, in deren Dienste er als Astrologe al-Mahdīs (TL 775-785) gestanden haben soll. Sowohl Theophanes als auch Agapius geben an diesen Stellen weitgehend die Version der Traditionsliteratur wieder. Der Bearbeiter in dem Überliefe­rungsstrang, der zur Chronik auf 1234 führte, scheint somit von sich aus die Überlieferung zurechtgerückt zu haben, wenn er auch nicht so weit ging, seinen Grundtext zu ändern, in dem z.B. von „Abdallas dem Sohne ʿAlīs” die Rede ist, obwohl dieser nach seiner eigenen erklärten Meinung ein Umajade hätte sein sollen.

7.3 Die Reichskrise gemäß den Münzprägungen

Nach diesem langen Ausflug in die Geschichtsliteratur ist es an der Zeit, wieder einen Blick auf die Quellen zu tun. Ausgangspunkt für die Klärung der Fragen um die abbasidische Wende muss der von Popp in „Von Ugarit nach Samarra” anhand der Münzprägungen gewiesene Weg sein. Bereits unter ʿAbd al-Malik (TL 685-705) wurde ab 698 (Gold) und 699 (Silber) anonym geprägt, ohne eigenes Bildnis (auch dieses kann in Gestalt des Sassanidischen Herrschertypus anonym sein) und ohne Name des Herrschers. Herrschernamen kommen von jetzt an nur noch spärlich in Bauinschiften, auf Kupfermünzen, Bleibullen oder amtlichen Glasgewichten vor. Mit dem Tode Hišāms (TL 724-743) verschwinden auch diese Zeug­nisse der persönlichen Herrschaft. Die Herrschaft der Nachfolger Hišāms wird jetzt nur noch als anonyme Stellvertreterschaft, als „Kalifat”, ausgeübt.

Daneben werden in verschiedenen Reichsteilen Münzen anderer Bewe­gun­gen geprägt, ebenfalls anonym und durch abweichende Losung kennt­lich. Popp unterscheidet drei solche Bewegungen.[170] Eine geht im Namen der „Āl Muḥammad” (Leute des Muḥammad) vom iranischen Raum aus. Ihre Losung lautete: „Ich verlange keinen Lohn dafür, abgesehen von der Freundschaft unter Verwandten” (Koran 42,23). Prägungen gibt es zunächst 127 (744/745) aus Jayy und al-Taymara (Isfahan), Rayy (Teheran) und Hamadan, 128 auch aus Istakhr, Darabjīrd und Ardaschīr-Khurra in der Persis, 130 auch in Balkh, Merw und Gurgān. In Ägypten erscheinen die „Āl Muḥammad” auch auf amtlichen Glasgewichten. Nur auf Kupfermünzen sind hin und wieder Namen urkundlich: Im Jahre 127 (744/745) prägte „ʿAbd Allāh bn Muʿāwiya” in Rayy, was freilich noch kein bürgerlicher Perso­nen­name sein muß. Im Jahre 131 (748/749) prägte „Abū Muslim Amīr Āl-Muḥammad”. Auch hinter diesem besonders programmatisch klingen­den Namen muß nicht unbedingt eine geschichtliche Gestalt stehen. Wahr­scheinlich eine Nebenform dieser Bewegung sind die bereits erwähn­ten anonymen Prägungen des Jahres 128 (745/746) im Namen der „Āl Kirmānī bn ʿAlī”. Während die „Āl Muḥammad”-Prägungen ihren Schwerpunkt im nördlichen Iran haben, scheinen die ʿAlī-Bezüge aus dem Süden Irans zu stammen. Als dritte Bewegung prägen die sogenannten Ḫariǧiten 128 in Kufa und 133 in dem nicht georteten Tanbuk mit ihrem Motto „Keine Herrschaft denn von Gott”. Die Prägungen all dieser Bewegungen ver­schwin­den zugunsten der Prägungen der Zentralmacht, die sich im Zeit­raum 132-135 (749-753) beginnend mit Damaskus und Kufa über Basra, Ardashīr-Khurra, Rām-Hurmuz bis nach Surraq, Junday Šabūr und Suq al-Ahwās ausbreiten. Nach Festigung der Zentralmacht werden sogar die Prägestätten anonymisiert. Zunächst erscheint als Prägestätte „Hāšimīya”, um 771 auch „ʿAbbāsiya”. Dies ändert sich erst wieder zur Zeit von „al-Mahdī” (TL 775-785); die Bezeichnung „al-Mahdī” findet sich auf ägyptischen Glasgewichten.

Es würde nicht überraschen, wenn die Prägestätten Hāšimīya und ʿAbbāsīya ihre Namen von Königen hätten. Solche Könige hält die Tradi­tionsliteratur für diesen Zeitraum aber nicht bereit und auch sonst haben wir dafür keine Anhaltspunkte.  Wir haben aber Anhaltspunkte dafür, dass es sich um Begriffe aus der Legitimation des Herrscherhauses handelte.

Das Aḫbār al-Dawlah al-ʿAbbāsiyyah, beschreibt, wie der „Imam” Abū Hāšim ʿAbd Allāh ibn Muḥammad ibn al-Ḥanafīya um 720 dem Abba­siden-Vorfahren Muḥammad ibn ʿAlī das Imamat der Hāšimīya ein­schließ­lich der damit verbundenen Geheimgesellschaft vermacht haben soll. Diese Legende scheint zu Beginn der abbasidischen Herrschaft eine Rolle gespielt zu haben. Wahrscheinlich war sie wichtig, um eine Verbindung zu der Bewegung der Schwarzen Banner aus Khorasan und darüber hinaus zu proto-schiitischen Kreisen herzustellen. Die Benennung des Hofes als „šimīya”, (Herrschaft der Edlen) wäre geeignet gewesen, sowohl die anonyme Stellvertreterschaft des „Kalifats”, als auch die Losung der Schwaren Banner, den „al-daʿwah ilā al-riḍā min Āl Muḥammad” (Aufruf zur Wahl eines Führers aus der Gemeinschaft des Auserwählten), zu verkörpern.

7.4 Legitimierung durch Weissagung

Ein interessantes Element dieser hauptsächlich nach Iran ausgerichteten Legitimation ist die im „Testament” des „Imāms“ Abū Hāšim ʿAbd Allāh ent­­haltene Weissagung, dass einst ein Nachkomme „ʿAbdallāh Sohn der Ḥāriṯin” (al-ḥāriṯīya) zur Herrschaft kommen werde[171]. Hier scheint eine Gemein­samkeit mit einem anderen angeblichen Erben der Hāšimīya auf, ʿAbdallāh ibn Muʿāwiya. Auch dessen Mutter soll eine „Ḥāriṯin” gewesen sein[172]. Der nicht seltene Name „al-Ḥāriṯ” weist auf die Ġassāniden, auf Naǧrān, oder auf westarabische Stämme. Vor dem Hintergrund dieser Über­­lieferung von der Weissagung fällt auf, dass bereits der einzige vom Ṭabarī namentlich gemachte Sohn des ʿAbbās ibn al-Walīd ebenfalls diesen Namen „al-Ḥāriṯ” geführt haben soll. Offen bleibt, inwiefern die Legiti­ma­tion als Erbe der Hāšimīya damals bereits eine Abstammung von ʿAlī bein­haltete. Möglicherweise galt Muḥammad ibn al-Ḥanafīya damals noch nicht als ein Sohn ʿAlīs. Unabhängig von dieser Frage müssen gnostische Glau­bens­vorstellungen nach Art der Kaisānīya als der Urgrund der Hāši­mīya angesehen werden, auch wenn der Charakter der Schwarzen Banner nicht religiös, sondern politisch und sozial war und „Abū Muslim” keines­wegs als Schiit oder ʿAlī-Anhänger in die Überlieferung eingegangen ist. Der gnos­tische Urgrund ergibt sich aus der Frühgeschichte der Bewegung, die mit dem sogenannten Aufstand des al-Muḫtār in Kufa (TL 684-686) verbunden ist. Vielleicht sollte man die Tatsache stärker beachten, dass sich diese Endzeitbewegung kurz vor dem Jahr 1000 der seleukidischen Ära bildete, und sich somit noch nicht an den arabischen Jahrhunderten aus­richtete. Al-Muḫtār soll gelehrt haben, dass Muḥammad ibn al-Ḥanafīya Bevollmäch­tigter (waṣī) ʿAlīs gewesen sei[173]. Dem „Imām” Muḥammad al-Ḥanafīya selbst wurde eine arabische Stammesbezeichnung zugewiesen. Dies deutet darauf hin, dass man sich das proto-schiitische Milieu der Hāšimīya keineswegs als „iranisch” im Gegensatz zu „arabisch” denken darf. Die Unmöglichkeit, iranisches und arabisches Erbe in dieser gnostischen Bewegung (wie auch in Khorasan) zu sondern, tritt als ein wichtiges Nebenergebnis dieser Untersuchung deutlich zu Tage. Wir werden unten noch mehr Hinweise auf die alte und enge Verflechtung dieser Traditionen finden.

Die zunächst verbreitete Legitimation der Abbasiden als Erben der proto-schiitischen Hāšimīya wurde später abgelöst von einer Legitimation durch die Verwandtschaft mit dem arabischen Propheten. Agha vermutet, dass diese Neuausrichtung in die Zeit „al-Mahdīs” (TL 775-785) fiel und mög­licherweise von Abū Hurairah, dem geistigen Vater der Hurairīya oder Rāwandīya, einer Unterabteilung der Hāšimīya, gestaltet wurde[174]. Ergebnis war, dass der arabische Prophet seinen angeblichen Vaterbruder und gleich­zeitig Abbasiden-Vorfahren „ʿAbbās” unmittelbar zu seinem Erben und Nachfolger eingesetzt haben soll. Dies würde dazu passen, dass 771 eine neue Prägestätte und gedachte Hauptstadt „ʿAbbāsīya” bekanntgemacht wurde. Vermutlich beinhaltete dies bereits, dass ein Stammbaum konstru­iert wurde, der sowohl das Geschlecht der Abbasiden als auch den ara­bi­schen Propheten umfasste. Ob ʿAlī hierin schon vorkam, muß offen bleiben. Dieser Schritt wurde vermutlich erst getan, als ʿAlī und Muḥammad zu „Brüdern” im Sinne der Münzprägung von 776/777 erklärt wurden (hierzu unten mehr). Der Kampf der „ʿAbbāsiden” gegen die „Marwāniden” scheint somit geschichtlich zu sein, die unterschiedliche Legitimation dieser beiden Zweige der Umayyaden war lediglich ein theologisch-juristischer Überbau.

  1. Neuanfang durch Umwertung

Die Geschichte der Assassinen[175] überliefert eine merkwürdige Begebenheit, die beispielhaft zeigt, was damals an Umdeutungen möglich oder denkbar erschien:

„Am 17. Tag des Ramadan des Jahres 559 (8. August 1164), als die Jungfrau am Gesichtskreis aufstieg und die Sonne im Krebs stand, befahl Hasan die Errichtung eines Hochsitzes im Hofe von Alamut, mit der Blickrichtung nach Westen, mit vier großen Fahnen in vier Farben, weiß, rot, gelb und grün an den vier Ecken. Die Leute aus den verschiedenen Gegenden, die er vorher nach Alamut befohlen hat­te, hatten sich im Hof versammelt – diejenigen aus dem Osten an der rechten Seite, die aus dem Westen an der linken Seite, und die aus dem Norden, aus Rudbar und Dailam, vorne, gegen dem Hochsitz über. Da der Hochsitz nach Westen wies, standen die Versammelten mit dem Rücken gen Mekka[176]. ‚Dann’, so heißt es in einer ismaelitischen Abhandlung, ‚kam gegen Mittag der Herr (Hasan), Friede seinem Namen, in weißem Gewand und weißem Turban von der Burg herunter, näherte sich dem Hochsitz von der rechten Seite und schritt in vollendeter Weise hinauf. Dreimal äu­ßerte er Begrüßungen, zunächst an die Dailamiten, dann an die zu seiner Rechten, schließlich an die auf der Linken. Er setzte sich, nur um gleich wieder aufzustehen und sprach, sein Schwert haltend, mit lauter Stimme’. Indem er sich an ‚die Einwohner der Welten, Geister (Djinn), Menschen und Engel’ wandte, verkündete er, dass ihn eine Botschaft des verborgenen Imams erreicht habe, mit neuer Weisung. ‚Der Imam der Zeit hat euch seinen Segen geschickt und sein Wohl­wollen, und hat euch seine besonderen ausgewählten Diener ge­nannt. Er hat euch von der Last der Vorschriften des Heiligen Gesetzes befreit[177], und euch die Wiederauferstehung gebracht.’ Des weiteren hat der Imam Hasan, den Sohn des Muhammad, des Soh­nes des Buzurgumid, zu ‚unserem Stellvertreter, da’i und Beweis er­nannt. Unsereiner muß gehorchen und ihm sowohl in Glaubens- als auch in weltlichen Dingen folgen, seine Befehle als bindend aner­kennen, und wissen, dass sein Wort unser Wort ist.’ Nach Been­digung seiner Ansprache stieg Hasan vom Hochsitz und streckte sich zweimal in der Art des feierlichen Gebets nieder. Dann, nachdem ein Tisch gedeckt worden war, lud er sie ein, das Fasten zu brechen, gemeinsam zu Tafeln und fröhlich zu sein. Botschafter wurden aus­gesandt, um die Frohe Kunde nach Ost und West zu tragen. [178]

So fasst Bernard Lewis, aus mehreren Überlieferungen schöpfend, das Ge­schehen dieses Tages zusammen[179]. Nach seinem öffentlichen Auftritt soll Ḥasan Schriften in Umlauf gebracht haben, mit denen er bekanntmachte, dass er zwar äußerlich als Enkel des Buzurgumid bekannt, in der geistigen Wirklichkeit aber der Imam der Zeit sei, und der Sohn des vorigen Imams, aus der Nachkommenschaft des Nizar[180]. Lewis gibt zu bedenken, dass hier­mit vielleicht nur eine geistige Abstammung gemeint gewesen sei, wofür es Bei­spiele gebe, gleichwohl sei sich die spätere ismaelitische Überlieferung ei­nig, dass Ḥasan und seine Nachfolger im Wege der Vertauschung von Kindern echte Nachkommen des Nizār seien, auch wenn es über den ge­nauen Hergang der Vertauschung unter­schiedliche Versionen gibt.

Was hier an einem späten Beispiel geschildert wird, scheint sich in der Geschichte des arabischen Reiches wiederholt ereignet zu haben:

Eine erste Umwertung war mit der Verordnung einer Gebetsrichtung verbunden. Das christliche Gebet war eine persönliche Handlung, die als solche keine bestimmte Richtung kannte, schon gar nicht in der Öffent­lichkeit. Christliche Kirchen waren in dieser Zeit allerdings vorzugsweise nach Osten ausgerichtet, und dies mag dazu beigetragen haben, dass christliche Syrer sich beim Gebet unabhängig von ihrem Standort nach Osten ausrichteten. Juden hingegen beteten frühzeitig in Richtung von Jerusalem[181], Mandäer nach Norden[182]. Es ist nicht bekannt, wie die Araber Muʿāwiyas gebetet haben, doch wird mit dem Herrschaftsantritt ʿAbd al-Maliks (TL 685-705) eine von christlichen Syrern und Juden abweichende Gebetsrichtung nach Süden offenbar, wenn sie nicht damals erst eingeführt wurde. Einer der frühesten Belege dürfte die nach Süden ausgerichtete Ge­bets­nische in der Höhle unter dem Felsendom sein, der von ʿAbd al-Malik laut der ursprünglichen Inschrift im Jahre 72 (691-94) errichtet wurde, wenn denn die Höhle mit Nische auch aus dieser Zeit stammen sollte[183]. Viel­leicht stammt auch die (geringfügige) Hervorhebung des Südportals aus der Errichtungszeit. Der Felsendom selbst ist ebenso wie die Al-Aqsa-Moschee an der West- und Südmauer des früheren jüdischen Tempel­be­zirks ausgerichtet, die einen Winkel von fast 90° bilden[184]. Die von ʿAbd al-Maliks Nachfolger al-Walīd (TL 705-715) errichtete Umayyadenmoschee in Damaskus ist gleichfalls nach Süden ausgerichtet. Die Qiblawand dieses Gebäudes enthält Teile der Mauer des Bezirks des ehemaligen Jupiter­tem­pels[185]. Besonders aufschlußreich ist die Hauptmoschee Hišāms (TL 724-43) in Rusafa. Diese ist im rechten Winkel an die Sergioskirche ange­baut und über zwei Durchgänge mit ihr verbunden[186]. In allen drei Fällen musste die neue Gebetsrichtung wegen des Bezugs zu älteren religiösen Ge­bäu­den beson­ders auffallen, war aber von deren Ausrichtung keineswegs unab­hängig[187]. Wer mit dem Herrscher betete, tat dies hinfort in auffällig anderer Weise als Juden und Christen. Von nun an führte kein Weg mehr von der christlichen Art, die Dinge zu tun, zu der arabischen. Es musste alles anders werden. Hier Kirchenoberhäupter, Klöster und Askese, dort Charisma, Weltlichkeit und Kriegerethos. Die verordnete Gebetsrichtung scheint zu­nächst lediglich der Süden gewesen zu sein, nach yaman[188], was auch nach rechts heißt[189].

Eine zweite Umwertung war mit der Herausbildung der abbasidischen Legitimation verbunden. Um „Marwān” (TL 744-750) zu bekämpfen, wurde die klassische Königsherrschaft der Umayyaden als solche bekämpft. In einem Vorgang, in dem vieles, vor allem äußerlich Sichtbares, nach Art der „Mosaischen Inversion” ins Gegenteil verkehrt wurde[190], wurde den Inhabern der Macht – den Abbasiden – Legitimität zugesprochen und den früheren Inhabern der Macht – den sogenannten Umayyaden bzw. Marwā­niden – Legitimität abgesprochen. Dieser Gegensatz durchzieht die gesamte arabische Traditionsliteratur. Das Aḫbār al-Dawla al-ʿAbbāsīya hat die Umwertung – die „Dawla” – in gültiger Weise für die Nachwelt zu Papier gebracht.

In einer dritten Umwertung übertrug sich die so gepflegte Feindschaft in abgeschwächter Form auf den Gegensatz ʿAlīden-Abbasiden. Die Abbasiden rückten dabei in die Nähe zu den als Tyrannen dargestellten Umayyaden. In dieser Phase muß sich der Kreis der Umwerter vom Herrscher und seiner Umgebung abgelöst haben. Das erkennt man nicht zuletzt daran, dass Aus­sagen der Traditionsliteratur, in denen es um Legitimität geht, ganz über­wiegend aus ʿalīdischer Sicht dargestellt werden und vermutlich auch aus ʿalīdischer Feder stammen. Diesen Kreis, der das neue Weltbild gestaltete, kann man versuchen namhaft zu machen. Mūsā ibn Ǧaʿfar, der Vater ʿAlī al-Riḍās, muß in ihm eine Rolle gespielt haben. Die Tatsache, dass er seinen Sohn ʿAlī nannte, deutet bereits auf „ʿalīdisches” Bewußtsein hin, denn dieser Name war bei den Abbasiden sonst nicht üblich. Als Angehöriger des Herrscherhauses standen ihm bedeutende Mittel zur Verfügung. Er war auch nahe genug an der herrschenden Linie, um ernsthaft an der Erlangung weltlicher Macht zu arbeiten. Die Traditionsliteratur meldet dement­spre­chend seinen Tod im Jahre 799 aus dem Gefängnis (Hārūn al-Rašīds, TL 786-809)[191]. Nicht zuletzt führt die Rückverfolgung der zwölfer-schiitischen Tradition zu ihm. Während er und seine Söhne in vielfältiger Weise als Überlieferer genannt werden und als geschichtliche Gestalten tatsächlich da­für in Frage kommen, war sein Vater Ǧaʿfar das ideale Gefäß, um den Übergang von der Wirklichkeit in die Legende des „sechsten Imams” zu bewerkstelligen: Ein Name ohne Inhalt, ein früh verstorbener Prinz, in den die Nachwelt alles hineinlegen konnte. Die gesellschafts- und legitimitäts­bildende Kraft der Umwertung war damit noch keineswegs erschöpft, wie man an der Geschichte der Ismaeliten sehen kann, die dieses Prinzip zu weiteren Höhepunkten führten.

  1. Das Rätsel Muḥammad ibn al-Ḥanafīya

9.1 Zweimal „Muḥammad“

Als al-Muḫtār[192] laut Traditionsliteratur um 684-686 in Kufa die Feinde Gottes verfolgte und zum Gründer der gnostisch-schiitischen Kaisanija wurde, tat er dies im Namen des „Muḥammad ibn al-Ḥanafīya”. Dieser Name vereint zwei bedeutsame Glaubensvorstellungen: Den des „Muḥam­mad”, des zu lobpreisenden oder auserwählten Jesus Christus, und den des „Ḥanīfen”, des „Heiden”, der in der Art Abrahams an den einen Gott glaubte. Die Traditionsliteratur liefert eine genealogische Erklärung seines Namens: Muḥammad ibn al-Ḥanafīya soll ein Sohn ʿAlīs und der Ḫaula gewesen sein, die aus dem Stamme der Banū Ḥanīfa als Kriegsgefangene in den Besitz ʿAlīs gekommen sein soll. Die Banū Ḥanīfa hatten ihren Namen angeblich von einem Ḥanīfa ibn Luǧaim[193]. Dieser Name geht etymologisch auf dieselbe Wurzel wie der koranische Begriff des „Hanifen” zurück, der nicht nur den ursprünglichen Monotheismus Abrahams bezeichnet, son­dern im Arabischen auch die Bedeutung des Abweichens, Biegens, Hin- oder Abwendens hat[194]. Bashear hat gezeigt, dass hierunter in der Zeit des frühen Islams zum einen die Abwendung vom Christentum verstanden wurde, zum andern die Hinwendung nach Mekka. Der für syrische Christen und auch Juden negativ belegte Begriff sei dadurch im entstehenden Islam ins Positive gewendet worden und habe u.a. die Bedeutung „Aufrecht” erhalten. Es liegt nahe, dies auf die Einführung einer Gebetsrichtung (noch nicht unbedingt nach Mekka) als unterschei­den­des Merkmal des von der Herrschaft geförderten Glaubens zu beziehen, was, wie oben dargelegt, vermutlich unter ʿAbd al-Malik geschah.

Bashear hat auf eine Reihe größerer oder kleinerer Ähnlichkeiten zwi­schen den beiden Muḥammad hingewiesen, dem Muḥammad ibn al-Ḥana­fīya und dem arabischen Propheten[195]: Beide seien von ihren Gegnern mit dem Spottnamen „Mḏmmā” gerufen worden[196]. Beide hätten die Kunya „Abū al-Qāsim” getragen. Beide hätten eine Tochter namens Fāṭima mit der Kunya „Umm Abī-hā” („Mutter ihres Vaters”) gehabt[197]. Beide hät­ten einen schwarzen Turban getragen, dasselbe getrunken (nabīḏ – vergorene Wein­trauben) und acht Rakʿa täglich gebetet[198].

Ferner weist Bashear auf die Ähnlichkeit der Lebensreise der beiden Muḥammade hin, die sich zwischen Mekka, Medina, Ṭāʾif und Ayla ab­spielt. Das Verhältnis des arabischen Propheten zu seinem Vaterbruder ʿAbbās gleiche dem Muḥammad ibn al-Ḥanafīyas zu dessen Sohn Ibn ʿAbbās, vor allem in deren Beziehungen zu Ṭāʾif. Nach der Gefangensetzung Muḥammad ibn al-Ḥanafīyas in Mekka und der Befreiung durch die Ḫašabīya sei er nach Ayla[199] in den Norden ausgewichen, um in den Macht­bereich ʿAbd al-Maliks zu gelangen. Die Überlieferungen über seinen Ein­zug in Ayla und seine Zusicherungen an die dortige Bevölkerung glichen den Überlieferungen von den Zusicherungen des arabischen Propheten für die Bewohner von Ayla nach dem Zug nach Tabuk. Ähnlich wie das Heer des arabischen Propheten sei das Heer Muḥammad ibn al-Ḥanafīyas zusam­mengeschmolzen: Von 7000 Mann blieben nur 900 übrig, nachdem er ihnen die Rückkehr anheimgestellt hatte[200]. Schließlich glichen sich die Über­lieferungen über die letzte Wallfahrt des arabischen Propheten nach Mekka und die Muḥammad ibn al-Ḥanafīyas, der zuletzt als Einsiedler gelebt habe und gleichfalls drei Monate nach seiner letzten Wallfahrt gestorben sei, und zwar in einem ähnlichen Alter von 65 Jahren[201]. Dieser Liste kann man vielleicht noch die Ähnlichkeiten in den Namen der Kinder hinzufügen[202].

Die Verflechtung mit dem Leben des al-ʿAbbās beziehungsweise des Ibn ʿAbbās, deutet auf eine Entstehung nach der abbasidische Wende des Jahres 750 hin[203]. Allerdings waren die Lebensläufe der beiden Muḥammade auch längere Zeit danach noch nicht deutlich voneinander geschieden, wie man aus den verwandten aber nicht auf dieselbe Personen bezogenen Überlie­ferungen erkennen kann. Wie wenig die in der Traditionsliteratur überlie­ferte Lebensgeschichte des Muḥammad ibn al-Ḥanafīya mit der Ereignis­geschichte zu tun hat, kann man auch daran sehen, dass der in der Tradi­tions­literatur das politische Geschehen bestimmende ʿAbdallāh ibn al-Zubair ausweislich seiner Münzprägungen gar kein Araber war, sondern ein vermutlich christlicher Machthaber der Hephtaliten („weiße Hunnen”), der ausgehend vom graeco-baktrischen Raum eine Zeitlang ʿAbd al-Malik die Herrschaft über Iran streitig gemacht hatte[204].

Der doppelte Muḥammad verlangt nach einer Erklärung. Es gibt in den Überlieferungen vom arabischen Propheten und von Muḥammad ibn al-Ḥanafīya einen gemeinsamen Kern, der an Mythen und Überlieferungen anklingt, die sehr viel älter sind. Dies ist die Überlieferung von der soge­nann­ten zweiten Huldigung in ʿAqaba und der anschließenden Flucht des ara­bischen Propheten von Mekka nach Medina. Ihre Entsprechung im Le­ben des Muḥammad ibn al-Ḥanafīya ist die Begrüßung der von al-Muḫtār entsandten Ḫašabīya in Mekka und die anschließende Befreiung Muḥam­mad ibn al-Ḥanafīyas und seiner Anhänger. Verdichtet man die Überlie­ferungen unter Hervorhebung der einander entsprechenden Merkmale, so kann man folgende Abläufe nebeneinander stellen:

In den Lebensbeschreibungen des arabischen Propheten treffen sich 72 Anṣār nächtens zum Treueeid in der Schlucht bei al-‘Aqaba außerhalb von Mekka. Dabei werden sie von al-ʿAbbās begrüßt, der wegen der Dunkelheit weder seinen Neffen Muḥammad noch die Anṣār sehen kann. Nach der Huldigung tut Satan persönlich einen Schrei von oben herab.[205] Dadurch fühlt sich ein übereifriger Anṣār aufgefordert, an Ort und Stelle mit dem Schwert gegen die Feinde vorzugehen, was der arabische Prophet mit der Begründung abwendet, das sei ihm nicht befohlen worden. Wenig später wird der arabische Prophet in Mekka in seinem eigenen Haus belagert. Dort wollen ihn die gegnerischen Quraiš auf Anraten des Teufels mit scharfen Schwertern[206] erstechen[207]. In dieser Lage setzte er sich mit Hilfe der Anṣār nach Medina ab. An den lauernden Quraiš vorbei, die ihn nicht wahr­nehmen, gelingt ihm die Flucht, wobei ʿAlī in seinen Mantel gehüllt seine Stelle einnimmt. Auf dem Weg nach Medina versteckt er sich mit Abū Bakr drei Tage lang in einer Höhle im Berge Ṯaur[208]. Diese Höhle hat zwölf Öff­nungen, die Abū Bakr mit seinem Kleid und seinem Rücken verstopft[209].

Ähnlich Muḥammad ibn al-Ḥanafīya. Dieser wird in Mekka von ‘Abd Allāh ibn al-Zubair gefangengesetzt und mit dem Feuertod bedroht[210], um seine Huldigung zu erzwingen. Im Ṭabarī wird Muḥammad ibn al-Ḥanafīya in der Umfriedung der Quelle Zamzam gefangen gehalten, bei Ibn Saʿd im eigenen Haus, um das Brennholz gestapelt ist. Im Ṭabarī gelingt es ihm, an schla­fenden Wächtern vorbei einen Hilferuf an al-Muḫtār in Kufa zu sen­den, der eintausend seiner Anhänger in kleinen Gruppen nach Mekka schickt, die erste Abteilung zählt siebzig Mann. Diese Anhänger, die Ḫašabīya, sind nur mit Holzkeulen[211] bewaffnet[212]. Bei Ibn Sa’d begrüßt Ibn ʿAbbās die von al-Muḫtār entsandten Mitglieder der Ḫašabīya, die er wegen seiner Blindheit nicht sehen kann. Nach gelungener Befreiung will ein übereifriger Anhänger an Ort und Stelle die Feinde angreifen. Die Befreier bleiben jedoch standhaft in ihrer Achtung vor dem heiligen Ort, auch als ein Rufer sie vom Berge herab herausfordert. Muḥammad ibn al-Ḥanafīya verschanzt sich mit seinen Anhängern in Minā oder in „ʿAlīs Schlucht”, nach einigen Berichten bis zum Tode al-Muḫtārs.

Diese Geschichte mag einen alten Kern haben, ähnelt sie doch der nächtlichen Gefangennahme Jesu in Gethsemane, bei der ein übereifriger Anhänger „einem Knecht des Hohepriesters” ein Ohr abschlägt. Nach Markus war Jesus zuletzt nur noch von einem Jüngling begleitet, der auf der bloßen Haut lediglich mit einer Leinwand bekleidet war. Als die Häscher ihn greifen wollten, ließ er die Leinwand fahren und floh nackt davon[213]. Ganz ähnlich entflieht der Muḥammad, während der ʿAlī in dessen Mantel gehüllt zurückbleibt. Auch sonst ist das Leiden und Getötetwerden Sache des ʿAlī und seiner Nachkommen. Smith und Raschke sahen in dem namen­losen Jüngling, der nur im Markus-Evangelium vorkommt (das Raschke für eine Überarbeitung des verlorenen gnostischen Markion-Evangeliums hielt), das in der weltlichen Hülle verborgene Geistwesen, das „Engelselbst” Jesu, nämlich Christus[214]. Der Jüngling in Weiß erscheint drei Tage später wieder am leeren Grabe. Drei Tage lang war auch ʿAlī nach Beginn der Reise des Muḥammad in Mekka zurückgeblieben, um vom arabischen Propheten verwahrte Gegenstände zurückzugeben (Karma abzutragen?). Der Tag der Trennung aber war, rechnet man vom Aufbruch aus der Höhle im Berge Ṯaur, den die Traditionsliteratur auf einen Montag legt,  zurück – ein Freitag. Es ist auffällig, dass die Traditionsliteratur es vermeidet, diesen Tag genau zu bezeichnen[215]. Hervorgehoben wird die Ankunft in Medina, deren Datierung auf einen Montag oder Freitag von kalendarischen Rücksichten zeugt[216]. Man muss vermuten, dass der Tag der Abreise aus Mekka wegen seiner allzugroßen Nähe zum christlichen Karfreitag unkenntlich gemacht wurde. Aus demselben Grund ist auch nicht mehr bewusst, dass der Kar­freitag Ursprung des islamischen öffentlichen Freitagsgebets war[217].

Selbst der Schrei findet sich bereits in den Evangelien. Wenn Raschke richtig gesehen hat, so ist der Hahn, dessen Schreien das Leugnen des Petrus begleitet, das Tier des Sonnengottes. Raschke rückt auch Petrus selbst in diesen Zusammenhang, wärmt er sich doch während des Verhörs im Hofe des Hohepriesters an der Glut eines Feuers. Die Magd, die ihn dort als einen der Galiläer erkennt, bringt Raschke mit der Mondgöttin in Verbindung; schließlich handelt es sich nicht nur um die Nacht auf Freitag, sondern auch um eine Vollmondnacht. Bei der Kreuzigung am folgenden Tag hingegen wurde es finster[218].

Der Schlaf der Jünger in Gethsemane hat seine Entsprechung im ver­geblichen Wachen der Quraiš in Mekka. Es spielt keine Rolle, dass in Gethsemane die Anhänger und in Mekka die Feinde die entscheidende Stun­de verpassen. Das Motiv ist in beiden Fällen das Entweichen des Göttlichen aus der irdischen Hülle, das sie nicht verhindern können.

Was bei Markion oder Markus der Tod des menschlichen Jesus und das Entweichen des göttlichen Christus sind, findet sich mehrere Jahrhunderte später in der Traditionsliteratur in zahlreichen Versionen als Tod des ʿAlī oder des al-Ḥusain und das Entweichen des Muḥammad. Angesichts der zentralen Bedeutung dieser Glaubensberichte für ihre jeweiligen Gemeinden wird deutlich, dass es ihnen um das treffende gnostische Verständnis dieses Dualismus ging, nicht um die Überlieferung einzelner frommer oder geschichtlicher Tatsachen. Die Historisierung hatte sowohl im Abend- als auch im Morgenland nicht zuletzt die Funktion, das Kontinuum der Glau­bensinhalte abzuschneiden und durch die Behauptung eines geschichtlichen Ur­sprungs die Verwandtschaft mit anderen Glaubensvorstellungen zu leugnen.

Der Mythos vom arabischen Propheten ist noch in eine andere Richtung zu erforschen. Denn das Geschehen um den Muḥammad in Mekka gleicht nicht nur der Gefangennahme Jesu in Gethsemane, sondern auch dem mandäischen Erlösermythos. Diesen fasst Kurt Rudolph, aus allen Quellen schöpfend, wie folgt zusammen:

„Als Erlöser, Bote, Helfer, Gesandter fungieren Hibil, Šitil, Anōš, Jāwar und vornehmlich Mandā ḏHaijê, wozu aber noch andere Ge­stalten und Begriffe treten können (meist symbolisch für die genann­ten Boten), zusammengefasst ist der gemeinsame Name für alle „der (fremde) Mann”, der hierher (in die Welt – Finsternis) gekommen ist. Seine Aufgabe hat den eigentlichern Sinn, die Seelen zu sammeln, also die in die Finsternis – Welt seit Urzeit gefallenen „Lichtfunken” zurück in das Lichtreich zu holen und so das Weltende herbei­zufüh­ren. Das Werk beginnt in der Urzeit und läuft durch Zeiten und Gene­rationen; deshalb wandert der „Mann” (gabrā) durch die Zeiten unter verschiedenen Gestalten und Namen, aber immer ist er der „Löser” oder „Gesandte”, der die gleiche Aufgabe hat und in mythischer Unbestimmtheit da ist. Diese Vorstellung hat sachliche und terminologische Berührungen mit dem wandernden „wahren Propheten” (syr. nabiā dašrārā, aram. nbiā ḏkusṭā/ḏsrārā, mand. slīhā kusṭānā/nbiāa ḏkušṭā) der Pseudoclementinen bzw. Ebioniten oder der „Christologie” der Elchasaiten, wenn auch die Lehre hier in festen Formen und Begriffen dargestellt ist. Nun erleidet aber der Bote bei seinem Kommen und Aufsteigen das gleiche Schicksal wie die Einzelseele, die es zu erlösen gilt: das Sich-begeben unter die Weltmächte und ihr Treiben. Dabei ist er unsichtbar für die böse Welt (er kleidet sich in ihr Gewand: Tarnkappenmotiv) und schlägt eine Bresche in die Mauer, die das Pleroma (Lichtwelt) von der irdischen Welt trennt, bzw. in die Burg der Planeten, um so die „Gefangenen” (Seelen) zu befreien. Diese Tat ist aber zugleich eine Selbsterlösung des Erlösers, da er und die Seelen, die in der Urzeit in die Finsternis fielen (in Adam und seinen Nachkommen) wie der Erlöser jetzt, letztlich identisch sind und einen Teil der himmlischen Welt bilden. Diese Idee des „erlösten Erlösers” ist eine der Grund­vorstellungen der Gnosis und umschreibt in nuce ihre dramatische Heilslehre, die besonders im Manichäismus in vollausgebildeter Form zutage tritt.”[219]

Muḥammad wird auf seiner Flucht von Abū Bakr begleitet, der außer seinem eigentlichen Namen ʿAbdallāh den Zunamen ‘Atiq trägt („der Befreite / Gerettete”)[220].

Im Ṭabarī wird beschrieben, wie bei der Befreiung Muḥammad ibn al-Ḥanafīyas und seiner Begleiter (gefangene Seelen?) die hölzernen Riegel von Zamzam zerbrochen werden. Eine Quelle bzw. ein Kultteich mit „lebendem Wasser” (meist aus einem nahen Fluß abgeleitet) aber war fester Bestandteil eines mandäischen Heiligtums. Dieses war mit einer Einfriedung umgeben. In dieser stand auch eine Kulthütte, die maskna. Dieses Wort ist offenbar vom alttestamentlichen „miskan” abgeleitet, der Stiftshütte[221]. Der Ausdruck maskna ist dem Namen Mekka nicht unähnlich, und tatsächlich begegnet dieser Name außerhalb der Traditionsliteratur[222] zuerst im mandäischen Siedlungsraum: Sieben Jahre nach der Gefangensetzung Muḥammad ibn  al-Ḥanafīyas schildert der Ṭabarī das Ende ʿAbdallāh ibn al-Zubairs in „Macca”[223]. In der lateinischen Chronik auf 754 wird dies folgendermaßen beschrieben:

„Zu dieser Zeit, in der Ära 720[224], im zehnten Jahr seiner Herrschaft, im sechsundsechzigsten der Araber, gelang Abdilmelic auf den Gipfel der Macht und regierte zwanzig Jahre. Dieser verfolgte den Gegenspieler seines Vaters und tötete ihn in Macca, Abrahams, wie sie selbst sagen, Haus, zwischen Ur (der Stadt) der Chaldäer und Carras (der Stadt) Mesopotamiens, durch einen Heerführer, den er zu diesem Zweck entsandt hatte. Dadurch setzte er dem Bürgerkrieg geschickt kämpfend ein Ende.”[225]

Dieses „Macca” wurde vom Chronisten also im Zweistromland angesiedelt, und zwar in der Nähe des südlichen Sumpflands[226], dem späteren Rück­zugsgebiet der Mandäer. Dort siedelt die Traditionsliteratur auch den Ort der Ḫāriǧiten („die Ausgezogenen”) mit Namen „Ḥarūrāʾ” (Höhlen / Erdspalten) an[227]. Die zahlreichen Geschichten im Leben des arabischen Propheten, in denen davon die Rede ist, dass aus ihrer Gemeinschaft „Ausgezogene” in Schluchten und Felspalten bei Mekka lebten, könnten von hierher in das heutige Mekka übertragen worden sein. Man muss somit in Erwägung ziehen, dass Mekka mit seiner Quelle „Zamzam”[228] ursprüng­lich ein mandäisches Heiligtum war. Auch auf dem Grund der Moschee von Medina soll es ursprünglich eine Quelle gegeben haben[229]. Somit mag auch von den „Imamen der Zeit” nach der Art Muḥammad ibn al-Ḥanafīyas eine Traditionslinie zurück zu den „Erlösern” oder „Gesandten” der Mandäer führen, die durch alle Zeitalter und Generationen hindurch unter verschie­denen Gestalten und Namen wirkten[230].

Dies sind bedeutsame Ähnlichkeiten. Allerdings verhält es sich mit ihnen so wie mit den bereits früher angeführten mandäischen Vorstel­lun­gen: Versucht man diese Spuren weiter zu verfolgen, so gestaltet sich die Suche nach Zwischenstufen schwierig. Das kann daran liegen, dass die ima­mitische Tradition des Islams aus einer Gnosis stammte, die mit der mandä­ischen nur entfernt verwandt war. Das kann aber auch daran liegen, dass die Tradition der letzten eintausend Jahre – von beiden Seiten – von einer solchen Verwandtschaft nichts wissen wollte und deutlichere Hinweise im Laufe der Jahrhunderte ausgemerzt und verfremdet wurden. Diese Möglichkeit muß dazu anhalten, den durchaus vorhandenden Spuren mit besonderer Sorgfalt nachzugehen.

9.2 Muḥammad der „Zuteiler“

Der Erlöser, der selbst der Erlösung bedürftig ist, ist nicht nur ein man­däisches Motiv. Dieser Gedanke findet sich auch in den frühen Muḥam­mad-Felsinschriften, die Nevo im Negev gesammelt hat. Auffallend oft bittet der Autor der Inschrift nicht nur für sich selbst, sondern auch für „Muḥammad”[231].

Eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Muḥammade, diesmal eher christlicher Art, liegt darin, dass sowohl der arabische Prophet als auch Muḥammad ibn al-Ḥanafīya die Kunya „Abū al-Qāsim” trugen, „Vater des Teilens / der Zuteiler”[232]. Dieser Name hat eschatologische Bedeutung: Jesus teilt am Ende der Zeit den wiederauferstandenen Menschen ihr von Gott zugedachtes jenseitiges Schicksal zu. Die zwölfer-schiitische Traditions­literatur wies auch dem letzten „Imām“, Muḥammad al-Mahdī, diese Kunya zu[233]. Im Wege der Historisierung wurde dieser Name auf einen früh ver­stor­benen Sohn des arabischen Propheten mit Namen „Qāsim” bezogen, von dem nichts weiter überliefert ist[234]. Auch beim angeblichen Sohn „Qāsim” des Muḥammad ibn  al-Ḥanafīya scheint es sich lediglich um einen Rückschluß aus der Kunya zu handeln. Es liegt aber nahe, diese Kunya mit der aufrecht stehenden Figur mit Richtschwert in Verbindung zu bringen, die auf Münzen ʿAbd al-Maliks zu sehen ist. Diese war keine christliche Jesus-Darstellung im byzantinischen Sinne, sondern wurde offenbar aus iranischen Engeldarstellungen entwickelt[235]. Auch der zwölfte Imam wird am Ende der Zeit mit dem Schwert erscheinen.

Somit kommt ein „Muḥammad Abū al-Qāsim” in der Traditions­lite­ratur zweimal vor[236]. Dies ist nur möglich, wenn diese Gestalt eine längere Entstehungsgeschichte hatte, in deren Verlauf ihre Wiederer­kenn­barkeit verlorengegangen war, oder wenn unterschiedliche Teile der Bevöl­kerung unterschiedliche Vorstellungen pflegten. Beides scheint hier der Fall gewe­sen zu sein. Während wir über den arabischen Propheten durch die Tradi­tionsliteratur (vordergründig) gut unterrichtet sind, wissen wir über den Imam des al-Muḫtār fast gar nichts, und selbst das wenige, das wir unter Entfernung späterer Schichten herausarbeiten können, scheint zu­nächst in eine ganz andere, mittlerweile aber nicht mehr unbekannte Rich­tung zu führen: Der Häresiograph al-Qummī (TL: vor 905 verfasst) berich­tet über die Kaisāniten und die Verehrung Muḥammad ibn al-Ḥanafīyas als Mahdī:

„Eine ihrer Untergruppen behauptet, es gebe vier Enkel (sib, plural asbāṭ) – sie meinen damit die Imame –, durch die werde die Schöpfung mit Regen getränkt, der Feind bekämpft, der Beweis (ḥuǧǧa) offenbart, der Irrtum abgetötet. Wer ihnen folge, der komme ans Ziel, wer hinter ihnen zurückbleibe, werde vernichtet … Auch die Anhänger des Ibn Harb lehrten, die Enkel seien vier an der Zahl, nämlich die Imame; sie seien sicher vor der Zwietracht durch den (bösen) Vorsatz, Fehltritt und Versehen. Der eine sei der Enkel von Glauben und Sicherheit, nämlich ʿAlī; ein anderer der Enkel von Licht und Paradies (tasnīm), nämlich al-Ḥasan; einer der Enkel von Beweis (ḥuǧǧa) und Katastrophe, nämlich al-Ḥusain, und (schließ­lich) ein Enkel, der werde die Ursachen darlegen, auf den Wolken reiten[237], die Winde wehen lassen, die Wasserflut (heran)bla­sen, das Tor des Dammes verrammeln, den nötigen Richtspruch fäl­len und bis zur siebten Erde vordringen; er werde sich dem Recht nahen und sich vom Unrecht fernhalten; der sei der erwartete Mahdī, Muḥam­mad, der Sohn ʿAlīs und der Ḥanafitin, der Imām der Wahrheit … Dass die Enkel vier an der Zahl seien, begründeten sie mit folgender Erklärung: „Macht, Ruhm, Ehre und Prophetentum besaßen von den Nachkommen Jakobs, des Sohnes Isaaks, nur vier, die übrigen wurden (lediglich) durch sie zu „Enkeln”. Sie selbst waren Propheten und Könige, während die übrigen nur durch sie Macht besaßen. Es waren dies Levi, Juda, Joseph und Benjamin; die übrigen wurden „Enkel” (nur) durch den Ruhm ihrer Brüder … “[238]

Und Pseudo-Nāšiʾ[239] berichtet über die Lehre des ‘Abdallāh ibn Ḥarb:

„Er behauptete, ʿAlī und diejenigen seiner Nachkommen, denen er das Imamat zuerkannte, seien Götter (āliha); der Heilige Geist (rūḥ al-qudus) sei im Propheten gewesen, dann aber auf ʿAlī, dann auf al- Ḥasan, al-Ḥusain, Muḥammad ibn ʿAlī (=Muḥammad ibn al-Hana­fija), Abū Hāšim und dann auf ʿAbdallāh ibn Muʿāwiya überge­gangen; der heilige Geist sei, entsprechend der Lehre der Christen, urewig (qadīma) und werde nie aufhören (zu existieren). Er argumentierte mit einer Tradition, die uns die Überlieferer aufgrund der Autorität des ʿAbdallāh ibn Mūsā al-Kūfī nach Ḫalaf al-Azdī nach Harmala al-Ḍabbī nach Ǧumaiʿ ibn ‘Umair tradiert haben: „Ich fragte ‘Ā’iša (die Frau des Propheten): „Welcher Mensch war dem Propheten am liebsten?” Da sagte sie: „ʿAlī ibn Abī Ṭālib! Was könnte ihm diesen Rang streitig machen? Habe ich doch selbst gesehen, wie der Geist – oder die Seele – des Propheten (aus diesem) herauskam und wie ʿAlī ihn entgegennahm und in seinen Mund tat!” So behaupten sie, jener Geist, den ʿAlī in seinen Mund getan habe, sei Göttlichkeit (lāhūtīya) gewesen, die im Propheten gewesen sei und mit der er die Wunderzeichen getan und den Menschen die verbor­genen Dinge kundgetan habe, und sie behaupten es sei der Heilige Geist … Diese Gruppe behauptet, die Auferstehung sei (nichts an­deres als) das Heraustreten des Geistes aus einem Körper in einen anderen; seien die Geister gehorsam gewesen, so würden sie in reine Leiber, schöne Gestalten und ewige Wonnen versetzt; danach wür­den sie je nach dem Grad ihrer Reinheit die Stufen der Schönheit, der Heiligkeit und Wonnen durchlaufen, bis sie Engel würden und reine Lichtleiber erhielten. Seien die Geister hingegen rebellisch gewesen, so würden sie in unsaubere Leiber, entstellte Gestalten und verachtete Geschöpfe wie Hunde, Affen, Schweine, Schlangen und Skorpione versetzt. Sie sagten: „Die Paradiesgärten und die Höllen­feuer, das sind die Körper.”[240]

Wie schon beim Umm al-Kitāb finden sich die besten Parallelstellen hierzu in Schriften, die ein halbes Jahrtausend älter sind. Im Apokryphon des Johannes heißt es unter der Überschrift „Die vier Erleuchter und ihr litur­gischer Dienst”:

„Aus dem Licht, das der Gesalbte / Gute / Christus ist, und der Un­vergänglichkeit, durch die Gabe des unsichtbaren Geistes, traten seine vier großen Lichter durch den göttlichen Selbsterzeugten (Auto­genes) in Erscheinung, damit sie ihm zu Diensten stehen. Die drei sind der Wille und das ewige Leben und das Denken (Ennoia). Die vier aber sind die Gnade, die Einsicht, die Wahrnehmung und die Klugheit. Die Gnade ist bei dem ersten großen Licht, Armozel, der der Engel des ersten Äons ist. Drei Äonen sind mit ihm: die Gnade, die Wahrheit, die Gestalt. Das zweite Licht ist Oroiael, den er im zweiten Äon einsetzte, bei dem drei Äonen sind: die Vorsehung (Pronoia), die Wahrnehmung und die Erinnerung. Das dritte Licht, <Daveithe>, wurde im dritten Äon eingesetzt, bei <dem drei Äonen sind>, nämlich: die Einsicht, die Liebe und die Idee. Das vierte Licht, <Eleleth> wurde im vierten Äon eingesetzt, bei dem drei Äonen sind, nämlich: die Vollkommenheit, der Friede und die Weisheit (Sophia). Das sind die vier Lichter, die dem göttlichen Selbsterzeugten (Autogenes) zu Diensten stehen, die zwölf Äonen, die dem Kind zu Diensten stehen, durch die Gabe und das Wohlgefallen des großen Selbsterzeugers (Autogenetor), des Gesalbten / Guten / Christus, durch die Gabe und das Wohlgefallen des unsichtbaren Geistes …”[241]

In der Hypostase der Archonten findet sich:

„Der Engel kam von den Himmeln herab und sagte zu ihr: „Weshalb schreist Du herauf zu Gott? Weshalb bist Du (so) dreist gegenüber dem heiligen Geist?” Norea sagte: „Wer bist Du?” – Die Archonten des Frevels hatten sich inzwischen von ihr entfernt. Er sprach: „Ich bin Eleleth, die Einsicht, der große Engel, der vor dem heiligen Geist steht. Ich wurde gesandt, um mit dir zu sprechen und dich zu retten aus der Hand jener Gesetzlosen. Und ich werde dich belehren über deine Wurzel … Eleleth, der große Engel, sagte zu mir: „Ich”, sagte er, „bin die Klugheit”. Ich bin einer von den vier Lichtgebern, die vor dem großen unsichtbaren Geist stehen …” [242]

Und in der Schrift „Vom Ursprung der Welt” heißt es:

„Die ganze Gnosis ist nämlich in einem Engel, der (lange) vor ihnen (sc. den Geistern) in Erscheinung getreten ist. Dieser steht vor dem Vater und ist nicht unvermögend, ihnen die Gnosis zu geben … Dann erschuf der Erlöser [eine Einheit] aus ihnen allen. Und die Geister der einen [erweisen sich (zwar) als] erwählt und selig, aber von unterschiedlicher Erwählung, und zahlreiche andere sind königslos und erhabener als jeder, der vor ihnen war. Folglich gibt es vier Geschlechter. Drei sind es, die gehören zu den Königen der Acht­heit. Das vierte Geschlecht aber ist eines ohne König, vollkom­men, das oberhalb von ihnen ist.”[243]

Hier ist zu prüfen, ob nicht auch folgende Koranstelle aus Sure 53 „Der Stern” beizuziehen ist:

„Was meint Ihr denn (wie es sich) mit al-Lāt und al-ʿUzzā (verhält), und weiter mit Manāt, der dritten (dieser weiblichen Wesen)? (Sind sie etwa als Töchter Gottes anzusprechen?) Sollen euch die männ­lichen Wesen zukommen, und Gott die weiblichen (die ihr Men­schen für euch nicht haben wollt)? Das wäre eine ungerechte Ver­teilung. Das sind bloß Namen, die ihr und eure Väter aufgebracht habt, und wozu Gott keine Vollmacht herabgesandt hat … Und wie manche Engel gibt es im Himmel, deren Fürsprache nichts nützt, außer wenn Gott vorher für einen, den er will und der ihm genehm ist, Erlaubnis (dazu) gibt. Diejenigen, die nicht an das Jenseits glau­ben, bezeichnen die Engel als weibliche Wesen …”[244]

Der Sprecher im Koran beklagt hier mangelnden Glauben „an das Jenseits”. Dies kann gleichmaßen auf Heiden zutreffen, die eine mehr oder weniger volkstümliche Naturgottheit al-Lāt verehrten[245], als auch auf Gnostiker mit abweichenden Vorstellungen vom Schicksal der Welt. Schon eingangs han­delt diese Sure vom „Vorhang der Ewigkeit” (sidrat al-muntaha), von Paret irreführend als „Zizyphusbaum am äußersten Ende” übersetzt[246]. Tatsäch­lich wird damit die auch aus gnostischen Vorstellungen von einer hierarchisierten Welten bekannte Vorstellung eines „Vorhangs” bezeichnet, wie sie z.B. in der „Hypostase der Archonten” begegnet[247]. Anschließend wird das Bestreben verurteilt, die Leitung durch übernatürliche Wesen wie al-Lāt anzustreben[248]. Schließlich wird mit dem jüngsten Gericht gedroht. Auch bei anderen Stellen im Koran liegt es nahe, sie auf gnostische Vorstellungen zu beziehen, so z.B. die Verwandlung in Affen und Schweine[249].

Ähnlich wie die Vorstellung vom ʿAlī scheint somit auch die Vorstellung vom Muḥammad aus der Gnosis zu stammen. Aus den vier „Lichtgebern vor dem großen unsichtbaren Geist”, die in Nag Hammadi die Namen Armozel, Oroiael, Daveithe und Eleleth trugen, sind bei al-Qummī die Imame ʿAlī, al-Ḥasan, al-Ḥusain und Muḥammad geworden. Diese Imame waren zunächst nicht als Glieder in einer Kette der Seelenwanderung oder der geheimen Überlieferung gedacht, sondern bil­de­ten zusammen mit dem nicht benannten Mittelpunkt die göttliche Pentade. Die geometrische An­ord­nung der Pentade, wie sie z.B. auf den Vorhängen der Diwane im Umm al-Kitāb erschien, war das Grundlegende. Erst in einem zweiten Schritt wur­den dieser Geometrie Eigenschaften und Namen zugewiesen. Dass diese nicht von vornherein feststanden und unabänderlich waren, sondern gedeu­tet werden mussten und lediglich einen bestimmten Blick auf die Welt­erkenntnis darstellten, war geradezu das Wesen der Gnosis. Für den Gläubigen kam es darauf an, dass die Lichtgeber, Engel oder Imame ihm helfen konnten. Diese Vorstellung einer Leitung, Vermittlung oder Fürsprache war es, die mit Sure 53 bekämpft und (danach sieht es hier aus) durch die besondere Rolle des Muḥammad abgelöst werden sollte. Es liegt nahe, sowohl die eschatologische Rolle des Muḥam­mad als „Abū al-Qāsim”, als auch die Wertschätzung des Ḥanīfen auf diesen „neuen” Muḥammad zu beziehen, in dem man wohl eine Vorstufe des arabischen Propheten sehen muß. Es ist rätselhaft, weshalb dieser Zuname schließlich nicht mit dem arabischen Propheten verbunden wurde, sondern mit seinem gnostischen Doppelgänger. Der Hinweis, wann dies geschehen sein mag, ist sprachlicher Art. Der aramäische Ausdruck „ḥanāyā” („Heide”) leitet zwanglos zu „ḥanafīya” über, wird dann aber im arabischen als eine weibliche Form wahrgenommen – daher „Sohn der Hanafitin”. Diese Art des aramäisch-arabischen Mißverstehens ist aber kennzeichnend für die Sprache des Korans. Möglicherweise ist die zunächst gnostische Muḥammad-Vorstellung zur Zeit der Fertigstellung des arabischen Korans mit dem Begriff des „Ḥanīfen” und der Rolle als Endzeitrichter zusam­mengeführt worden. Dafür käme die Regierungszeit ʿAbd al-Maliks in Fra­ge. Bedenkt man, dass einiges dafür spricht, dass die Gebetsrichtung Süden um diese Zeit eingeführt wurde, so mag auch die Bedeutung des Hanifen als „Zugewandter” aus dieser Zeit stammen.

9.3 Ergebnis zum Begriff „Muḥammad“

Im Ergebnis muß der Begriff des „Muḥammad” zur Zeit ʿAbd al-Maliks ganz besonders breit gewesen sein. Für einen Teil der Bevölkerung be­deutete er einen „Imam”, ein höheres gnostisches Wesen, für einen wei­teren Jesus, den Sohn der Maria, und dazu kam noch, wahrscheinlich inspiriert durch Mose und dessen Stiftung eines neuen Glaubens, die von der Herrschaft geförderte neue Rolle als Verkünder der koranischen Materia­lien. All dies mag zur Zeit ʿAbd al-Maliks noch ungeschichtlich, und wie es aussieht, auch „untheologisch” nebeneinander gestanden haben, so dass die Kennzeichnung als „ibn al-Ḥanafīya” auch dem gnostischen Muḥammad teilwerden konnte.

Dies war die erste Historisierung der Muḥammad-Vorstellung: Es wur­den durch die Bewegung ʿAbd al-Maliks Münzen mit der Muḥammad-Losung geprägt. Ein Muḥammad wurde zur Zeit Walīds an den Anfang der Herrscherliste gestellt. Die Inschrift im Innern des Felsendoms spricht da­für, dass die herrschende Ideologie mit dem Ausdruck “Muhammad” damals noch Jesus bezeichnete, wie Luxenberg gezeigt hat.[250] Die früheren Felsinschriften des Negev zeigen diesen Muḥammad in einfacheren (nach Nevo „mohammedanischen”) Zusammenhängen als spätere, die man bereits als „islamisch” ansprechen muß[251].

Die zweite Historisierung der Muḥammad-Vorstellung erfolgte, als spä­ter, in der Abbasidenzeit, verstärkt Glaubensvorstellungen in das geschicht­liche Weltbild eingefügt wurden. Dadurch stellte sich die Frage der chrono­lo­gischen Einordnung ebenso wie die nach dem Verhältnis zum ʿAlī, der bis dahin noch ganz in der gnostischen Sphäre verblieben war. Wahrscheinlich hat der arabische Prophet erst damals einen Lebenslauf bekommen. Die Tra­ditionsliteratur schaffte es, das zu berücksichtigende Material auf zwei Personen aufzuteilen, denn der arabische Prophet musste jetzt als eine andere Person dargestellt werden als der immer noch gleichnamige Imam des al-Muḫtār. Der Traditionsliteratur gelang schließlich die Trennung, indem sie Muḥammad den Imam (Muḥammad ibn al-Ḥanafīya) zum Sohn ʿAlīs machte und seinem Namen eine neue genealogische Erklärung gab, die ihn trotz der Nähe zum arabischen Propheten im gnostisch-schiitischen Raum beließ.

Interessanterweise gibt es Überreste von Zwischenstufen in der Tradi­tions­literatur, die darauf schließen lassen, dass Muḥammad und ʿAlī einst als Brüder gedacht waren. In dem auf das Jahr 229 (843/844) datierten anonymen Heidelberger Papyrus heißt es:

„ʿAlī machte sich auf und schließlich trieb er die (Männer vorwärts; als) er an deren Kampfplatz Halt machte, da stellten sich die Leute in Reihen auf und füllten ihre Abteilungen auf. Da (kam al-Ḥāriṯ) zwi­schen die beiden Reihen und sagte: „Oh Leute! Ist bei Euch Muḥam­mad?” „Sie erwiderten: „Bei uns befindet sich Muha(mmads) Bru­der.” (Er sprach): „Er soll gegen mich auftreten und niemand sonst soll wegen unseres Streites getötet werden!”[252]

In der Sīra des Ibn Hišām sind Muḥammad und ʿAlī auch Brüder, aber nicht leibliche Brüder, sondern Pflegebrüder im Haushalt des Abū Ṭālib [253] und „Brüder in Gott”: Als in Medina Verbrüderung zwischen den Flüchtlingen aus Mekka und ihren Helfern aus Medina gehalten wird, heißt es:

„Der Prophet stiftete Bruderschaft zwischen seinen Mit-Auswan­derern und den Helfern, und sagte nach dem, was ich gehört habe … „Jeder von Euch soll einen Bruder in Gott annehmen.” Er selbst nahm ʿAlī bei der Hand und sagte: „Dies ist mein Bruder.”[254]

In der Sīra Ibn Hišāms sollten die heimatlosen Mekkaner auf diese Weise Verwandte in Medina bekommen. Dieser Zweck wird natürlich im Falle der Verbrüderung der „Vettern” Muḥammad und ʿAlī nicht erreicht. Es liegt auf der Hand, dass diese Geschichte einst dazu diente, eine ältere Überlieferung, derzufolge die beiden leibliche Brüder waren, mit der neueren Version der Traditionsliteratur, die sie als Vettern bzw. als Schwie­gervater und Schwiegersohn kennt, in Einklang zu bringen. Die Propheten­biographie des Heidelberger Papyrus stellt auf knappem Raum alle ent­scheidenen Wendungen des Lebens des arabischen Propheten dar, jedoch oft deutlich anders als bei Ibn Hišām, und vor allem noch viel sagenhafter und in dichterischem Vortrag. Diese Version geht von genau demselben System der Verwandtschaft aus wie die des Ibn Hišām; ʿAlī ist ʿAlī ibn Abī Ṭālib, der Prophetenonkel ʿAbbās kommt vor, Ǧaʿfar wird genannt – doch an dieser Stelle, an der es um Zweikämpfe ʿAlīs geht, scheint eine ältere Version erhalten zu sein. Im Unterschied zu Ibn Hišām bemüht sich der Heidelberger Papyrus nicht, dies zu erklären; von einer Verbrüderung „in Gott” ist dort nirgends die Rede. Wenn die oben erwähnte Münzprägung von 777 „ʿAlī Muḥammad ṭayyib“ einen Anhalt gibt, dann mag um diese Zeit die Historisierung dieser beiden Glaubensvorstellungen in Form eines Bruderpaares versucht worden sein, bevor wenig später das heute noch kanonische Verwandtschaftsverhältnis gefunden wurde und die ältere Version aus der Überlieferung weichen musste.

  1. Aus der Bauhütte der Weltbildner

Fügen wir die aufgefundenen Einzelteile nunmehr zusammen. In den 150 Jahren zwischen dem Herrschaftsantritt ʿAbd al-Maliks (TL 685-705) und dem Tode Ma’mūns (TL 813-833) wurde in mehreren Schritten das Welt­bild der Traditionsliteratur geschaffen.

Der erste Schritt bestand in der Aneignung und Verbreitung der Muḥam­mad-Vorstellung durch ʿAbd al-Malik. Diese war in ihrer offiziellen Form christlich, wie die Inschrift im Innern des Felsendoms zeigt. Die Muḥam­mad-Losung erschien auf Münzen. Die Tatsache, dass „Muḥam­mad” zur Zeit Walīds an den Anfang der Herrscherliste des arabischen Reiches  ge­setzt wurde, zeigt, dass bereits zu dieser Zeit eine gewisse Histori­sierung erfolgt war. Die Biographie des arabischen Propheten gehört jedoch einer späteren Zeit an. In die Herrschaft ʿAbd al-Maliks fiel auch die Ab­gren­­zung gegen Juden, Christen und Mandäer durch Festlegung einer öffentlichen Gebetsrichtung.

Der zweite Schritt war die Anonymisierung der Herrschaft nach dem Tode Hišāms (TL 724-743), und deren Ausübung als Stellvertreterschaft bzw. „Nachfolge” (Kalifat), wie sie sich in den anonymen Münzprägungen ausdrückte. Die Abbasiden, derjenige Teil des Herrscherhauses, der unter Führung des ʿAbbās ibn al-Walīd gestanden hatte, entzogen sich so dem Blick der Öffentlichkeit. Für diese wurde eine Fassade errichtet, hinter der Gegensätze ausgetragen werden konnten, ohne dass diese gleich in die Reichspolitik hineinwirkten. Die Einführung von Regierungsdevisen wie z.B. „al-Manṣūr” haben die Abbasiden bis zum Schluß beibehalten, als die Herrschaft schon lange nicht mehr anonym war. Hinter der anonymen Stellvertreterschaft konnte sich eine Kollektivherrschaft verbergen. Nach innen erforderte die Anonymisierung der Herrschaft gewisse Mechanismen, um eine wirksame, vom Herrscher losgelöste, Ausübung zu gewährleisten. Einer dieser Mechanismen war das Amt des Wesirs, das von jetzt an zentrale Bedeutung erlangte.

Der dritte Schritt war die Aneignung proto-schiitischer Legitimation. Das Aḫbār al-Dawla al-ʿAbbāsīya stellt den Erfolg der „Schwarzen Banner” als eine geheime Anstrengung der Abbasiden über mehrere Generationen hin. Hierzu gehört die Legende von der Übertragung des Imamats von „Abū Hāšim” auf den Abbasiden Muḥammad ibn ʿAlī [255] und der Beginn der abba­sidischen Werbung, der Dawlah, im Jahre 100 der Araber (718/719)[256]. Der Einfall der Khorasanier ins Zweistromland wird als planmäßige Verei­nigung der im Geheimen aufgebauten abbasidischen Kräfte dargestellt. Die Folge war eine stärker persisch geprägte Herrschaft. Dazu gehörte offenbar auch die abbasidische Selbstdarstellung als „Imame” der Hāšimīya. Tatsäch­lich gibt es weder in der Traditionsliteratur noch anderswo Hin­weise, dass die Abbasiden ernsthaft als „Imame” der Hāšimīya verehrt worden wären. Das Imamat scheint reine Außendarstellung gewesen zu sein. Als solche aber war sie erfolgreich. Abbasidische Herrscher und khora­sanische Trup­pen, die „’Abnah”, unterstützten sich auch nach der Festigung der abbasi­di­schen Macht gegenseitig. Die Aneignung des Erbes der Hāšimīya ging jedoch weit über die Bewegung der khorasanischen Schwar­zen Banner hinaus. Bereits einige Jahre zuvor hatte sich eine von der Traditionsliteratur dem ʿAbdallāh ibn Muʿāwiya zugeschriebene Erhebung ebenfalls als Erben „Abū Hāšims” dargestellt. Ein eindeutiger Bruch der Anhänger dieses ʿAbdallāhs mit den Abbasiden, wie man ihn von einer niedergekämpften und gescheiterten Rebellenbewegung erwarten würde, ist nicht erkennbar[257]. Wahrscheinlich wurden auch sie in die Macht kooptiert. Aus dem Glaubens- und Gedankengut der proto-schiitischen Gruppen stammt der Großteil der Inhalte, mit denen die erklärte Abkehr vom Wesen der Umayyaden einherging. Was in dieser Zeit an Glaubensinhalten, die dem Umm al-Kitāb ähnlich waren, in den von der Herrschaft geförderten Glauben, den späteren Islam überging, konnte dies tun, weil im Zuge der Umwertung ein Bedürfnis nach neuen Inhalten bestand.

Der vierte Schritt bestand im Ausgleich zwischen widerstreitenden Richtungen, in erster Linie zwischen der Vorstellung vom „Muḥammad” und der vom „ʿAlī”. Beide waren im iranischen Raum verankert. Die ʿAlī-Losung hat Popp im Süden geortet, in der Persis und im westlichen Bergland, die Muḥammad-Losung nördlich davon, an der Straße von Khuzistan an Khorasan. Zwischen diesen beiden Vorstellungen deutet nun die bereits oben erwähnte Prägung aus dem Jahr 160 der Araber (776/777) einen Ausgleich an: „ʿAlī Muḥammad ṭayyib” (“ʿAlī, Muḥammad, in Ordnung!”). Dies soll wohl heißen, dass die beiden Vorstellungen mit einander vereinbar sind. Dazu passt, dass ʿAlī und Muḥammad in der Traditionsliteratur als Verwandte gelten.

In einem fünften Schritt wurde ʿAlī zum Spitzenahn öffentlich ver­breiteter Genealogien. Einer der ersten Fälle mögen die Abbasiden selbst gewesen sein. Sie sagten sich los von ihrer „umajadischen” Abstammung von al-Walīd (TL 705-715) und erwählten statt ihrer ʿAlī und Muḥammad zu ihren Vorfahren. Wie bereits oben beschrieben, enthält der Text des Ṭabarī noch Hinweise, dass dieser abbasidische ʿAlī mit der Kunya „Abū Ḥasan” der „eigentliche” und einzige ʿAlī sein sollte, nicht lediglich ein nachbenannter Vetter, als der er später in der Traditionsliteratur dargestellt wurde. Dass sich bei Theophanes „die Söhne von Echim und Alim (wie sie genannt wurden), die ebenfalls Verwandte des falschen Propheten waren”[258], mit den Khorasaniern verschwörten, mag auch noch ein Zeugnis dieses Übergangszustandes sein. Ebenso mag Muḥammad ibn al-Ḥanafīya erst damals zum ʿAlī-Abkömmling geworden sein. All dies muss sich im Laufe der Abbasidenzeit entwickelt haben. Zu deren Beginn, nach der Wende des Jahres 750, mag die Einbindung der Schwarzen Banner noch ohne Bezug auf eine ʿAlī-Abstammung ausgekommen sein.

In einem sechsten Schritt wurde schließlich das Abstammungssystem geschaffen, wie es die Traditionsliteratur bis heute überliefert. Dabei muss die ebenfalls in diesen Jahren erfolgte Historisierung der Muḥammad-Vorstellung[259] eine wichtige Rolle gespielt haben. Die Autoren dieser Historisierung hatten die Aufgabe, die Biographie des arabischen Propheten möglichst widerspruchsfrei in das werdende Bild der Gesamtgeschichte einzufügen. Dies scheint wie bei ʿAlī in mehreren Schritten erfolgt zu sein. Da der Fixpunkt 622 als Beginn der „Jahre nach den Arabern” feststand, bestanden gewisse Einschränkungen bei der Festlegung der Generationen­folge. Vielleicht ist dieses chronologische Erfordernis Ursache dafür, dass der abbasidische ʿAlī nur 14 Jahre älter war als sein Sohn Muḥammad. Als die Anknüpfung an einen ʿAlī, der mit der Prophetentochter Fāṭima Söhne gezeugt hatte, schließlich durch die Linie des ʿAlī ibn Mūsā erfolgte, war die frühere Version mit ʿAlī als Enkel des ʿAbbās vielleicht schon als Abstam­mung der Abbasiden verbreitet worden, so dass ein Zurück nicht mehr mög­lich war. Das Ergebnis war die beschriebene genealogische Spaltung der Abbasiden. Die Bezeichnung dieses Propheten-Schwiegersohns ʿAlī als „ibn Abī Ṭālib” wurde zum Kennzeichen der ʿAlīden. Hier gibt es eine Beziehung zum Umm al-Kitāb, in dem es nach dem Opfertod des ʿAbdallāh ibn Saba’ heißt:

„Da erhob sich Ṭālib, ʿAbdallāhs Sohn, und sprach: „Auch ich möch­te mich selbst für den Herrn Bāqir aufopfern, damit ich dasselbe sehe, was mein Vater gesehen hat!” Diese opferbereite ṭālibitische Lehre ist eben jene, die Ṭālib gegründet hat, die durch alle Zyklen Bestand hat.”[260]

Da der im Umm al-Kitāb in den Mittelpunkt gestellte Muḥammad al-Bāqir in der Traditionsliteratur als Großvater Mūsā al-Kāẓims gilt und sich in der Traditionsliteratur als Bruder ʿAlīs ein Ṭālib findet (wenn auch vermutlich nur, um die Kunya „Abū Ṭālib ” zu rechtfertigen), sieht es so aus, als wäre diese ʿAlī-Vorstellung aus der Vorstellungswelt des Umm al-Kitāb genom­men, denn dort macht der Name „Ṭālib ” im Sinne von „Adept” Sinn, während dies beim Ṭālib der Traditionsliteratur nicht der Fall ist[261].

In der Folge wurde dieses Verwandtschaftssystem ausgebaut. Die sagen­haften frühen Herrscher und Muʿāwiya mussten einbezogen werden[262]. Der nur in Form von Aḥādīṯ überlieferte „Dīwān” des zweiten Kalifen ʿUmar al-Ḫaṭṭāb [263] machte vor, wie sich die verschiedenen Zweige der Quraiš zwie­belschalenartig abschichteten und in welch privilegierter verwandtschaft­licher Nähe zum arabischen Propheten sich die Haschemiten befanden, zu denen an erster Stelle die Herrscher gehörten. Aus der Losung der Schwar­zen Banner „al-daʿwa ilā al-riḍā min Āl Muḥammad” („Aufruf zur Wahl eines Führers aus der Gemeinschaft des Auserwählten” [264]) wurde die traditionelle Übersetzung: „Derjenige aus der Verwandtschaft des Muḥam­mad, der genehm ist”. Während al-Riḍā, „der Genehme” sich sinnvoller­weise nur auf eine Wahl durch eine Versammlung (Schura) beziehen kann, wird in der Traditionsliteratur davon ausgegangen, dass die „Āl Muḥam­mad” die aus der Hagiographie wohlbekannte Familie des arabischen Propheten mit Ehefrauen, Tochter Fāṭima usw. sind. Dafür, dass das bereits zur Zeit der abbasidischen Dawla so verstanden werden konnte, fehlen alle Hinweise.

  1. Die Scharifen als Abbasiden-Nachkommen

in der DNS-Analyse

Seit wenigen Jahren steht der Geschichtswissenschaft mit der DNS-Analyse ein neues und vielversprechendes Werkzeug zur Verfügung. Es handelt sich um den Vergleich von Haplotypen des Y-Chromosoms, der die Über­prü­fung von Genealogien in männlicher Linie ermöglicht.

Es gibt auf dem Y-Chromosom (wie auch auf den übrigen Chromo­somen) mehrere hundert Stellen (Loci), deren Sequenz aus Wiederholungen kurzer Motive besteht, sogenannte STR „Short Tandem Repeats“. Ein Teil dieser STR weist eine so hohe Mutationsrate auf, daß bei der Weitergabe des Y-Chromosoms vom Vater auf den Sohn mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeinem der STR-Loci eine Mutation vorfällt, so daß eine beinahe gene­rationengenaue Auflösung der Abstammungsverhältnisse möglich wird. Da die STR des Y-Chromosoms in der Regel nicht Teil von Genen sind, die für den Stoffwechsel Bedeutung haben, sind ihre Mutationen selektionsneutral. Es handelt sich somit um erbliche Merkmale, die allen Männern dieser Welt ihren Platz im Stammbaum zuweisen, ohne daß man bei ihrer Interpre­tation die Auswirkungen eines Phänotyps berücksichtigen müsste (wie dies z.B. bei Blutgruppen oder auch bei dem in weiblicher Linie vererblichen Mitochondrien-Genom der Fall ist).

Die Kombination von STR-Loci eines Y-Chromosoms wird „Haplotyp“ genannt. Er stellt eine Art natürlichen Familiennamen dar, der sich vererbt und im Laufe der Zeit Veränderungen unterworfen wird. Die durch Muta­tion entstandenen Abwandlungen (Allele) der STR-Loci werden dabei durch die Anzahl der Wiederholungen des Grundmotivs bezeichnet. Neben den STR-Mutationen gibt es auch Punktmutationen, sogenannte SNP „Single Nucleotide Polymorphism“. Diese treten mit wesentlich geringerer Wahrscheinlichkeit auf und sind deshalb besonders geeignet, die großen Verzweigungen des Stammbaums zu markieren. Die Nomenklatur der Haplotypen des menschlichen Y-Chromosoms unterscheidet einige Dut­zend Großgruppen, sogenannte „Haplogruppen“, die in vorgeschicht­licher Zeit entstanden sind, in der Regel zwischen 100.000 und 10.000 Jah­ren vor unserer Zeit. Durch mathe­matische Modelle kann man den Zeitpunkt in der Vergangenheit ab­schätzen, zu dem sich zwei Linien geteilt haben; das ist die Zeit, zu der der letzte gemeinsame Vorfahr gelebt hat, sogenannter MRCA „Most Recent Common Ancestor“. [265]

Die durch DNS-Analyse gewonnenen Haplotypen des Y-Chromosoms kann man zur Überprüfung von Genealogien einsetzen. Dabei kann man in der Regel sehr deutlich zwischen Männern unterscheiden, die einem be­stimm­ten Geschlecht  tatsächlich angehören, und solchen, von denen dies zwar bis dahin vermutet wurde, die aufgrund ihres Haplotyps aber anderen Verwandtschaftszusammenhängen zugewiesen werden müssen. Ferner kann man die einzelnen Verzweigungen des Stammbaums anhand seiner Haplotypen nachvollziehen. Nah verwandte Haplotypen müssen auch in der Genealogie nahe verwandt sein. Gruppen, deren letzter gemeinsamer Vor­fahr der Überlieferung und den Urkunden zufolge vor längerer Zeit lebte, müssen auch in ihren Haplotypen stärker unterschieden sein. Hat man genügend Haplotypen heute lebender Männer, so kann man die Haplotypen ihrer Vorfahren rekonstruieren. Dies kann zwar nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit und meist nicht für alle Loci geschehen, erlaubt aber die Aufstellung von Hypothesen mit einer beträchtlichen Trennschärfe. Diese Analysen können durch Gewinnung von „alter“ DNS z.B. aus Gebeinen ergänzt werden, jedoch ist die Beschreibung eines Geschlechts anhand seiner heute lebenden Mitglieder nicht von der Verfügbarkeit der DNS seines Spitzenahnen abhängig.

Wie in den vorigen Kapiteln dargelegt, ist es gut möglich, dass die soge­nannten Scharifen Nachkommen der abbasidischen Herrscher sind und ʿAbd al-Malik (oder dessen Vater ʿAbdallāh) als frühesten geschichtlich greifbaren Spitzenahn haben. Theoretisch sollten alle Scharifen eines Stammes sein. Findet man mehrere Stämme, so verlangt dies nach einer Erklärung. Man kann nicht von vornherein wissen, welcher Stamm der „richtige“ ist, und ob es überhaupt Kontinuität zwischen den heutigen Scharifen und denen des arabischen Altertums gibt. Die Beantwortung solcher Fragen ist nur möglich, indem man von der Jetztzeit ausgehend Schritt für Schritt in ferner zurückliegende Zeiten vordringt, dabei stets die urkundliche Überlieferung der betreffenden Scharifenlinien mit ihren Haplo­typen abgleichend. In diesem Prozess wird man allmählich von der örtlichen und jüngeren Spezialgeschichte zu der davor liegenden älteren Reichsgeschichte gelangen. Schließlich könnte auch die Frage zugänglich werden, wann und wie sich die sogenannten ʿAlīden einst als eine besondere Abstammungsgemeinschaft definiert hatten, und wie diese mit anderen Scharifen zusammenhängt.

Gegenwärtig ist die Auflösung dieser Methode noch nicht hoch genug, um z.B. zwischen der hier festgestellten Abstammung der sogenannten ʿAlīden von den Abbasiden (6 Grade zwischen Maʾmūn und ʿAlī al-Riḍā als Nachkommen „al-Manṣūrs”) oder der hier festgestellten Abstammung der Abbasiden von den Umayyaden (8 Grade zwischen Maʾmūn und dem ers­ten spanischen Umayyaden ‘Abd al-Rahmān als Nachkommen ʿAbd al-Maliks) und dem Verwandtschaftssystem der Traditionsliteratur (16 Grade zwischen Abbasiden und ʿAlīden als Nachkommen ‘Abd al-Muṭṭalibs, 19 Grade zwischen Abbasiden und Umayyaden als Nachkommen ‘Abd Manāfs) zu unterscheiden. Es ist gleichwohl nicht ausgeschlossen, daß eine gute Charakterisierung des Gesamtgeschlechts diese Frage eines Tages auch molekularbiologisch beantworten wird. Davon abgesehen ist diese Methode fast unerläßlich, um auch zu späteren Zeiten in der Geschichte zu klären, an welchen Punkten ein Abstammungsverhältnis geschichtlich und an welchen Stellen es legendenhaft ist.

Gleichwohl kann man bereits jetzt – sozusagen in einem Grobdurchgang – versuchen, sich einen Überblick über die Abstammungsgeschichte der Scharifen zu verschaffen und eine begründete Vermutung hinsichtlich des­jenigen Haplotyps zu äußern, der tatsächlich auf die Herrscher des arabi­schen Reiches zurückgeht. Es müsste sich nämlich um eine Abstam­mungs­gemeinschaft handeln, aus der sich im Laufe der letzten 50 Genera­tionen eine Vielzahl neuer Linien gebildet hat, deren Verhältnis zueinander mit der geschichtlichen Überlieferung im Einklang steht.

Es liegen bereits zwei Untersuchungen vor, die hierzu Beiträge erbracht haben:

Eine an der Universität Teheran durchgeführte Analyse von 50 Y-Haplo­typen von Scharifen (Sadat) aus Iran[266] zeigt eine Streuung über 10 Haplo­grup­pen (am häufigsten: J, C, G, I) mit einem Schwerpunkt bei der Haplo­gruppe J, in die 40% der Probanden fallen[267]. Dies entspricht grob der Häu­fig­keit dieser Haplogruppen in Iran[268]. Es fällt allerdings auf, dass die Haplo­gruppe R bei den Sadat seltener und die Haplogruppe I häufiger ist als in der iranischen Durchschnittsbevölkerung. Haplogruppe I ist in Popu­la­tionen der Region selten, kommt aber im Kaukasus und in Isfahan vor. Da nur 7 Loci untersucht wurden, ist es weder möglich, zuverlässig zwischen den Haplogruppen J1 und J2 zu unterscheiden, noch Aussagen über den Grad der Verwandtschaft innerhalb der Haplogruppen zu machen. Da die unterschiedlichen Haplogruppen bereits in vorgeschichtlicher Zeit entstan­den sind, ist der Leser geneigt, dieses Ergebnis so zu verstehen, dass die Ab­stammung der Scharifen von ʿAlī fiktiv ist, und die untersuchten Scharifen sich in ihrer Herkunft kaum von der Durchschnittsbevölkerung unterschei­den. Dieser Schluß wäre allerdings voreilig (und wird von den Autoren auch nicht gezogen), wie die folgende Untersuchung zeigt:

Ein öffentliches Scharifen-Projekt der Firma „Familytree DNA” mit Schwerpunkt Tunesien hatte 2008-2010 über 160 Haplotypen gesammelt[269]. Diese verteilen sich auf 11 Haplogruppen (am häufigsten J1, J2 und E) mit einem Schwerpunkt bei J1, in die etwa 40% der Probanden fallen (Anhang III). In vielen Fällen wurden die Haplogruppen durch Bestimmung der sie definierenden Punktmutationen (SNPs) sicher festgestellt. Da meistens gut 60 Loci getestet wurden, ist es im Unterschied zur ersten Untersuchung möglich, auch Aussagen über den Grad der Verwandtschaft innerhalb der Haplogruppen zu machen. Hierzu wurden die Rohdaten in das Programm der Firma „DNA Ancestry” übertragen[270], das die Haplotypen in Verwandt­schaftsgruppen sortiert, deren letzter gemeinsame Vorfahr vor etwa 30 Generationen lebte. Darüber hinaus können einzelne Haplotypen miteinan­der verglichen werden, wobei Schätzwerte für Stammverwandtschaft auch für länger zurückliegende Zeiträume gewonnen werden können. Nach diesem Verfahren konnten unter den Scharifen bis jetzt 18 Verwandt­schafts­gruppen bestimmt werden, deren letzter gemeinsamer Vorfahr vor 7-35 Generationen lebte (Anhang III). Von diesen Verwandtschaftsgruppen fallen 7 in die Haplogruppe J1, 4 in J2, 3 in E, 2 in G und jeweils 1 in die Haplogruppen R1a und R1b. Etwa die Hälfte der Scharifen gehören keiner dieser Verwandtschaftsgruppen an.

Ohne nähere Kenntnis von der Geschichte dieser 16 Verwandtschafts­grup­pen zu haben, kann man allein aufgrund dieser Analyse vermuten, dass ihre Mitglieder bereits seit längerer Zeit als Scharifen galten, da es unwahr­schein­lich wäre, dass sich zufällig eingefundene Probanden als in diesem Gra­de verwandt erweisen würden. Wenn sich zwei Scharifen unabhängig voneinander[271] testen lassen und sich herausstellt, dass ihr gemeinsamer Vorfahr z.B. vor etwa 30 Generationen gelebt hatte, dann ist es wahr­schein­lich, dass entweder dieser Vorfahr schon als Scharif gegolten hatte, oder dass beide einem Geschlecht angehören, das zu jener Zeit Anspruch auf eine entsprechende gesellschaftliche Stellung erheben konnte. Große Verwandt­schafts­gruppen können mit dem Ansatz dieses Projekts frühzeitiger als kleine als „alte Scharifen-Familien” erkannt werden, da aus kleinen Ver­wandtschaftsgruppen bei zufälliger Zusammensetzung der Stich­probe kein oder nur ein Vertreter getestet wird.

Es zeigt sich, dass man allein aufgrund dieser Analyse bereits zu einer guten Vermutung über die Identität der abbasidischen Abstammungs­ge­mein­­­schaft gelangen kann: Sechs Verwandtschaftsgruppen der Haplo­gruppe J1c sind nämlich alle miteinander stammverwandt und bilden eine Megagruppe. Zusammen mit einzelnen Scharifen, deren Vorfahren in ähn­lich ferner Vergangenheit abzweigten, gehören diese zu einem großen genea­logischen Komplex, dessen Stammverwandtschaft etwa 50 Genera­tionen zurückreicht. Genau dies wurde als Erkennungsmerkmal der Abba­siden-Nachkommenschaft postuliert. Für den Zweck dieser Analyse wird diese große Abstammungsgemeinschaft „Abbasidischer Genealogischer Komplex” (AGK) genannt (Anhang IV). Diejenigen Scharifen, die nicht zum AGK gehören, können im Umkehrschluß lediglich eine fiktive Abbasidenabstammung haben. Gleichwohl mögen sie bereits sehr früh als Scharifen gegolten haben, denn dieser Begriff, der in der Traditionsliteratur zur Zeit Muʿāwijas (TL 661-680) noch die gesamte „Stammesaristokratie” umfasste, wurde erst später auf die Angehörigen des Herrscherhauses eingeengt. Ferner ist damit zu rechnen, dass Geschlechtsverbände mit einer starken gesellschaftlichen Stellung als Scharifen in diesem engeren Sinne betrachtet wurden, obwohl sie anderer Abstammung waren.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei den Scharifen des AGK (20-30 % aller Scharifen) nicht um Nachkommen der Abbasiden handelt, ist gering. Damit wäre nur dann zu rechnen, wenn sich Mitglieder eines ande­ren, ähnlich alten und stark verzweigten Geschlechts zu einem späteren Zeit­­punkt eine Scharifen-Identität zugelegt haben sollten. Dafür liegen aber kei­ne geschichtlichen Anhaltspunkte vor. Entsprechend gering ist die Wahr­­schein­lichkeit, dass es sich bei den nicht zum AGK gehörigen Schari­fen (70-80 %) doch um Nachkommen der Abbasiden handelt, da alle leib­lichen Nachkommen ʿAbd al-Maliks ein und demselben Geschlecht ange­hören müssen. Die Erhärtung dieser Vermutung kann nur durch Abglei­chung der DNS-Analysen mit geschichtlichen Urkunden für viele einzelne Linien geleistet werden. Dabei würde gleichzeitig die Binnenstruktur dieser umfang­reichen Abstammungsgemeinschaft herausgearbeitet.

  1. Schluß und Überblick

Wie sehen die großen Linien der Geschichte des arabischen Reiches jetzt aus? Mit dem Zusammenbruch der persischen Macht und dem Rückzug von Byzanz war der Raum von Palästina bis Khorasan erstmals ohne Zentralgewalt und ohne Herrschaftsideologie. Man muss vermuten, dass die politische Macht zersplittert war. Ähnliches muss für Glaube und Weltbild gegolten haben. Diese Stunde Null betraf nun aber eine ganz und gar nicht naive oder ursprüngliche Gesellschaft. Vielmehr muß es eine Vielzahl ört­licher Gewalten gegeben haben, die ihre politische und weltanschauliche Prägung in ihren jeweiligen Imperien erhalten hatten, und die jetzt auf­gerufen waren, sich zu behaupten. An militärischen und finanziellen Mit­teln mangelte es nicht. Allem Anschein nach vollzog sich das Kräftemessen nicht immer auf friedliche Art und Weise. Eine frühe politische Stabi­lisierung auf überregionaler Ebene, die Herrschaft „Muʿāwiyas” (TL 661-680), war nicht von Dauer. Erst mit der Machtergreifung ʿAbd al-Maliks setzten sich Gewalten durch, die in der Folge dauerhaft das Geschehen bestimmen sollten. Es ist ein Verdienst Jehuda Nevos, auf das Fehlen einer „arabischen Eroberung” im archäologischen Befund hingewiesen zu haben.[272]

Es ist offensichtlich, dass die Kämpfe des 7. und 8. Jahrhunderts mit einem weitgehenden Verlust des kulturellen Gedächtnisses einhergingen. Die Gründe dafür können im einzelnen ganz unterschiedlich gewesen sein: Tatsächlich fehlender Überblick, Verständigungshindernisse in einem sprachlich und politisch zersplitterten Raum, unbeständige Machtverhält­nisse mit Führern, die weder selbst schreiben ließen noch dazu einluden, kurzlebige Entwicklungen zu benennen und aufzuschreiben. Diese frühe Phase der zwangsläufigen Vernichtung von Wissen wird, beginnend mit der Herrschaft ʿAbd al-Maliks von einer Phase abgelöst, in der an einem neuen Weltbild gearbeitet wurde. Ihr Erzeugnis war die Traditionsliteratur.

Wenn auch in Hinblick auf die politische Geschichte der Gedächtnis­verlust nahezu vollständig war, so gilt dies nicht in gleichem Maße für den Kulturraum als solchen und dessen allgemeine Lebensäußerungen. Im Gegenteil muss die frühe Zeit des arabischen Reiches eine Zeit kultureller Neuerungen und Entwicklungen gewesen sein. Oswald Spengler hat für die ersten Jahrhunderte der „magischen Kultur” des Morgenlandes das der Gesteins­kunde entlehnte Bild der „Pseudomorphose” geprägt[273]. Damit bezeichnete er das Wirken eigenständiger kultureller Kräfte in den Formen, die die übermächtige hellenistische und sasanidische Herrschaft damals zuließen. Mit dem Austritt aus diesen Bahnen muß im gesamten Kultur­raum die Suche nach neuen Formen des Ausdrucks und der Selbstdar­stellung begonnen haben. Dies betraf auch die Gnosis als etwas, das dem Raum schon lange gemein war[274]. Sofern die Bevölkerung des späteren arabischen Reiches christlich war – und sie war es wohl zu einem großen Teil –, bedeutete dies auch die bewußte Abwendung von abendländischen Formen der Kultur und des Glaubens, insbesondere die Abwendung und Abgrenzung von Byzanz.

Die Gnosis verfügte nicht über körperschaftliche Einrichtungen. Kir­chen­­oberhäupter und Klöster waren Merkmale der christlichen Organi­sation. Diese spielten nun in der Herausbildung des Neuen gar keine Rolle. Das arabische Reich mißachtete seine syrischen Wurzeln in geradezu auffälliger Weise. Die neue Herrschaft war weltlich und mischte sich an­fangs nicht erkennbar in Glaubensdinge ein. Die frühen Zeugnisse für ein Reichsbekenntnis, in erster Linie die Inschrift ʿAbd al-Maliks im Innern des Felsendoms, waren sicherlich als identitätsstiftende Neuerungen gedacht, wirken aus heutiger Sicht – in Kenntnis dessen, was noch kommen sollte – jedoch konservativ. Dasselbe gilt für die Aneignung des Korans durch die Machthaber. Diese Texte drücken eine allmähliche Entwicklung aus. Sie sind ein Erbe aus dem syrischen Christentum. Ein erklärter Neuanfang ist zu­nächst nur der vermutlich in der Zeit ʿAbd al-Maliks erfolgten Anord­nung einer öffentlichen Gebetsrichtung zu entnehmen.

Frühe Überlieferungen von einem „neuen” Bekenntnis erhalten wir erst in Gestalt des legendenhaften Wirkens des al-Muḫtār in Kufa. Diese Erzäh­lungen, die geschichtlich kaum eingeordnet werden können, sind in einem weitgehend herrschaftsfreien Raum angesiedelt, der auch zeitlich knapp vor Beginn der Herrschaft ʿAbd al-Maliks liegt. Bezeichnenderweise war dieses Bekenntnis gnostisch geprägt. ʿAlī und Muḥammad gelten dieser Gnosis als der menschliche beziehungsweise göttliche Jesus Christus, dessen Mythos, losgelöst vom Anker der Schriftgelehrsamkeit, kreativ weiterentwickelt wur­de. Mit der abbasidischen Wende fand diese Richtung später den Weg zur Macht, jedenfalls in Gestalt ihrer Anhänger, nur um wenig später mit Herausbildung der islamischen Orthodoxie wieder auf Abstand gehalten zu werden.

Man kann nicht erwarten, dass Zwischenschritte in Richtung auf ein Reichsbekenntnis für die Nachwelt festgehalten wurden. Auf dem Gebiet der Kulturgeschichte sind wir noch weniger als auf dem Gebiet der poli­tischen Geschichte mit Quellen gesegnet. Umso wichtiger wird es, die wahr­nehmbaren großen Linien der Kulturentwicklung ernst zu nehmen, in ihrer Eigenständigkeit herauszuarbeiten und so nüchtern wie möglich zu deuten. Ein Werk wie das Umm al-Kitāb, so spät und schlecht es auch über­liefert sein mag, hat als Lebensäußerung des Kulturraums ein großes Ge­wicht und zwingt uns, auf bedeutsame Vorläufer zu schließen, die nicht erhalten sind. Das Geistige des späteren Islams, insbesondere der Imam-Glaube, stammt aus Quellen wie dieser. Diese Gnosis muß im gesamten Kulturraum ver­breitet gewesen sein. Es handelte sich nicht um eine neue Religion von Erobe­rern, sondern um ein Kontinuum seit langem bestehen­der Traditio­nen, die über die Sprachgrenzen hinweg verstanden wurden. Die neue Orthodoxie muß sich hingegen in einem Prozeß entwickelt haben, der sich in enger Anlehnung an die Entwicklung der politischen Ideologie in einem kleinen Kreis der Oberschicht vollzog. Klein muß er gewesen sein, weil die Entwicklung schnell ging, und mit Ausnahme des ʿalīdisch-abbasidischen Gegensatzes keine Spielarten auftraten. Dass dieser Prozeß von der Oberschicht betrieben wurde, ergibt sich daraus, dass die neuen Regeln schnell im gesamten Reich durchgesetzt wurden. Dieser Prozeß wurde im 9. und 10. Jahrhundert vollendet. Sein Kennzeichen war die Einführung isla­mischer Gesetze. Die Zeit der raschen Neuerungen war damit abgeschlos­sen. Von jetzt ab beherrschte Konservatismus das Bild. Entwicklungen voll­zo­gen sich danach nur noch langsam und in kleinsten Schritten. Die Wurzel und der gemeinsame Bezugspunkt der gesamten Kultur des arabischen Reiches und seiner Nachfolgestaaten aber blieb das abbasidische Weltbild.

  1. Literatur

13.1 Quellenausgaben, Übersichten und Hilfsmittel

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Aḫbār al-Dawla al-ʿAbbāsīyah wa-fīhī Aḫbār al-ʿAbbās wa waladihi, Hrsg. ʿAbd  al-ʿAzīz al-Dūrī und ʿAbd al Ǧabar al-Muṭṭalibī, Beirut 1971 (Dar al-Tali’ah).
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Anonyme Chronik auf das Jahr 819, hrsg. von Jean-Baptiste Chabot als: Chronicon Anonymum ad A. D. 819 Pertinens Curante Aphram Barsaum, mit Übersetzung vom Syrischen ins Lateinische im ersten Band der folgenden Chronik:
Anonyme Chronik auf 1234, hrsg. von Jean-Baptiste Chabot als: Anonymi Auctoris Chronicon ad Annum Christi 1234 Pertinens, in: Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium Bände 81 und 82 (Scriptores Syri Bände 36 und 37), Übersetzung des ersten Bandes aus dem Syrischen ins Lateinische von Chabot in Band 109 (Scriptores Syri Band 56), Löwen 1954, Übersetzung des zweiten Bandes vom Syrischen ins Französische in Band 354 (Scriptores Syri Band 154), Löwen 1974.
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Chronica Minora, in: Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium, Scriptores Syri, series tertia – tomus iv, chronica minora pars prior, syrischer Text Hrsg. E.-W. Brooks, ins Lateinische übersetzt von I.-B. Chabot. Paris 1903.
Chronik von Zuqnin, in: Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium vol. 507, Scriptores Syri Tomus 213. Chronicon Anonymum Pseudo-Dionysianum vulgo dictum, Französische Übersetzung aus dem Syrischen von Robert Hespel. Löwen 1989. Englische Übersetzung von Andrew Palmer in: The Seventh Century in the West-Syrian Chronicles, Liverpool 1993, Nr. 10, S. 53-70 (Auszug bis auf das Jahr 1028/717).
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Die Gnosis, Band II: Koptische und mandäische Quellen. Eingeleitet, übersetzt und erläutert von Martin Krause und Kurt Rudolph. Heraus­gegeben von Werner Foerster. Düsseldorf 1995.
Die Gnosis, Band III: Der Manichäismus. Unter Mitwirkung von Jes Peter Asmussen. Eingeleitet, übersetzt und erläutert von Alexander Böhlig. Düsseldorf 1995.
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Klaudios Ptolemaios, Handbuch der Geographie. Hrsg. Von Alfred Stückel­berger und Gerd Graßhoff unter Mitarbeit von Florian Mittenhuber, Renate Burri, Klaus Geus, Gerhard Winkler, Susanne Ziegler, Judith Hindermann, Lutz Koch und Kurt Keller. Basel 2006.
Rabban Hōrmīzd: Hrsg. und aus dem Syrischen ins Englische übersetzt von Ernest Alfred Wallis Budge als „The Histories of Rabban Hōrmīzd The Persian and of Rabban Bar-ʿIdtā, London 1902.
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Sīrat Rasūl Allāh, siehe Ibn Hišām.
Ṭabarī, Ta’rīḫ al-rusul wa l-mulūk; englische Übersetzung als „The History of al-Ṭabarī ” im Rahmen der Bibliotheka Persica, Hrsg. Ehsan Yar-Shater, New York 1987-2007, in 39 Bänden und einem Registerband (in den Fußnoten ist die Band- und Seitenzählung der Leidener Ausgabe in Klammern gesetzt). Übersetzer bzw. Bearbeiter und Titel der verwen­deten Einzelbände: VI (W. Montgomery Watt und M. V. McDonald: Muḥammad at Mecca), XVIII (Michael G. Morony: Between Civil Wars), XX (G. R. Hawting: The Collapse of Sufyanid Authority and the Coming of the Marwanids), XXI (Michael Fishbein: The Victory of the Marwanids), XXIV (David Stephan Powers: The Empire in Transition), XXV (Khalid Yahya Blankinship: The End of Expansion), XXVI (Carole Hillenbrand: The Waning of the Umayyad Caliphate), XXVII (John Alden Williams: The ‘Abbasid Revolution), XXVIII (Jane Dam­men McAuliffe: ‘Abbasid Authority Affirmed), XXIX (Hugh Kennedy: Al-Mansur and al-Mahdi), XXX (C. E. Bosworth: The ‘Abbasid Cali­phate in Equilibrium), XXXII (C. E. Bosworth. The Reunification of The ‘Abbasid Caliphate), XXXIV (Joel L. Kraemer: Incipient Decline), XXXV (George Saliba: The Crisis of the ‘Abbaside Caliphate), XXXIX (Ella Landau-Tasseron: Biographies of the Prophet’s Companions and Their Successors). XL (Alex V. Popovkin, Everett K. Rowson: Index).
Theophanes: als „The Chronicle of Theophanes Confessor” von Cyril Mango und Roger Scott aus dem Griechischen ins Englische übersetzt und mit Anmerkungen versehen, Oxford 1997.
Tübinger Bibelatlas, Hrsg. Siegfried Mittmann und Götz Schmitt, Stuttgart 2001.
Abū Naṣr ʿAbdallāh ibn ‘Ali al-Sarrāj al-Tūsī, Kitāb al-Lumaʿ fi’l-Taṣawwuf. Arabischer Text mit englischer Inhaltsangabe. Hrsg. Rey­nold Alleyne Nicholson, „E. J. W. Gibb Memorial” Series, Leyden und London 1914 (Nachdruck LaVergne USA 2010).
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13.2 wissenschaftliche Untersuchungen

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  1. Anhänge

I     Zusammenschau gnostischer Vorstellungen

II    ʿAlī -Stammbäume

III  Verwandtschaftsgruppen der  Scharifen

IV  Haplotypen des Abbasidischen Genealogischen Komplexes (AGK)

[1]   Heinz Halm, Die islamische Gnosis – die extreme Schia und die Alawiten. Zürich 1982

[2]   ebd. , „Die Quellen“, S. 27-33.

[3]   Ivanow, Ummu’l-kitāb, aufgrund einer in Schughnan (heute Tadjikistan) erwor­benen Handschrift von 1879. Gegen 1900 wurden offenbar noch Abschriften für den privaten Gebrauch gefertigt. Der Text steht unter:

http://www.scribd.com/doc/22791874/Ummu-l-Kitab im Internet (abgerufen am 6.12.2010).

[4]   Erste Analyse durch Ivanow, Notes (1932). Italienische Übersetzung und Anmerkungen von Pio Filippani-Ronconi (1966). Analysen mit umfangreichen Übersetzungen ins Deutsche von Tijdens, Hintergrund (1977), und Halm, Gnosis (1982).

[5]   Halm, Gnosis, S. 123 und 302.

[6]   Halm, Gnosis, S. 120.

[7]   Dort als Gestalt des 8. Jahrhunderts Zeitgenosse des sechsten „Imāms“ der Zwölfer-Schia, Ǧaʿfar ibn Muḥammad.

[8]   Halm, Gnosis, S. 209 f., wo er Naubaḫti 39-41 (Buch der Sekten der Schia) und Qummī 53 f. (Buch der Lehren und Sekten) zitiert.

[9]   Bausani, Religion in Iran, S. 151.

[10]    mo’tareż (nach Halm)

[11]    Halm, Gnosis, S. 127 f..

[12]    Bausani, Religion in Iran, S. 150 ff.

[13]    Nag Hammadi Deutsch. Apokryphon des Johannes: NHC II,1; III,1; IV,1 und BG 2. Hypostase der Archonten: NHC II,4. Vom Ursprung der Welt: NHC II,5.

[14]    Halm, Gnosis, S. 185 f.

[15]    Massignon, Salman Pak.

[16]    „Salomon die Allmacht”.

[17]    Halm, Gnosis, S. 158 f. und 172.

[18]    Persönliche Mitteilung Christoph Luxenberg.

[19]    Rudolph, Mandäer II, S. 24.

[20]    Halm, Gnosis, S. 218 ff., nach Qummī 56-59, §§ 111-113.

[21]    Bereits ausführlich in der Sīra des Ibn Hišām 136 ff.

[22]    Anderen Überlieferungen zufolge aus Rām-Hormuz in Khūzistān.

[23]    Levi della Vida in EI(1), unter Bezug auf al-Tūsī, Kitāb al-Lumaʿ.

[24]    Ṭabarī, Ta’rīḫ XXXIV S. 110 f. (III, 1407).

[25]    EI(1) Meshhed Ḥusain, unter Bezugnahme auf Ibn Ḥawḳal, Hrsg. de Goeje, S. 166.

[26]    L. Veccia Vaglieri in EI(2), Band III, S. 612 ff.

[27]    Rubin, Pre-existence and light.

[28]    Williams, Cult, S. 41. In Askalon waren die Häupter von drei christlichen Märtyrern verehrt worden, die 308 unter Diokletian enthauptet worden sein sollen.

[29]    Halm, Gnosis, S. 145.

[30]    Halm, Gnosis, S. 183 f.

[31]    Rudolph, Mandäer I, S. 259, Auszug aus Theodor bar Kôni (Kônai), Über die Kantäer und Dostäer, Scholionbuch, 11. Mēmrē, aus H. Pognon, Inscriptions mandaites des coupes de Khouabir, Paris 1898-1899, 2. Teil, S. 151-155 (syrisch) bzw. S. 220-227 (französisch).

[32]    Hervorhebung vom Autor, wörtlich: „Amīru ʾl-muʾminīna“.   An dieser – an sich dem Herrscher vorbehaltenen – Anrede, erkennt der Schiit ʿAlī. Dass dies bereits im Umm al-Kitāb so war, zeigt die schon frühzeitig erfolgte enge Verknüpfung mit dem Anspruch auf Ausübung der weltlichen Macht.

[33]    Halm, Gnosis, S. 168.

[34]    Halm, Gnosis, S. 37, nach Baghdādī (TL: gestorben 1037) 233-235.

[35]    Hierzu siehe Popp, Biblische Strukturen, und Heger, Yā muḥammad.

[36]    Halm, Gnosis, S. 37, nach Baghdādī 233-235.

[37]    Halm, Gnosis, S. 36, nach Ašʿarī (gestorben um 935) 15.

[38]    Zusammenstellung bei Kohlberg, Abū Tūrāb.

[39]    Halm, Gnosis, S. 240-274.

[40]    Halm, Gnosis,  S. 205 f.

[41]    Nöldeke, Besprechung W. Robertson Smith (1886), S. 152 und S. 177 Fußnote 3.

[42]    Caskel, Ǧamharat, Band II, S. 152, Artikel „ʿAlī” und Tafel 48.

[43]    Rudolph, Mandäer I, S. 157.

[44]    Wurtzel, Coinage S. 186, Nr. 30.

[45]    Popp, Von Ugarit nach Samarra, S. 169.

[46]    Popp, Von Ugarit nach Samarra, S. 86.

[47]    Caskel, Ǧamharat, Band II, S. 263 und Tafel 213; Ṭabarī, Ta’rīḫ, XXVII S. 27-107 (II, 1917-2000).

[48]    Wurtzel, Coinage, S. 178 f. (zu Nr. 30). Wurtzel irrt in der Annahme, die Münze trage den Namen Ǧudai al-Kirmānīs.

[49]    Kennedy, Caliphate, S. 44.

[50]    Popp, Von Ugarit nach Samarra, S. 193.

[51]    Auction Leu 62 (Sammlung Baldassari) Nr. 514; Popp, Von Ugarit nach Samarra, S. 211.

[52]    Anecdota Syriaca II, S. 10 f. (syrischer Text), Nau, Colloque, S. 226 (französische Übersetzung), Palmer, Chronicles, S. 43 (englische Übersetzung). Siehe auch Hoyland, Islam, S. 394 f.. Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der französischen und englischen Übersetzungen. Die in der Einlei­tung in Aussicht gestellte Auskunft über den Gebietsstand ist nicht erhalten.

[53]    Anecdota Syriaca I (Hrsg. Land), S. 39-43. Chronica Minora, Chronicon Miscellaneum ad Annum Domini 724 Pertinens (Hrsg. Brooks), S. 155 (syrisch; Manuskript S. 56 v. und r.), S. 119 (lateinisch). Siehe auch Hoyland, Islam, S. 395 f.. Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der lateinischen Übersetzung.

[54]    Chronica Minora S. 337-349 (syrisch) und S. 265-275 (lateinisch). Englischer Auszug bei Palmer, Chronicles, S. 51 f. Siehe auch Hoyland, Islam, S. 396 ff. .. Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der lateinischen Übersetzung.

[55]    Eusebi Chronicorum Liber prior, Hrsg. Schoene, Appendix 4, Chronographeion Syntomon, Spalten 96 und 97. Englische Übersetzung bei Hoyland, Islam, S. 436. Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der englischen Übersetzung.

[56]    Zur Überlieferungsgeschichte und Bedeutung siehe Thomas, Zeugnisse, S. 142 ff.

[57]    Ibn Hišām, Sīra 807.

[58]    Einer von 17 armenischen Bischöfen, die 645 auf dem Konzil zu Dvin Beschlüsse zur Kirchendisziplin unterzeichneten. Der Name („Eusebios”) kommt sonst im Armenischen nicht vor; deshalb die ansonsten ganz ungesicherte Zuordnung als Autor der Chronik.

[59]    „Indien”: Vielleicht die Persis, kann sich aber auch auf das Rote Meer beziehen.

[60]    Syrien.

[61]    „T’etalk”: ursprünglich die Hephtaliten, hier vielleicht schon die Türken.

[62]    Darunter verstand man in Armenien gewöhnlich das Zweistromland.

[63]    vielleicht Askalon.

[64]    (Pseudo-) Sebeos, Armenische Geschichte, 175-176 (Band I, S. 154). Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der englischen Übersetzung.

[65]    Hoyland, Seeing Islam S. 124 ff.

[66]    Ohlig, Hinweise auf eine neue Religion? S. 248 ff.

[67]    Chronicon Maroniticum zu 969 (S. 54). Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der lateinischen Übersetzung.

[68]    Ohlig a.a.O. S. 266 f.

[69]    Georg von Resh’aina, Geschichte des Maximus Confessor 25. Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der englischen Übersetzung.

[70]    Leben des Johannes von Dailam Abschnitt 10 (S. 145 f.). Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der englischen Übersetzung.

[71]    Chronik von Zuqnin zu 968 und 973 der seleukidischen Ära (S. 114 und 115). Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der französischen Übersetzung.

[72]    Der abbasidische ʿAlī war ein „Neffe von ʿAlī”, doch erklärt das diese seltsame Bezeichnung nicht.

[73]    Theophanes, Chronik zu 654 und 655, S. 483 (AM 6147 und 6148, 346-347). Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der englischen Übersetzung.

[74]    Theophanes, Chronik zu 658, S. 485 (AM 6151, 347). Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der englischen Übersetzung.

[75]    Theophanes, Chronik, Einleitung. Siehe auch Hoyland, Islam, S. 428 ff. (Theophanes) und 400 ff. (Theophilus von Edessa und die „Syriac Common Source”).

[76]    Anonyme Chronik zu 819, S. 8. Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der lateinischen Übersetzung. Der Ausdruck „filius Akkhattab” (Sohn des Predigers?) ist unklar. Palmer, Chronicles, S. 75 ff., ergänzt still­schweigend „b. Abī Ṭālib”. Bedenkt man aber mögliche Bezüge zu ʿUmar ibn al-Ḫaṭṭāb oder zum Abū l-Ḫaṭṭāb der Gnosis, dann wird man mit solchen Ergänzungen vorsichtig sein.

[77]    So bei Hoyland, Islam, S. 500, offenbar nach der lateinischen Übersetzung von Symphorianus Champerius 1508.

[78]    Lewond, Geschichte, S. 79 und 82. Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der englischen Übersetzung.

[79]    Für einen Einschub aus dem späten 9. Jahrhundert tritt Gaudeul, Corres­pondence, ein, während Hoyland, Islam, S. 490 ff. meint, dass ein Teil des Texts aus dem 8. Jahrhundert stammen könnte.

[80]    Abraham ibn Daʾud, Sefer ha-Qabbalah S. 44 f.; ähnlich der Brief des Sherira, Gaon von Pumbedita (968-98), nach Hoyland, Islam S. 449. Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der englischen Übersetzung.

[81]    Abraham ibn Daʾud, Sefer ha-Qabbalah S. 16. Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der englischen Übersetzung.

[82]    Rabban Hōrmīzd, Kapitel XXIII, S. 146 ff. Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der englischen Übersetzung.

[83]    Hoyland, Islam S. 192.

[84]    Theophanes, Chronik zu 671, S. 493 (AM 6164, 353).

[85]    Tatsächlich ergeben die einzelnen von Theophanes überlieferten Angaben nur eine Anwesenheit der Araber von zwei Jahren in den Gewässern vor Byzanz, de­nen man freilich noch andere arabische Aktionen zur See hinzurechnen könnte. Die Zahl „sieben” scheint aber ein Topos zu sein.

[86] Mango weist diese Nachricht in seiner Übersetzung der Chronik des Theo­phanes mit guten Gründen einer verlorenen orientalischen Quelle zu, während die Schilderungen des Geschehens im Marmarameer auf eine verlorene  stadt­byzantinische Chronik zurückzugehen scheinen. Aus späteren Versionen  dieser orientalischen Quelle geht hervor, daß die Gefechte zu Lande in Lykien (Agapius S. 492) oder Kilikien (Michael S. 242) überliefert worden waren.

[87]    Theophanes, Chronik zu 676, S. 496 (AM 6169, 355, 356).

[88]    Theophanes, Chronik zu 678, S. 497 (AM 6171, 356-357).

[89]    Abū al-Haǧǧāǧ Muǧāhid ibn Ǧabr ist in der Traditionsliteratur ein Koran­kom­mentator. Er soll von 642-722 gelebt haben.

[90]    Ka’b al-Aḥbār (Abū Isḥāq, Ka’b ibn Mati’ ibn Haisū’) ist in der Traditions­lite­ratur ein konvertierter Jude aus dem Yemen, der Berater Muʿāwiyas  geworden und 652 oder 654 in Hims gestorben sein soll.

[91]    Ṭabarī, Ta’rīḫ XVIII S. 172 (II, 164). Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der englischen Übersetzung.

[92] Ṭabarī, Ta’rīḫ XVIII S. 165 und 180 (II, 157 und 171).

[93]    Conrad, Conquest.

[94]    Barrington, Atlas, Karte 68 A4.

[95]    Theophanes, Chronik zu 647, S. 478 f. (AM 6140, 344).

[96]    Noth, Studien.

[97]    Lilie, Einführung, gibt S. 239 ff. Beispiele für die Bedeutung gegenstandsfremder literarischer Gesichtspunkte in der byzantinischen Geschichtsschreibung.

[98]    Theophanes, Chronik zu 715-18, S. 538-546 (AM 6208-6210, 386-399).

[99]    Ṭabarī, Ta’rīḫ, XXIV S. 30 ff. (II, 1306-1317).

[100]     Grohmann, Arabic Papyri 71.

[101] Crone, Meccan Trade S. 226 ff.

[102] Caskel, Ǧamharat, Einleitung S. 19-71.

[103] Man vergleiche mit dem Werk Max von Oppenheims, Die Beduinen, das tat­sächlich auf Befragungen beruht. Bei Oppenheim konnte der befragte Scheich in erster Linie nur über seine eigenen Vorfahren und einige nähere Verwandte Auskunft geben, was zu eher schlichten Stammreihen führte. Bei al-Kalbī hin­gegen sprießen die Verzweigungen in frühen Generationen, was den künst­lichen Charakter seines Werkes erkennen lässt.

[104] Sijpesteijn, Archival Mind.

[105] Ṭabarī, Ta’rīḫ XVIII S. 210 und 215 (II, 198 und 204). Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der englischen Übersetzung.

[106] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXX S. 172 (III, 649).

[107] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXXII S. 45 (III, 1001).

[108] Anonyme Chronik auf das Jahr 1234, I 312, CLXVI (S. 243). Ich danke Christoph Luxenberg für die Übersetzung ins Deutsche.

[109] Ṭabarī, Ta’rīḫ, XXVI S. 4 ff. (II, 1667 ff.).

[110] H. Lammens in EI(1), Caskel, Ǧamharat an-Nasab.

[111] Ṭabarī, Ta’rīḫ, XX S. 145 (II, 560).

[112] Crone, Slaves S. 97, unter Anführung von Khalifa, Ta’rikh, S. 465.

[113] Ṭabarī, Ta’rīḫ, XXVI S. 184 (II, 1826).

[114] Popp, Die Geschichte von den untreuen Jüngern Jesu und ihrer Auswanderung nach Spanien, in: Biblische Strukturen, S. 78 ff.

[115] Ṭabarī, Ta’rīḫ XX S. 83 f. (II, 500). Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der englischen Übersetzung.

[116] Ṭabarī, Ta’rīḫ XX S. 145 f. (II, 560). Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der englischen Übersetzung.

[117] Vergleiche wie bei der Kreuzigung Jesu dessen Kleider verteilt werden: Bibel, Markus 15, 24.

[118] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXI S. 40 f. (II, 675 f.). Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der englischen Übersetzung.

[119] Popp, Von Ugarit nach Samarra, S. 206 ff.

[120] Popp, Islamgeschichte, S. 111.

[121] Übersicht bei Halm, Schia, S. 39.

[122] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXXII S. 60 (III, 1012). Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der englischen Übersetzung.

[123] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXXII S. 29 (III, 988). Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der englischen Übersetzung.

[124] Popp, Frühe Islamgeschichte S. 101 f.; Franz, Parousia.

[125] Gabrieli, Al-Ma’mūn e gli ‘Alidi. Es fällt auf, dass Name und Abstammung ʿAlīs am Anfang des Textes (S. 38) lediglich mit „ʿAlī b. Mūsā b. Ǧaʿfar” angegeben werden. Erst später im Text ist (S. 42) von den Nachkommen des ʿAbdallāh b. al-‘Abbās und des ʿAlī b. Abī Ṭālib als von „seinen Verwandten” (Ahl baytihi) die Rede, werden diese als „zwei Familien” bezeichnet, und wird die Stammreihe ʿAlīs bis auf ʿAlī ibn Abī Ṭālib hinaufgeführt. Das sieht im Lichte der weiter unten gewonnenen Erkenntnisse nach Interpolation einer möglicherweise älteren Vorlage aus.

[126] Crone und Hinds, Gods Caliph, Anhang 2 (mit neuerer Übersetzung des Briefes für ʿAlī al-Riḍā in Anhang 4).

[127] Pilgerverkehr ist seit dem 10. Jahrhundert überliefert. Das heute verschwun­dene Grab Hārūns lag vermutlich in der Mitte des Mausoleums, in dessen Nordostecke heute das Grab ʿAlīs im Mittelpunkt des Pilgerverkehrs steht.

[128] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXIX S. 252 f. (III, 533).

[129] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXIX S. 148 f. (III, 442).

[130] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXIX S. 49 (III, 358).

[131] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXIX S. 145 f. (III, 440).

[132] Zambaur, Manuel, Tafel G (Abbasiden). Im Namen eines Ǧaʿfar „Abū Fatḥ” wurden offenbar Münzen geschlagen. Zambaur identifiziert den Vater der genannten Kinder, der im Jahre 145 Gouverneur von Mossul gewesen sein soll, mit dem älteren Ǧaʿfar, bezeichnet ihn aber gleichzeitig als Gouverneur von Basra unter Al-Rašīd und weist ihm als Todesdatum 186 oder 190 zu, was nicht sein kann. Es scheint, dass hier teilweise Nachrichten vereinigt wurden, die verschiedene Personen betreffen.

[133] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXVII S. 149 f. und 167 (III, 26 und 43).

[134] Mansurpuri, Mercy unto the Worlds, Band 2, S. 84.

[135] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXXII, S. 46 ff. (III, 1001).

[136] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXXII S. 62 f. (III, 1013).

[137] Lateinische Chronik auf 754, Abschnitt 134 (S. 366) zum Jahr 788 der spanischen Ära (entspricht 750), dem 133. Jahr der Araber (entspricht 750/751).

[138] Der Begriff „Scharif“ unterlag im Laufe der Zeit einem Bedeutungswandel. In der arabischen Frühzeit („Umayyaden“) verstand man darunter in erster Linie die Oberhäupter der Stämme, also Personen, die keineswegs nah miteinander verwandt waren, 200 Jahre später nur noch das Herrscherhaus (mit den sogenannten Aliden).

[139] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXXV S. 15 (III, 1516).

[140] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXV S. 129 (II, 1592). Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der englischen Übersetzung.

[141] Zum Beispiel Khoury, in der im Jahre 844 geschriebenen Sīra des Heidelberger Papyrus (PSR Heid Arab 23), Prophetenbiographie (PB) 17, 11: „Darauf wandte er sich an ʿAlī und sagte: „Oh Abū l-Ḥasan, willst du gegen diese Leute zum Kampfe ausziehen?” Er antwortete: „Ja, Gesandter Gottes”.

[142] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXVIII S. 166-176 (III, 208-215). Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der englischen Übersetzung.

[143] Der Überlieferung nach Sohn der Koptin Māriyah.

[144] Es gibt in der Traditionsliteratur Überlieferungen, dass ʿAlī Zain al-‘Ābidīn der Sohn einer Tochter des letzten sasanidischen Königs Yasdegird war.

[145] Koran 33,40.

[146] Kennedy, Court, S. 160 ff.

[147] Sharon, Black Banners.

[148] Theophanes zu 6241.

[149] Siehe Agha, Revolution.

[150] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXVI S. 137 (II, 1784).

[151] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXVI S. 198 und 200 (II, 1838 und 1839).

[152] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXVII S. 167 (III, 43). Theophanes vermerkt die Ermordung von Abbas zum Jahre 6236 (744/745), offenbar in Hims. Als Motiv gibt er Hexerei an.

[153] Gemeint ist Armenien, wo er Statthalter war.

[154]    Gemeint ist der biblische Prophet, der im Folgenden zitiert wird (Jer 6, 21).

[155] Es folgt eine Wiedergabe von Jer 1, 14.

[156]    Es folgt ein Zitat aus Psalm 107, 27

[157] Im Ṭabarī spielt der Vater, Ṯābit ibn Nu’aym, die größere Rolle.

[158] ‘Ayn al-Ǧarr, heute ‘Andjar, wo sich ein Umayyaden-Schloß befindet.

[159] Chronik Zuqnin zu 1057. Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der französischen Übersetzung.

[160] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXVI S. 249 ff. (II, 1876 ff.).

[161] Ḫālid ibn ʿAbdallāh al-Qaṣrī, Statthalter von Irak.

[162] Diese Stelle ist unklar. Möglicherweise hatte er die beiden später festgesetzt, und ist dies nur nicht überliefert. Als Ḫālid wenig später seiner Stellung ent­hoben wurde, soll er sich als Anhänger der Abbasiden zu erkennen gegeben haben. Vielleicht soll diese Geschichte dies begründen und darauf vorbereiten.

[163] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXVI S. 74 (II, 1731 f.). Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der englischen Übersetzung.

[164] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXVI S. 170 f. (II, 1816).

[165] Sharon, Black Banners, S. 150 f, wo er Aḫbār S. 194-197 als Quelle angibt.

[166] Anonyme Chronik auf das Jahr 1234, I 314, CLXVIII (lateinische Übersetzung S. 244 f.). Ich danke Christoph Luxenberg für die Übersetzung dieser und der folgenden Stellen ins Deutsche.

[167] Anonyme Chronik auf das Jahr 1234, I 324 f., CLXXVII (lateinische Übersetzung S. 253), Übersetzung ins Deutsche durch Christoph Luxenberg.

[168] Anonyme Chronik auf das Jahr 1234, I 333, CLXXXI (lateinische Übersetzung S. 260), Übersetzung ins Deutsche durch Christoph Luxenberg. Dieser Mord wird von Agapius, Kitab al-‘Unvan 120, dessen Bruder Ṣāliḥ zugeschrieben. Varianten finden sich auch in der arabischen Traditionsliteratur: Ṭabarī, Ta’rīḫ XXVII S. 175 (III, 51) und S. 172 Fußnote 411.

[169] Graphik zur Abhängigkeit der Handschriften bei Conrad, Conquest, S. 326.

[170] Popp, Von Ugarit nach Samarra, S. 167 ff.

[171] Lassner, Revolution, S. 55 ff.

[172] Nagel, Untersuchungen, S. 53.

[173] Halm, Gnosis, S. 43 ff.

[174] Agha, Revolution, S. xix.

[175]    Lewis, Assassins.

[176] Hier könnte ein Irrtum oder eine verderbte Stelle vorliegen. Mekka liegt süd-südwestlich von Alamut. Der Hochsitz müsste demnach eher nach Süden ausgerichtet gewesen sein, so dass die versammelten Anhänger nach Norden blickten.

[177] Halm, Reich des Mahdi S. 179 und 222 f., führt ähnliches z.B. für den Ramadan 299 (April 912) in Sanaa und für das Jahr 309 (921) unter der Herrschaft al- Mahdīs im heutigen Tunesien an.

[178]    Lewis, Assassins, S. 72. Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche durch den Autor.

[179] ebd.: Als Überlieferer nennt er neben Anderen: Abū Isḥāq Quhistāni, ‘Atā Malik Juvaynī (1226-83), Rašīd al-Dīn (etwa 1247-1318) und Abū l-Qāsim Kāshānī (S. 145 f.)

[180] Ältester Sohn des Fatimiden-Herrschers al-Mustanṣir (1036-94). Nach dem Tode des Vaters wurde der zur Thronfolge vorgesehene Nizār übergangen und mit Hilfe des Wesirs al-Afḍal dessen Bruder al-Mustaʾlī zum Herrscher erhoben. Nizār rebellierte 1095 in Alexandrien, wurde gefangengenommen und später in Gefangenschaft umgebracht, angeblich mit seinen Söhnen. Späterer Überlieferung zufolge soll jedoch ein Enkel Nizārs nach Persien gelangt und im Geheimen in Alamut aufgezogen worden sein (Lewis. Assassinen S. 49).

[181] Schoy, Kibla.

[182] Rudolph, Mandäer I, S. 136.

[183] Brisch, Jerusalem, Felsendom, Bild Nr. 22 und Fig. 8.

[184] Historical Atlas of Islam, Karte 26b.

[185] Hillenbrand, Damaskus, Große Moschee, Bild Nr. 26 und Fig. 10.

[186] Sack, Moschee von Resafa.

[187] Bashear, Qibla Musharriqa.

[188] Bashear, Yemen in Early Islam.  Vgl. hebr. yamīn – rechte Hand, daher: Ben-yamīn – Sohn der rechten Hand; Jemen = „Land der (rechten = glück­ver­heißen­den) Hand = Arabia Felix; die Gleichsetzung von „rechts“ und „Süden“ könnte von einer morgendlichen Blickrichtung nach Osten herrühren, so dass der Süden „rechts“ liegt (Hinweis Markus Groß).

[189] Bashear, Yemen in Early Islam.

[190] Assmann, Moses der Ägypter.

[191] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXX S. 172 mit FN 626 (III, 649).

[192] Es ist wenig wahrscheinlich, dass es sich um eine geschichtliche Gestalt handelt. Der Name (wörtlich: „der Ausgewählte”, auch: „der Bürgermeister” – Hin­weis Luxenberg) drückt für diesen Raum kennzeichnende Messias-Vor­stel­lungen aus. Volker Popp weist mich darauf hin, dass es in späterer Zeit ei­ne Münz­stätte „Muḫtara” gab, die man mit dem sogenannten Zanǧ-Aufstand un­ter der Führung eines ʿAlī ibn Muḥammad in Verbindung bringen kann (TL 869-882, siehe Ṭabarī, Ta’rīḫ XXXVI S. 29 ff. (III 1742 ff.), ver­gleiche Zambaur, Münzprägungen S. 235). Die Anhänger dieses Münzherren bezeich­neten sich auf ihren Prägungen als „Muḥammadun”. Wahrscheinlich handelte es sich um eine messianische Bewegung. Wenn diese Bewegung ihre Basis „Muḫtara” nannte, mag sie sich damit auf einen „ausgewählten” Führer bezogen haben.

[193] Caskel, Ǧamharat, Band II, S. 297 und Tafel 141.

[194] Bashear, Hanifiyya and Hajj.

[195] Bashear, Muqaddima, unter Bezug auf die Ṭabaqāt des Ibn Saʿd (Band 5) und das Aḫbār al-Dawla. Er sieht auch Ähnlichkeiten im Leben Muḥammad ibn al-Ḥanafīyas und des Ḥasanidischen Prätendenten Muḥammad ibn ʿAbdallāh mit dem Beinamen „Nafs al-Zakīya”.

[196] Unter Bezug auf das Aḫbār al-Dawla, S. 107, wo ʿAbdallāh ibn al-Zubair diesen Namen gebraucht. Vergleiche Ibn Saʿd, Ṭabaqāt, Band I (Übers. Moinul Haq), S. 116; und Ibn Hišām, Sīrat Rasūl Allāh 300, wo der Satan in ‘Aqaba den arabischen Propheten Muḏammam nennt und die Anṣār Ṣubāt.

[197] Vielleicht ein Gegenstück zur „Mutter Gottes”, siehe Veccia Vaglieri in E I(2). Allerdings vermeidet Ibn Saʿd in seinen Ṭabaqāt bei der Aufzählung der Kinder Muḥammad ibn al-Ḥanafīyas den Namen Fāṭima und gibt nur ihre Kunya „Umm Abī-hā” wieder. Sie scheint aber mit der Fāṭima identisch zu sein, die an anderer Stelle bei Ibn Saʿd als Tochter Muḥammads bei der Prophetenwitwe ʿĀʾiša erscheint (Ibn Saʿd, Band 8, Ausgabe „Women of Madina”, S. 319). Diese Fāṭima wird dort als Ehefrau des ʿAbdallāh ibn Abī Bakr bezeichnet. Hier mag eine verschüttete ältere Schicht der gelehrten Überlieferung zu Tage treten, in der Fāṭima nicht ʿAlī, sondern Abū Bakr und dessen Familie zugeordnet war, vgl. Mansurpuri Band 2, S. 108 f.; auch lassen die zahlreichen Fāṭimas in der Verwandtschaft des Muḥammad und des ʿAlī auf mehrere Schichten in der Traditionsliteratur schließen (Crone und Cook, Hagarism, S. 178, Fußnote 69 zu Seite 28).

[198] Unter Bezug auf Ibn Saʿd, Ṭabaqāt.

[199] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXI S. 62 (II 695) hat Shi’b ʿAlī. Mit Ayla ist wohl das heutige Eilat am Golf von Akaba gemeint.

[200] Bashear sieht hierin auch eine Parallele zu ʿAlī.

[201] Unter Bezug auf Ibn Saʿd.

[202] Ibn Saʿd nennt: ʿAbdullāh („Abū Hāšim”), Ḥamza, ʿAlī, Ǧaʿfar den Älteren, al-Ḥasan (den angeblichen Autor des Kitāb al-Irǧāʾ), Ibrāhīm, al-Qāsim, ‘Abdu ʾr-Raḥmān, Ǧaʿfar den Jüngeren, (Fāṭima) „Umm Abī-hā”, ‘Awn, ‘Abdullāh den Jüngeren, ‘Abdullāh und Ruqayya. Im Vergleich: Der arabische Prophet soll die Kinder Zaynab, Ruqayyah, Umm Kulṯūm, Fāṭima, al-Qāsim, zwei ‘Abdullāh mit den Beinamen „al-Ṭāhir” und „al-Ṭayyib” sowie Ibrāhīm gehabt haben (Ṭabarī, Ta’rīḫ VI S. 48 f. mit FN 60 (I, 1128).

[203] Es mag aber bereits frühzeitig eine Gestalt im Umfeld des arabischen Prophe­ten gegeben haben, an die die Abbasiden mit ihren Bemühungen um Histori­sierung anknüpfen konnten. Der ibn ʿAbbās des Muḥammad ibn al-Ḥanafīya mag eine Weiterentwicklung des neutestamentlichen Barabbas (Markus 15, 7) sein. Raschke sah in diesem einen „Jesus bar Abbas“ – „Jesus, Sohn des Abbas“, den er in die Nähe des Barkochba („Sternensohn“) rückte; siehe Raschke, Werkstatt, S. 307 ff.

[204] Popp, Biblische Strukturen S. 87 ff.; Maauia der Aramäer S. 151 f.; vgl. den Zunbīl von Zābulistān im Ṭabarī, Ta’rīḫ XXII und XXIII.

[205] Ibn Hišām, Sīrat Rasūl Allāh 300.

[206] Die Gnosis, Band II, S. 378: „Meine Auserwählten! Bewaffnet Euch mit einer Waffe, die nicht aus Eisen ist. Eure Waffe sei das Nasoräertum und die wahr­haften Reden des Lichtortes …” (aus dem rechten Ginza, 25,20; § 177).

[207] Bashear führt hierzu Parallelstellen an, an denen sich der arabische Prophet über zulässige Waffen äußert.

[208] Ibn Hišām, Sīrat Rasūl Allāh 324-328. Die Berge Ṯaur und Ṯabīr werden ebendort 173 zusammen mit dem Berg Ḥirāʾ genannt. Sollte die auffallende Namensähnlichkeit mit dem Berg Tabor in Galiläa für den Einfluß einer spätantiken christlichen Tradition sprechen? Der Berg der Verklärung Jesu (Markus 9, 2-13) ist in den Evangelien noch namenlos.

[209] Heidelberger Papyrus PB 8, S. 143. Der Christus ist auf seiner Flucht nicht mehr der von zwölf Jüngern begleitete Jesus. Während sich ʿAlī in Mekka die Frage des Abu Djahl anhören muß „Steh auf, Muhammad! Wo ist dein Gott, um dich zu retten, von dem, was dir zugestoßen ist?” (vergleiche Markus 15) hat der Muhammad bereits im Berge der Verklärung, dem Ort des rein göttlichen Christus, Zuflucht gefunden.

[210] Es mag nicht dem Zufall geschuldet sein, dass Muḥammad ibn al-Ḥanafīya von ʿAbdallāh ibn al-Zubair verbrannt werden sollte, eine Todesart, die in der Traditionsliteratur bei häretischen Gnostikern auch sonst begegnet.

[211] Die Gnosis, Band II, S. 309: „Wenn der fremde Mann kommt, wer wird sich ihm entgegenstellen? Eine Keule des Glanzes ist in der Hand des Manda dHaijê, er kommt und wirft die Rebellen nieder” (Sonntagshymnus aus einer mandäischen Liturgie, Oxf. I 14); die Bezeichnung Ḫašabīya ist abgeleitet von ḫašab – Holz.

[212] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXI S. 59 ff. (II, 693-695).

[213] Bibel, Markus 14, 32-52.

[214] Raschke, Werkstatt S. 81 ff., unter Bezugnahme auf Smith, Ecce Deus S. 114 ff.

[215] Rubin, Eye, S. 192, hat aber auch hierfür Überlieferung gefunden.

[216] Jansen, Mohammed, S. 213 mit Fußnoten 29 und 30. Vgl. auch ebenda S. 33 zu den Lebensdaten des arabischen Propheten.

[217] Luxenberg, Syrische Liturgie, S. S. 436-440.

[218] Raschke, Werkstatt, S. 299 ff.

[219] Rudolph, Mandäer I, S. 157-159.

[220] Vergleiche Artikel „Abū Bakr” von W. Montgomery Watt in E I (2).

[221] Rudolph, Mandäer II, S. 17 ff. In jüngeren Texten heißt diese Hütte „Mandi”.

[222] Gleichsetzung mit dem „Macoraba” des Ptolemäus kommt kaum in Frage, da diese Bezeichnung eher als „Maġrib” – Westen (der Arabischen Halbinsel) zu verstehen ist; siehe Bucharin, Mecca, S. 122. Der Name „Makoraba“ findet sich auf der Karte des Ptolemäus auch etwa dort, wo man eine solche Bezeichnung eintragen würde – und recht weit ab vom heutigen Mekka. Zu weiteren Versuchen, Mekka in antiken Quellen wiederzufunden, siehe Crone, Meccan Trade, S. 134 ff.; vergleiche auch Crone und Cook, Hagarism, S. 24 f., ins­beson­dere Fußnote 48 auf S. 175.

[223] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXI S. 224 ff. (II, 844 ff.). Er wird von einem Ziegel im Gesicht getroffen, also nicht durch Eisen.

[224] Der 38 vor Christus beginnenden spanischen Ära. Das entspräche rechnerisch dem Jahr 682 der christlichen Ära, siehe Lateinische Chronik auf 754, Vorrede Mommsen S. 327. Das „66. Jahr der Araber” dauerte aber nach späterem Verständnis (so im Tabari) von August 685 bis Juli 686.

[225] Lateinische Chronik auf 754, Abschnitt 45, S. 347. Übersetzung ins Deutsche durch den Autor. Ähnlich die Chronik auf 741: „bei Macca, Abrahams, wie sie meinen, Haus, das zwischen dem Ur der Chaldäer und der mesopotamischen Stadt Carras an der Einöde liegt” (S. 347, linke Spalte).

[226] Das griechische Charax bezeichnete eine Befestigung durch Palisaden und der Name ist entsprechend häufig. Hier wird es sich um die heute verschwundene Hafenstadt im Norden des Persischen Golfs handeln, die zunächst nach Alexander dem Großen Alexandria hieß, später, nach einer Erneuerung durch Antiochus: Antiochia und schließlich nach dem Arabischen Häuptling Spasines: Spasinou Charax (Barrington, Atlas, S. 93).

[227] Popp, Biblische Strukturen, S. 78-81.

[228] Aramäisch „murmeln”, was sich auch auf Murmeln beim Beten beziehen kann (Hinweis Luxenberg). Auch das im Islam verpönte murmelnde Beten der zoroastrischen Priester wurde „zamzama” genannt (Hinweis Popp). Man vergleiche den Artikel „Zamzam” von B. Carra de Vaux in EI(1), S. 1213.

[229] Ibn Saʿd, Ṭabaqāt, Band I, S. 281.

[230] Die Mandäer werden in der Traditionsliteratur auch als Sabier (al-Ṣābi’ūn, Ṣubbaʾ: „Täufer”) oder Muġtasila („Sichwaschende”) bezeichnet. Ausgehend von diesen Bezeichnungen sei auf zwei mögliche Sprachverwandtschaften hin­ge­wie­sen: 1) Die Saba’iten (al-Saba’īya) galten den Häresiographen als Anhänger des ʿAbdallāh ibn Saba’, angeblich ein konvertierter Jude (siehe Halm, Gnosis, S. 33-42). ʿAlī soll ihn als übermäßig eifrigen Anhänger zunächst zu töten befohlen haben. Auf Bitten seiner Anhänger sei er dann aber statt dessen nach al-Madā’in in die Verbannung geschickt worden. ʿAbdallāh ibn Saba’ und dessen Anhänger sollen ʿAlī vergöttlicht haben; er spielt auch im Umm al-Kitāb eine Rolle. Könnte er nicht ursprünglich eher ein „Gottesknecht von den Täufern” gewesen sein, als ein Sabäer? 2) al-Muḫtār ibn Abī ʿUbaid al-Ṯaqafī galt den Häresiographen als der Gründer der Kaisaniten. Könnte er nicht ursprünglich eher ein „Wäscher” gewesen sein,  als ein „Ausgewählter” oder „Bürgermeister”? In beiden Fällen ist die Lautung zu unterschiedlich, um unmittelbar auf diese Bedeutungen schließen zu dürfen. Man muß aber mit Entstellungen rechnen, auch mutwilligen, die nicht der natürlichen sprach­lichen Entwicklung folgten.

[231] Nevo und Koren, Crossroads S. 327 ff. und Anhang C.

[232] Für Muḥammad ibn al-Ḥanafīya: Ṭabarī, Ta’rīḫ XXXIX S. 208 (III, 2476); Für den arabischen Propheten: Ṭabarī, Ta’rīḫ VI S. 72 (I, 1151) und Ibn Hišām, Sīrat Rasūl Allāh 153 (S. 106). Man vergleiche: „qismet“ = Zuteilung, daraus dann „Schicksal“ (Hinweis Markus Groß).

[233] Halm, Schia, S. 41 ff.

[234] Ṭabarī, Ta’rīḫ VI S. 48 f. (I, 1128).

[235] Popp, Von Ugarit nach Samarra, S. 128 ff., und S. 187 ff.

[236] Ibn Saʿd, Ṭabaqāt, bringt Band I, S. 116 ff. mehrere Überlieferungen, die darauf hinauslaufen, dass der Name Muḥammad und die Kunya Abū al-Qāsim nicht zusammen vergeben werden sollen.

[237] Vergleiche den „Menschensohn” der Bibel, Daniel 7, 13, Markus 14, 62 sowie Lk 12,8.

[238] al-Qummī 27-32, §§ 66 ff. nach Halm, Gnosis, S. 49 ff.

[239]    Autor des Werks „Kitāb uṣūl al-niḥal“. Dieses wurde dem Autor Nāšiʾ al-Akbar (laut TL gest. 906) zugeschrieben, stammt möglicherweise aber  tatsächlich von Ǧaʿfar ibn Ḥarb (laut TL gest. 850/51), siehe Halm, Gnosis, S. 30.

[240] Pseudo-Nāšiʾ, Uṣūl 37, Z. 3 ff. (Nr. 55-59) nach der Übersetzung von Halm, Gnosis, S. 71.

[241] Nag Hammadi Deutsch, Das Apokryphon des Johannes (NHC III,1), S. 87 f.

[242] Nag Hammadi Deutsch, Hypostase der Archonten (NHC II,4), S. 171.

[243] Nag Hammadi Deutsch, „Vom Ursprung der Welt” (NHC II,5), S. 192.

[244] Koran Sure 53, 19-27, nach der Übersetzung von Paret, S. 441 f.. Nach der Erwähnung Manāts soll sie ursprünglich „auf Grund einer Einflüsterung des Satans” noch gelautet haben: „Das sind die erhabenen Kraniche (? Hinweis Luxenberg: Es handelt sich um Bäume!). Auf ihre Fürbitte darf man hoffen” – siehe Kommentar von Paret S. 461.

[245] EI (1), Artikel von Frants Buhl zu al-Lāt und Alilat.

[246] Luxenberg, Neuübersetzung Sure 53:1-18 in Vorbereitung.

[247] Popp, Vorhang der Ewigkeit. In der Nag Hammadi-Schrift „Hypostase der Archonten” (NHC II, 4 S. 172.) heißt es: „Es gibt einen Vorhang zwischen denen, die nach oben gehören, und den Äonen, die unten sind. Und es entstand ein Schatten unterhalb des Vorhangs. Und dieser Schatten wurde zur Materie …”

[248] Dieser Name mag oder mag nicht mit dem des gnostischen Lichtes oder Engels Eleleth verwandt sein, vielleicht auch mit dem ʿAlīs. Der knappe Korantext bietet für weitergehende Analysen wenig Anknüpfungspunkte.

[249] Koran, Sure 5, 60. Von hier ist es zu buddhistischen Vorstellung nicht mehr weit, man vergleiche die Vorstellung der Seelenwanderung bei den Aleviten (Hinweis Markus Groß).

[250]  Vgl. Christoph Luxenberg „Die arabische Inschrift im Felsendom zu Jerusalem“   in: Karl-Heinz Ohlig, Gerd-Rüdiger Puin (Hg.), Die dunklen An­fänge. Neue     Forschungen zur Entstehung und frühen Geschichte des Islam, Berlin (Verlag Hans Schiler) 2005, Seite 124-147. Wie sich aus den dort in wechselnder Kombination vorkommenden Bezeichnungen ergibt, die offenY­sichtlich alle dieselbe Person bezeichnen: „der zu Lobende (muḥammad)“, „der Knecht Gottes (ʿabd allāh)“, „der Gesandte (rasūl)“, „Christus Jesus, Sohn der Maria (Masīḥ(u) ʿĪsā bn(u) Maryam)“, „der Messias (Masīḥ)“ und „Jesus, Sohn der Maria (ʿĪsā (i)bn(i) Maryam)“.

[251] Nevo und Koren, Crossroads, S. 297 ff.

[252] Heidelberger Papyrus, PB 17, mit der Verbesserung von Kister, Papyrus.

[253] Ibn Hišām, Sīrat Rasūl Allāh 114.

[254] Ibn Hišām, Sīrat Rasūl Allāh 344. Übersetzung ins Deutsche durch den Autor auf Grundlage der englischen Übersetzung.

[255] Halm, Gnosis, S. 78 ff. Nagel, Untersuchungen, S. 14 ff.

[256] Ṭabarī, Ta’rīḫ XXIV S. 87 f. (II, 1358).

[257] Popp, Von Ugarit nach Samarra, S. 175 f., Halm, Gnosis, S. 64 ff.

[258] Theophanes, Chronik zu 747/748, S. 587 (AM 6240, 424). Diese Bezeichnung macht nicht viel Sinn, wenn man Hāšim und ʿAlī als Urgroßvater und Enkel im Sinne der Traditionsliteratur auffasst. Sie macht aber sehr wohl Sinn, wenn sich damals ein Teil des Herrscherhauses auf (Abū) Hāšim und ein anderer auf ʿAlī bezogen haben sollte.

[259] Ohlig, Von Bagdad nach Merw.

Ohlig, Vom Ostiran nach Jerusalem und Damskus.

Ohlig, Vom muhammad Jesus zum Propheten der Araber.

Popp, Von Ugarit nach Samarra, S. 78 ff.

[260] Halm, Gnosis, S. 136.

[261] Auch ein Name wie ‘Abd al-Muṭṭalib mag erst aus dieser Quelle in den Quraiš-Stammbaum gesetzt worden sein.

[262] Popp (Biblische Strukturen und Maauia der Aramäer) hat gezeigt, dass das Patronymikon Muʿāwiyas von Ziyad ibn Abī Sufyān (den Sufis zugehörig) übernommen wurde, dem Gouverneur der Persis, der laut Traditionsliteratur im Wege der Anerkennung zum Bruder des Kalifen gemacht worden sein soll. Tatsächlich bildete diese Geschichte in der Traditionsliteratur umgekehrt den Anknüpfungspunkt, um Muʿāwiya überhaupt genealogisch einordnen zu können.

[263] Puin, Diwan.

[264] Crone, On the meaning of the Abbasid call to al-Rida.

[265] Einen Überblick über Methoden und Stand der Forschung kann man sich am einfachsten in „Dienekis’ Anthropology blog“ beschaffen:

http://www.dienekes.blogspot.com/

[266] Rafiee et al. 2009.

[267] Ermittlung der Haplogruppen mit Hilfe des Programms von Whit Athey, www.hprg.com/hapest5, abgerufen am 6.12.2010.

[268] Regueiro et al. 2006.

[269]     www.familytreedna.com/public/sharifs/default.aspx?section=yresults, abgerufen am 6.12.2010. Im Frühjahr 2011 wurden Zugang und DNS-Daten­sätze aus dieser Seite gelöscht. Ruft man diese Adresse jetzt auf, so wird man zu einem „ARAB DNA Project“ umgeleitet, das ebenfalls nicht mehr aktiv ist.

[270]http://dna.ancestry.com/groupDNA.aspx?siteId=76668888, abgerufen am 6.12.2010. Öffentlich zugänglich unter www.dna.ancestry.com und Anmeldung mit „Username“=“adam0999“, sowie „Password“=“project2010“.

[271] Dies wird hier vorausgesetzt. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass sich nicht nur einzelne Personen, sondern gelegentlich auch ganze Geschlechtsverbände beteiligt haben, wie dies für den J2a-Geschlechtsverband aus Msaken (Tunesien) offensichtlich ist.

[272] Nevo und Koren, Crossroads.

[273] Spengler, Untergang, Band II, „Probleme der Arabischen Kultur”, S. 784 ff.

[274] Jonas, Gnosis, Erster Teil, Einleitung.